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08. September 2012Laurids Ortner
Der Standard

Venedig, die Architektur und der Polterer

Einwendungen gegen die „mutwilligen Verbiegungen“ einer „innovativen“ Architektur, die den Ehrgeiz hat, so auszusehen, „als ob sie fliegen könnte“, als Erwiderung auf Wolf D. Prix' Biennale-Schelte („Architektur-Karneval in Venedig“, STANDARD, 1. 9.)

Einwendungen gegen die „mutwilligen Verbiegungen“ einer „innovativen“ Architektur, die den Ehrgeiz hat, so auszusehen, „als ob sie fliegen könnte“, als Erwiderung auf Wolf D. Prix' Biennale-Schelte („Architektur-Karneval in Venedig“, STANDARD, 1. 9.)

Chipperfield's Architekturbiennale - und die davor von Kazuyo Sejima - führen vor, dass sich die Auffassung, welche Gewichtung in der Architektur weiterführend bedeutsam sein wird, deutlich geändert hat. In den Mittelpunkt wird wieder der notwendige gesellschaftliche Konsens gerückt, der ja die Baukunst grundsätzlich von den freien Künsten trennt. Eine klare Absage an egomane Attitüden, deren Wille zum „innovativen“ Mut recht mutwillige Verbiegungen hervorbrachte. Ihr zuerst gepriesenes spektakuläres Äußeres war in der Regel ideell rasch verpufft und die Bauwerke vielfach materiell in Auflösung.

Dass diese Architektur den Ehrgeiz hat, so auszusehen „als ob sie fliegen könnte“, immer antritt gegen das Bestehende, lässt sich in der scheinbar unstillbaren Sucht nach Modernität und immerwährendem Neubeginn verstehen.

Zu ihrer Umsetzung muss aufwändige Technik herhalten, räumliche Qualitäten aber hinken weit hinter historischen Beispielen her. Stellt man beispielsweise einen Bau wie das 2000 Jahre alte Pantheon dagegen, wird klar, wie sehr sich unter modernistischem Vorzeichen die Kriterien der Architektur verzerrt haben.

Was nun versucht wird, ist herauszukommen aus diesem endlosen Probieren, die Architektur ständig neu zu erfinden. Wiens Dachausbauten der letzten 15 Jahre geben ein unübersehbares Zeugnis von diesem Bemühen, das vor allem die Architekturausbildung der Angewandten zu ihrem Programm erklärt hat.

Die Themen, denen man sich mit zunehmender Behutsamkeit zuwendet, geben Europas Metropolen vor:

Wie lässt sich grandioses Erbe mit den heutigen Anforderungen zu einer brillanten Einheit verbinden. Dieses Anknüpfen an Tradition, dieses Verbinden zu neuer Gemeinsamkeit ist nicht rückwärtsgewandt. Es ist politisch so wichtig wie architektonisch. Europäischer Stoff - sorry world - es gibt keinen besseren.

Prix's Äußerungen sollte man nicht auf die Goldschale legen. Die Biennale, die er so harsch kritisiert, kennt er allenfalls aus Zeitungen. In Venedig war er nicht. Chippi hat den Fehler gemacht, ihn nicht einzuladen. Dazu kommt, dass ausgerechnet Tschapeller, der ihm trotz handverlesener Jury den Umbau für die Angewandte wegschnappt, Österreich in Venedig besser vertritt als das in vergangenen Jahren geschehen ist. Und der Richtungswechsel, der immer deutlicher wird.....

Da kommt schon einiges zusammen, das den schwindenden Einfluss durch lautes Poltern wettmachen muss.

Der Standard, Sa., 2012.09.08

15. Februar 2003Laurids Ortner
Der Standard

Wien-Mitte, mon amour

Architekt antwortet auf „Abscheulichkeit“

Architekt antwortet auf „Abscheulichkeit“

In ihrer couragierten Art hat Ute Woltron das eigentliche Problem von Wien-Mitte benannt: „Die geplante Architektur ist kalt, brutal, unschön, weil viel zu dicht“ und „ . . . die Räder der Ökonomie haben das Projekt zerrieben und Abscheuliches ausgespien“.

Endlich deutliche Worte und auch der mögliche Ansatz, die Architekturdiskussion hierzulande präziser zu machen. Man braucht fürs Erste die negativen Attribute „kalt, brutal, unschön, dicht“ durch positive zu ersetzen: etwa „heimelig, freundlich, gefällig, aufgelockert“. Das könnte ja schon Kriterien für gute Architektur ergeben. Fehlt vielleicht noch der saloppe Begriff „fesch“, den „uwo“ gern gebraucht, wenn es um schmissige architektonische Formen geht, die irgendwie auch in die Zukunft weisen.


Triebfeder Ökonomie

Wie allerdings die „Räder der Ökonomie“ durch etwas ersetzt werden könnten, das nun nicht mehr „Abscheuliches“ ausspeit, sondern vielleicht Anmutiges, wüsste ich nicht. Denn war nicht gerade die Ökonomie, das knapp kalkulierte Haushalten, eine der wichtigsten architektonischen Erkenntnisse des vergangenen Jahrhunderts?

„Form follows function“ nur als ästhetische Anleitung zu verstehen und nicht als ökonomischen Grundsatz, würde wesentliche Erkenntnisse der Moderne zunichte machen.

Womit wir schließlich bei jener unsäglichen Investorenarchitektur angelangt sind, die aus purer Profitgier mit schlechter Architektur und überzogenen Massen unsere Städte zerstört. Eine Achse des Bösen, die sich da zwischen Politik und Kapital gebildet haben muss - wie sonst wäre das möglich? Das Vertrauen in die kontrollierenden Mechanismen der Demokratie schwindet in dieser Stadt, sobald im Einzelnen das Gefühl aufkommt, davon etwas zu verstehen.

Von Architektur verstehen Gott sei Dank alle was. Herr Lipp aus Linz erklärt die Höhe des Hilton Hotels zum Maß für Wien-Mitte, emeritierte Universitätsprofessoren entwickeln kühne Umschichtungsstrategien von Baumassen zum Westbahnhof hin, nicht wenige Bürger wollen statt alldem einen Park, „uwo“ begnügt sich mit „abscheulich“.


13 Jahre Diskussion

Man sollte an dieser Stelle den Hinweis riskieren, dass dieses Projekt Wien-Mitte nicht vorgestern zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde und nun der überfällige Sturm von Meinungen und Vorschlägen losbricht. Nein, Wien-Mitte geht ins 13. Jahr. Es hat alle Instanzen der demokratischen Auseinandersetzung, des vorgeschriebenen Rechtswegs mehrmals durchlaufen. Es wurde mit Bürgerinitiativen und der Bezirksvertretung in zahllosen Sitzungen abgestimmt, Ergebnisse öffentlich präsentiert, vom Fachbeirat auf architektonische und städtebauliche Qualität mehrfach geprüft, das Denkmalamt immer wieder damit befasst, auf höchster politischer Ebene eingehend behandelt. Und schließlich im Konsens aller Beteiligter eine Baugenehmigung erteilt. Keine ausreichende Information, keine ausreichende fachliche Kontrolle? Alles Deppen und Gauner?


Recht ist Recht

Was dieser Standort an Architektur verträgt, wurde in einem langen und sorgfältigen Prozess geklärt und ist rechtskräftig. Ob die Innere Stadt mittlerweile zum Weltkulturerbe erklärt wurde, darf diesen Prozess nicht infrage stellen, weil er letztlich jede Rechtssicherheit und jede fachliche Integrität aller Beteiligten infrage stellt. Im Übrigen wüsste ich auch nicht, wer das Projekt architektonisch intelligenter hätte machen können.

Der Standard, Sa., 2003.02.15



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Presseschau 12

08. September 2012Laurids Ortner
Der Standard

Venedig, die Architektur und der Polterer

Einwendungen gegen die „mutwilligen Verbiegungen“ einer „innovativen“ Architektur, die den Ehrgeiz hat, so auszusehen, „als ob sie fliegen könnte“, als Erwiderung auf Wolf D. Prix' Biennale-Schelte („Architektur-Karneval in Venedig“, STANDARD, 1. 9.)

Einwendungen gegen die „mutwilligen Verbiegungen“ einer „innovativen“ Architektur, die den Ehrgeiz hat, so auszusehen, „als ob sie fliegen könnte“, als Erwiderung auf Wolf D. Prix' Biennale-Schelte („Architektur-Karneval in Venedig“, STANDARD, 1. 9.)

Chipperfield's Architekturbiennale - und die davor von Kazuyo Sejima - führen vor, dass sich die Auffassung, welche Gewichtung in der Architektur weiterführend bedeutsam sein wird, deutlich geändert hat. In den Mittelpunkt wird wieder der notwendige gesellschaftliche Konsens gerückt, der ja die Baukunst grundsätzlich von den freien Künsten trennt. Eine klare Absage an egomane Attitüden, deren Wille zum „innovativen“ Mut recht mutwillige Verbiegungen hervorbrachte. Ihr zuerst gepriesenes spektakuläres Äußeres war in der Regel ideell rasch verpufft und die Bauwerke vielfach materiell in Auflösung.

Dass diese Architektur den Ehrgeiz hat, so auszusehen „als ob sie fliegen könnte“, immer antritt gegen das Bestehende, lässt sich in der scheinbar unstillbaren Sucht nach Modernität und immerwährendem Neubeginn verstehen.

Zu ihrer Umsetzung muss aufwändige Technik herhalten, räumliche Qualitäten aber hinken weit hinter historischen Beispielen her. Stellt man beispielsweise einen Bau wie das 2000 Jahre alte Pantheon dagegen, wird klar, wie sehr sich unter modernistischem Vorzeichen die Kriterien der Architektur verzerrt haben.

Was nun versucht wird, ist herauszukommen aus diesem endlosen Probieren, die Architektur ständig neu zu erfinden. Wiens Dachausbauten der letzten 15 Jahre geben ein unübersehbares Zeugnis von diesem Bemühen, das vor allem die Architekturausbildung der Angewandten zu ihrem Programm erklärt hat.

Die Themen, denen man sich mit zunehmender Behutsamkeit zuwendet, geben Europas Metropolen vor:

Wie lässt sich grandioses Erbe mit den heutigen Anforderungen zu einer brillanten Einheit verbinden. Dieses Anknüpfen an Tradition, dieses Verbinden zu neuer Gemeinsamkeit ist nicht rückwärtsgewandt. Es ist politisch so wichtig wie architektonisch. Europäischer Stoff - sorry world - es gibt keinen besseren.

Prix's Äußerungen sollte man nicht auf die Goldschale legen. Die Biennale, die er so harsch kritisiert, kennt er allenfalls aus Zeitungen. In Venedig war er nicht. Chippi hat den Fehler gemacht, ihn nicht einzuladen. Dazu kommt, dass ausgerechnet Tschapeller, der ihm trotz handverlesener Jury den Umbau für die Angewandte wegschnappt, Österreich in Venedig besser vertritt als das in vergangenen Jahren geschehen ist. Und der Richtungswechsel, der immer deutlicher wird.....

Da kommt schon einiges zusammen, das den schwindenden Einfluss durch lautes Poltern wettmachen muss.

Der Standard, Sa., 2012.09.08

15. Februar 2003Laurids Ortner
Der Standard

Wien-Mitte, mon amour

Architekt antwortet auf „Abscheulichkeit“

Architekt antwortet auf „Abscheulichkeit“

In ihrer couragierten Art hat Ute Woltron das eigentliche Problem von Wien-Mitte benannt: „Die geplante Architektur ist kalt, brutal, unschön, weil viel zu dicht“ und „ . . . die Räder der Ökonomie haben das Projekt zerrieben und Abscheuliches ausgespien“.

Endlich deutliche Worte und auch der mögliche Ansatz, die Architekturdiskussion hierzulande präziser zu machen. Man braucht fürs Erste die negativen Attribute „kalt, brutal, unschön, dicht“ durch positive zu ersetzen: etwa „heimelig, freundlich, gefällig, aufgelockert“. Das könnte ja schon Kriterien für gute Architektur ergeben. Fehlt vielleicht noch der saloppe Begriff „fesch“, den „uwo“ gern gebraucht, wenn es um schmissige architektonische Formen geht, die irgendwie auch in die Zukunft weisen.


Triebfeder Ökonomie

Wie allerdings die „Räder der Ökonomie“ durch etwas ersetzt werden könnten, das nun nicht mehr „Abscheuliches“ ausspeit, sondern vielleicht Anmutiges, wüsste ich nicht. Denn war nicht gerade die Ökonomie, das knapp kalkulierte Haushalten, eine der wichtigsten architektonischen Erkenntnisse des vergangenen Jahrhunderts?

„Form follows function“ nur als ästhetische Anleitung zu verstehen und nicht als ökonomischen Grundsatz, würde wesentliche Erkenntnisse der Moderne zunichte machen.

Womit wir schließlich bei jener unsäglichen Investorenarchitektur angelangt sind, die aus purer Profitgier mit schlechter Architektur und überzogenen Massen unsere Städte zerstört. Eine Achse des Bösen, die sich da zwischen Politik und Kapital gebildet haben muss - wie sonst wäre das möglich? Das Vertrauen in die kontrollierenden Mechanismen der Demokratie schwindet in dieser Stadt, sobald im Einzelnen das Gefühl aufkommt, davon etwas zu verstehen.

Von Architektur verstehen Gott sei Dank alle was. Herr Lipp aus Linz erklärt die Höhe des Hilton Hotels zum Maß für Wien-Mitte, emeritierte Universitätsprofessoren entwickeln kühne Umschichtungsstrategien von Baumassen zum Westbahnhof hin, nicht wenige Bürger wollen statt alldem einen Park, „uwo“ begnügt sich mit „abscheulich“.


13 Jahre Diskussion

Man sollte an dieser Stelle den Hinweis riskieren, dass dieses Projekt Wien-Mitte nicht vorgestern zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde und nun der überfällige Sturm von Meinungen und Vorschlägen losbricht. Nein, Wien-Mitte geht ins 13. Jahr. Es hat alle Instanzen der demokratischen Auseinandersetzung, des vorgeschriebenen Rechtswegs mehrmals durchlaufen. Es wurde mit Bürgerinitiativen und der Bezirksvertretung in zahllosen Sitzungen abgestimmt, Ergebnisse öffentlich präsentiert, vom Fachbeirat auf architektonische und städtebauliche Qualität mehrfach geprüft, das Denkmalamt immer wieder damit befasst, auf höchster politischer Ebene eingehend behandelt. Und schließlich im Konsens aller Beteiligter eine Baugenehmigung erteilt. Keine ausreichende Information, keine ausreichende fachliche Kontrolle? Alles Deppen und Gauner?


Recht ist Recht

Was dieser Standort an Architektur verträgt, wurde in einem langen und sorgfältigen Prozess geklärt und ist rechtskräftig. Ob die Innere Stadt mittlerweile zum Weltkulturerbe erklärt wurde, darf diesen Prozess nicht infrage stellen, weil er letztlich jede Rechtssicherheit und jede fachliche Integrität aller Beteiligten infrage stellt. Im Übrigen wüsste ich auch nicht, wer das Projekt architektonisch intelligenter hätte machen können.

Der Standard, Sa., 2003.02.15



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Profil

1959 – 1965 Architekturstudium an der TU Wien
1967 Mitbegründer der Architekten-und Künstlergruppe Haus-Rucker-Co in Wien
1976 – 1987 Professor an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz
Seit 1987 Professor für Baukunst an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf

Auszeichnungen

Holzbaupreis Kärnten 2000, Preisträger, Workstation

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