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Artikel 12

13. August 2011Wojciech Czaja
Der Standard

„Gewerbegebiete sind die Mistkübel der Nation“

Mit der Planung von Gewerbegebieten ist der Innsbrucker Architekt Peter Lorenz sehr unzufrieden. Wojciech Czaja sprach mit ihm darüber, wie man die bauliche Qualität insgesamt heben könnte.

Mit der Planung von Gewerbegebieten ist der Innsbrucker Architekt Peter Lorenz sehr unzufrieden. Wojciech Czaja sprach mit ihm darüber, wie man die bauliche Qualität insgesamt heben könnte.

STANDARD: Wie bewerten Sie allgemein die bauliche Qualität von Gewerbeimmobilien?

Lorenz: Es ist eigentlich paradox, dass die bauliche, technische und ökologische Qualität von Gewerbeimmobilien in Zeiten der Hochblüte in den Keller rasselt. In der Krisenzeit hingegen ist der wirtschaftliche Druck so groß, dass viele Unternehmen damit anfangen, sich verstärkt mit der Idee von Corporate Identity sowie mit ökologischen und langfristig wirtschaftlichen Systemen auseinanderzusetzen. Der Anspruch an Gewerbeimmobilien ist heute stark im Steigen. Die Krise regt zum Nachdenken an und tut der Branche gut.

STANDARD: Wie groß sind die Potenziale?

Lorenz: Enorm! Die Menschen verbringen viel Zeit ihres täglichen Lebens in Gewerbegebieten - sei es, weil sie dort arbeiten, sei es, weil sie dort einkaufen. Die Möglichkeiten, hier mehr Qualität zu schaffen, sind meines Erachtens sehr groß. Vor allem in der Raumplanung und in der Infrastruktur könnte man so viel mehr herausholen.

STANDARD: Zum Beispiel?

Lorenz: Ich bin der Meinung, dass der Gewerbegrund am Stadtrand immer noch viel zu billig ist. Da ist es egal, ob man 5000 oder 10.000 Quadratmeter Grund kauft. Die Folge ist, dass jeder Unternehmer seinen Flachmann hinbaut, wie er will. Ich würde mir wünschen, dass die Stadtplanung und Kommunalpolitik insgesamt mehr qualitative Aufmerksamkeit auf diese Areale richten. Erstens müssen die Grundstückskosten steigen, und zweitens müsste man für Gewerbegebiete einen eigenen Fachbeirat einrichten. Nehmen Sie als Beispiel den erfolgreichen Millennium Park in Lustenau. Das ist der Vorzeige-Industriepark im „Silicon Rheintal“! Dorthin finden sogar Architekturreisen statt.

STANDARD: Das Problem ist also weniger die Architektur als vielmehr die Raumplanung?

Lorenz: Ja. Gewerbegebiete sind immer noch die Mistkübel der Nation. Da sammelt sich der planerische Dreck, da werden behördliche Zugeständnisse gemacht, da kann man machen, was man will. Ich kenne sogar einen Fall, in dem man dem Nachbarn fünf Meter in den Grund hineingebaut hat. Das muss man sich einmal vorstellen! Das ist der reinste Wilde Westen. Die Widmungsfrage ist überhaupt neu zu überdenken. Die Starrheit von Gewerbegebieten hat ausgedient. Das ist ein Relikt des letzten Jahrhunderts.

STANDARD: Ein weiteres Problem bei Gewerbeimmobilien ist, dass die Errichter die langfristigen Energiekosten oft außer Acht lassen.

Lorenz: Ja, das passiert viel zu oft. Der Euro, der für die Miete ausgegeben wird, ist scheinbar immer noch mehr wert als der Euro, der für die Betriebskosten aufgewendet werden muss. So ganz nach dem Motto: Erst einmal schauen wir uns die Herstellungskosten an, die Betriebskosten können später dann ja immer noch erwirtschaftet werden. Dabei wären die Einsparungspotenziale gerade bei den Energiekosten enorm.

STANDARD: Von welchen Ausmaßen sprechen wir konkret?

Lorenz: Wenn wir heute ein modernes und solide durchdachtes Projekt mit einem durchschnittlichen Gewerbeprojekt aus den Siebziger- oder Achtzigerjahren vergleichen, dann sprechen wir von Einsparungen in der Größenordnung von rund 90 Prozent. Verglichen mit einer 08/15-Gewerbekiste aus der heutigen Zeit lassen sich immer noch Einsparungen von rund 50 bis 70 Prozent erzielen.

STANDARD: Es mangelt also noch an Aufklärung?

Lorenz: Der Energieausweis hat viel Arbeit geleistet. Das Ärgste ist bereits abgefedert. Doch langfristig kann man am Immobilienmarkt meines Erachtens nur dann Transparenz schaffen, wenn man dazu übergeht, Mieten, Betriebskosten und Energiekosten endlich gesamtheitlich zu betrachten. Meine Vision ist, dass im Mietrechtsgesetz und am Gewerbeimmobilienmarkt eines Tages eine entsprechende Novellierung stattfindet.

STANDARD: Und zwar?

Lorenz: Mit etwas unternehmerischer Verantwortung könnte man - nur ein Beispiel - Warmmieten einführen, die bereits ein Energiepauschale beinhalten. Die Abweichungen vom durchschnittlichen Energiebedarf könnte man etwa mit Gutschriften und Nachzahlungen regeln. Das wäre ein Modell, von dem langfristig die gesamte Bau- und Immobilienbranche profitieren würde.

Profil

1975 Abschluss Architekturstudium Universität Innsbruck
1980 Bürogründung in Innsbruck

Lehrtätigkeit

1999 – 2002 Gastprofessor an der Universität Triest, Italien
2003 – 2004 Gastprofessor an der Universität Graz, Österreich
1997 - 2011 Jährliche Einladungen für Konferenzen, Seminare, Design-Seminare an der CUHK Universität - Chinesische Universität von Hong Kong und HKU Hong Kong Universität

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften
1980 Mitglied der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Tirol und Vorarlberg

Publikationen

WIRTSCHAFTLICHES BAUEN IN GASTRONOMIE UND HOTELLERIE, Verlag Österr. Wirtschaftsverlag, 1985
BAUSTEINE, Verlag Picus Verlag Wien, ISBN 3-85212-0323-2, 1989
BAUTEN & PROJEKTESTADT.NATUR, Verlag, aedes Galerie, ISBN 3-85452-111-1, 2001
L‘ANAPHORA DELL‘ARCHITETTURA DI PETER LORENZ , Verlag the art & architecture factory, 2002
LEARNING FROM ANTIPODES VIENNA< >HONGKONG, Verlag map book , publishing Vertrieb: idea books, Amsterdam, ISBN 962-86040-6-6, 2003
AUSTRIA WEST, Verlag Birkhäuser, ISBN 3-7643-0680-7, 2003
RE_ACTION_S PETER LORENZ, Verlag Casa Editrice LibriaBestellung ab 5 Stück: libria@interfree.it, ISBN 88-87202-73-72006
RE_ACTION_S PETER LORENZ, Verlag China Electric Power Press Corporation, ISBN 978-7-5083-6471-12008

In nextroom dokumentiert:
Turn On 2007, RAUM.FILM FILMPRODUKTION, RAUM.FILM FILMPRODUKTION

Auszeichnungen

Hotel Triest, 1996, Nomination for „Staatspreis für Architektur&Tourismus“ Waschtisch Trieste, 1997, Josef Binder Award
Hotel Triest, 1997, Staatspreis für Wirtschaftsbauten (BMWA)
Tatzlwurm, 1997,Architekturpreis der österreichischen Beton- und Zementindustrie Mehrwert Simmering, 2002, Otto-Wagner-Preis
Offene Bank, 2003, Innovationspreis
SuperM, 2004, www.preis.at
Q19, 2005, Diva Award
M_Preis Niederndorf, 2006, 1. Rosenheimer Holzbaupreis
Q19, 2006, Stadterneuerungspreis der Stadt Wien
M_Preis Niederndorf (mentioned), 2007, Detailpreis 2007
Q19, 2008, ICSC European shopping centre Awards 2008
Q19, 2008, ICSC World Award 2008
M_Preis Niederndorf, 2008, World Architecture Community Awards 2nd cycle 2008 M_Preis Niederndorf, 2009, best architects 10

In nextroom dokumentiert:
Oberösterreichischer Holzbaupreis 2022, Anerkennung, Bibliotheksgebäude mit Learningcenter
OÖN Daidalos-Architekturpreis 2022, Preisträger, Med Campus Linz

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