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Bauwerke

Artikel 12

22. März 2005Ute Woltron
Der Standard

Metamorphosen eines Wanderpredigers

Der 61-jährige, in Kalifornien beheimatete Architekt und „Morphosis“-Gründer Thom Mayne wird in die Ordenschaft der Pritzker-Preis-Gewinner aufgenommen

Der 61-jährige, in Kalifornien beheimatete Architekt und „Morphosis“-Gründer Thom Mayne wird in die Ordenschaft der Pritzker-Preis-Gewinner aufgenommen

Chicago - Wenn Thom Mayne, wie am Montag verkündet, am 31. Mai in Chicago den Pritzker Preis in würdiger Nadelstreifzeremonie entgegennimmt, wird er, weil er das immer tut, scharfkantige Witze reißen. Sie werden den geschliffenen Architekturen entsprechen, die Mayne im Laufe seiner Karriere gebaut und entworfen hat, sie werden also ein bisschen bizarr, doch in sich schlüssig und vor allem ziemlich locker sein.

Der Pritzker Preis der Hyatt-Stiftung weiht seit 27 Jahren die Besten der Besten, er ist mit 100.000 Dollar ausgestattet, vor allem aber mit einem Renommee, dem keine andere Auszeichnung auf dem Gebiet der Architektur nahe kommt. „Vision“ und „Hingabe“ aktiver Architekten an ihre Mission werden hier bewertet, Zaha Hadid war 2004 dran - und auch Mayne verkörpert beides in höchstem Maße.

Hinter der kalifornischen Lässigkeit, mit der der große, schlanke Graubart, 1941 in Waterbury (Connecticut) geboren, durch das Leben zu schlapfen scheint, steckt die kompromisslose Härte, die letztlich alle großen Baukünstler auszeichnet, und die - in Maynes Fall - nicht zuletzt in legendäre Zerwürfnisse mit Bauherren mündete.

In Jugendjahren pflegte er seinem Verständnis nach verständnislose Bauherren gelegentlich am Kragen gepackt in der Luft zappeln zu lassen. Den missratenen Betongussprodukten ausführender Unternehmen schritt er eigenhändig im Furor mit Presslufthämmern zu Leibe, und als ein Auftraggeber schüchtern anmerkte, er wünsche sich in seinem Haus eigentlich schon so etwas wie einen Schrankraum, schlug Mayne mit der Faust auf den Tisch und donnerte: „Wie viel Gewand haben Sie denn noch notwendig, zum Teufel?“

Damals wütete er als eines der beiden Häupter der 1971 von ihm gegründeten L.A.-Formation „Morphosis“ in jugendlicher Kraft: Die Dekonstruktion war noch ohne Namen, sie begann in den Studios von Leuten wie Frank Gehry und „Morphosis“ gerade Gestalt und Theorie anzunehmen. Die Box sollte aufgebrochen, neuen Formenspielen Raum gegeben werden.

Es entstanden die scheinbar „verrückten“ Einfamilienhäuser und Restaurants in Los Angeles wie die Crawford Residence oder das Kate Mantilini Restaurant, die mit Materialien spielten und neuartige Formen brachten. Wenn es gerade keine Aufträge gab, hielt man sich mit Rasenmähen und anderen Jobs über Wasser. Ko-Morphosis-Architekt Michael Rotondi behauptet bis heute, man sei mehr eine Art Garagenband gewesen.

Quasi nebenbei gründete Mayne 1972 das Southern California Institute of Architecture, das als eine der quirligsten Architekturschulen gilt. Er selbst unterrichtet an der U.C.L.A., wenn schon nicht milde, so ist er nicht mehr so wütend, und auch die Auftragsbücher sind prall gefüllt.

Für New York plant Mayne derzeit das „Riverfront Project“ in Queens, das, bei Zuschlag, die Olympischen Spiele 2012 beheimaten wird, in Oregon entsteht ein Gerichtsgebäude, in San Francisco ein Büroturm für die Stadtverwaltung: Offizielle Aufträge des konservativen Amerika für einen deklarierten Linken, der neben seinem Formentalent in zunehmendem Maße auch Ökologie und Hightech-Bauphysik in seine Entwürfe einzuarbeiten versteht - und der gelernt hat, dass Bauherren nicht immer die unwichtigste Rolle zu spielen haben.

Thom Maynes Weg vom rabiaten, vitalen Wanderprediger für die Sache der Architektur bis hin zum Pritzker-Würdenträger führte nicht selten durch kommerzielle Schluchten. Ausgerechnet ein durch einen Wettbewerbssieg akquirierter Auftrag aus Österreich half mit, eine seiner finstersten Krisen zu überstehen. 1999 baute er für die Hypobank Klagenfurt die Konzernzentrale, ein skulptural kräftiges, funktional nicht ganz unumstrittenes Stück Architektur. Doch Leute wie Mayne sind da zu Hause, wo die Luft sehr dünn wird. Kürzlich brachte er es auf den Punkt: „Wenn wir nicht dazu bereit sind, Risiken einzugehen, ist unsere Kultur bald erledigt.“

21. März 2005Kurier

„Architektur-Nobelpreis“ an Kalifornier

Der kalifornische Architekt Thomas Mayne (61) wird am 31. Mai in Chicago mit dem renommierten, jährlich vergebenen Pritzker-Preis für Baukunst ausgezeichnet....

Der kalifornische Architekt Thomas Mayne (61) wird am 31. Mai in Chicago mit dem renommierten, jährlich vergebenen Pritzker-Preis für Baukunst ausgezeichnet....

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21. März 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Gebaute Metamorphosen

Lange folgte die Jury des seit 1979 alljährlich von der Hyatt Foundation vergebenen Pritzker Architecture Prize dem Mainstream des architektonischen Erfolgs...

Lange folgte die Jury des seit 1979 alljährlich von der Hyatt Foundation vergebenen Pritzker Architecture Prize dem Mainstream des architektonischen Erfolgs...

Lange folgte die Jury des seit 1979 alljährlich von der Hyatt Foundation vergebenen Pritzker Architecture Prize dem Mainstream des architektonischen Erfolgs und kürte Grössen von Ando bis Portzamparc, die zwar schöne Bauten realisiert, aber wenig zum aktuellen Architekturdiskurs beigetragen haben. Der Höhepunkt dieser Phantasielosigkeit war 1999 erreicht, als der «Nobelpreis der Architektur» an den Vielbauer Norman Foster ging. Doch im darauf folgenden Jahr wurde - im Zeichen eines Paradigmenwechsels - der Querdenker Rem Koolhaas geehrt und 2001 mit Herzog & de Meuron ein Team, das mit seiner baukünstlerischen Recherche ähnlich grossen Einfluss hat wie Koolhaas. Nach so viel Mut entdeckten die Preisrichter 2002 Glenn Murcutt und setzten - politisch korrekt - auf eine naturnahe Architektur, um ein Jahr danach entgegen allen Erwartungen (die eher in Richtung Zaha Hadid weisen) mit dem Altmeister Jørn Utzon einen Vorkämpfer des archi-skulpturalen Bauens auszuzeichnen. Die in London lebende Irakerin Hadid hingegen musste sich (wohl wegen des Kriegs am Golf) noch bis 2004 gedulden. Für dieses Jahr stellte sich nun die Frage, ob die Japanerin Kazuyo Sejima oder der höchst innovative Toyo Ito die Palme davontragen würde. Da aber die USA seit 1991 keinen Preisträger mehr stellen konnten, schien auch der subtile New Yorker Raum- und Lichtkünstler Steven Holl gute Chancen zu haben - oder der Blob-Guru Greg Lynn aus Los Angeles, mit dem sich die Foundation als trendy hätte erweisen können.

Der Preis geht nun zwar nach Südkalifornien, doch nicht an Lynn, sondern an den 62-jährigen Thom Mayne, der zusammen mit dem von ihm 1972 gegründeten Büro Morphosis vor allem in den achtziger und neunziger Jahren mit einer eigenwilligen, stark künstlerisch geprägten Spielart des Dekonstruktivismus auf Interesse gestossen war und mit dem «Kate Mantilini» in Beverly Hills ein Kult-Restaurant geschaffen hatte. In seiner Architektur strebt Mayne nicht nach der schönen Hülle. Vielmehr sollen seine Bauten das Komplexe und Fragmentarische unserer Zeit ausdrücken, wie etwa das 1999 eröffnete, auf den ersten Blick eher hässlich wirkende Hypo-Zentrum in Klagenfurt zeigt. Im gleichen Jahr konnte er sein bisher überzeugendstes Werk, die Diamond Ranch High School in Pomona, vollenden. Doch ausschlaggebend für die Wahl des für die USA wichtigen, international aber bisher wenig einflussreichen Mayne war wohl die spektakuläre, jüngst abgeschlossene Transformation des Caltrans-Gebäudes in downtown Los Angeles. Bedeutende Projekte von New York bis Alaska dürften nun zusammen mit dem Pritzker-Preis wieder vermehrt die Aufmerksamkeit auf ihn und das Büro Morphosis lenken.

Profil

Auszeichnungen

2005 Pritzker Architecture Prize

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