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28. Januar 2005Neue Zürcher Zeitung

Exzentriker der Moderne

Der amerikanische Baukünstler Philip Johnson, der mit verglasten Hochhäusern bekannt wurde, ist am 25. Januar in seinem «Glass House» in New Canaan gestorben. Der Mitbegründer des Internationalen Stils wurde 98 Jahre alt. Johnson erhielt neben anderen Auszeichnungen 1979 den damals zum ersten Mal vergebenen Pritzker-Preis.

Der amerikanische Baukünstler Philip Johnson, der mit verglasten Hochhäusern bekannt wurde, ist am 25. Januar in seinem «Glass House» in New Canaan gestorben. Der Mitbegründer des Internationalen Stils wurde 98 Jahre alt. Johnson erhielt neben anderen Auszeichnungen 1979 den damals zum ersten Mal vergebenen Pritzker-Preis.

Er war nicht der grösste, nicht der kreativste, zweifellos aber der eigenwilligste, schillerndste Baukünstler unserer Zeit: Philip Johnson, Enfant terrible und unermüdlicher Verunsicherer der Architektengilde. Schon als junger Mann bestritt der am 8. Juli 1906 in Cleveland, Ohio, geborene Johnson zusammen mit Henry Russell Hitchcock die legendäre MoMA-Ausstellung «Modern Architecture», zu der sie mit «The International Style» ein architektonisches Kultbuch publizierten. Später, vor nunmehr 50 Jahren, gelang ihm mit der formalen Extremposition seines Glass House in New Canaan eine Sensation. Im hohen Alter überraschte er dann die Öffentlichkeit weniger mit Bauten als vielmehr mit seinen Konfessionen und Coming-outs. Obwohl man schon lange von seinem einstigen Flirt mit Nazideutschland gewusst hatte, erfuhr man nun, dass dieser weit über eine naive Begeisterung für «all those blond boys in black leather» hinausgegangen war. Auch mit seiner offen praktizierten Homosexualität - Johnson lebte jahrzehntelang mit David Whitney zusammen - hatte die elegante New Yorker Gesellschaft kaum Probleme. Dennoch stellte Frank Schulzes monumentale Johnson-Biografie von 1996, die eigentlich erst postum hätte erscheinen sollen, in ihrer Offenheit für viele einen Schock dar. Peinlicher berührt war aber die noch stark machistischen Strukturen verhaftete Architektenzunft von der im Mai desselben Jahres, nur wenige Wochen vor Johnsons 90. Geburtstag, erschienenen Titelstory im trendigen Schwulenmagazin «Out».

Skulpturaler Dekonstruktivismus

Schon einmal, im Januar 1979, zierte Johnson das Cover einer Zeitschrift, genauer: jenes von «Time». War damals das 1984 fertiggestellte AT&T-Building, eine Ikone der Postmoderne, der Auslöser, so galt nun die Aufmerksamkeit von «Out» seinem letzten grossen Projekt, der im Auftrag der Gay and Lesbian Congregation für Dallas entworfenen Cathedral of Hope. In dieser bisher nicht realisierten Arbeit huldigte Johnson einem skulpturalen Dekonstruktivismus, wie er - aus der Verschmelzung der Formensprache von Gehry und Zaha Hadid entstanden - im Gate House seines zum Freilichtmuseum bestimmten Anwesens in New Canaan en miniature verwirklicht wurde. Aber nicht nur die Kultur- und Schwulenszene liebte ihn. Johnson hatte die Gabe, alle Leute, die in seinen Dunstkreis traten, mit seinem Charme zu betören. Seiner sympathischen Offenheit ist es zuzuschreiben, dass man ihm sogar seine politischen Verirrungen und den einstigen Antisemitismus verzieh, und zwar nicht nur in der noblen WASP-Society. Auch jüdische Kreise - Architekten wie Blake, Eisenman und Gehry zählten zu seinen Freunden - hatten ihm spätestens 1956 vergeben, als in Port Chester die Tifereth-Israel-Synagoge geweiht wurde.

Dafür haderten nun einige Puristen der Architektenzunft mit ihm. Denn es war just diese mit ihrem Raumsegel aus Gips an das biblische Stiftzelt erinnernde Synagoge, mit der sich Johnson von der klassizistischen Strenge seines Mentors Mies van der Rohe lossagte. Der jähe Richtungswechsel, dem noch mehrere folgen sollten, war aber weniger ideologischer als vielmehr formaler Natur. Wie denn für den mit allen Wassern gewaschenen und mit allen Stilen vertrauten Zyniker, der Bauen als die Kunst des Möglichen verstand, kein architektonisches Glaubensbekenntnis heilig war. Auftakt zu seiner fast 60 Jahre dauernden Baukarriere machte 1942 sein eigener Bungalow in Cambridge, Massachusetts, mit dem der Sohn aus reichem Haus sein Architekturstudium in Harvard abschloss. Ihm folgte ein ganzer Katalog von Villen, darunter das 1949 vollendete Glass House in New Canaan und - gleichsam als typologische Inversion - der im Geist des Barcelona-Pavillons konzipierte Skulpturengarten des MoMA, dessen überragende räumliche Qualitäten auch durch die Museumserweiterung in den achtziger Jahren nicht zerstört werden konnten.

Die Abwendung von der streng reduzierten Formenwelt Mies van der Rohes führte über die elegante Tempelform des Amon Carter Museum in Fort Worth zur skulpturalen Monumentalität des rund zehn Jahre später, 1972, vollendeten Kunstmuseums von Corpus Christi, dem ersten bedeutenden Resultat der zwanzig Jahre dauernden Partnerschaft mit John Burgee. Dem gravitätischen Bau antworteten kurz darauf die beiden der Minimal Art verpflichteten Glasprismen des Pennzoil-Doppelturms in Houston. In der filigranen Glasstruktur der Crystal Cathedral in Garden Grove vereinigte sich dann dieser abstrakte Minimalismus mit der Zeltidee von Port Chester. Ungleich narrativer erscheint dagegen die gläserne Gotik des PPG-Hauptquartiers in Pittsburg oder des Turms der Republic Bank in Houston. Die «postmoderne» Phase kulminierte schliesslich Mitte der achtziger Jahre in dem an eine Chippendale-Kommode erinnernden New Yorker AT&T-Building und im Neubau der Architekturfakultät von Houston, die ein fast wörtliches Zitat von Ledoux' nicht realisiertem Haus der Erziehung in Chaux darstellt.

Die Rache des Eklektikers

In einem Alter, da andere sich längst zur Ruhe gesetzt haben, plante das quirlige, blitzgescheite Männchen mit der schwarzen Hornbrille (ein Corbusier-Zitat) einmal mehr den Aufbruch zu neuen Ufern. Vordergründiger Anlass dazu war, dass die Bürogemeinschaft mit Burgee an der Rezession zerbrochen war. Diese Gelegenheit nutzte Johnson, um sich nach langer Pause erneut als Ausstellungsmacher zu beweisen: «Deconstructivist Architecture» hiess die Schau, die 1988 architektonische Weichen stellte und einem vom Jugendwahn besessenen Amerika bewies, dass Kreativität selbst im hohen Alter möglich ist. Gleichzeitig änderte er seine architektonische Recherche, als ginge es darum, stets neue Modekollektionen zu kreieren. Ob die aus dem Dekonstruktivismus abgeleiteten plastischen Körper des Gate House in New Canaan mehr sind als die Folly eines Schöngeists, wird die Geschichte weisen. Sein Bürohaus an der Friedrichstrasse jedoch darf als Flop bezeichnet werden. Im Grunde stellt es nichts anderes dar als die Rache des formverliebten Eklektikers an den steinernen Berliner Baugesetzen. Damit verspielte Deutschland, das Land, das Johnson einst bewunderte und dessen Sprache er fast perfekt beherrschte, die Chance, das architektonische Vermächtnis des Meisters zu beherbergen.

28. Januar 2005Ute Woltron
Der Standard

Philip Johnson 1906 - 2005

Philip Johnson war eine der bösartigsten, faszinierendsten und einflussreichsten Persönlichkeiten der Weltarchitektur. Ein Nachfolger für den Architekten und Ausstellungsmacher, der am Dienstag 98-jährig in New Canaan starb, ist nicht in Sicht.

Philip Johnson war eine der bösartigsten, faszinierendsten und einflussreichsten Persönlichkeiten der Weltarchitektur. Ein Nachfolger für den Architekten und Ausstellungsmacher, der am Dienstag 98-jährig in New Canaan starb, ist nicht in Sicht.

New Canaan - Eigentlich sah der kleine, dürre Mann aus, als könne er kein Wässerchen trüben, als sei er der gute, betagte Onkel von nebenan. Kuchen und Kaffee und Rosenzucht und so. Doch Philip Johnson war der Leibhaftige - das wandelnde Böse für die einen, Gottvater für die anderen. Jedenfalls ein Scharfrichter seiner Zunft, und die hieß 98 Jahre lang Architektur.

Wie jetzt bekannt wurde, starb Johnson vergangenen Dienstag in seinem Glass House in New Canaan, Connecticut. Mit ihm starb nicht nur eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Weltarchitektur, sondern auch ein Ein-Mann-System, das über viele Jahrzehnte hinweg und über die verschlungenen Kanäle der Macht, der Kultur, der Politik meinungsbildend, vernichtend und fördernd gewirkt hatte.

Förderer, Vernichter

Der Einfluss des 1906 in Cleveland, Ohio, als Sohn sehr reicher Eltern Geborenen ist Legende. Sein Wort konnte bis zuletzt über Millionenprojekte entscheiden, seine eigenen Architekturen stießen in ihrer Unterschiedlichkeit immer wieder die Vertreter der reineren Lehre vor den Kopf; seine Ausstellungen im New Yorker Museum of Modern Art rückten wiederholt diverse noch unbekannte Architekturströmungen ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit.

Johnson protegierte denjenigen, der ihm gefiel. Und wen er dann protegierte - aus dem wurde ein Star. Er entdeckte und förderte etwa Leute wie Gehry, Eisenman, Libeskind, Hadid und - sehr lange ist es her! - Ludwig Mies van der Rohe.

Seine berühmteste Königsmacher-Ausstellung datiert zurück auf 1932, als er gemeinsam mit Henry-Russell Hitchcock die europäische Architekturavantgarde zum gemeinsamen Auftritt nach New York holte. Der Titel der dazugehörigen Publikation gab einer ganzen Architekturgeneration ihren Namen: „The International Style“. Ein halbes Jahrhundert später verkündete er an gleicher Stelle das Zeitalter des Dekonstruktivismus und machte damit auch Leute wie Coop Himmelb(l)au der Weltöffentlichkeit bekannt.

Wolf Prix sagt über ihn: „Er konnte mit seinen zynischen Bemerkungen Menschen vernichten, und wer sich vor ihm fürchtete, der starb vor Angst.“ Als Prix in Manhatten vergebens nach einem Taxi Ausschau hielt, riss dem ebenfalls wartenden Johnson die Geduld. Er sprang, damals etwa 95, mitten auf die Fahrbahn, nötigte einen Cabdriver zum Stehenbleiben, drehte sich um und sagte: „So geht das!“

Jungs in Leder

Ebenso resolut stellte er sich 1940 der dunkleren Seite seiner Karriere, als er sich öffentlich von nationalsozialistischem Gedankengut distanzierte, dem er in den 30er-Jahren durchaus wohl wollend gegenüber gestanden war. Noch später bekannte er freizügig, als Homosexueller von den „deutschen Jungs in schwarzem Leder“ einfach fasziniert gewesen zu sein.

Erst im Alter von 34 Jahren begann Johnson sein Architekturstudium, als Diplomarbeit reichte er kurzerhand ein Stadtpalais ein, das er für sich selbst gebaut hatte. Seine berühmteste Arbeit entstand 1949 mit dem Glass House in New Canaan, das eindeutig Bezug auf Mies van der Rohes Farnsworth House Bezug nimmt. Als Mies dort zu Besuch weilte, weigerte er sich allerdings, die Nacht „in einer derart unehrlichen Konstruktion“ zu verbringen und wanderte in das Gästehaus aus.

Johnsons Architektur war, im Gegensatz zu den von ihm geförderten Stilen und Ismen, nie originär und trotzdem am Pulsschlag der jeweiligen Zeit. Er wechselte seine Ausdrucksformen wie ein Chamäleon die Farbe, war erst dem Rationalismus verpflichtet, um später etwa mit dem New Yorker AT&T-Building im gotisch-klassizistischen Stilmix eine Ikone der Postmoderne zu errichten und den Pritzker-Preis heimzuholen.

Zuletzt baute er ein wüst dekonstruktivistisches Torhaus, weil ihn plötzlich die düsteren Kunstwelten eines Hermann Finsterlin zu faszinieren begonnen hatten. In dieser Tradition entstand auch Johnsons Architekturskulptur „Wiener Trio“, die 1997 im MAK zu sehen war und heute in der Nähe des Wiener Ringturms einen öffentlichen Punkt markiert. Damals sagte Johnson zum STANDARD: „Wir steuern auf eine großartige Periode in der Geschichte der Architektur zu. Das 21. Jahrhundert wird die spannendste Epoche seit der Renaissance bringen.“

28. Januar 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Der Architekt als Chamäleon

Der Architekt Philip Johnson galt als umstrittener Nestor der amerikanischen Architektur. Nun ist er im Alter von 98 Jahren verstorben.

Der Architekt Philip Johnson galt als umstrittener Nestor der amerikanischen Architektur. Nun ist er im Alter von 98 Jahren verstorben.

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27. Januar 2005Schweizerische Depeschen Agentur SDA
Neue Zürcher Zeitung

Architekt Philip Johnson gestorben

Der amerikanische Architekt Philip Johnson, der unter anderem mit verglasten Hochhäusern bekannt wurde, ist gestorben.

Der amerikanische Architekt Philip Johnson, der unter anderem mit verglasten Hochhäusern bekannt wurde, ist gestorben.

Der Mitbegründer des Internationalen Stils wurde 98 Jahre alt. Nach amerikanischen Medienberichten vom Mittwoch starb er Dienstagnacht in seinem berühmten «Glass House» in New Canaan (Connecticut). Der 1906 in Cleveland (Ohio) geborene Johnson hatte dieses vollkommen durchsichtige Haus 1949 als Prototyp des Internationalen Stils in der freien Natur errichtet und seitdem darin gelebt.

Zu seinen wichtigsten Bauten gehört das gemeinsam mit Mies van der Rohe realisierte Seagram Building in New York. Mit 38 verglasten Stockwerken gilt es eine Art Kathedrale des Johnson-Stils. Das bekannteste Beispiel für den von Johnson ebenfalls mitgeprägten Postmodernismus, der Glas- und Stahlkonstruktionen mit verspielten Verzierungen verknüpfte, ist die 55 Stockwerke hohe Zentrale der amerikanischen Telefongesellschaft AT&T. Der ebenfalls in New York errichtete Wolkenkratzer wurde von Kritikern wegen seiner geschwungenen Dachkonstruktion «Chippendale Building» getauft.

Zu den Tiefpunkten in der Biographie Johnsons, der bereits von 1930 bis 1936 als erster Direktor für Architektur und Design des Museum of Modern Art (MoMA) internationale Berühmtheit erlangt hatte, gehörten dessen erklärte Sympathien für den Nationalsozialismus. So gründete er in den USA eine rechtslastige Partei und veröffentlichte Beiträge in Zeitungen, in denen er sich wohlwollend über Nazi-Deutschland äusserte. 1940 distanzierte sich Johnson jedoch von diesen Anschauungen. Dazu sollen auch seine weiterführenden Studien bei dem von den Nazis vertriebenen deutschen Architekten Walter Gropius an der Harvard University beigetragen haben.

Für Verwunderung sorgte der hoch gelobte, aber auch umstrittene Stararchitekt Jahrzehnte später, als er 1994 bei einer Rede in Wien die Stalinallee in Ost-Berlin als wichtige Errungenschaft des Städtebaus im 20. Jahrhundert würdigte. Zu den zahlreichen Auszeichnungen Johnsons zählt auch der Prizker-Preis, der als «Nobelpreis» für Architekten gilt.

27. Januar 2005Die Presse

Stararchitekt gestorben

Doyen und Enfant Terrible der Architekturwelt: Philip Johnsons ist ihm Alter von 98 Jahren gestorben.

Doyen und Enfant Terrible der Architekturwelt: Philip Johnsons ist ihm Alter von 98 Jahren gestorben.

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Profil

Harvard University (Bachelor of Arts 1930). Im gleichen Jahr von Alfred Barr, Jr. an das neugeschaffene Museum of Modern Art in New York berufen. Gemeinsam mit dem Kunstgechichtler Henry-Russel Hitchcock organisierte er 1932 die Ausstellung "Modern Architecture: International Exhibition”. 1932-1934 Leiter der Architekturabteilung des MoMA. Nach einem glücklosen und peinlichen Intermezzo als Bewunderer Hitlers und Protagonist einer quasi-faschistischen Partei zwischen 1935 und 1940, entschließt er sich, nach Harvard zurückzugehen und bei Gropius und Breuer Architektur zu studieren (Bachelor of Architecture 1943). 1949 baute er sein Glass House, eine Paraphrase auf das 1946 entworfene, aber erst 1950 fertiggestellte Farnsworth House Mies van der Rohes. Zwischen 1949 und 1954 kehrte Johnson als Direktor des Departments für Architektur und Design an das MoMA zurück, wo er 1953 den Abbey Aldrich Rockefeller Sculpture Garden baute. 1956-58 war es Mies’ Partner bei der Planung des Seagram Buildings. Mit Partner John Burgee schuf er 1984 eine der Ikonen der Reagan Ära und der Postmoderne: das AT&T Building. Gemeinsam mit Mark Wigley war er 1988 Gastkurator der MoMA-Austellung "Deconstructivist Architecture”.

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