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07. Oktober 2006Lilli Hollein
Der Standard

Das Prinzip der Addition

Steigender Platzbedarf trifft auf schrumpfende Budgets. Besonders dort, wo der laufende Betrieb nicht unterbrochen werden kann, sind Zubauten zum Bestand oftmals die einzige Lösung. Neben der Effizienz trägt dies mitunter auch zu einem ansehnlicheren Ensemble bei.

Steigender Platzbedarf trifft auf schrumpfende Budgets. Besonders dort, wo der laufende Betrieb nicht unterbrochen werden kann, sind Zubauten zum Bestand oftmals die einzige Lösung. Neben der Effizienz trägt dies mitunter auch zu einem ansehnlicheren Ensemble bei.

Expansionslust kennt man aus den eigenen vier Wänden. Nach Jahren wird alles zu klein. Bestünde die Möglichkeit, die Wohnung nach Bedarf über die Fassade hinaus zu erweitern, würden wohl allerorten kleine Erker, ganze Zimmer, Terrassen oder Abstellflächen wie Schubladen aus dem Haus ragen. Wie einige schöne Architektur-Beispiele beweisen, hat so mancher Hausbesitzer diesen Traum in bemerkenswerter Weise wahr gemacht.

Was im privaten Bereich eine mehr oder weniger luxuriöse Option ist, ist für öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser und Schulen oft der einzig gangbare Weg, um Platz zu schaffen und das Gebäude den neuesten Anforderungen anzupassen, ohne dabei den laufenden Betrieb unterbrechen zu müssen.

Dass mediokren Gebäuden mit einem Zubau zu nie gekanntem Glanz verholfen werden kann, zeigt etwa das neue Landeskrankenhaus Knittelfeld. Das Team fasch&fuchs konnte - gemeinsam mit Projektpartner Lukas Schumacher - den Wettbewerb um die dringend anstehende Erweiterung für sich entscheiden.

2002 wurden die alten Nebengebäude abgerissen, ein Jahr später wurde bereits mit dem Zubau begonnen. Seit knapp einem Jahr sind Großküche, Speisesaal und die vier neuen Bettenstationen nun fertig gestellt. Das Resultat sind Räume, die neben ihrer Effizienz vor allem durch eine besonders geschickte Lichtführung beeindrucken.

Fassade kippt weg

Die Entwürfe von Hemma Fasch und Jakob Fuchs vereinen sichtlich Freude am Entwurf mit Pragmatik und Intelligenz. Im Falle des LKH Knittelfeld bedeutet das: Um das Grundstück optimal zu nutzen, wurde der neue Baukörper nordseitig an das bestehende Gebäude aus der Jahrhundertwende angedockt. Jakob Fuchs erklärt, warum der Neubau „so knapp zubi“ steht: „Die nahe Lage ermöglichte eine effiziente, kurze Wegführung zwischen den Bauteilen und beließ gleichzeitig ein Maximum an Parkfläche und Baumbestand“. Dem Lichtproblem, das sich durch das Nahverhältnis der beiden Bauten ergeben hatte, wurde mit einer geschickten Geste begegnet. Die Fassade des Neubaus kippt - immerhin unter einem beträchtlichen Winkel von 18 Grad - vom Bestand weg.

Fuchs streicht auch den zwischen den Baukörpern entstehenden Wirtschaftshof hervor, der als Lieferzone eine wesentliche logistische Funktion erfüllt. Die erdgeschoßige Großküche ist nicht nur selbstversorgend, sondern beliefert auch die Krankenhäuser der Nachbarstädte. Eine Herausforderung war der Abbruch und völlige Neubau des Altbau-Stiegenhaus bei vollem Betrieb - auch das war Teil des Konzeptes.

Das bereits mehrfach gekürte Werk (Nominierung Mies- van-der-Rohe-Preis 2006, Dominico Preis 2006, Geramb-Preis für gutes Bauen) mit einer Bausumme von 35 Millionen Euro (Bruttogeschoßfläche von 9000 Quadratmetern) harrt mittlerweile einer weiteren Bauphase - im nächsten Bauabschnitt stehen Sanierung und Umbau des Bestands an. Die Krankenhaus-Expertise des Büros fließt währenddessen schon ins nächste Projekt ein. Mit dem LKH Gmunden darf man auf einen weiteren Lichtblick hoffen.

Überbrückungshilfe

Eine andere Lösung - nämlich Aufbau statt Zubau - wandten die Architekten Oliver Kaufmann und Max Wanas bei der Erweiterung der HTL Braunau am Inn an. Den Auftrag brachte ein EU-weiter Wettbewerb. Auch sie hatten das Ansinnen, helle und offene Räume zu schaffen. Das eben fertig gestellte Resultat schlug mit Errichtungs- und Umbaukosten von 17,8 Millionen Euro zu Buche. Geschickt platzierten sie den zweigeschoßigen Labortrakt anstelle einer alten Werkhalle, die zehn neu geschaffenen Klassen hingegen schweben als Brückenbauwerk über den Altbau hinweg. Neue Dachterrassen und Atrien bringen Freiheit in den Schulalltag.

Ob man nun abgräbt, andockt, aufstockt oder aufständert - während des laufenden Betriebes die Flächen zu erweitern, stellt nur selten die kostengünstigste Variante dar. In vielen Fällen ist sie allerdings die einzig mögliche. Architektur-Wettbewerbe zeigen ungeahnte Möglichkeiten auf, zwischen Abriss, Neubau und Erweiterung die jeweils beste Lösung zu erwägen. Der Wermutstropfen: Immer seltener lassen die Wettbewerbsausschreibungen solch großen Ermessensspielraum frei.

Der Standard, Sa., 2006.10.07

20. April 2002Lilli Hollein
Der Standard

What's next

Von Londons Blueprint über das Mailänder Domus ist der Architekt Deyan Sudjic nun im Anflug auf die diesjährige Architekturbiennale in Venedig. Als deren Direktor will er Visionen neuen Raum geben - auch denen von gestern.

Von Londons Blueprint über das Mailänder Domus ist der Architekt Deyan Sudjic nun im Anflug auf die diesjährige Architekturbiennale in Venedig. Als deren Direktor will er Visionen neuen Raum geben - auch denen von gestern.

Wie gut, dass Deyan Sudjic schon bei seiner Bestellung zum Herausgeber des renommierten Mailänder Architektur- und Design-Magazins Domus sein Italienisch verbessert hat. Denn er hat als Direktor der Architektur-Biennale einen weiteren prestigereichen Job im Land der Grappa eingestreift, die er, was er auf seine serbischen Vorfahren zurückführt, ohnehin dem schottischen Whisky vorzieht.

Dass sich Mailand und Venedig nur ein paar Autobahnstunden voneinander entfernt liegen, wird dennoch nicht mehr Ruhe in Sudjics Leben bringen: Montag Dienstag Mailand, dazwischen der Rest der Welt, und am Freitag steuert er Familie und die Tageszeitung Observer, für die er als Architekturkritiker tätig ist, in London an. Seine Reisetätigkeit und sein Terminplan sind ebenso legendär wie sein Hang dazu, Gegenstände zu verlieren.

Um so mehr erstaunt es, wie gut die Dinge, die in seiner Hand liegen, funktionieren. Seit der Gründung 1983 und der darauf folgenden elfjährigen Herausgeberschaft des preisgekrönten Monatsblatts Blueprint ist Sudjic ein Fixstarter auf allen großen Design- und Architekturveranstaltungen der Welt. Einzig die Direktorenschaft für „Glasgow UK City of Architecture and Design“ hat es geschafft, ihn für einige Monate zwischen 1996 und 2000 in Schottland festzunageln, wo er auch einst sein Architekturstudium, an der Edinburgh University, absolviert hatte.

Zwischen 1993 und 1997 war Deyan Sudjic regelmäßig in seiner Funktion als Professor für Geschichte und Theorie des Design an der Angewandten auf Wien-Besuch - ein Ort, wo man sich mit der Aussprache des serbischen Familiennamens leichter tut als in Großbritannien, wo Sudjic 1952 geboren wurde.

Seine Kurzvisite dieser Tage in Wien gilt dem Biennale-Programm und einem Stopover in der geliebten Loos-Bar. Sein Biennale-Konzept steht unter der Ansage „next“. Es versammelt unter der Frage, was nachkommt, etwa 100 Projekte, die auf dem Weg sind, realisiert zu werden. Sudjic betont, dass es sich hier um Projekte und nicht vorrangig um die Autoren, also Architekten handelt, was aber nicht heißt, dass es nicht von großen Architektennamen wimmelt.

Das beginnt schon bei der Ausstellungsarchitektur. Diesen Part hat John Pawson, britischer Minimalismuspapst, übernommen, über dessen Werk Sudjic im Vorjahr ein Buch herausgebracht hat. Unterstützt wird er vom Lichtdesigner Arnold Chan und dem Graphikdesigner Simon Esterson, der auch für das Erscheinungsbild von Domus verantwortlich ist.

Das relativ locker geschnürte Korsett von „next“ solle einen kohärenten, simpel erfahrbaren Zusammenhang, einen Schritt von Maßstab zu Maßstab und eine Vielfalt von Zugängen ermöglichen. Ob das „nexte“ Projekt von wem auch immer nun in dichtbesiedeltem Gebiet steht, ob die verschiedenen Positionen zum Thema „housing“ oder unter „educational“ solche der Lehre, des Unterrichtens und Studierens stehen, ist einzig durch eine thematische Zuordnung gegliedert, aber nicht reglementiert.

Platz jedenfalls gibt es genug. Sudjic wird neben den Giardini auch die Corderie Venedigs, die ehemaligen Seilerstätten, bespielen. Im Italienischen Pavillon, der stets neben der nationalen Präsentation dem Direktor einen Teil für eine allgemeine Schau zur Verfügung stellt, bleibt bei Direktor Sudjic beim Thema: Hier geht es um Projekte, die in Italien realisiert werden, aber von Architekten aus aller Welt geplant wurden; das erinnert an den Österreichischen Pavillon bei der letzten Architektur-Biennale.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die physische Qualität, die Erfahrbarkeit des Materials und seiner Oberfläche, die Sudjic mittels Bemusterung dem Besucher näher bringen will. Riesige Materialproben - ein 5 mal 4 Meter großes Betonmodell - werden das im Fall von Peter Zumthors Köln-Projekt sein oder für Nouvels Tower in Barcelona, der mit exquisiten Modellen und rohen Mustern beschrieben wird. In puncto Materialfaszination fallen auch die Namen Herzog und de Meuron und Todd Willams/Billie Tsien, die mit Sicherheit vertreten sein werden. SOM werden vielleicht mit den neuen Twin Towers für New York kommen, auch die politische Dimension, ein Spezialthema Sudjics, wird anhand von Beispielen aus der Mitterand-Ära oder Peter Eisenmans Projekts in Santiago de Compostela erläutert. Und natürlich wird Kohlhaas auch nicht fehlen, diesmal wird er voraussichtlich in der Sektion Stadt auftauchen. Einen Raum mit Grafik wird es ebenso geben, allerdings weniger Videos als vor zwei Jahren.

Letztlich will Sudjic verstärkt den großen Ideen Rechnung getragen, von denen man geglaubt hatte, dass sie einmal die Zukunft der Architektur sein würden: den Visionären, der Geschichte der Zukunft, dem, was einmal „next“ war wie Archigram oder Cedric Price, was nie gebaut, aber in den letzten Jahren mit Enthusiasmus wiederentdeckt wurde.

Der Standard, Sa., 2002.04.20

14. Juli 2000Lilli Hollein
Der Standard

Himmel, gefühlsecht

Hauchzart und transparent: das Dach der SKWB Schoellerbank - ein Glanzstück von Christian Jabornegg und András Pálffy

Hauchzart und transparent: das Dach der SKWB Schoellerbank - ein Glanzstück von Christian Jabornegg und András Pálffy

Nur drei Jahre nachdem Jabornegg und Pálffy den Wettbewerb für sich entscheiden konnten und nur zwei Jahre nach Baubeginn werden derzeit die fertiggestellten Räume der SKWB Schoellerbank bezogen.

Im ehemaligen Palais Rothschild in der Renngasse im ersten Wiener Gemeindebezirk bewegen sich exklusive Kunden und Angestellte gleichermaßen durch lichtdurchflutete, scheinbar stützenfreie Räume. Die Umwelt profitiert von der intelligenten Klimatechnik, und auch sonst haben die Architekten der Generali-Foundation, Documenta X und der Umgestaltung des Judenplatzes konsequent ihre Ideen weiterentwickelt.

Wie bei den meisten vorhergehenden Projekten musste auch hier Altbestand berücksichtigt werden, hinter der gewohnten Fassade verbirgt sich in der teilweise ausgehöhlten Substanz ein Neubau.

Dass hier ein frischer Wind weht, zeigt schon die Eingangshalle. Mittels Falttüren entsteht kurzerhand ein Foyer, das für Empfänge und Veranstaltungen genutzt werden kann. Je nach gewünschter Licht-Stimmung wird die Glasdecke per Knopfdruck zwischen Matt und Transparent umgeschaltet, die Wandverkleidung mit Akustik-Paneelen in Ahorn sorgt für den warmen Grundton.

Jede Menge natürliches Licht und Materialien, die nicht dem hierzulande üblichen gediegenen Bankrepertoire entsprechen, ziehen sich auch durch das zweiläufige Treppenhaus aus Beton, Glas und I-Trägern.

Wer es schafft, den Blick vom verführerischen Treppenhaus zu wenden, wird vollends sein Herz verlieren: Über einem Innenhof schwebt beinahe unsichtbar eine Dachstruktur aus Luftkissen - verschweißte Kunststofffolie, getragen von fragilen Edelstahlbögen -, das zarteste Dach, das man sich nur vorstellen kann, vom Himmel nur ein paar Millimeter getrennt. Was da klingt wie die Realisierung eines großen 60er-Jahre Aufblasbar-abwaschbar-wunderbar-Traumes ist State of the Art-Technologie, Design und Statik und entspricht sämtlichen pingeligen Baubestimmungen, Regen und Schnee können ihm ebenso wenig anhaben wie Vögel aller Größenordnungen.

Die Büroräumlichkeiten selbst entsprechen aktuellen Normen und Anforderungen und schaffen ein in jeder Hinsicht angenehmes Arbeitsklima. Der Tresorraum sieht nach wie vor so aus wie bei den Panzerknackern: undurchdringliches Metall, so weit das Auge reicht.

Auch laufende Projekte von Christian Jabornegg und András Pálffy, wie der Wettbewerbsbeitrag für die Neugestaltung des Karlsplatzes, spielen sich vorwiegend im Untergrund ab. Wie bei einem Blind date, mit dessen Innenleben man mit der Zeit vertraut ist, brennt man darauf, endlich das „Gesicht“ ihrer Architektur zu sehen.

Der Standard, Fr., 2000.07.14



verknüpfte Bauwerke
SKWB Schoellerbank

12. Februar 1999Lilli Hollein
Der Standard

Angemessene Größe

Architekten gehören nicht immer zur beliebtesten Berufsgruppe, sie sind als teuer, kompliziert, eigensinnig und profilierungssüchtig verschrien, viele...

Architekten gehören nicht immer zur beliebtesten Berufsgruppe, sie sind als teuer, kompliziert, eigensinnig und profilierungssüchtig verschrien, viele...

Architekten gehören nicht immer zur beliebtesten Berufsgruppe, sie sind als teuer, kompliziert, eigensinnig und profilierungssüchtig verschrien, viele sind fanatische Arbeitsameisen und gelten daher als eher virtuelle Partner und Nachtschicht- Eltern.

Wie ist das nun im Falle der Bauherrin, die für ihren Wohnungsumbau mit Lukas Groh einen Architekten wählte, mit dem sie vier Kinder und zwanzig Jahre gemeinsamen Lebens verbinden?

Offenbar Positiv, denn sie ist begeistert: der Planer ist jemand, der all ihre Wünsche und Bedürfnisse kennt, sie versteht und weiß, was sie meint und außerdem ebenso das Anliegen hat, den beiden jüngeren Kindern ein zweites zu Hause zu schaffen.

Auf den 106 Quadratmetern Altbauwohnfläche hat es Lukas Groh geschafft, ein luxuriöses Raumprogramm von vier Zimmern, einer Küche, zwei Bädern, zwei Schrankräumen Vorraum und Klo abzuspulen.

Ohne allzu aufwendige Eingriffe in die vorhandene Substanz entstanden so völlig neue, großzügige Räume.

Die vorhandene Großküche wurde zugunsten eines Eßzimmers eliminiert, durch Wandumlegungen mehr Luft und Licht in die Räume gebracht und eine elegante, funktionale Kleinküche mit Special-Features wie Teppan Yaki-Platte fand auch in der ehemaligen Speisekammer genug Platz. Grau laminierten Stauraum und Arbeitsflächen, eine rote Blende und eine grasgrüne Kaffeemaschine läßt man hinter Schiebetüren verschwinden, sollte vor Gästen im Eßzimmer der devastierte Küchenbereich ausgeblendet werden.

Im Schlafzimmer wurde der lang gehegte Wunsch eines Kamins vor dem Bett realisiert, der in einer vorgelagerten Wandscheibe, hinter der man das Holz in Fächern lagern kann, versenkt ist.

Auch beim Bad paßte Groh die Raumgrößen den Anforderungen an: das Riesenbad wurde in Schrankraum/ Waschküche, sowie in ein immer noch geräumiges Badezimmer geteilt.

Ein ähnliches Konzept bescherte den Kindern unter ihrem Hochbett ein eigenes Bad und einen begehbaren Schrank, alles in präziser, handwerklicher Maßarbeit vornehmlich aus Birkensperrholz, klarlackierten Stahlprofilen und Glasscheiben vor weißgestrichenen Wänden im Bad.

Und damit wurde wieder ein Bauherr überzeugt: Architekten sind eben doch super!

Der Standard, Fr., 1999.02.12

06. November 1998Lilli Hollein
Der Standard

Untergrund-Architektur

Jabornegg+Pálffys wunderbare Welt der Schwerelosigkeit

Jabornegg+Pálffys wunderbare Welt der Schwerelosigkeit

Im Souterrain, mit Blick in einen verwunschenen Garten und auf ihr bislang bekanntestes Projekt, die E. A. Generali Foundation auf der Wiedner Hauptstraße, befindet sich das Spielfeld von Christian Jabornegg und András Pálffy. Die Architekten mit ausgeprägtem komödiantischen Talent, die einst durch das gemeinsame Basketballspiel zueinander fanden, haben hier in den Jahren der Zusammenarbeit ausgefeilte Lösungen für die Umsetzung ihrer Anliegen gefunden.

Kleine Projekte dienten dabei als Versuchslabor für die Entwicklung verschiedener Techniken, die ihren Räumen die charakteristische Homogenität verleihen.

Sie greifen bei ihren Lösungen oft auf vorhandene physikalische oder bauliche Ressourcen zurück, die Reduktion ist bei ihnen keineswegs ein zeitgeistiges Stilmittel, sie steckt unsichtbar ebenso in den Eingeweiden ihrer Bauten, wie sie an die Oberfläche dringt.

Resultate waren deshalb international beachtete Lösungen wie das Membrandach für die E. A. Generali Foundation, das, neben der Kostenersparnis im Vergleich zu einem Glasdach, aufgrund seiner wenigen Unterteilungen und der beeindruckenden Tageslichtregulation, das Interesse der Kollegenschaft auf sich zog. Der spezialbehandelte, fugenlose Zementboden dient als reflektierender Gegenpol.

Ihre kaum sichtbaren bauphysikalischen Tüfteleien für die Räume der Documenta haben die Charakteristik mancher Kunstwerke: die Fußbodenheizung wurde verändert und an das Brauchwasser (zum Beispiel Klospülung) angeschlossen. Somit entstand eine von der Blasen- und Peristaltikfunktion der Besucher abhängige Kühlung - eine Installation in Interaktion mit dem Betrachter.

Ein laufender Entwurf für ein Verwaltungsgebäude der SKWB Schoellerbank in der Wiener Renngasse wird zum Meisterstück ihrer Überdachungskunst. Transparente Luftkissen-Membranen schweben mit unglaublicher Leichtigkeit auf einer gleichermaßen zarten Konstruktion tragender Elemente, ein dünnes Gestänge, wo sonst Stahlträger in respektablen Dimensionen ihren Platz beanspruchen.

Wie beinahe alle ihrer bisherigen Entwürfe ist auch das Schoeller-Bankhaus nicht über eine Fassade oder ähnliches erfaßbar. Während sich einige ihrer Projekte, wie die Gestaltung der Grabungsstätte Judenplatz mit dem Mahnmahl von Rachel Whiteread, überhaupt primär im Untergrund abspielen, wurde in diesen Fall der historisch wertvolle Bestandteil des Gebäudes erhalten und durch einen Teilabbruch Flächen für ein neues funktionelles Raumprogramm geschaffen.

Wesentliche Elemente sind zwei neu zu errichtende Feuermauern, die neben ihrer statischen Funktion entlang ihrer Oberfläche Teile der Gebäudeventilation oder der Lichtstreuung aufnehmen. Zwei vertikale Versorgungschächte, zwischen denen linear die Gebäudeerschließung angeordnet ist, bilden mit den neuen Außenwänden eine statische Einheit. Eine Betonstahlverbundträgerdecke ermöglicht stützenlose Räume. Ebenso klare Flächen schafft der gläserne Innenhof, mehr noch aber ist er für die Licht- und Klimasituation der Büroflächen verantwortlich.

Den Beweis, daß Technologie nicht komplex und aufwendig, sondern intelligent sein muß, untermauern Jabornegg + Pálffy mit ihren Räumen, wo Flächen, Fugen und Licht als glanzvolle Hauptakteure handeln und Materialinnovationen meist der Verstärkung der Raumwirkung und nicht der Eitelkeit der Konstrukteure dienen.

Der Standard, Fr., 1998.11.06

18. September 1998Lilli Hollein
Der Standard

Ballance zwischen Himmel und Erde

Pichler/Traupmann machen Industriebauten, Kirchen oder Villen zu Gefügen, wo ein Bauteil auf dem anderen schwebt. Mit derselben Leichtigkeit fließt Philosophie in ihre Architektur ein.

Pichler/Traupmann machen Industriebauten, Kirchen oder Villen zu Gefügen, wo ein Bauteil auf dem anderen schwebt. Mit derselben Leichtigkeit fließt Philosophie in ihre Architektur ein.

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31. Juli 1998Lilli Hollein
Der Standard

Bankbeamtin Barbarella

„the unit“, die Architekten Wolfgang Bürgler und Georg Petrovic, nehmen mit der Gestaltung diverser Investment-Banken-Foyers Bezug auf die zunehmende Technologisierung und Vernetzung in diesem Bereich.

„the unit“, die Architekten Wolfgang Bürgler und Georg Petrovic, nehmen mit der Gestaltung diverser Investment-Banken-Foyers Bezug auf die zunehmende Technologisierung und Vernetzung in diesem Bereich.

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07. August 1997Lilli Hollein
Der Standard

Virusinfektion

Der Architekt Wiel Arets hielt vor einiger Zeit unter dem Titel „Was haben Viren mit Architektur zu tun“ einen Vortrag über sein Werk. Die Wirkung des Aretsschen Architektur-Virus zeigt der Band mit dem Titel „Strange bodies – Fremdkörper“.

Der Architekt Wiel Arets hielt vor einiger Zeit unter dem Titel „Was haben Viren mit Architektur zu tun“ einen Vortrag über sein Werk. Die Wirkung des Aretsschen Architektur-Virus zeigt der Band mit dem Titel „Strange bodies – Fremdkörper“.

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Publikationen

Presseschau 12

07. Oktober 2006Lilli Hollein
Der Standard

Das Prinzip der Addition

Steigender Platzbedarf trifft auf schrumpfende Budgets. Besonders dort, wo der laufende Betrieb nicht unterbrochen werden kann, sind Zubauten zum Bestand oftmals die einzige Lösung. Neben der Effizienz trägt dies mitunter auch zu einem ansehnlicheren Ensemble bei.

Steigender Platzbedarf trifft auf schrumpfende Budgets. Besonders dort, wo der laufende Betrieb nicht unterbrochen werden kann, sind Zubauten zum Bestand oftmals die einzige Lösung. Neben der Effizienz trägt dies mitunter auch zu einem ansehnlicheren Ensemble bei.

Expansionslust kennt man aus den eigenen vier Wänden. Nach Jahren wird alles zu klein. Bestünde die Möglichkeit, die Wohnung nach Bedarf über die Fassade hinaus zu erweitern, würden wohl allerorten kleine Erker, ganze Zimmer, Terrassen oder Abstellflächen wie Schubladen aus dem Haus ragen. Wie einige schöne Architektur-Beispiele beweisen, hat so mancher Hausbesitzer diesen Traum in bemerkenswerter Weise wahr gemacht.

Was im privaten Bereich eine mehr oder weniger luxuriöse Option ist, ist für öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser und Schulen oft der einzig gangbare Weg, um Platz zu schaffen und das Gebäude den neuesten Anforderungen anzupassen, ohne dabei den laufenden Betrieb unterbrechen zu müssen.

Dass mediokren Gebäuden mit einem Zubau zu nie gekanntem Glanz verholfen werden kann, zeigt etwa das neue Landeskrankenhaus Knittelfeld. Das Team fasch&fuchs konnte - gemeinsam mit Projektpartner Lukas Schumacher - den Wettbewerb um die dringend anstehende Erweiterung für sich entscheiden.

2002 wurden die alten Nebengebäude abgerissen, ein Jahr später wurde bereits mit dem Zubau begonnen. Seit knapp einem Jahr sind Großküche, Speisesaal und die vier neuen Bettenstationen nun fertig gestellt. Das Resultat sind Räume, die neben ihrer Effizienz vor allem durch eine besonders geschickte Lichtführung beeindrucken.

Fassade kippt weg

Die Entwürfe von Hemma Fasch und Jakob Fuchs vereinen sichtlich Freude am Entwurf mit Pragmatik und Intelligenz. Im Falle des LKH Knittelfeld bedeutet das: Um das Grundstück optimal zu nutzen, wurde der neue Baukörper nordseitig an das bestehende Gebäude aus der Jahrhundertwende angedockt. Jakob Fuchs erklärt, warum der Neubau „so knapp zubi“ steht: „Die nahe Lage ermöglichte eine effiziente, kurze Wegführung zwischen den Bauteilen und beließ gleichzeitig ein Maximum an Parkfläche und Baumbestand“. Dem Lichtproblem, das sich durch das Nahverhältnis der beiden Bauten ergeben hatte, wurde mit einer geschickten Geste begegnet. Die Fassade des Neubaus kippt - immerhin unter einem beträchtlichen Winkel von 18 Grad - vom Bestand weg.

Fuchs streicht auch den zwischen den Baukörpern entstehenden Wirtschaftshof hervor, der als Lieferzone eine wesentliche logistische Funktion erfüllt. Die erdgeschoßige Großküche ist nicht nur selbstversorgend, sondern beliefert auch die Krankenhäuser der Nachbarstädte. Eine Herausforderung war der Abbruch und völlige Neubau des Altbau-Stiegenhaus bei vollem Betrieb - auch das war Teil des Konzeptes.

Das bereits mehrfach gekürte Werk (Nominierung Mies- van-der-Rohe-Preis 2006, Dominico Preis 2006, Geramb-Preis für gutes Bauen) mit einer Bausumme von 35 Millionen Euro (Bruttogeschoßfläche von 9000 Quadratmetern) harrt mittlerweile einer weiteren Bauphase - im nächsten Bauabschnitt stehen Sanierung und Umbau des Bestands an. Die Krankenhaus-Expertise des Büros fließt währenddessen schon ins nächste Projekt ein. Mit dem LKH Gmunden darf man auf einen weiteren Lichtblick hoffen.

Überbrückungshilfe

Eine andere Lösung - nämlich Aufbau statt Zubau - wandten die Architekten Oliver Kaufmann und Max Wanas bei der Erweiterung der HTL Braunau am Inn an. Den Auftrag brachte ein EU-weiter Wettbewerb. Auch sie hatten das Ansinnen, helle und offene Räume zu schaffen. Das eben fertig gestellte Resultat schlug mit Errichtungs- und Umbaukosten von 17,8 Millionen Euro zu Buche. Geschickt platzierten sie den zweigeschoßigen Labortrakt anstelle einer alten Werkhalle, die zehn neu geschaffenen Klassen hingegen schweben als Brückenbauwerk über den Altbau hinweg. Neue Dachterrassen und Atrien bringen Freiheit in den Schulalltag.

Ob man nun abgräbt, andockt, aufstockt oder aufständert - während des laufenden Betriebes die Flächen zu erweitern, stellt nur selten die kostengünstigste Variante dar. In vielen Fällen ist sie allerdings die einzig mögliche. Architektur-Wettbewerbe zeigen ungeahnte Möglichkeiten auf, zwischen Abriss, Neubau und Erweiterung die jeweils beste Lösung zu erwägen. Der Wermutstropfen: Immer seltener lassen die Wettbewerbsausschreibungen solch großen Ermessensspielraum frei.

Der Standard, Sa., 2006.10.07

20. April 2002Lilli Hollein
Der Standard

What's next

Von Londons Blueprint über das Mailänder Domus ist der Architekt Deyan Sudjic nun im Anflug auf die diesjährige Architekturbiennale in Venedig. Als deren Direktor will er Visionen neuen Raum geben - auch denen von gestern.

Von Londons Blueprint über das Mailänder Domus ist der Architekt Deyan Sudjic nun im Anflug auf die diesjährige Architekturbiennale in Venedig. Als deren Direktor will er Visionen neuen Raum geben - auch denen von gestern.

Wie gut, dass Deyan Sudjic schon bei seiner Bestellung zum Herausgeber des renommierten Mailänder Architektur- und Design-Magazins Domus sein Italienisch verbessert hat. Denn er hat als Direktor der Architektur-Biennale einen weiteren prestigereichen Job im Land der Grappa eingestreift, die er, was er auf seine serbischen Vorfahren zurückführt, ohnehin dem schottischen Whisky vorzieht.

Dass sich Mailand und Venedig nur ein paar Autobahnstunden voneinander entfernt liegen, wird dennoch nicht mehr Ruhe in Sudjics Leben bringen: Montag Dienstag Mailand, dazwischen der Rest der Welt, und am Freitag steuert er Familie und die Tageszeitung Observer, für die er als Architekturkritiker tätig ist, in London an. Seine Reisetätigkeit und sein Terminplan sind ebenso legendär wie sein Hang dazu, Gegenstände zu verlieren.

Um so mehr erstaunt es, wie gut die Dinge, die in seiner Hand liegen, funktionieren. Seit der Gründung 1983 und der darauf folgenden elfjährigen Herausgeberschaft des preisgekrönten Monatsblatts Blueprint ist Sudjic ein Fixstarter auf allen großen Design- und Architekturveranstaltungen der Welt. Einzig die Direktorenschaft für „Glasgow UK City of Architecture and Design“ hat es geschafft, ihn für einige Monate zwischen 1996 und 2000 in Schottland festzunageln, wo er auch einst sein Architekturstudium, an der Edinburgh University, absolviert hatte.

Zwischen 1993 und 1997 war Deyan Sudjic regelmäßig in seiner Funktion als Professor für Geschichte und Theorie des Design an der Angewandten auf Wien-Besuch - ein Ort, wo man sich mit der Aussprache des serbischen Familiennamens leichter tut als in Großbritannien, wo Sudjic 1952 geboren wurde.

Seine Kurzvisite dieser Tage in Wien gilt dem Biennale-Programm und einem Stopover in der geliebten Loos-Bar. Sein Biennale-Konzept steht unter der Ansage „next“. Es versammelt unter der Frage, was nachkommt, etwa 100 Projekte, die auf dem Weg sind, realisiert zu werden. Sudjic betont, dass es sich hier um Projekte und nicht vorrangig um die Autoren, also Architekten handelt, was aber nicht heißt, dass es nicht von großen Architektennamen wimmelt.

Das beginnt schon bei der Ausstellungsarchitektur. Diesen Part hat John Pawson, britischer Minimalismuspapst, übernommen, über dessen Werk Sudjic im Vorjahr ein Buch herausgebracht hat. Unterstützt wird er vom Lichtdesigner Arnold Chan und dem Graphikdesigner Simon Esterson, der auch für das Erscheinungsbild von Domus verantwortlich ist.

Das relativ locker geschnürte Korsett von „next“ solle einen kohärenten, simpel erfahrbaren Zusammenhang, einen Schritt von Maßstab zu Maßstab und eine Vielfalt von Zugängen ermöglichen. Ob das „nexte“ Projekt von wem auch immer nun in dichtbesiedeltem Gebiet steht, ob die verschiedenen Positionen zum Thema „housing“ oder unter „educational“ solche der Lehre, des Unterrichtens und Studierens stehen, ist einzig durch eine thematische Zuordnung gegliedert, aber nicht reglementiert.

Platz jedenfalls gibt es genug. Sudjic wird neben den Giardini auch die Corderie Venedigs, die ehemaligen Seilerstätten, bespielen. Im Italienischen Pavillon, der stets neben der nationalen Präsentation dem Direktor einen Teil für eine allgemeine Schau zur Verfügung stellt, bleibt bei Direktor Sudjic beim Thema: Hier geht es um Projekte, die in Italien realisiert werden, aber von Architekten aus aller Welt geplant wurden; das erinnert an den Österreichischen Pavillon bei der letzten Architektur-Biennale.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die physische Qualität, die Erfahrbarkeit des Materials und seiner Oberfläche, die Sudjic mittels Bemusterung dem Besucher näher bringen will. Riesige Materialproben - ein 5 mal 4 Meter großes Betonmodell - werden das im Fall von Peter Zumthors Köln-Projekt sein oder für Nouvels Tower in Barcelona, der mit exquisiten Modellen und rohen Mustern beschrieben wird. In puncto Materialfaszination fallen auch die Namen Herzog und de Meuron und Todd Willams/Billie Tsien, die mit Sicherheit vertreten sein werden. SOM werden vielleicht mit den neuen Twin Towers für New York kommen, auch die politische Dimension, ein Spezialthema Sudjics, wird anhand von Beispielen aus der Mitterand-Ära oder Peter Eisenmans Projekts in Santiago de Compostela erläutert. Und natürlich wird Kohlhaas auch nicht fehlen, diesmal wird er voraussichtlich in der Sektion Stadt auftauchen. Einen Raum mit Grafik wird es ebenso geben, allerdings weniger Videos als vor zwei Jahren.

Letztlich will Sudjic verstärkt den großen Ideen Rechnung getragen, von denen man geglaubt hatte, dass sie einmal die Zukunft der Architektur sein würden: den Visionären, der Geschichte der Zukunft, dem, was einmal „next“ war wie Archigram oder Cedric Price, was nie gebaut, aber in den letzten Jahren mit Enthusiasmus wiederentdeckt wurde.

Der Standard, Sa., 2002.04.20

14. Juli 2000Lilli Hollein
Der Standard

Himmel, gefühlsecht

Hauchzart und transparent: das Dach der SKWB Schoellerbank - ein Glanzstück von Christian Jabornegg und András Pálffy

Hauchzart und transparent: das Dach der SKWB Schoellerbank - ein Glanzstück von Christian Jabornegg und András Pálffy

Nur drei Jahre nachdem Jabornegg und Pálffy den Wettbewerb für sich entscheiden konnten und nur zwei Jahre nach Baubeginn werden derzeit die fertiggestellten Räume der SKWB Schoellerbank bezogen.

Im ehemaligen Palais Rothschild in der Renngasse im ersten Wiener Gemeindebezirk bewegen sich exklusive Kunden und Angestellte gleichermaßen durch lichtdurchflutete, scheinbar stützenfreie Räume. Die Umwelt profitiert von der intelligenten Klimatechnik, und auch sonst haben die Architekten der Generali-Foundation, Documenta X und der Umgestaltung des Judenplatzes konsequent ihre Ideen weiterentwickelt.

Wie bei den meisten vorhergehenden Projekten musste auch hier Altbestand berücksichtigt werden, hinter der gewohnten Fassade verbirgt sich in der teilweise ausgehöhlten Substanz ein Neubau.

Dass hier ein frischer Wind weht, zeigt schon die Eingangshalle. Mittels Falttüren entsteht kurzerhand ein Foyer, das für Empfänge und Veranstaltungen genutzt werden kann. Je nach gewünschter Licht-Stimmung wird die Glasdecke per Knopfdruck zwischen Matt und Transparent umgeschaltet, die Wandverkleidung mit Akustik-Paneelen in Ahorn sorgt für den warmen Grundton.

Jede Menge natürliches Licht und Materialien, die nicht dem hierzulande üblichen gediegenen Bankrepertoire entsprechen, ziehen sich auch durch das zweiläufige Treppenhaus aus Beton, Glas und I-Trägern.

Wer es schafft, den Blick vom verführerischen Treppenhaus zu wenden, wird vollends sein Herz verlieren: Über einem Innenhof schwebt beinahe unsichtbar eine Dachstruktur aus Luftkissen - verschweißte Kunststofffolie, getragen von fragilen Edelstahlbögen -, das zarteste Dach, das man sich nur vorstellen kann, vom Himmel nur ein paar Millimeter getrennt. Was da klingt wie die Realisierung eines großen 60er-Jahre Aufblasbar-abwaschbar-wunderbar-Traumes ist State of the Art-Technologie, Design und Statik und entspricht sämtlichen pingeligen Baubestimmungen, Regen und Schnee können ihm ebenso wenig anhaben wie Vögel aller Größenordnungen.

Die Büroräumlichkeiten selbst entsprechen aktuellen Normen und Anforderungen und schaffen ein in jeder Hinsicht angenehmes Arbeitsklima. Der Tresorraum sieht nach wie vor so aus wie bei den Panzerknackern: undurchdringliches Metall, so weit das Auge reicht.

Auch laufende Projekte von Christian Jabornegg und András Pálffy, wie der Wettbewerbsbeitrag für die Neugestaltung des Karlsplatzes, spielen sich vorwiegend im Untergrund ab. Wie bei einem Blind date, mit dessen Innenleben man mit der Zeit vertraut ist, brennt man darauf, endlich das „Gesicht“ ihrer Architektur zu sehen.

Der Standard, Fr., 2000.07.14



verknüpfte Bauwerke
SKWB Schoellerbank

12. Februar 1999Lilli Hollein
Der Standard

Angemessene Größe

Architekten gehören nicht immer zur beliebtesten Berufsgruppe, sie sind als teuer, kompliziert, eigensinnig und profilierungssüchtig verschrien, viele...

Architekten gehören nicht immer zur beliebtesten Berufsgruppe, sie sind als teuer, kompliziert, eigensinnig und profilierungssüchtig verschrien, viele...

Architekten gehören nicht immer zur beliebtesten Berufsgruppe, sie sind als teuer, kompliziert, eigensinnig und profilierungssüchtig verschrien, viele sind fanatische Arbeitsameisen und gelten daher als eher virtuelle Partner und Nachtschicht- Eltern.

Wie ist das nun im Falle der Bauherrin, die für ihren Wohnungsumbau mit Lukas Groh einen Architekten wählte, mit dem sie vier Kinder und zwanzig Jahre gemeinsamen Lebens verbinden?

Offenbar Positiv, denn sie ist begeistert: der Planer ist jemand, der all ihre Wünsche und Bedürfnisse kennt, sie versteht und weiß, was sie meint und außerdem ebenso das Anliegen hat, den beiden jüngeren Kindern ein zweites zu Hause zu schaffen.

Auf den 106 Quadratmetern Altbauwohnfläche hat es Lukas Groh geschafft, ein luxuriöses Raumprogramm von vier Zimmern, einer Küche, zwei Bädern, zwei Schrankräumen Vorraum und Klo abzuspulen.

Ohne allzu aufwendige Eingriffe in die vorhandene Substanz entstanden so völlig neue, großzügige Räume.

Die vorhandene Großküche wurde zugunsten eines Eßzimmers eliminiert, durch Wandumlegungen mehr Luft und Licht in die Räume gebracht und eine elegante, funktionale Kleinküche mit Special-Features wie Teppan Yaki-Platte fand auch in der ehemaligen Speisekammer genug Platz. Grau laminierten Stauraum und Arbeitsflächen, eine rote Blende und eine grasgrüne Kaffeemaschine läßt man hinter Schiebetüren verschwinden, sollte vor Gästen im Eßzimmer der devastierte Küchenbereich ausgeblendet werden.

Im Schlafzimmer wurde der lang gehegte Wunsch eines Kamins vor dem Bett realisiert, der in einer vorgelagerten Wandscheibe, hinter der man das Holz in Fächern lagern kann, versenkt ist.

Auch beim Bad paßte Groh die Raumgrößen den Anforderungen an: das Riesenbad wurde in Schrankraum/ Waschküche, sowie in ein immer noch geräumiges Badezimmer geteilt.

Ein ähnliches Konzept bescherte den Kindern unter ihrem Hochbett ein eigenes Bad und einen begehbaren Schrank, alles in präziser, handwerklicher Maßarbeit vornehmlich aus Birkensperrholz, klarlackierten Stahlprofilen und Glasscheiben vor weißgestrichenen Wänden im Bad.

Und damit wurde wieder ein Bauherr überzeugt: Architekten sind eben doch super!

Der Standard, Fr., 1999.02.12

06. November 1998Lilli Hollein
Der Standard

Untergrund-Architektur

Jabornegg+Pálffys wunderbare Welt der Schwerelosigkeit

Jabornegg+Pálffys wunderbare Welt der Schwerelosigkeit

Im Souterrain, mit Blick in einen verwunschenen Garten und auf ihr bislang bekanntestes Projekt, die E. A. Generali Foundation auf der Wiedner Hauptstraße, befindet sich das Spielfeld von Christian Jabornegg und András Pálffy. Die Architekten mit ausgeprägtem komödiantischen Talent, die einst durch das gemeinsame Basketballspiel zueinander fanden, haben hier in den Jahren der Zusammenarbeit ausgefeilte Lösungen für die Umsetzung ihrer Anliegen gefunden.

Kleine Projekte dienten dabei als Versuchslabor für die Entwicklung verschiedener Techniken, die ihren Räumen die charakteristische Homogenität verleihen.

Sie greifen bei ihren Lösungen oft auf vorhandene physikalische oder bauliche Ressourcen zurück, die Reduktion ist bei ihnen keineswegs ein zeitgeistiges Stilmittel, sie steckt unsichtbar ebenso in den Eingeweiden ihrer Bauten, wie sie an die Oberfläche dringt.

Resultate waren deshalb international beachtete Lösungen wie das Membrandach für die E. A. Generali Foundation, das, neben der Kostenersparnis im Vergleich zu einem Glasdach, aufgrund seiner wenigen Unterteilungen und der beeindruckenden Tageslichtregulation, das Interesse der Kollegenschaft auf sich zog. Der spezialbehandelte, fugenlose Zementboden dient als reflektierender Gegenpol.

Ihre kaum sichtbaren bauphysikalischen Tüfteleien für die Räume der Documenta haben die Charakteristik mancher Kunstwerke: die Fußbodenheizung wurde verändert und an das Brauchwasser (zum Beispiel Klospülung) angeschlossen. Somit entstand eine von der Blasen- und Peristaltikfunktion der Besucher abhängige Kühlung - eine Installation in Interaktion mit dem Betrachter.

Ein laufender Entwurf für ein Verwaltungsgebäude der SKWB Schoellerbank in der Wiener Renngasse wird zum Meisterstück ihrer Überdachungskunst. Transparente Luftkissen-Membranen schweben mit unglaublicher Leichtigkeit auf einer gleichermaßen zarten Konstruktion tragender Elemente, ein dünnes Gestänge, wo sonst Stahlträger in respektablen Dimensionen ihren Platz beanspruchen.

Wie beinahe alle ihrer bisherigen Entwürfe ist auch das Schoeller-Bankhaus nicht über eine Fassade oder ähnliches erfaßbar. Während sich einige ihrer Projekte, wie die Gestaltung der Grabungsstätte Judenplatz mit dem Mahnmahl von Rachel Whiteread, überhaupt primär im Untergrund abspielen, wurde in diesen Fall der historisch wertvolle Bestandteil des Gebäudes erhalten und durch einen Teilabbruch Flächen für ein neues funktionelles Raumprogramm geschaffen.

Wesentliche Elemente sind zwei neu zu errichtende Feuermauern, die neben ihrer statischen Funktion entlang ihrer Oberfläche Teile der Gebäudeventilation oder der Lichtstreuung aufnehmen. Zwei vertikale Versorgungschächte, zwischen denen linear die Gebäudeerschließung angeordnet ist, bilden mit den neuen Außenwänden eine statische Einheit. Eine Betonstahlverbundträgerdecke ermöglicht stützenlose Räume. Ebenso klare Flächen schafft der gläserne Innenhof, mehr noch aber ist er für die Licht- und Klimasituation der Büroflächen verantwortlich.

Den Beweis, daß Technologie nicht komplex und aufwendig, sondern intelligent sein muß, untermauern Jabornegg + Pálffy mit ihren Räumen, wo Flächen, Fugen und Licht als glanzvolle Hauptakteure handeln und Materialinnovationen meist der Verstärkung der Raumwirkung und nicht der Eitelkeit der Konstrukteure dienen.

Der Standard, Fr., 1998.11.06

18. September 1998Lilli Hollein
Der Standard

Ballance zwischen Himmel und Erde

Pichler/Traupmann machen Industriebauten, Kirchen oder Villen zu Gefügen, wo ein Bauteil auf dem anderen schwebt. Mit derselben Leichtigkeit fließt Philosophie in ihre Architektur ein.

Pichler/Traupmann machen Industriebauten, Kirchen oder Villen zu Gefügen, wo ein Bauteil auf dem anderen schwebt. Mit derselben Leichtigkeit fließt Philosophie in ihre Architektur ein.

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31. Juli 1998Lilli Hollein
Der Standard

Bankbeamtin Barbarella

„the unit“, die Architekten Wolfgang Bürgler und Georg Petrovic, nehmen mit der Gestaltung diverser Investment-Banken-Foyers Bezug auf die zunehmende Technologisierung und Vernetzung in diesem Bereich.

„the unit“, die Architekten Wolfgang Bürgler und Georg Petrovic, nehmen mit der Gestaltung diverser Investment-Banken-Foyers Bezug auf die zunehmende Technologisierung und Vernetzung in diesem Bereich.

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07. August 1997Lilli Hollein
Der Standard

Virusinfektion

Der Architekt Wiel Arets hielt vor einiger Zeit unter dem Titel „Was haben Viren mit Architektur zu tun“ einen Vortrag über sein Werk. Die Wirkung des Aretsschen Architektur-Virus zeigt der Band mit dem Titel „Strange bodies – Fremdkörper“.

Der Architekt Wiel Arets hielt vor einiger Zeit unter dem Titel „Was haben Viren mit Architektur zu tun“ einen Vortrag über sein Werk. Die Wirkung des Aretsschen Architektur-Virus zeigt der Band mit dem Titel „Strange bodies – Fremdkörper“.

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10. Juli 1997Lilli Hollein
Der Standard

„propeller z“ - Designer- und Architektenteam im Steigflug

Die „basis wien“ als sensibler Eingriff in die Messepalast-Substanz

Die „basis wien“ als sensibler Eingriff in die Messepalast-Substanz

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Profil

Generaldirektorin des MAK-Museum für angewandte Kunst Wien
Kuratorin und Journalistin
Studium Industrial Design, Universität für angewandte Kunst, Diplom 1999
Studium Psychologie, Universität Wien

Seit 1994 Tätigkeit im Bereich Ausstellungen, als Kuratorin unter anderem für folgende Ausstellungen verantwortlich:
2007 Kommissärin des österreichischen Beitrags „feld72 - urbanism for sale“ bei der 7. Architekturbiennale Sao Paulo
2005 Galerie Aedes East, Berlin und 2006 Zumtobel Lichtforum Wien „AustriArchitektur- sieben Debüts aus Österreich“.
2002 „Memphis-Kunst /Kitsch/Kult“, Designzone Looshaus und „Memphis - 21 Jahre nach der Designrevolution“, Kunsthalle Krems,
Seit 1996 kontinuierliche journalistische Tätigkeit für deutschsprachige und internationale Tageszeitungen und Magazine sowie Filmbeiträge. Als Autorin zahlreiche Buch- und Katalogbeiträge, Moderationen und Einsätze als Jurorin

Gemeinsam mit Tulga Beyerle und Thomas Geisler als „Neigungsgruppe Design“:
2006 Konferenz „D06 – Zeitzonen“, Universität für angewandte Kunst Wien
2007 Konferenz „D07 – Die Mitte“, Universität für angewandte Kunst Wien

Von 2007-2021 VIENNA DESIGN WEEK, Co-Gründerin, Direktorin

Seit 2021 Generaldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin des MAK - Museum für angewandte Kunst Wien

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