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Artikel 12

02. Dezember 2023Wojciech Czaja
Der Standard

Unsere Wohnung ist das weiße Papier in unserem Leben

Roland Winkler und Klaudia Ruck leiten ein gemeinsames Architekturbüro in Klagenfurt. Sie mögen sich sehr, sagen die beiden, aber zwischen Bett und Büro braucht es auch einmal eine geografische Auszeit

Roland Winkler und Klaudia Ruck leiten ein gemeinsames Architekturbüro in Klagenfurt. Sie mögen sich sehr, sagen die beiden, aber zwischen Bett und Büro braucht es auch einmal eine geografische Auszeit

Das Wichtigste ist das Wohnzimmer. Der Raum ist hell, weiß, irgendwie unbelastet. Nachdem wir ja beide in der Architektur tätig sind und uns den ganzen Tag mit Raum, Funktion, Ästhetik, Gestaltung und viel Krimskrams beschäftigen, können wir uns hier entspannen und zur Ruhe kommen. Manche sagen, dass es bei uns immer so aufgeräumt ist. Die Wahrheit ist: Wir räumen nicht wirklich auf, wir sind auch nicht besonders diszipliniert, zumindest nicht in der eigenen Wahrnehmung, es schaut einfach so aus, weil wir es – nach einem langen, intensiven Tag – gar nicht anders aushalten würden.

Hinter dem Weißen, Minimalistischen verbirgt sich aber auch ein ganz anderer Grund: Eigentlich ist hier alles sehr simpel, sehr Lowtech und auch sehr billig gebaut, denn als wir vor einem Vierteljahrhundert eingezogen sind, hatten wir fast kein Geld. Die Decke mit den genagelten Dachträgern war schon hier, wir haben sie lediglich weiß lackiert. Die Fenster zum Innenhof sind übrig gebliebene, reklamierte Bauteile der Tischlerei, die hier beheimatet war. Wir haben den Restposten übernommen und die Größe des Innenhofs an die Fenster angepasst. Sogar das Bad ist komplett recycelt. Gemeinsam mit Kollegen hatten wir eine Ausstellung gemacht, nach dem Abbau wusste niemand, wohin mit den Ausstellungstafeln, und so haben wir statt einer Verfliesung das Badezimmer damit ausgekleidet. Wir sind richtige Restlverwerter! Heute würde man Kreislaufwirtschaft dazu sagen.

Ein bisschen erinnert uns die Wohnung an unser Studium. Als wir in Graz Architektur studiert haben, hatten wir einen Schreibtisch im Zeichensaal der TU. Noch lange vor CAD-Zeiten haben wir unsere Pläne ja händisch gezeichnet – mit Lineal und Tuschestift auf Transparentpapier. Und nach jedem größeren Projekt, wenn der Tisch schon schmutzig und vollgekritzelt war, haben wir die Platte mit weißem Papier neu bespannt. Das war wie ein seelisches, psychohygienisches Aufräumen! So ähnlich ist auch unsere Wohnung: Sie ist das weiße, saubere, aufgespannte Papier in unserem Leben.

Wir wohnen hier im Osten von Klagenfurt. Im Grunde genommen ist das ein klassischer Industriebau aus der Vorkriegszeit. Früher befand sich hier eine Tischlerei, später war im Erdgeschoß der Klagenfurter Modelleisenbahnverein eingemietet – mit der größten Modelleisenbahn Kärntens, bitte schön! Heute nutzt ein befreundeter Künstler den Raum als Atelier. Im ersten Stock haben wir unser Büro eingerichtet, als die Kinder kamen, haben wir den Bereich daneben zur Wohnung ausgebaut. Die beiden Fenster hinter uns sind eine Notlösung, denn die Nachbarin wollte nicht, dass wir ihr auf die Terrasse schauen. Und so haben wir diese Lamellen aus Holzbrettern gebaut. Mit einem simplen Seilzug kann man sie auch ganz zumachen.

Der Bullerjan in der Mitte des zwölf Meter langen Wohnzimmers eignet sich nicht nur zum Heizen, sondern ist auch eine Art Grenze zwischen uns beiden. Im Büro picken wir den ganzen Tag aneinander, und im Bett dann auch in der Nacht. Dazwischen brauchen wir im Wohnen etwas Distanz, eine geografische Auszeit voneinander, weil wir uns sonst nicht aushalten würden. Dem einen gehört die Couchlandschaft, der anderen der Esstisch. Das eine eignet sich zum Lümmeln, Musikhören, Fernsehen, das andere zum Lesen und Patience-Karten-Legen. Die täglich zelebrierte Trennung funktioniert wunderbar, wir mögen uns noch immer!

Auf dem Grundstück nebenan, das sich nach dem Abbruch einer ehemaligen Lederfabrik die Natur zurückerobert hat, wird in den kommenden Jahren ein gemeinnütziger Wohnbau errichtet. Das Haus wird uns ziemlich nah auf die Pelle rücken, unsere Aussicht aus dem Fenster wird auf drei Meter reduziert, wir müssen uns was einfallen lassen. Aber wir sind guter Dinge. Wir lieben es, mit Widrigkeiten umzugehen. Aus der Not entstehenden die besten Tugenden.

Profil

Seit 1994 Zusammenarbeit in Graz
Seit 1998 Architekturbüro in Klagenfurt
Seit 2016 Winkler Ruck Architekten ZT GmbH

Publikationen

Wojciech Czaja: Wien Museum / Neu, Verlag Müry Salzmann, Salzburg 2023
Otto Kapfinger: Neue Architektur in Kärnten, Hrsg. Architekturhaus Kärnten, Verlag Anton Pustet, Salzburg 2006
Anne Bauer, Ingrid Gumpinger, Eleonore Kleindienst: Frauenarchitektouren, Arbeiten von Architektinnen in Österreich, Verlag Anton Pustet, Salzburg 2004

Auszeichnungen

2023 BauherrInnenpreis ZV Österreich, Kärnten.Museum [mit Ferdinand Certov]
2023 Kulturpreis Land Kärnten, Würdigungspreis für Architektur und Baukultur
2022 Landesbaupreis, Anerkennung, EinRaumEinHaus
2019 Holzbaupreis Kärnten, Häuser im Wald
2018 BauherrInnenpreis ZV Österreich, Häuser im Wald
2018 Best Architects 19, Auszeichnung Häuser im Wald
2017 Holzbaupreis Kärnten, Wohnanlage Einigkeitsstrasse [mit Ernst Roth]
2017 Holzbaupreis Kärnten, Anerkennung Haus mit Aussicht
2016 BauherrInnenpreis ZV Österreich, Nominierung Neue Mittelschule Wölfnitz
2015 Holzbaupreis Kärnten, Preis der Jury, Schatzkammer Gurk
2015 Piranesi Award, Nominierung Schatzkammer Gurk
2014 BauherrInnenpreis ZV Österreich, Schatzkammer Gurk
2014 Landesbaupreis, Anerkennung Schatzkammer Gurk
2014 Ernst A. Plischke Preis, Nominierung NMS Wölfnitz / Warm Anziehen / Loft I
2013 Landesbaupreis, Neue Mittelschule Wölfnitz
2013 Das Beste Haus, Backboard
2013 Holzbaupreis Kärnten, Anerkennung Warm Anziehen
2012 Landesbaupreis, Parkhaus LKH Villach [mit A4+ Hoke / Leiler / Vögele]
2012 Landesbaupreis, Anerkennung Backboard
2010 BauherrInnenpreis ZV Österreich, Nominierung Schulzentrum Kühnsdorf
2010 Landesbaupreis, Anerkennung Schulzentrum Kühnsdorf
2009 Das Beste Haus, Rundbogenhaus
2008 Landesbaupreis, Anerkennung Rundbogenhaus
2007 Landesbaupreis, Stadtgartenzentrale Klagenfurt
2005 Bauherrenpreis St. Veit, Haus und Hof
2001 Landesbaupreis, Loft I
1998 Margarethe Schütte-Lihotzky Projektstipendium [mit Danijela Gojic]
1997 Förderungspreis für Architektur, Land Kärnten [mit JAK / Junge Architektur Kärnten]
1996 Holzbaupreis Kärnten, Haus hinter der Mauer

In nextroom dokumentiert:
ZV-Bauherr:innenpreis 2024, Nominierung, Wien Museum
Kärntner Landesbaupreis 2024, Anerkennung, Kärnten.Museum
Staatspreis Architektur & Nachhaltigkeit 2024, Preisträger, Wien Museum
ZV-Bauherrenpreis 2023, Preisträger, Kärnten.Museum
Kärntner Landesbaupreis 2022, Anerkennung, EinRaumEinHaus
Holzbaupreis Kärnten 2019, Preisträger, Häuser im Wald
ZV-Bauherrenpreis 2018, Preisträger, Häuser im Wald
Kärntner Landesbaupreis 2017, Nominierung, Wohnen an der Einigkeitsstraße
Holzbaupreis Kärnten 2017, Preisträger, Wohnen an der Einigkeitsstraße
Holzbaupreis Kärnten 2017, Anerkennung, Haus mit Aussicht
ZV-Bauherrenpreis 2016, Nominierung, Neue Mittelschule Wölfnitz
Holzbaupreis Kärnten 2015, Preisträger, Schatzkammer Gurk
Kärntner Landesbaupreis 2014, Anerkennung, Schatzkammer Gurk
ZV-Bauherrenpreis 2014, Preisträger, Schatzkammer Gurk
Kärntner Landesbaupreis 2013, Preisträger, Neue Mittelschule Wölfnitz
Holzbaupreis Kärnten 2013, Auszeichnung, warm anziehen
Kärntner Landesbaupreis 2012, Anerkennung, Seehaus P. – „BACKBOARD“
Kärntner Landesbaupreis 2010, Anerkennung, Schulzentrum Kühnsdorf
ZV-Bauherrenpreis 2010, Nominierung, Schulzentrum Kühnsdorf
Das beste Haus 2009, Preisträger, Rundbogenhaus
Kärntner Landesbaupreis 2008, Anerkennung, Rundbogenhaus
Kärntner Landesbaupreis 2007, Preisträger, Stadtgartenzentrale

Wettbewerbe

2023 Junges und Studentisches Wohnen Sandwirth, Innsbruck, offener Realisierungswettbewerb, Nachrücker
2021 Albanian Jewish Museum in Vlore, geladener Realisierungswettbewerb, 2. Rang
2021 Umbau Headquarter der Kärntner Sparkasse AG, geladener Realisierungswettbewerb, 1. Rang [mit Ferdinand Certov]
2020 Wohnquartier An der Glan, offener, einstufiger städtebaulicher Wettbewerb, 3. Rang
2018 Bildungszentrum Baldramsdorf, geladener Realisierungswettbewerb, 1. Rang
2017 Kulturzentrum Völkermarkt, geladener Realisierungswettbewerb, 1. Rang [mit Ed Hoke]
2016 Generalsanierung Rudolfinum / Landesmuseum Kärnten, offener Realisierungswettbewerb, 1. Rang
2016 Autobahnmeisterei Bruck a.d. Leihta, offener, einstufiger Realisierungswettbewerb, Anerkennung
2015 Wien Museum Neu, offener, zweistufiger Realisierungswettbewerb, 1. Rang [mit Ferdinand Certov]
2015 Sanierung / Erweiterung Universitätsbibliothek Graz, offener, zweistufiger Realisierungswettbewerb, Anerkennung [mit Ferdinand Certov]
2013 Überbauung Seniorenresidenz Providentia, geladener Wettbewerb, 1. Rang
2012 Neubau Besucherzentrum / Sport- u. Schießanlage Justizanstalt Graz Karlau, offener, einstufiger Realisierungswettbewerb, 2. Rang
2012 Wohnbebauung Einigkeitsstraße, geladener Realisierungswettbewerb, 1. Rang [mit Ernst Roth]
2012 Schatzkammer Gurk, geladener Realisierungswettbewerb, 1. Rang
2006 Neubau Volksschule und Mehrzwecksaal Kühnsdorf, geladener Realisierungswettbewerb, 1. Rang
2004 Stadtgartenzentrale Klagenfurt, geladener, einstufiger Realisierungswettbewerb, 1. Rang [mit Werner Kircher]
2003 Neu- u. Umbau Geriatrie / Psychiatrie / Lymphklinik LKH Wolfsberg, offener, einstufiger Architekturwettbewerb, Anerkennung [mit A4+]
1998 Turnsaal Bad Kleinkirchheim, geladener Realisierungswettbewerb, 1. Rang [mit Ernst Roth]

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