Patina. Hinter der nostalgischen Anmutung alter Städte und tausendmal berührter Gegenstände verbirgt sich ein Alterungsprozeß der Dinge und Gebäude von ganz eigener Qualität. Diese verlor mit der Moderne ihre Bedeutung für die Architektur; blendend weiß verputzte Kuben oder polierte Stahl-Glas-Fassaden schienen die unausweichlichen Spuren der Zeit nicht zu dulden. Doch im Sinne einer verantwortungsbewußten, optimierten Nachhaltigkeit sollten Planer und Bauausführende über die ökologische Verträglichkeit heutiger Baumaterialien und deren Lebensdauer neu nachdenken – und damit auch die ästhetischen Qualitäten des Alterungsprozesses in ihre Planung einbeziehen. Die Projekte in diesem Buch mit ihrem hohen gestalterischen Anspruch sind Beispiele dafür, wie für moderne Entwürfe die Veränderung von Oberflächen unter dem Einfluß von Witterung und Gebrauch mit Gewinn berücksichtigt und geplant werden kann.

ISBN
3-421-03415-X
Publikationsdatum
2003
Umfang
136 S. mit ca. 150 Abb. und ca. 75 Plänen,
Format
gebunden, 23,0 x 29,5 cm

Presseschau
03. September 2004Jürgen Tietz
Neue Zürcher Zeitung

Die Schönheit der Patina

Der „neue Glanz an alten Bauten“ gehört ebenso zum strittigen architektonischen Sauberkeitsfetischismus wie die polierten Granit- oder Edelstahloberflächen...

Der „neue Glanz an alten Bauten“ gehört ebenso zum strittigen architektonischen Sauberkeitsfetischismus wie die polierten Granit- oder Edelstahloberflächen von Neubauten. Dabei weiss doch „jeder mit gesundem Menschenverstand Begabte“, dass gerade auf solchen Oberflächen der Schmutz noch schmutziger wirkt - so Jeremy Till in seinem inspirierenden Essay über „Architektur und Spuren der Zeit“. Zu finden ist er in Hans Weidingers Buch „Patina“. Es zeigt an ausgewählten Beispielen, wie zeitgenössische Architektur mit Materialien arbeitet, die „in Würde“ altern können, und diese Alterungsspuren darüber hinaus zum Bestandteil ihrer ästhetischen Wirkung macht. Die Lärchenholzschindeln an einem Wohnkomplex von Baumschlager & Eberle in Vorarlberg, Stampflehm bei der Berliner Versöhnungskapelle von Reitermann & Sassenroth oder ein Reetdach auf einem unkonventionellen Schwimmbad von Ushida Findlay im südenglischen Pulborough stehen für die Lebendigkeit und Vielfalt von Materialoberflächen. Anstelle normierter Glätte fordert Weidinger Geschichtsspuren an Wänden und Fassaden. Ein Rehabilitierung von Alois Riegels Kategorie des „Alterswerts“ bietet Weidinger dennoch nicht: Denn sein Plädoyer für Patina ist keineswegs Kennzeichen des Unmodernen - selbst wenn sich Form und Farbe unter dem Druck der Zeit auflösen. Vielmehr versteht er es als eine regional eingepasste Strategie der Nachhaltigkeit in Verbindung mit zeitgenössischer Architektur.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.09.03

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