Sigfried Giedion (1888–1968) und Carola Giedion-Welcker (1893–1979) prägten die kunst- und architekturhistorische Forschung ihrer Zeit. Bedeutend war ihre Rolle bei der Vernetzung der führenden Protagonisten der Moderne auf den Gebieten der Architektur, Kunst und Literatur. Die Diskurse, die sie angestossen haben, etwa zur Kultur des Neuen Sehens oder zu einer Synthese der Künste, bieten heute vielfältige Anknüpfungspunkte.

Der Giedion-Welcker-Nachlass wird heute im Institut für Geschichte und Theorie der Architektur der ETH Zürich, im Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft SIK-ISEA, im Romanischen Seminar der Universität Zürich und in der Zürcher James Joyce- Stiftung verwahrt und beinhaltet rund 16 000 Briefe, 10 000 Fotos und Negative, umfangreiche Notizen und Arbeitsmaterialien sowie eine grosse Bibliothek.

Die Welt der Giedions basiert auf der umfassenden Aufarbeitung des erst seit Kurzem vollständig zugänglichen Nachlasses. An der Schnittstelle zwischen Kunst und Architektur angesiedelt, ermöglicht der aktuelle Band eine Neubestimmung der Tätigkeit und Wirkung von Sigfried und Carola Giedion-Welcker und gewährt dank der grossen Anzahl und Vielfalt gezeigter Dokumente einen lebendigen Einblick in das «Universum Giedion».

ISBN
978-3-85881-610-8
Beiträge von
Roger Fayet, Almut Grunewald, Mario Lüscher, Bruno Maurer, Arthur Rüegg und Bettina Zimmermann. Vorwort von Monica Giedion
Publikationsdatum
2019
Umfang
420 Seiten, 198 farbige Abbildungen
Format
gebunden, 22 x 33 cm

Presseschau
04. Juni 2019Martina Pfeifer Steiner
newroom

In die Welt der Giedions eintauchen

Vielversprechend vermittelt das Titelbild eine Ahnung über die Fülle des Archivmaterials, das in dieser Publikation erschlossen werden könnte. Es stellt...

Vielversprechend vermittelt das Titelbild eine Ahnung über die Fülle des Archivmaterials, das in dieser Publikation erschlossen werden könnte. Es stellt sich dann tatsächlich heraus, dass die berstenden Regale – Wohnbedarf-Modell 131 von Marcel Breuer – und der runde Aalto-Tisch mit Bergen von Dokumenten, Dossiers im Arbeitszimmer von Sigfried Giedion und Carola Giedion-Welcker stehen. Die Villa des außergewöhnlichen Kunsthistorikerpaars in Zürich wurde 1979, kurz nach dem Tod von Carola, dokumentarisch durchfotografiert.

‚Raum, Zeit und Architektur’, das Werk, in dem Sigfried Giedion 1941 seine amerikanischen Vorlesungen veröffentlichte, war doch die Pflichtlektüre im Architekturstudium. Nicht minder in Fachkreisen bekannt: Carola Giedion-Welcker, die sich als eine der ersten deutschsprachigen Forscherinnen mit James Joyce auseinandersetzte. Durch einen unglaublichen Glücksfall wurde 2016 bei der Sichtung der Restbestände anlässlich der Räumung der Giedion-Villa ein entscheidender Fund gemacht: Im Dachboden wurden neben Möbeln, Plakaten und Kisten voller Arbeitsmaterial ein wahrer Schatz gehoben – die 1000 Briefe umfassende Korrespondenz des Ehepaars aus fünf Jahrzehnten. Diese bisher unbekannten Schriften schließen viele Informationslücken, machen neue Geschichten und das persönliche wie fachliche Verhältnis der beiden lesbar.

„Sigfried Giedion und Carola Giedion-Welcker im Dialog“ lautet der Titel nicht von ungefähr. Vom neu entdeckten Material ausgehend wurde der Inhalt dieses Buches entwickelt. Gerade weil zu beiden Kunsthistorikern bereits ausführliche Biografien vorliegen, werden nun gezielt einzelne Ereignisse und Momente herausgegriffen, die von besonderer Bedeutung sind und ihr gemeinsames Leben charakterisieren. Die authentische Wiedergabe der Archivalien erlaubt es, tief in die Welt der Giedions abzutauchen. Das abgebildete und transkribierte Material spielt die Hauptrolle, erläuternde Texte zu den Themen der einzelnen Kapitel halten sich im Hintergrund. Fünf eingeschobene Kapitel mit den Korrespondenzen des Ehepaars bilden das chronologische Gerüst. Aus fünf Jahrzehnten wurden jeweils Zeiträume von nur wenigen Monaten ausgewählt. Dies gibt einen punktuellen, intensiven Eindruck über das Alltagsleben, die Lebenssituation, das Zeitgeschehen und die aktuellen Projekte der beiden.

Komfortabel im Bilderbuch blätternd begibt man sich auf individuelle Entdeckungsreise in ein faszinierendes Archiv, bei dem die Bilderzählung jedes Kapitels zum Ausgangspunkt für überraschende Erkenntnisse werden kann. Der durchgängige, weiße Fußnoten-Streifen mit Verortung, Erläuterung oder Transkription der handschriftlichen abgebildeten Dokumente, Fotos, Abbildungen der Kunstsammlung machen das völlig frei von Anstrengung. Wie inspirierend ist doch diese Welt der Giedions!

newroom, Di., 2019.06.04

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