Die Universität Miséricorde (Bauzeit 1937– 1941) ist ein eigensinniges Gebäude, das in seiner ambivalenten Erscheinung zwischen Tradition und Moderne gleichermassen fasziniert und irritiert. Der junge Architekt Denis Honegger (1907–1981), der für den Entwurf verantwortlich zeichnete und sich mit Leidenschaft bis in die kleinsten Details um die Ausführung kümmerte, war sich dieser Ambivalenz durchaus bewusst. Er liess die architektonischen Grundsätze seiner beiden Lehrmeister, des Klassizisten Auguste Perret und des modernen Avantgardisten Le Corbusier, einfliessen und wagte damit einen schwierigen Spagat. Seine herausragende Leistung ist es, ihre beiden entschieden konträren Konzepte in eine originale Synthese zu giessen.

Der Reprint der vergriffenen Baupublikation von 1941 wird um einen Textteil zur Architektur und den Ingenieurarbeiten ergänzt, ein dritter Teil vervollständigt die Publikation mit aktuellen Fotografien. Die Fest-schrift ist mit Plänen und Abbildungen ausführlich dokumentiert und erläutert die Architektur von Denis Honegger und Fernand Dumas, die Baustatik von Alexandre Sarrasin, Henri Gicot, Beda Hefti und Jean Barras und die innovativen Beiträge zu Akustik, Beleuchtung, Gebäude-technik und Kunst am Bau. Mit Beiträgen von Christoph Allenspach, Sébastien Radouan, Eugen Brühwiler, Verena Huber Nievergelt, Claude Castella.

ISBN
978-3-7212-0905-1
Beiträge von
Christoph Allenspach, Eugen Brühwiler, Claude Castella, Sébastien Radouan und Verena Huber Nievergelt
Sprache
Deutsch / Französisch
Publikationsdatum
2014
Umfang
336 Seiten, 390 Abbildungen und Pläne
Format
Hardcover, 25,1 x 32,5 cm

Presseschau
02. Juli 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Gedicht in gegossenem Stein

(SUBTITLE) Die Université Miséricorde in Freiburg

Vor 75 Jahren wurde die von Denis Honegger realisierte Université Miséricorde in Freiburg eingeweiht. Noch heute erweist sich der modern-klassizistische Bau als vorbildich, wie eine Publikation zeigt.

Architekten lieben Beton; doch Laien hassen seine Kälte. Dass Beton aber auch sinnliche Qualitäten entfalten kann, hat schon Auguste Perret mit seinen tektonisch durchstrukturierten Bauten gezeigt. Noch weiter ging sein Genfer Schüler Denis Honegger (1907–1981) und schuf zwischen 1937 und 1944 mit der aus einem Wettbewerb hervorgegangenen Université Miséricorde in Freiburg ein Gedicht in gegossenem Stein. Dabei setzte er auf die abstrakt-dekorative Interpretation der strukturellen und tektonischen Kräfte, auf Rhythmen und aufgesprengte Symmetrien, auf Pilotis, Balkone, Passerellen sowie Dachvorsprünge und liess die Oberflächen der vorfabrizierten Betonelemente hämmern, ziselieren oder polieren. Bei der Organisation der Gesamtanlage kam ihm seine Mitarbeit an Le Corbusiers Projekt für den Genfer Völkerbundspalast zugute, an den sich der ursprünglich u-förmige Grundriss der Miséricorde anlehnt. Ein Seminar- und ein Vorlesungsflügel rahmen einen kleinen Park, der nach Süden hin durch das zentrale Volumen von Aula magna und Rektorat abgeschlossen wird. Dieser Bauteil, dessen repräsentatives Foyer sich zur Aula öffnen lässt, ist mit künstlerisch gestalteten Türen und Fenstern, mit schmiedeeisernen Geländern und kostbaren Lüstern ausgestattet. Dasselbe gilt für den Musikpavillon und für die Kapelle, die trotz ihrer Kleinheit zu den eindrücklichsten modernen Sakralräumen der Schweiz zählt. Dieses einzigartige Gesamtkunstwerk, das jedem Architekten heute mehr denn je als Inspirationsquelle dienen sollte, wird nun anlässlich des Jubiläumsjahrs durch eine ebenso prachtvolle wie vorbildliche, vom Freiburger Architekturforum herausgegebene Monografie gewürdigt. Diese bietet einen Reprint der Festschrift von 1944, fotografische Essays zum heutigen Zustand der 1978 zu einem Geviert geschlossenen Anlage sowie hervorragende technische, historische und ästhetische Analysen.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2015.07.02

[ Universität Miséricorde Freiburg, Betonklassizismus und Moderne. (deutsch und französisch). Hrsg. Cyrill Haymoz und Freiburger Architekturforum. Niggli Verlag, Zürich 2014. 336 S., Fr. 98.–. ]

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