Peter Fritz war ein Bastler, der in seiner Freizeit Architekturmodelle entwarf und baute - doch »nicht alle Bastler sind harmlos«, wie Walter Grasskamp bemerkte. Dieses kuriose Bilderbuch für alle Kunstliebhaber und Architekturfreunde beweist diese These.

Was tun mit 387 kleinen Architekturmodellen, die man in einem Trödelladen entdeckt - alle fein säuberlich in Müllsäcke verpackt? Der Künstler Oliver Croy bestaunte zunächst die handwerkliche Pracht: Aus Tapetenresten, Zigarettenschachteln, Spinnenpapier und d-c-fix-Folie hatte der unbekannte Bastler architektonische Schmuckstücke entstehen lassen. Croy fand heraus, dass es sich bei den Modellen um den Nachlass des Wiener Versicherungsbeamten Peter Fritz handelte, der sie offenbar ohne Vorlagen entworfen hatte. Sie wirken echter als jedes Vorbild, denn in ihnen verdichtet sich, was man an Alltagsarchitektur beobachten kann: merkwürdige Anbauten, Reklametafeln, alles sehr bunt und verwinkelt. Croy fragte sich nicht länger, was mit dem Fund anzufangen sei, sondern bestückte damit, gemeinsam mit dem Architekturkritiker Oliver Elser, erfolgreich Ausstellungen. Mittlerweile wird erwogen, die spektakulärsten Stücke in die Wirklichkeit umzusetzen. Die Publikation, für die namhafte Fachleute als Autoren gewonnen werden konnten, zeigt jedes Modell in Farbabbildungen und will so potenziellen Bauherren und Architekten wichtige Entscheidungshilfe sein.

ISBN
978-3-7757-1031-2
Beiträge von
Friedrich Achleitner, Peter Arlt, Bodo-Michael Baumunk, Thomas Bayrle, Bittermann & Duka, Christoph Doswald, Oliver Elser, Jesko Fezer, Ingeborg Flagge, Benjamin Foerster-Baldenius, Harald Fricke, Walter Grasskamp, Franz Grieshofer, Franz Grieshofer, Wolfgang Kos, Clemens Krummel, Helga Kusolitsch, Wolfgang Lechner, Alexander Markschies, Alexander Markschies, Irene Nierhaus, Thorsten Platz, Renate Puvogel, Anne Schmedding, Burkhard Spinnen, Burkhard Spinnen, Dietmar M. Steiner, Susanne Titz, Philip Ursprung
Sprache
Deutsch/Englisch
Publikationsdatum
2001
Umfang
480 Seiten, 1241 Abb., davon 1198 farbig
Format
Hardcover, 20,90 x 14,90 cm

Presseschau
08. Dezember 2001Neue Zürcher Zeitung

Häuserlandschaft im Kleinformat

Die 387 Häuser des Peter Fritz, Versicherungsbeamter aus Wien.

Nein, als Architekt hat er sich wohl nicht verstanden und auch nicht als Künstler. Der Wiener Versicherungsbeamte Peter Fritz (1916-1992) war vor allem ein passionierter Bastler, der unzählige Architekturmodelle geschaffen hat. 387 stellt das Museum im Bellpark derzeit im ehemaligen Verkaufsraum des Krienser Coop aus. Da reihen sich Geschäftsbauten an Privathäuser, Bahnhöfe an Stellwerke und Kirchen an Hallenbäder. Die selbst entworfenen Gebäude im Kleinformat hat Fritz aus Kartons, Tapetenresten, Papierstücken und Zeitungsausschnitten zusammengeklebt und sich einen eigenen Mikrokosmos aufgebaut. Diese Hinterlassenschaft, die sich an die Architektur der fünfziger und sechziger Jahren anlehnt, hat der Konzeptkünstler Oliver Croy 1993 in einem Trödelladen entdeckt. Seither machen er und der später dazu gekommene Architekturkritiker Oliver Elser mit Ausstellungen, einem Werkverzeichnis und ihrer «Fritz-Forschung» auf die Modelle aufmerksam. Mit leichter Ironie deklarieren sie im Katalog Fritz' Werk als mustergültiges Inventar alltäglichen Bauens und stilisieren den Urheber zu einem «eigenwilligen Modernisten». In der Ausstellung fehlt diese Ironie leider, so dass bloss die Häuserlandschaft eines Hobbybastlers übrig bleibt.


[Sondermodelle. Die 387 Häuser des Peter Fritz, Versicherungsbeamter aus Wien. Museum im Bellpark, temporär im ehemaligen Coop Kriens. Bis 27. Januar 2002. Katalog Fr. 46.90.]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2001.12.08

22. Januar 2001Gustav Trampitsch
ORF.at

Häuser aus Papier

Im fünften Bezirk entdeckte der aus Tirol stammende Künstler Oliver Croy höchst Seltsames: Eine herrenlose Hinterlassenschaft papierener Hausmodelle.

Götter, Gräber und Gelehrte bilden die klassische Dreifaltigkeit der Archäologie. Sie garantieren spannende Einblicke in historische Fakten und verwehte Mythen.

Funde aus unserer Alltagskultur können hin und wieder ebenso aufregend werden. So geschehen vor ein paar Jahren in Wien. Im fünften Bezirk, abseits aller so genannter Hochkultur, entdeckte der aus Tirol stammende und in Berlin und Wien lebende Künstler Oliver Croy höchst Seltsames: Eine herrenlose Hinterlassenschaft papierener Hausmodelle.


Alltagsarchäologie

Im Wüstensand oder beim Pflügen im Alpenland wurden und werden immer wieder archäologische Sensationsfunde gemacht.

Oliver Croy wanderte eines unscheinbaren Tages im Jahr 1993 die Wiener Margaretenstraße entlang und sah in der Auslage eines Trödlerladens drei zunächst unscheinbare Hausmodelle stehen. Neugierig geworden, fand er im Geschäft einen Berg aus prall gefüllten Müllsäcken. Die Erben von Peter Fritz hatten das sonderbare Vermächtnis ausgeschlagen und dem Trödler überantwortet.

In profanes PVC gehüllt, verbarg sich das Steckenpferd eines bis dahin völlig unbekannten, höchst sensiblen und aufmerksamen Architekturkritikers.
Der Wiener Versicherungsangestellte Peter Fritz - er lebte von 1911 bis 1992 - war mit offenen Augen und stets bewaffnet mit Bastelwerkzeug durch Österreich gereist. Er schaute sich um und notierte nicht, was er sah, er bastelte seine Eindrücke aus Papierabfällen zusammen.


Mehr als bloß Spielzeug

Peter Fritz verwendete Karton, den er meist mit Tapeten beklebte, Zeitungsschnipsel aus Illustrierten, d-c-fix-Folien, Zigarettenpackungen, Spinnenpapier, Dichtungsbänder usw.
In 29 Kategorien sind die Gebäude einzuteilen: Wohnhäuser, Nutzbauten wie Tankstellen und dergleichen, Schulen, Krankenhäuser, Kirchen, Bahnhöfe und so fort. Jedes der 387 Häuser ist ein Unikat. Beim Anblick hat man ein heftiges Déjà-vu-Gefühl. Doch gibt es für kaum eines der Modelle ein tatsächlich real existierendes Vorbild.

Peter Fritz hat - ganz wie seine Künstlerkollegen aus der Literatur - die Realität nur scheinbar wiedergegeben und sie tatsächlich überhöht. Die papierene Welt des Peter Fritz war zwar auf bieder-gemütliche Weise heil, aber keineswegs ohne geschmacklose bauliche Wucherungen. Die stummen langen Häuserzeilen im Museum sind auch als Sündenregister der seinerzeitigen Architekten und Häuselbauer zu werten, als Spiegelbild einer uns vertrauten, aber nicht genau lokalisierbaren Umwelt.


Katalog des Banalen

Zur Ausstellung erscheint ein kommentiertes Werkverzeichnis aller Häuser. Der Katalog ist herausgegeben von Dr. Franz Grieshofer, dem Direktor des Österreichischen Museums für Volkskunde. Die beiden Ausstellungsmacher Cory und Elser baten darin um Beiträge von Friedrich Achleitner, Bodo-Michael Baumunk, Thomas Bayrle, Christoph Doswald, Ingeborg Flagge, Franz Grieshofer, Wolfgang Kos, Clemens Krümel, Irene Nierhaus, Dietmar M. Steiner, Philip Ursprung, Wilfried Wang und Heino Welfing - Verlag Hatje Cantz.


[Tipp
Die Ausstellung ist bis 18. März jeweils Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17.00 Uhr geöffnet. Ort: Österreichisches Museum für Volkskunde, Palais Schönborn, Wien 8, Laudongasse 15-19.]

ORF.at, Mo., 2001.01.22

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