Warum vergolden die Österreicher ihre Baudenkmäler selbst dann, wenn sie zu Staub zerfallen? Wieso bauen die Deutschen ihren Automobilen Tempel? Und was passiert, wenn Ernst Neufert in Graz auf Buster Keaton trifft? Seit 1992 bereichern die Texte Christian Kühns im Feuilleton der Tageszeitung „Die Presse“, das als Leitindex der österreichischen Architekturentwicklung gilt, die kritische Diskussion über Architektur und Städtebau. Sie richten sich vor allem an neugierige Stadt- und Hausbewohner, die Architektur als Medium gesellschaftlicher Veränderungen kennen lernen und verstehen wollen, und nicht nur an ein Fachpublikum. In „Ringstraße ist überall“ sind die besten Texte aus 15 Jahren versammelt, 120 Essays, die der Baukunst unserer Zeit auf den Zahn fühlen.

ISBN
3211757856
Sprache
Deutsch
Publikationsdatum
2008
Umfang
428 S.,
Format
Hardcover, x cm

Presseschau
25. April 2009Michael Freund
Der Standard

15 Jahre Architektur, im Karton verpackt

Teil fünf der Serie über die 15 schönsten: Christian Kühns „Ringstraße ist überall. Texte über Architektur und Stadt“

Nach 1989, seit der Öffnung des Ostens, habe Wien eine städtebauliche Chance gehabt und nur ungenügend genutzt. Denn „Ringstraße ist überall“, schreibt Christian Kühn, „auch dort, wo die Stadt ihre Zukunft noch vor sich hätte, wird sie inzwischen von den Bildern der Vergangenheit infiziert.“ Der Architekturkritiker und TU-Wien-Professor Kühn hat das Baugeschehen seit damals begleitet und kommentiert. Letztes Jahr sind seine in der Presse veröffentlichten Texte als Sammelband erschienen. In umgekehrter chronologischer Reihenfolge lässt sich in Ringstraße ist überall nachlesen, was von 1992 bis 2007 in Wien und anderswo geplant, gebaut, ausgestellt, verworfen, verbessert oder verunstaltet wurde. Kühn bezeichnet das von Erwin K. Bauer und Manuel Radde gestaltete Buch als „kondensierte Tageszeitung“. In der Tat spielen Überschriften, Bildunterschriften und Erscheinungsdaten eine grafisch auffallende Rolle.

Die Fotos - von Fachprofis wie Spiluttini oder dem Autor selbst, aber auch mal mit Selbstauslöser gemacht - sind vergleichsweise zurückhaltend eingesetzt und in architekturklassischem Schwarz-Weiß. Überhaupt beschränkt sich Ringstraße ist überall auf Schwarz-Weiß - und das Hellbraungraue des Kartons, der Vorder- und Rückseite verstärkt. Wir sind diesem Gestaltungselement schon in einem anderen preisgekrönten Buch aus dem Springer-Verlag begegnet (Finks Erotone Leibesübung) und werden noch einmal Gelegenheit dazu haben. Dem vorliegenden Werk hat die vom Hauptverband des österreichischen Buchhandels eingesetzte Jury sogar einen der dreiStaatspreise für die schönsten Bücher des Jahres zugesprochen. Insbesondere lobte sie die „Typostilelemente der Sechzigerjahre, gesehen mit den Augen der Jetztzeit“. Dem ist nur begrenzt zuzustimmen, vielleicht in dem Sinn, dass Pionierleistungen von Willi Fleckhaus (twen) oder George Lois (Esquire) bis heute nachwirken. Ansonsten aber ist jenes Jahrzehnt bei einem Sammelband der letzten 15 Jahre nicht gerade am Platz und in der Tat auch nicht besonders präsent. Vielmehr lebt das Buch inhaltlich und grafisch durchaus durch die und in der Gegenwart.

[ Christian Kühn, „Ringstraße ist überall. Texte über Architektur und Stadt“. EUR 35,95 / 428 Seiten. Springer, Wien, New York 2008. ]

Der Standard, Sa., 2009.04.25

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