Editorial

Einhundert Jahre lang gingen im Císařské Lázně zahlreiche Gäste und bedeutende Persönlichkeiten ein und aus. Das restaurierte Gebäude dient heute als Ort für kulturelle Veranstaltungen sowie Kunstausstellungen. Dieses Jahr eröffnete dort ein neuer Konzertsaal, der viel mehr wie ein überdimensioniertes Möbel wirkt. Die gerüstartige Konstruktion, bestehend aus Bühne, Baldachin und Tribüne, schiebt sich in den Innenhof des denkmalgeschützten Gebäudes und vermeidet jeglichen Kontakt mit der historischen Bausubstanz.

Zentrum für Kunstproduktion »Powerhouse Arts« in New York City

Durch die Sanierung und Erweiterung eines ehemaligen Kohlekraftwerks entstand ein 15 800 m² großes multidisziplinäres Zentrum für die Kunstproduktion. Alt und neu bilden ein kraftvolles, konsistentes Bauensemble, das sich uneitel und unprätentiös in den Dienst der Kunst stellt.

Der Gowanus-Kanal ist ein verzweigter Seitenarm der Upper Bay, angelegt Mitte des 19. Jahrhunderts, um ein Industrieareal im Stadtteil Gowanus in Brooklyn an das Wasserstraßennetz New Yorks anzubinden. Inzwischen sind die meisten Betriebsgebäude abgebrochen und die giftigen Altlasten aus dem Kanal entfernt, sodass die benachbarten Wohnviertel zusammenzuwachsen beginnen – erste Wohnhochhäuser sind bereits fertiggestellt. Einer der wenigen erhaltenen baulichen Zeugen der Industriegeschichte des Areals ist das 1904 fertiggestellte Kohlekraftwerk der Brooklyn Rapid Transit Company, das einst U-Bahnen mit Strom versorgte. Umstrukturierungen und modernere Energieerzeugungsmethoden führten in den 50er Jahren zum Abbruch des Kesselhauses und 1972 zum Betriebsschluss auch in der direkt angrenzenden Turbinenhalle. Letztere wurde anschließend von Hausbesetzern und der Graffitiszene eingenommen und war Veranstaltungsort für Underground-Raves.

Dieser Teil der Kraftwerksgeschichte endete 2015, als Joshua Rechnitz die Non-Profit-Organisation Powerhouse Arts gründete, die das Kraftwerk mit seiner tatkräftigen finanziellen Unterstützung kaufte, um hier ein multidisziplinäres Zentrum für die Kunstproduktion einzurichten. In den Produktionsanlagen und Werkstätten für Holz, Metall, Keramik, Textilien und Druckgrafik können Künstler und Kultureinrichtungen ihre Werke selbst herstellen oder produzieren lassen. Zudem stehen ihnen Ausstellungs- und Eventflächen zur Verfügung. Mit der Planung betraute die Organisation die Architekten des Büros Herzog & de Meuron, die die Turbinenhalle behutsam sanierten und um einen Neubau erweiterten.

Identitätsstiftende Landmarke

Eines der wichtigsten Ziele der Architekten war es, die alte Bausubstanz der Turbinenhalle und die Spuren ihrer wechselvollen Geschichte zu erhalten und nahtlos in den Kunstbetrieb des Powerhouse Arts zu integrieren. So blieb nicht nur das äußere Erscheinungsbild des als Stahlbau mit feingliedriger Ziegelfassade errichteten Gebäudes bestehen, sondern auch ein Großteil der in den letzten 50 Jahren darin entstandenen Graffiti. Als augenscheinlich neue Elemente sind heute von außen lediglich die bogenförmigen Fenster und der Haupteingang an der Ostseite auszumachen. Unverkennbar neu ist natürlich auch der auf den alten Fundamenten des Kesselhauses in Stahlbetonbauweise errichtete Kubus, dessen Grundfläche und Höhe ebenso mit dem Vorgängerbau übereinstimmen wie die Größe und Lage der Bogenfenster in der Ost- und Westfassade. Dass die Erweiterung nicht mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als die Turbinenhalle, obwohl sie diese um einige Meter überragt, liegt an der schlichten, schmucklosen Gebäudehülle und am rötlich durchgefärbten Sichtbeton, der unverkennbar Bezug auf die Ziegel des Altbaus nimmt.

Der Haupteingang des Powerhouse Arts liegt – von der 3rd Avenue und mit mehreren U-Bahn-Linien leicht erreichbar – an der Ostseite der Turbinenhalle, während sich der Anlieferungshof an der Gebäuderückseite am Gowanus-Kanal befindet. Angesichts der Gebäudegröße wirkt der kaum 5 m breite und 3 m hohe Eingang auf den ersten Blick vergleichsweise bescheiden. Für die Dimensionen der neu in die Außenwand gebrochenen Öffnung gibt es jedoch gute Gründe: beispielsweise den Wunsch nach einem minimalinvasiven Eingriff, der es ermöglichte, so viel wie möglich von der historischen Bausubstanz zu erhalten. Eine Rolle spielten aber auch Nebenräume und Fluchttreppenhäuser, die die Architekten gebündelt im Bereich über und neben dem Eingang anordneten, um so die Kernfläche der Turbinenhalle frei gestalten zu können. Der wichtigste Grund resultiert jedoch aus der von Anfang an verfolgten Entwurfsidee, mit dem Eingang eine starke räumliche Sequenz aus komprimierten und dekomprimierten Räumen zu schaffen, sodass das Gebäudeinnere nach Passieren des Windfangs umso großzügiger erscheint.

Klare Strukturen

Haben Künstler:innen, Mitarbeiter:innen und Gäste das Eingangsfoyer erst einmal erreicht, finden sie sich in einem schmalen, hohen Raum, der mit Empfangstresen, Cafébereich und Sitzstufen die gesamte Breite der Turbinenhalle einnimmt und voller Geschichte(n) steckt. Sorgfältig restaurierte genietete Stahlstützen und -träger sowie behutsam gereinigte Betonbögen und Ziegelwände mit Graffiti zeugen von vergangenen Zeiten. Dagegen verweisen ein neuer Holzdielenboden, eine mächtige neue Sichtbetonwand und neue Stahltreppen zu den OGs auf die heutige Nutzung – beim Blick nach oben ist ein Teil der Stahl-Dachkonstruktion zu erkennen. Der zunächst nur gefühlte Eindruck eines extrem klar strukturierten Raums bestätigt sich bei der Lektüre der Grundrisspläne. Dabei wird beispielsweise klar, dass die Sichtbetonwand Teil eines zweigeschossigen Betonskelettkörpers ist, der – gleich einem Schiff in der Flasche – in die Turbinenhalle implantiert wurde. Im überhohen EG befinden sich Werkstätten für großmaßstäbliche, schwere Objekte insbesondere aus Metall, die über die Anlieferung leicht abtransportiert werden können. Im OG des Betonkörpers sind v. a. Büros und ein kleiner Vortragssaal untergebracht.

Die im Neubau in allen sieben Geschossen entlang der nördlichen Außenwand der Turbinenhalle angeordnete Nebenraumzone mit Aufzügen, Treppen und Sanitärräumen ermöglicht die flexible Nutzung der Werkstattbereiche für Holz, Keramik, Druckgrafik und Textilien sowie der zweigeschossigen Eventhalle. Ebenfalls in diesem Bereich untergebracht sind Lüftungsgeräte, die die Abluft der emissionsintensiven Nutzungen der obersten Geschosse (Druck und Keramik) auf kurzem Weg zu den Absauganlagen auf dem Dach befördern. Diese Anlagen befinden sich neben weiterer Gebäudetechnik in zwei langen rechteckigen Einhausungen, die an die Schornsteine des historischen Kesselhauses erinnern.

Die Gestaltung sowohl des Betonkörpers in der Turbinenhalle als auch des Erweiterungsbaus basiert auf derselben Architektursprache und denselben Materialien. Tragwerkselemente sind in Sichtbeton ausgeführt, für den weder Zeichnungen angefertigt noch besondere Anforderungen definiert wurden. Hinzu kommen gewöhnliche Betonsteine für Mauerwerkswände, Glas-Trennwände mit Rahmen aus verzinktem Stahl, graue Estrichböden und an Wänden und Decken stets sichtbar geführte Installationen. So entsteht eine unprätentiöse, robuste Werkstattatmosphäre, die dank des Verzichts auf exaltierte Sonderlösungen zugleich half, die Kosten im Zaum zu halten. Einziger, immer wiederkehrender Farbakzent ist der rote Farbton, der seit jeher zur Grundierung von Stahlbauteilen verwendet wird – auch die Stahlkonstruktion des alten Gebäudes war hiermit versehen. Heute erscheinen nicht nur diese, sondern auch sämtliche neuen Stahlbauteile, Fensterrahmen, Geländer, Leuchten, Technikelemente und die Fassade des Neubaus in dieser Farbe. Letztere besteht aus durchgefärbtem Beton, bei dem die Schalung mit einer speziellen Flüssigkeit behandelt wurde, die das Abbinden verzögert und es so nach dem Ausschalen möglich machte, die obere feine Zementschicht abzuwaschen. Resultat ist eine angeraute, vorgealterte Betonfassade, die perfekt mit der Ziegelfassade der Turbinenhalle harmoniert.

Lebendige Geschichte

Die Grand Hall im obersten Geschoss der Turbinenhalle dient als Ort für Ausstellungen, Aufführungen, Kunstinszenierungen, Kunstmessen und andere öffentliche Veranstaltungen und fasst bis zu 1 234 Besucher. Sie füllt den kompletten Raum über der in die Halle implantierten Betonskelettkonstruktion und lässt das eng verzahnte Miteinander von altem Kraftwerk und neuer Nutzung so intensiv wie nirgendwo sonst im Powerhouse Arts erleben. Die überwältigende Raumwirkung basiert auf der gleichermaßen wuchtigen wie filigranen historischen Stahl-Dachkonstruktion, die so gut in Schuss war, dass nichts komplett ersetzt werden musste, und die dank der Sprinkleranlage unbekleidet bleiben konnte. Eine Rolle spielen natürlich auch die vielen großflächig erhaltenen Graffiti, die nur dann in Mitleidenschaft gerieten, wenn neue Wanddurchbrüche für Installationen oder Türen unerlässlich waren. Herausgebrochene Ziegel wurden jedoch nicht entsorgt, sondern zum Aufmauern neuer Wände oder zum Ausbessern alter Wände verwendet. Da die farbigen Vorderseiten dann nicht immer perfekt zusammenpassten oder nur unvollständige Bilder zeigten, entstanden einige skurrile Graffiti-Puzzles. Diese zeugen – ebenso wie die sichtbaren Schnittflächen abgeschnittener Stahlträger – von einem gewissen Pragmatismus der Architekten sowie von ihrem Wunsch nach Authentizität. Mit beidem feiern sie die Geschichte des Orts und schaffen Bezüge zur Kreativität des hier stattfindenden handwerklich-künstlerischen Geschehens. Ging es früher um die Erzeugung von Energie für U-Bahnen, sprüht das Powerhouse Arts heute nur so vor kreativer Energie. Zugleich sorgt es aber auch für den Verbleib des verarbeitenden Gewerbes in diesem Viertel und wirkt so der in Brooklyn allgegenwärtigen Gentrifizierung entgegen.

db, Mo., 2024.01.08

08. Januar 2024 Roland Pawlitschko

Konzertsaal in Karlsbad

Gestern imperiales Kurbad mit schlammigen Moorbädern, geplant von den Wiener Theaterarchitekten Fellner & Helmer, heute radikale Musiktribüne in kräftigem Signalrot, hineinimplantiert vom tschechischen Architekten Petr Hájek. Zu Besuch in den Císařské Lázně in Karlsbad.

Kateřina Kněžíková betritt die Bühne, champagnerfarbenes Abendkleid mit glitzernden Steinchen, ein knallrotes Reflektieren am ganzen Körper. Und setzt zu den ersten Versen an: »Una donna a quindici anni, dèe saper ogni gran moda, dove il diavolo ha la coda, cosa è bene e mal cos’è.« Schon ein Mädchen von fünfzehn Jahren, singt die Sopranistin, müsse die große Kunst verstehen, wo der Teufel hat den Schwanz, was gut sei und was schlecht. Ihre Arie aus Mozarts »Così fan tutte«, so tun es angeblich alle, füllt den ganzen Raum, der Schall pflanzt sich fort bis hoch in die allerletzte Reihe. »Dèe in un momento, dar retta a cento, colle pupille, parlar con mille.« In einem Moment, zu Hunderten wechselt sie die Blicke, zu Tausenden die Worte.

Gar so viele Männer und Frauen passen in den neuen Konzertsaal nicht hinein, aber immerhin an die 300, verteilt auf insgesamt 13 Reihen, voll bestückt mit superbequemen, teufelsrot bespannten Klappsitzen, die sich bei Bedarf mitsamt Tribüne mit wenigen Handgriffen umklappen und nach hinten schieben lassen und den Saal stattdessen mit einer ebenen Kongressfläche beschenken. In welchem Zustand auch immer, das kräftige Signalrot, RAL 3001, füllt den Innenhof des ehemaligen Kaiserbads, Císařské Lázně, errichtet 1895 von den Wiener Theaterarchitekten Fellner & Helmer, und verleiht der längst stillgelegten Badeanstalt im südlichsten Talschlusszipfel von Karlsbad auf diese Weise ein immerhin theatralisches Leben nach dem Tod.

Ein Haus wird wachgeküsst

»Ich bin selbst in Karlsbad geboren und aufgewachsen und habe den Charme dieser Stadt immer schon geliebt«, sagt der Prager Architekt Petr Hájek. »Doch ich kann mich erinnern: Schon in meiner Kindheit war das Kaiserbad leer und verwaist, der Kurbetrieb bereits eingestellt. Nach vielen Jahrzehnten gab es nun die einmalige Chance, das Haus wachzuküssen und einer neuen Funktion zuzuführen.« Die Pläne zum Einbau einer Konzertbühne reichen schon viele Jahre zurück, 2018 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, doch das Projekt steckte nach zwei Jahren fest, weil die ausschweifenden Wünsche der Auftraggeber mit den baulichen, technischen Möglichkeiten und den Anforderungen der Denkmalbehörde nicht in Einklang zu bringen waren. Die Planungen wurden gestoppt.

»Daraufhin wurde ich 2020 kontaktiert und gebeten, als eine Art Troubleshooter einzuspringen und einen alternativen Entwurf auszuarbeiten«, erzählt Hájek, der schon einmal zum Architect of the Year gekürt wurde, mit einem irgendwie beelzebübischen, genussvollen Grinsen im Gesicht. Sein Erfolgsrezept: »Nicht alles ins Gebäude hineinquetschen, was man sich im Idealfall erträumt, denn damit kann man nur scheitern, sondern stattdessen auf die räumlichen Gegebenheiten reagieren und die Bauaufgabe auf das reduzieren, was der Raum und die schwierigen Parameter erlauben. Gerade in so einer fragilen, einzigartigen Situation muss man sehr sensibel vorgehen.«

Bühne und Tribüne wurden daraufhin verkleinert und als eine Art selbsttragendes Stahlmöbel in den Hof hineingestellt, die technischen und materiellen Schnittstellen wurden damit auf ein Minimum reduziert, auf Kulissen und unmittelbar angrenzende Backstage-Räumlichkeiten wurde gänzlich verzichtet, und sogar die Haustechnik konnte im Gespräch mit den Bauherren auf eine kompakte Lowtech-Sparvariante abgespeckt werden. Vor und nach dem Konzert sowie in den Pausen wird die Lüftung auf 100 Prozent hochgefahren, während der Vorstellungen hingegen fährt die Anlage auf viertel oder halbe Kraft herab, bei Tonaufzeichnungen wird sie komplett auf Standby gestellt. Aufgrund der enormen Raumhöhe von rund 20 m ist genug Frischluft für alle vorhanden. Hájek: »Ungewöhnliche Aufgaben erfordern ungewöhnliche Lösungen.«

18:53 Uhr. In wenigen Minuten beginnt das Konzert. Gleich wird Kateřina Kněžíková die Tschechischen Philharmoniker mit ihrer Sopranstimme begleiten, gefolgt von Haydn und Beethovens 5. Sinfonie in c-Moll. Während die Gäste den Saal betreten und ihre Sitzreihen auf den ebenfalls knallrot lackierten Stufen erklimmen, stehen unter der Tribüne einstweilen die Musikerinnen und Musiker, stimmen ihre Instrumente mangels Backstage-Bereich vor den Augen (und Ohren) des einströmenden Publikums ein, räuspern sich, zupfen an den Saiten, speicheln ihre hölzernen Mundstücke ein. Eine Kakophonie auf Tuchfühlung, frei von jeglichen Barrieren, mal abgesehen vom Talent der darstellenden Kunst, so simpel und basisdemokratisch hat sich die räumliche Begebung in klassischer E-Musik noch nie angefühlt.

19:00 Uhr. Wo eben noch die Besucherinnen und Besucher nach oben spaziert sind, marschieren nun die Orchestermitglieder der Tschechische Philharmonie die Treppen hoch, gewappnet mit Violinen und Bratschen, mit Klarinetten, Querflöten und ausladend gerollten Hörnern. Applaus. Wenige Momente später betritt Dirigent Tomáš Netopil die Bühne. Und schon bei den ersten Zwischenabtritten, die mangels Backstage-Bereich in diesem Gebäude lediglich angedeutet werden können, wird man als Zuschauer – wenn neben dem Stiegenabgang bald ein schwarz gekleideter Herr auftauchen wird, mit einem weißen Handtuch, keck über den Unterarm geworfen, um dem Dirigenten die Möglichkeit zu bieten, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen – unweigerlich schmunzeln müssen. Ungewöhnliche Aufgaben, hat der Architekt gesagt, erfordern ungewöhnliche Lösungen, jawohl.

Mit 4.592 Schrauben verbunden

Die Exotik liegt dem Bauwerk schon seit seiner Fertigstellung anno 1895 bis ins kleinste Detail inne. Denn ursprünglich wurde das Kaiserbad für gesundheitlich wohltuende Moorbäder genutzt. Um den Angestellten die Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes zu erleichtern und das schwere Schleppen des Schlamms zu vermeiden, diente der Innenhof als reiner Service-Hof, mit einem Stahlkran in der Mitte, der die mit Moor gefüllten Wannen durch Fensteröffnungen direkt in die Badezellen hineinschob, um sie nach dem Baden der Gäste wieder zu entnehmen und im UG des Hofs mit frischem Torf und Wasser aufs Neue zu befüllen.

»Damals clever, heute clever«, sagt Petr Hájek ganz lapidar. Um die Bauarbeiten zu vereinfachen, wurde das ehemalige verglaste Stahldach entfernt. Durch die so entstandene Öffnung konnten die geschweißten, vorgefertigten Stahlelemente, 746 Stück an der Zahl, per Kran in den Innenhof gehievt werden.

Um die Konstruktion eines Tages auch wieder zerlegen zu können, musste die Montage der einzelnen Komponenten – eine Anforderung der Denkmalbehörde – ausschließlich mittels Schraubverbindungen erfolgen. 4 592 Schrauben halten das 16 m hohe Theater-Implantat, das die denkmalgeschützten Hofmauern an keiner einzigen Stelle berühren durfte, zusammen. Erst nach Fertigstellung des roten Teufelswerks wurde das Dach wieder geschlossen – mit einem stählernen Tragwerk samt Trapezblech und Dämmung, in den Zwischenräumen des Fachwerks werden die verhältnismäßig spärlich dimensionierten Lüftungsleitungen geführt.

Aus akustischen Gründen wurde die gesamte Stahlkonstruktion mit ebenfalls signalrot lackiertem Streckmetall verkleidet. Im Überkopfbereich über dem Orchester kamen CNC-gefräste Sperrholzplatten zum Einsatz. Als Vorlage für die unregelmäßig verspielte Oberfläche mit ihrem reizvollen Licht- und Schattenspiel diente die topografische 3D-Landschaft rund um Karlsbad, irgendwie charmant. Die 300 gepolsterten Klappsitze – ein Entwurf Jean Nouvels für die Philharmonie in Paris, den Petr Hájek als Lizenz für dieses Projekt in Absprache mit dem Atelier Nouvel übernommen hat – tun ihr Übriges.

Für klassische Sinfonien, Violinkonzerte und Mozart-Arien eignet sich der Klang ohrenscheinlich ganz wunderbar, für Kammermusik und andere, atmosphärisch etwas dumpfere Musik wird man noch weitere Maßnahmen ergreifen müssen. Geplant sei, so Hájek, die hufeisenförmige Ummauerung des Innenhofs mitsamt ehemaligen Badezimmerfenstern mit einem schwarzen, raumhohen Vorgang auszustatten, den man bei Bedarf ganz oder zumindest teilweise wird schließen können. Dann wird sich der Saal mit seiner mobilen Kinoleinwand, die man hinter dem Orchester hervorzaubern kann, nicht zuletzt auch als Location für das Karlovy Vary International Film Festival noch besser eignen. Die Nachrüstung wird dem Projekt guttun.

Beethovens Fünfte ist gleich zu Ende. Die Violinen sägen sich eifrig in die letzten Schlussakkorde ein. Die Theaterbühne in Fellners & Helmers Kaiserbad, so viel ist nach knapp zwei Stunden Moll-Kunstgenuss sicher, ist ein radikaler, ungewöhnlicher, aber durch und durch schlüssiger und geglückter Bau, der dem Publikum angenehmen und mitunter begeisterten Gesprächsstoff, Klangfarbe Dur, liefert. Applaus.

db, Mo., 2024.01.08

08. Januar 2024 Wojciech Czaja

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