Editorial

Der Hype ums Holz reißt nicht ab. Der bei Bauherren wie Architekten beliebte Baustoff erlebt seit einigen Jahren nicht nur eine Renaissance, er erfindet sich geradezu neu. Denn der Holzbau wagt sich in Gebiete vor, die bisher nur von Stahl oder Beton besetzt waren. Der neue Trend geht zum Holzhochhaus, und dabei wetteifern Planer wie Investoren in aller Welt um die höchsten Gebäude dieser Art. Architekten und Ingenieure gehen an die statischen Grenzen des im Holzbau Machbaren. Aber nicht nur in die Höhe wird gebaut, auch in die Weite. Im letzten Jahr entstand in einer Produktionshalle in Süddeutschland das weltgrößte Dachtragwerk aus Buchenholz. Doch müssen es immer diese Superlative sein? Manchmal liegt die Kunst in einer raffinierten Detailausbildung, einer ausgefeilten statischen Lösung oder auch nur in der Einsparung von Ressource und Material, welches beim Holz ebenfalls knapp und teuer ist. Daher widmen wir uns in dieser Ausgabe nicht nur den Trends und den Großprojekten im Holzbau, sondern entdecken auch erst auf den zweiten Blick ausgeklügelte ingenieurstechnische Baukunst. Nicht zuletzt entscheidet das feine Zusammenspiel zwischen Ingenieur und Architekt, ob das Bauwerk am Ende in Konstruktion und Gestaltung harmoniert. | Emre Onur

Raffinierte Schatulle

(SUBTITLE) Showroom in Bad Schönborn

Die Entwicklung des Holzbaus vom Stab zur Platte und darüber hinaus bringt es mit sich, dass selbst Ingenieurholzbauten nicht mehr auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind. Beim Showroom des Möbelherstellers ophelis lernten die Planer sogar bewusst vom Betonbau, tragwerkstechnisch wie formal: Es gibt wunderbar runde Ecken und eine dank »wilder« Spanten zweiachsig gespannte Brettsperrholzdecke.

»Unser Bauherr wollte eine Holzhalle mit möglichst wenigen Stützen. Da landet man schnell beim Fachwerkbau«, erzählt Architekt Jens Ludloff. »Doch dessen Träger geben dem Raum immer eine Richtung, die bei der Präsentation der Möbel gestört hätte.« Diese stehen hier nämlich frei gruppiert im Raum: Regale, Stellwände, Tische und Sitzmöbel bilden »Inseln«, die ein Eigenleben entfalten sollen.

So entstand die Idee der Baumstützen, die eine aus Brettsperrholztafeln gefügte Decke tragen. Obwohl diese Tafeln kreuzweise verleimt sind, dürfen sie jedoch nach DIN nur einachsig gespannt verbaut werden.

Um dem Raum damit nicht abermals eine Richtung geben zu müssen, entwickelten die Ludloffs gemeinsam mit dem Tragwerksplaner Andreas Külich eine ebenso raffinierte wie simpel aussehende Form der Unterspannung, welche die Platten erstmals längs wie quer tragfähig macht.

Schraubpressverleimte, 8 cm schmale Brettschichtholzlamellen steifen die Deckenplatte aus, die so lediglich 16 cm stark sein kann. Sie wird quasi zu einer Serie aus kreuz und quer verlaufenden Plattenbalken. Die Spanten folgen dabei in ihrer Anordnung etwa dem Kräfteverlauf in der Platte, sind aber so dimensioniert, dass es »kein Problem ist, sie in einem etwas wilderen Muster drunterzukleben«, wie sich Jens Ludloff ausdrückt. Wo die Momentenlinie auf null fällt, liegen die Stöße der bis zu 15 m langen Platten.

Schlanke Stämme, wildes Blätterwerk

Rein ästhetisch stößt sich der Purist hier etwas an dem Gegensatz von disziplinierten Baumstützen und »wilden« Spanten. Die lassen sich zwar als Blätterwerk deuten, sehen aber gerade in der Schrägsicht wirklich chaotisch und auch etwas grob aus, da sie alle unabhängig von der Länge gleich hoch sind. Erst beim direkten Blick nach oben erschließt sich in dem Hin und Her eine gewisse strahlenförmige Ordnung.

Jens Ludloff ist ordentlicher Professor für Baukonstruktion an der Uni Stuttgart. Ihm liegt das materialübergreifende »Querdenken«, wie er es nennt, und er lernte in diesem Fall vom Betonbau, bei dem Plattenbalken ja häufig vorkommen, wenn auch nicht kreuz und quer. Dass sein Werk hier am Ende eine spielerische Note bekommen hat, schmälert die wie gewünscht richtungslose und auf jeden Fall extrem materialeffiziente Lösung nicht.

Verpackt und zugleich gestützt wird dieses formschöne, aber in sich noch nicht stabile Raum-Tragwerk von einer tragenden Außenhülle. Statisch besteht sie aus einem Kranz eingespannter Stützen im Format 8/20 cm, auch sie aus Brettschichtholz. Da dieser recht eng getaktete Kranz bis über die halbe Höhe (ca. 3 m) von einer Stülpschalung beziehungsweise innen von lasierten Dachlatten bekleidet ist, trägt er einen Teil der Deckenlasten und steift die gesamte Konstruktion aus.

Aus Beton ist hier lediglich die Bodenplatte. Trotzdem umkurvt diese Außenhaut die 910 m² große Halle so elegant organisch, dass einem sogleich Hugo Häring mit seinen Rundungen wie z. B. beim Gut Garkau in den Sinn kommt. Schon der Zugang über eine enge Rampe macht es spannend, bis sich der Schneckengang zur Halle weitet. Sehr gelungen ist hier die in die zweite Leitwand integrierte Garderobe.
Dahinter liegt der größte der insgesamt drei angegliederten Konferenzräume. Um ihn, der als einziger mit zum Hallenvolumen gehört, stützenfrei zu gestalten, ließen die Planer die eigentlich hier nötige achte Stütze weg und legten die Deckenplatte auf die Saalwand auf. Folglich wäre das »Blätterwerk« an dieser Stelle überflüssig. Um der Einheitlichkeit willen beließ man es und hängte ‧eine leichte Lichtdecke darunter ab.

Daneben docken in einem niedrigeren Quader weitere Räume für Meetings samt Küche und Toiletten an, doch liegen sie auf der Rückseite und zum betongrauen Altbau der Verwaltung hin ausgerichtet. Die Hauptansichten stört das untergeordnete Volumen nicht.

Ausnahmeerscheinung im Gewerbegebiet

Sehr ruhig und nobel bieten sich die übrigen Fassaden des trotz seiner rund 40 m im Karree unscheinbaren Baukörpers dar: Wie eine Schatulle wirkt er, deren flacher Deckel schmal auf einem umlaufenden Oberlicht aus Polycarbonat-Stegplatten ruht. Dass hinter dem Fensterband ein Großteil der Deckenkonstruktion verborgen liegt, enthüllt erst die nächtliche Beleuchtung, die den oberen Bereich etwas weniger hell erscheinen lässt.

Die vertikale Stülpschalung der Fassade ist aus Lärche, geölt und mit Eisenoxid geschwärzt, weshalb erst bei wirklich näherem Hinsehen (was die sie flankierende Bepflanzung mit Gräsern verhindert) die Materialität deutlich wird. Die Verarbeitung, auch der blechernen Attika, könnte an manchen Stellen besser sein. Die Ludloffs durften von Berlin aus nur die Leistungsphasen 1–5 übernehmen.
An diesem ringsum wild mit Discountern und Gewerbebauten zugestellten Nichtort zwischen Heidelberg und Karlsruhe zählt aber letztlich nur die geschützte Binnenatmosphäre des Gebäudes – darum auch das opake, 6 cm dicke Polycarbonat weit oberhalb der Augenhöhe des Betrachters. Angenehmes, diffuses Tageslicht verbreitet es, das durchaus noch die unterschiedlichen Himmelsstimmungen, aber ansonsten nichts vom Umfeld erkennen lässt. Sechs runde Oberlichter lassen etwas Zenitallicht einfallen und beugen als Lüftungselemente zudem sommerlicher Überhitzung vor.

Das Gebäude hängt übrigens am Nahwärmenetz der Möbelfabrik, das per Bauteil-Aktivierung den Betonboden durchströmt. Sollte der Leichtbau sommers doch stärker aufheizen als erwünscht, lässt er sich auf diesem Wege auch kühlen.
Die zumeist matt-weiß lasierten Oberflächen an den Wänden der Halle kontrastieren mit erdigeren Farbtönen in den Abteilungen, die mit der jeweiligen Möblierung harmonieren sollen. Einfache Dachlatten auf Textilbespannung im Rund der Halle sowie feine vertikale Leistenelemente im Konferenzsaal sorgen für eine gedämpfte Akustik. Der zerklüftete Plafond der Deckenkonstruktion dürfte den Hall zusätzlich reduzieren.

Während bei Tage diese Zerklüftung durch das diffuse Rundumlicht gemildert wird, betonen abends direkt an den Kanten der Spanten angebrachte lineare Leuchtkörper deren Plastizität: »Schattig wie im echten Wald« nennt das Jens Ludloff. »Wir wollten keine einheitliche Lichtsoße wie im Büro.«

Und woher hat er den Hang zur stromlinienförmigen Moderne, die auch in anderen Werken des Büros deutlich wird? »In der Jugend war ich mal in Miami«, sagt er, »und Flugzeugkonstruktionen fand ich schon immer spannend.«

ausgeklügelt und vorgefertigt

Ganz up to date ist indes der Grad an Vorfertigung des Gebäudes. Die besonders in der Seitenansicht und bei 14 m Abstand voneinander außer‧ordentlich schlanken Pendelstützen kamen in je zwei Teilen, die wie Bumerangs aussahen, auf die Baustelle. Am Fußpunkt messen sie 8 x 12 und am Beugepunkt 12 x 26 cm.
Sind die nicht allzu dünn? Tragwerksplaner Andreas Külich beruhigt: »Oben an der Decke sind sie über große Stahlteller kraftschlüssig mit der Brettsperrholzplatte verbunden, sodass ein stabiles Dreieck entsteht, wie bei der Fachwerkbauweise.« Möglich war das auch, weil die Deckenplatte extrem dünn ist und die Dachbegrünung nur extensiv. Ingenieurwissen und Gestaltung, es greift eben alles ineinander.

Kein white cube, sondern ein stimmiger »atmosphärischer Hintergrund«, wie es Jens Ludloff ausdrückt, umgibt die Kollektionen. Dem 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zählenden Möbelhersteller ophelis, zuvor noch recht gediegen als Pfalzmöbel benannt, scheint der Showroom gutzutun. Vor Ort hört man nur sehr zufriedene Stimmen.

db, Di., 2023.04.04

04. April 2023 Christoph Gunßer

Maßstäbe setzen ohne Allüren

(SUBTITLE) TUM Campus in München

Ein Gebäude für Sport, Lehre und Forschung legt die Latte des im Holzbau Machbaren höher – mit einem Vordach, das als reine Holzkonstruktion auf 150 m Länge spektakuläre 18,6 m frei auskragt und zugleich subtile Bezüge zu den legendären Olympiabauten aufnimmt.

Die sanft wogenden Zeltdachkonstruktionen und Hügellandschaften des Münchener Olympiaparks bilden eines der bedeutendsten baulichen Gesamtkunstwerke Deutschlands. Weniger bekannt, aber nicht weniger wichtig, ist der nördliche Teil des Parks. Dort befinden sich das Olympische Dorf, das sich unter den heute 6 000 Bewohnern enormer Beliebtheit erfreut, sowie eine der größten deutschen Hochschulsportanlagen. Letztere diente ursprünglich als zusätzlicher Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 1972 sowie als Pressezentrum und wurde danach von der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften der Technischen Universität München (TUM) sowie vom Zentralen Hochschulsport (ZHS) genutzt. Nach knapp einem halben Jahrhundert intensiver Nutzung wiesen die Sporthallen und Institutsgebäude insbesondere gravierende Brandschutz- und Platzprobleme auf. Um der TUM und dem ZHS optimal nutzbare Räume bieten zu können, fiel 2015 die Entscheidung, die Bauten abzubrechen und an ihrer Stelle nach einem Architektenwettbewerb den neuen »TUM Campus im Olympiapark« zu errichten.

Verzahnung von Alt und Neu

Das Siegerprojekt des Architekturbüros Dietrich | Untertrifaller zeigt einen 150 x 180 m großen Baukörper, der sich zweigeschossig und mit zahlreichen Innenhöfen gut in die rechtwinklige Struktur der umliegenden Außensportfelder einfügt. Da dessen Realisierung bei laufendem Betrieb erfolgen sollte, konzipierten die Architekten zwei diagonal verschränkte Hallen- und Bürocluster, die sich in zwei Bauabschnitten errichten lassen sollten und so einen schrittweisen Abbruch des Gebäudebestands ermöglichten. Im ersten Bauabschnitt, der nun fertiggestellt ist, entstanden die beiden Hallencluster: Sporthallen mit insgesamt 14 Sportfeldern, Büro-, Seminar- und Vorlesungsräume, eine Mensa, eine Bibliothek sowie Werkstätten und Labore. Nach Abbruch der Bestandsgebäude, an die der Neubau zentimetergenau herangerückt war, laufen nun die Arbeiten am zweiten Bauabschnitt auf Hochtouren. Die Fertigstellung der beiden komplementären Bürocluster mit Verwaltungs- und Institutsräumen ist für 2024 geplant.

Zentrales Element des Neubauprojekts ist die 165 m lange »Rue intérieure«, die die Architekten im 1. OG platzierten, wo ein Steg am Haupteingang die Anbindung an die erhöht angelegten Wege des Olympiaparks Nord übernimmt. Die Haupterschließungsachse bietet vielfältige Einblicke in die großflächig verglasten Sporthallen, Hörsäle und Seminarräume sowie in die Seitenflure und Innenhöfe der Bürocluster. Dank der durchgängigen Breite von 12 m und der vollflächigen Sprinklerung ist sie zugleich großzügiger Aufenthalts-, Lern- und Veranstaltungsbereich.

Prägnant und doch unaufdringlich

Wesentlich für die räumliche Qualität der in Ost-West-Richtung verlaufenden Rue intérieure ist neben ihren großen Nutzungsspielräumen das Farb- und Materialkonzept. Die Oberflächen spielen sich eher in den Hintergrund: ein polierter Betonfußboden, graue Sichtbetonwände, viel Glas sowie eine Decke mit zurückhaltender Fichtenholzbekleidung. Im Mittelpunkt stehen die Menschen, die den Raum mit Farbe und Leben füllen. Was auffällt, gerade weil es nicht auffällt, ist das Tragwerk. Stützen, Pfeiler oder Unterzüge, die das Lastabtragen offensichtlich machen würden, stechen nicht ins Auge. Stattdessen bestimmen große raumbegrenzende Flächen das Bild. So entsteht ein angenehmes Gefühl von Leichtigkeit – die Stützen vor den verglasten Seitenwänden sind so schlank und zudem dunkel gestrichen, dass sie vor den ebenfalls dunklen Fensterprofilen kaum auffallen. Sichtbar ist das Dachtragwerk aus Fichten-Brettschichtholzträgern mit 5 m Achsabstand lediglich an den Seitenrändern, wo Oberlichter reichlich Tageslicht in den Raum bringen.

Rue intérieure, Treppenkerne, Hörsaal, Teile der Sporthallen und das UG sind im Sinne brandschutztechnischer und statischer Kriterien als Stahlbetonkonstruktion ausgeführt, während Sporthallen, Institutsbereiche und die komplette Dachkonstruktion in Holzbauweise errichtet sind. In den Sporthallen prägt eine klare Struktur aus Brettschichtholzträgern, Oberlichtelementen und präzise gesetzten Sport- und Technikeinrichtungen das Bild. Erstere sind über allen Sportfeldern nur 16 cm breit, 27 m lang, in Feldmitte 1,80 m und am Auflager 1,40 m hoch und im Achsabstand von 2,5 m angeordnet. Dazwischen liegen einfache Kantholzpfetten, die mit einfachen OSB-Platten eine aussteifende Dachscheibe ausbilden. Im Zusammenspiel mit den Seitenwandbekleidungen aus Weißtanne entstehen standardisierte, maßstäblich gegliederte und unaufdringlich bewegte Räume mit behaglicher Raumatmosphäre. Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang sind die konischen Oberlichtelemente aus Dreischichtplatten, die dank integrierter Blendroste viel blendfreies Tageslicht einfallen lassen.

An der Grenze des im Holzbau Machbaren

Am westlichen Ende der Rue intérieure befinden sich die Bibliothek und die Mensa sowie eine große Außenterrasse, zu deren Füßen die orthogonal kreuzende Haupterschließungsachse der Außensportflächen – die Rue extérieure – sowie eine Leichtathletik-Außenanlage liegen. Der eigentliche Hingucker ist jedoch das über der Außenterrasse schwebende Vordach: eine vollverleimte Holzkonstruktion, die über die gesamte Gebäudebreite bemerkenswerte 18,6 m frei auskragt. Maßgeblich für dessen Gestaltung waren jene Vorgaben, die die Architekten schon im Wettbewerb zusammen mit den Holzbauingenieuren von merz kley partner definierten: Zum einen sollte die Höhe des Dachs der Höhe des umlaufenden Dachrands entsprechen, woraus eine Konstruktionshöhe von maximal 1,60 m resultierte. Zum anderen waren die Untersicht des Vordachs flächig auszubilden und sichtbare Unterzüge unbedingt zu vermeiden. Selbstredend musste die Lösung bei allen bautechnischen Herausforderungen wirtschaftlich umsetzbar sein. Aus diesen Vorgaben resultierten insgesamt vierzig 28 m x 3,75 m x 1,60 m große, jeweils selbstständig tragende Hohlkästen. Diese wurden komplett mit Oberlichtöffnungen, Entwässerungsleitungen und Wärmedämmungen vorgefertigt, angeliefert und per Autokran zunächst auf ein Hilfsgerüst eingehoben. Die Vordachelemente bestehen aus Längsrippen und Querträgern in Brettschichtholz sowie aus bis zu 20 m langen Furnierschichtholz-Beplankungsplatten, die zusammen für eine hohe Steifigkeit und geringe Verformungen sorgen. Beeindruckend ist angesichts der enormen Auskragung v. a. die Leichtigkeit, mit der die Elemente im Gebäude rückverankert sind – zumal der Teil über dem Innenraum lediglich 9,3 m lang ist und jeweils auf vier Punkten aufliegt. Die druckbelasteten Pendelstützen in Fassadenebene dienen je zwei benachbarten Elementen als Auflager. In die Hohlkästen integrierte verstärkte Querträger sowie Kopfplatten mit Querdruckverstärkungen gewährleisten dabei die erforderliche Lastverteilung. Die Auflager entlang der fassadenparallelen Glaswände zur Sporthalle bzw. zum Innenhof nehmen hingegen nur Zugkräfte auf, die mittels Zugstangen in Rückverankerungen im Boden eingeleitet werden. Rund 1 m lange Schrauben in den Querträgern der Hohlkästen übernehmen dabei die Kraftübertragung. Kleiner Wermutstropfen: Brandschutzbestimmungen führten dazu, dass die Zugstäbe mit Brandschutzbekleidungen aus Holz versehen werden mussten, die sie massiver erscheinen lassen als die druckbelasteten Pendelstützen. Die horizontale Aussteifung erfolgt über die Anbindung des Dachs an Treppenhauskerne und andere Betonwände.

Neue Landmarke im Olympiapark

Der TUM Campus ergänzt den denkmalgeschützten Olympiapark um ein selbstbewusstes, ikonisches Bauwerk, das auf den ersten Blick keinen Bezug auf die denkmalgeschützten Olympiabauten nimmt. Mit seinen dunkel lasierten Holzfassaden und der zurückhaltenden Gestaltung erscheint der TUM Campus, der von 125 000 Studierenden und 30 000 Beschäftigten aller Münchner Universitäten und Hochschulen genutzt wird, vielmehr auf angenehme Weise geerdet. Entwurfsentscheidungen basierten hier immer auch auf funktionalen Aspekten. Das zeigt sich nicht zuletzt am Vordach: Im EG unter der Mensa sind Sportlabore untergebracht, in denen Forscher die Leistungsperformance von Sportlern während und nach den Trainingseinheiten untersuchen. Dank des weit über der Außenterrasse und Teilen der Laufbahnen schwebenden Vordachs können diese Messungen witterungsgeschützt stattfinden. Zugleich lässt das Dach einen geschützten Zuschauerbereich für Sportveranstaltungen auf der Leichtathletik-Außenanlage entstehen. Auf den zweiten Blick offenbart der TUM Campus dann doch subtile Parallelen zu den legendären Zeltdachkonstruktionen: die Alltagstauglichkeit, die weitläufige räumliche Offenheit und die Leichtigkeit eines Tragwerks, das die Grenzen des Machbaren austestet. Es ist diese Art der bescheidenen Reduktion auf das Wesentliche, die den Neubau zum selbstverständlichen, integralen Teil des Olympiaparks werden lässt.

db, Di., 2023.04.04

04. April 2023 Roland Pawlitschko

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