Editorial
Ob Sternerestaurant, Traditionsgaststätte, Brauhaus oder Burgerladen, ob Club oder Bar: die atmosphärisch dichte Gestaltung der jeweiligen Räume durch einen versierten und dabei kreativen Umgang mit Licht, Materialien, Oberflächen und Farben ist stets entscheidend. Wir haben die aktuellen Trends aufgespürt – von gediegen bis schrill – und stellen Ihnen neue, konsequent umgesetzte Konzepte aus dem Gastronomiebereich vor, die schlüssig mit dem Raum arbeiten und ihn nicht bloß dekorieren und möblieren. | Ulrike Kunkel
Schwarzwaldfeeling
(SUBTITLE) Rothaus-Gaststätte in Stuttgart
Dunkle Tannen und helle Lichtungen, Tannenzapfen und verwitterte Holzschindel-Fassaden – typische Schwarzwald-Motive, die das Gestaltungskonzept von blocher partners für die Gaststätte der Badischen Staatsbrauerei Rothaus in der Stuttgarter Mall »Gerber« aufgreift. Doch kein Zitat, keine Anlehnung an die Heimatregion der Brauerei kommt plump und anbiedernd daher; subtil wurden die einzelnen Motive in eine ansprechende, moderne und originelle Gestaltungssprache übersetzt.
Seit Mai 2019 hat der Schwarzwald im sogenannten Gerber im Stuttgarter Süden Einzug gehalten. Einer ambitioniert gestarteten und im Innenausbau nach einem Entwurf von ippolito fleitz gestalteten Mall, die dennoch von Anfang an ihre Probleme hatte und nach wie vor nur bedingt frequentiert wird. V. a. die Gastronomieangebote im EG wollten bisher nicht recht funktionieren, sodass es seit der Eröffnung des Einkaufszentrums 2014 bereits zu zahlreichen Wechseln kam. Nun versucht sich hier – und allem Anschein nach mit wachsendem Zuspruch und Erfolg – die landeseigene Brauerei Rothaus aus dem gleichnamigen Ort im Hochschwarzwald auf 760 m² Fläche mit ihrem ersten eigenen Gastronomiebetrieb. Von einer klassischen Brauereigaststätte kann man allerdings nicht sprechen. Die Speisen sind wohlgewählt. Hochwertige, regionale Produkte verbinden sich mit Bierspezialitäten zu einer modernen, aber nicht überkandidelten Küche. Die Speisekarte, weitere Druckerzeugnisse sowie Logo, Naming und die Adaption für die Werbeanlagen an der Fassade sind von typenraum, der Kommunikationsagentur der Innenarchitekten, für die Gaststätte entwickelt worden.
Wer ist eigentlich Biergit?
Mindestens das Tannenzäpfle-Bier mit seinem prägnanten Etikett ist inzwischen bis weit über die Grenzen des Schwarzwalds hinaus bekannt. Das blonde Schwarzwaldmädel in typischer Tracht, das in jeder Hand ein Glas Bier hält, ist längst Kult geworden. Rothaus-Trinker haben ihr den fiktiven Namen Biergit Kraft gegeben; entstanden aus der alemannischen Aussprache der Phrase »Bier git (= gibt) Kraft«. Das Etikett zeigt außerdem sieben Tannenzapfen – die ungewöhnlicherweise hängend dargestellt sind.
Zunächst etwas überrumpelt von dem plötzlichen Kultstatus ihres traditionell in 0,33-l-Flaschen gereichten Biers, spielt die Brauerei längst recht professionell damit. Kein Wunder also, dass die Wand hinter der zentral im Raum angeordneten Bar ausschließlich mit »Tannenzäpfle-Flaschen« bestückt und gestaltet ist. Exakt ausgerichtet in einer beleuchteten Vitrine ergeben die Farben der unterschiedlichen Etiketten – Gold = Pils, Weiß = Pils alkoholfrei, Orange = Weizen, Blau = Weizen alkoholfrei, Hellgrün = Radler, Silber = Eis-Zäpfle, Rot = Märzen und wieder Gold – einen dezenten Farbverlauf mit eindrucksvoller Wirkung. Davor: die Kupferrohre der Zapfanlage und der langgestreckte, ebenfalls kupferne Tresen.
Doch das ist bei Weitem nicht das einzige, was den Barbereich besonders macht: Eine Deckeninstallation aus über 9.500 herabhängenden, schwarz geräucherten Holzschindeln, zwischen denen an einigen Stellen gebündeltes Licht wie Sonnenstrahlen in einem dichten Wald auf den Boden fällt, inszeniert hier die dunkle, unheimliche Seite des Schwarzwalds. Diese Deckengestaltung zieht sich bis in den seitlich, entlang der Fensterfront zur Straße gelegenen Loungebereich hinein. Hier umschließt sie einen großen, fast raumhohen dunkelgrünen Kachelofen mit umlaufender Bank, auf der es sich an kalten Tagen wohlig warm sitzen lässt, wie in der guten Stube. Eine Kachelreihe ist als Schmuckfries ausgebildet. Mit ihrem Tannenzapfen-Motiv verweist sie wiederum auf den Rothaus-Verkaufsschlager.
Dunkle Tannen, weite Lichtungen
Diese dunkel gehaltenen Bereiche, in denen mit präzise ausgerichtetem Licht und einigen wenigen Farben der Polstermöbel und Kissen gezielt Akzente gesetzt werden, sind von hellen, offen gestalteten Restaurant-Flächen umgeben. Es hat den Anschein, als würde man aus dem dunklen Wald hinaus auf eine weite, lichtdurchflutete Lichtung treten. Ein geweißter und geölter Dielenboden aus Tannenholz und die mit Fichtenholz-Schindeln bekleideten Wände – teilweise werden in abstrahierter Form Tannenzapfen dargestellt, die in ihrer Art an die Grafik der Tannenzäpfle-Etiketten erinnern –, bestimmen die Atmosphäre. In diesem Teil findet sich auch das wohl typischste Schwarzwald-Symbol: die Kuckucksuhr. Hier in einer reich verzierten, mannshohen Version, die der traditionellen Uhrmacher- und Handwerkskunst huldigt. Ein unter der Decke geführtes System aus dünnen Kupferrohren mit integrierten Leuchten erhellt diese Bereiche des Restaurants. Es stellt einen gelungenen Bezug zu den Kupferkesseln und -rohren, die beim Bierbrauen bzw. -zapfen verwendet werden, her.
Das helle, schlichte Holzmobiliar wurde nach Entwürfen der Architekten von der Schweizer Möbel-Manufaktur horgenglarus gefertigt. Mittendrin fällt plötzlich ein Tisch-Stuhl-Ensemble auf und aus der Reihe: ein alter Holztisch mit zehn Stühlen drumherum – übernommen aus einem Schwarzwaldgasthaus. Ein gelungener »Störer« innerhalb der ansonsten so edlen Innenraumgestaltung und Ausstattung.
Das Schwarzwald-Motiv wird übrigens sogar bis in die Sanitärbereiche hinein gespielt. Der Offenburger Künstler Stefan Strumbel hat für die WC-Trennwände ein kaleidoskopartiges Ornament aus Schinken, Brot, Schwarzwälderkirschtorte und weiteren Schwarzwald-typischen Lebensmitteln entwickelt – skurril. Buchstäblich überall im Lokal kann man den Schwarzwald förmlich spüren, aber stets auf eine unterschwellige Art und Weise und ganz ohne Folklore-Tümelei. Mit der Rothaus-Gaststätte sollte nun eine reelle Chance bestehen, im »Gerber« eine attraktive Gastronomie zu etablieren.db, Di., 2020.03.03
03. März 2020 Ulrike Kunkel
Kulinarik mitten im Grünen
(SUBTITLE) Restaurant »noma 2.0« in Kopenhagen (DK)
Das Kopenhagener Sterne-Restaurant Noma hat einen neuen Standort in einem alten Lagergebäude am Rande der Alternativ-Kommune Christiania bezogen. Das nach Plänen von BIG umgesetzte Projekt ergänzt den Bestand durch ein offenes Geflecht aus Einzelvolumen, die fließend in den Außenraum übergehen und durch ihr zurückhaltend skandinavisches Interieur überzeugen.
Seit seiner Eröffnung 2003 hat sich das von Spitzenkoch René Redzepi geführte Kopenhagener Restaurant Noma zu einem regelrechten Mekka für Feinschmecker entwickelt. Vier Mal wurde das lange Zeit in einem ehemaligen Hafenlager aus dem 16. Jahrhundert ansässige und momentan mit zwei Michelin-Sternen bedachte Haus sogar als bestes Restaurant der Welt ausgezeichnet. Für kulinarische Begeisterung sorgen v. a. die puristische Neuinterpretation der nordischen Küche, die Beschränkung auf regionale und saisonale Produkte sowie die entspannt-legere Art der Bewirtung.
Trotz oder gerade wegen seines großen Erfolgs wurde das Restaurant Anfang 2017 geschlossen, um dann, nach längerer Pause, an einem anderen Standort wieder zu eröffnen. Als neue Adresse für das Noma 2.0 hatten sich die Betreiber ein ehemals durch die Königlich Dänische Marine genutztes, aber seit Längerem leer stehendes Minenlager aus dem Jahr 1917 ausgesucht; innenstadtnahen Ort inmitten von ganz viel Grün, gelegen auf einer schmalen Landzunge zwischen zwei Seen und direkt angedockt an die legendäre Kopenhagener Hippie-Kommune Christiania, die sich hier seit den frühen 70er Jahren auf einem 34 ha großen ehemaligen Kasernengelände angesiedelt hat.
Verbindung von Alt und Neu
Mit der architektonischen Planung zur Umnutzung und Erweiterung des schmalen, rund 80 m langen und rückseitig nach Westen in einen Wall eingebetteten Altbaus wurde im Sommer 2015 die vor Ort ansässige Bjarke Ingels Group beauftragt. Ganz zu Beginn war dabei zunächst eine Aufstockung des Bestands vorgesehen: »Aufgrund des bestehenden Denkmalschutzes konnten wir diese Idee aber nicht umsetzen«, blickt Projektarchitekt Frederik Lyng auf den langwierigen Planungsprozess zurück. »Stattdessen haben wir das Gebäude lediglich behutsam saniert und hier auf einer Fläche von 700 m² die Backend-Bereiche Lager, Anlieferung, Labor sowie Mitarbeiter- und Spülküche angesiedelt.« Die klare Strukturierung mit rückseitig perlenschnurartig aneinander gereihten Räumen und fassadenseitig durchgehender Erschließung sorgt dabei für einen optimierten Workflow des 80-köpfigen Noma-Teams.
Die für den Restaurantbetrieb zusätzlich nötigen Anbauten durften andererseits die Höhe des Bestands von 5,50 m nicht überschreiten und außerdem nur dort ergänzt werden, wo die historische Bausubstanz ohnehin beschädigt war. Ausgehend von den strengen Auflagen der Stadt und in enger Kooperation mit den Noma-Betreibern entstand schließlich die Idee, den Riegel an seinem südöstlichen Kopfende an verschiedenen Stellen durch sieben eigenständig ausgebildete, über gläserne Fugen aber fließend miteinander verbundene Baukörper zu ergänzen. Die großflächig verglasten und zusätzlich durch Oberlichter geöffneten Volumen schaffen eine luftige Erweiterung des Bestands um rund 500 m² und führen dabei ganz bewusst die additive Bauweise der Häuser in Christiania fort. Im Zusammenspiel ist ein vielschichtiges, bewusst dorfähnliches Geflecht von kleineren und größeren Volumen mit kontrastreich gestalteten Fassaden und Dächern aus Holz, Klinker, Glas und Messing entstanden, das in sämtlichen Bereichen fließend in den grünen Außenraum übergeht.
Hochwertig gestalteter Innenraum
Ähnlich vielschichtig präsentiert sich die Innenraumgestaltung des für insgesamt etwa 40 Gäste konzipierten Restaurants. Analog zu der ungewöhnlichen Baukörperanordnung und in enger Kooperation mit dem zusätzlich hinzugezogenen Studio David Thulstrup entstand eine offene Grundrissanordnung mit den bewusst voneinander getrennten Funktionen Empfang, Küche, Lounge, Grillen, Speisesaal und privater Gesellschaftsraum, die alle ein besonderes Raumerlebnis mit individuell angepasster Materialsprache bieten: »Anders als in herkömmlichen Restaurants haben wir die verschiedenen Funktionen hier ganz bewusst getrennt und dann wieder neu miteinander verbunden, um den Gästen ein besonderes Erlebnis mit wechselnden Raumeindrücken zu bieten«, erklärt Frederik Lyng das Konzept.
In sämtlichen Räumen findet sich eine einfache und materialbetont-ehrliche Innenraumgestaltung mit skandinavisch warmer Ausstrahlung und mit Sinn für überraschende Akzente und Kontraste. So wirkt z. B. die luftige Lounge wie ein gemütliches Wohnzimmer, umgesetzt mit hellen Feldbrandklinkern als Material für Wand und Boden sowie mit einer plastisch abgetreppten Decke aus hellen Eichenholzbrettern. Der direkt angrenzende, weitgehend geschlossene Empfangsbereich wurde mit dunklen Feldbrandklinkern und mit schweren Eichenholz-Einbauten gestaltet. Ein schönes Detail ist hier der Kamin, der linkerhand mit dunklen Klinkern und im Übergang zur Lounge abweichend mit hellen Klinkern gestaltet wurde.
Der große Speisesaal erhält demgegenüber durch seine freiliegenden Deckenbalken, die helle Holzdecke sowie durch den wertigen Eichenholzdielenboden einen angenehm entspannten Charakter mit räumlicher Weite. Betont der Eindruck durch Flächen aus vorpatiniertem Messing im vorgelagerten Service-Bereich sowie durch Innenwände aus übereinandergestapelten Holzbrettern mit einer Länge von jeweils 60 cm, die auf den ersten Blick die Anmutung von fein säuberlich aufgeschichteten Holzscheiten ausstrahlen sollen. Der kleinere Gesellschaftsraum lebt wiederum von seinem intimen-sakralen Raumeindruck und den kontrastvoll umgesetzten Außenfassaden aus gebranntem Holz, der Grill schließlich wurde als begehbare Blockhütte gestaltet.
Die Küche im Zentrum
Im Zentrum sämtlicher Aktivitäten steht ganz bewusst die offene, mit hellen Holzmöbeln sowie mit strapazierfähigen und leicht zu reinigenden Terrazzo-Böden aus Flusskieseln umgesetzte Küche: »Von dieser zentralen Position aus haben die Köche einen perfekten Überblick über jeden Winkel des Restaurants und können so alle Abläufe bestens koordinieren«, erklärt Frederik Lyng. »Ebenso können die Gäste hautnah miterleben, was sonst eher hinter den Kulissen passiert. Hinzu kommt, dass es durch die Grundrissanordnung auch möglich ist, dass die Abluftanlage der Küche gleichzeitig die Belüftung sämtlicher Räume übernimmt.«
In allen Restaurant-Bereichen sorgen die großen, teilweise öffenbaren Fensterfronten und Oberlichter im Verbund mit den gläsernen Fugen für einen fließenden Übergang von Innen und Außen und für freie Ausblicke auf den Garten und die angrenzende Wasserfläche. Die Gäste haben so durchgehend das Gefühl, regelrecht im Freien zu dinieren und dabei in sämtlichen Bereichen einen direkten Bezug zur Landschaft, zum Wetter und zu den Jahreszeiten erleben zu können. Komplettiert wird die Innenraumgestaltung durch eine speziell für das Noma 2.0 vom Studio David Thulstrup entwickelte Möblierung. Darunter finden sich auch Tische und Tafeln aus dunklem Eichenholz sowie helle Eichenholz-Stühle mit handgewebten Sitzflächen, die zeitgemäßes dänisches Design mit 60er-Jahre Retro-Look verbinden.
Ein wichtiger Baustein des neuen Noma-Konzepts sind die drei weiter nördlich in Richtung der Straße dem Altbau vorgelagerten, dabei jeweils auf vorhandenen Betonfundamenten errichteten Gewächshäuser. Die drei Bauten stehen dem Restaurant als interaktive Testküche, zum Anbau von Kräutern sowie als betriebseigene Bäckerei zur Verfügung. Direkt neben den drei Gewächshäusern erwartet die Besucher dann noch die freie Aussicht über den See und auf die Silhouette des ebenfalls von BIG geplanten Heizkraftwerks Amager Bakke, auf dessen steil abfallendem Dach die Kopenhagener seit einem Jahr Skifahren können. Was für ein schöner architektonischer Nachschlag! Und ein Grund mehr wohl, warum die Tische im Noma für rund ein Jahr im Voraus restlos ausgebucht sind.db, Di., 2020.03.03
03. März 2020 Robert Uhde
Das Auge isst mit
(SUBTITLE) Zeitgemäße Lichtplanung in der Gastronomie
Unter Restaurants herrscht ein harter Konkurrenzkampf: Strategisch geplante, skalierbare Systemgastronomie eröffnet in den Ausgehvierteln der Städte Tür an Tür mit hoch individuellen, von viel Idealismus getragenen Lokalen. Der Wettbewerb findet nicht nur über Küche und Service, sondern auch über die Gestaltung statt. Innovation und Originalität sind gefragt, was auch jungen Architekten und Designern eine Chance bietet. Das Gestaltungsniveau in der Gastronomie ist inzwischen erfreulich hoch. Wenn sich Gäste dennoch unbehaglich fühlen, liegt es, neben der Akustik, meist an der Beleuchtung, bei deren Planung einige Grundregeln zu beachten sind.
Primäre Einflussfaktoren auf das Lichtkonzept sind immer das Thema und die Zielgruppen des Restaurants. Darauf sollten Erscheinungsbild und Design der Lichtsysteme selbst abgestimmt sein, entscheidend ist jedoch das Denken in Lichtqualitäten wie Helligkeit, Lichtfarbe, Lichtrichtung usw. Die Beleuchtung sollte auf Raumzonen wie Lounge, Bar, Bistro oder Speiserestaurant reagieren – denn die Sehaufgaben unterscheiden sich und die Gliederung des Raums wird so unterstrichen. Das (Preis-) Niveau des Restaurants spiegelt sich ebenfalls in der Beleuchtung wider: Je schlichter das Restaurantkonzept, desto besser passen auch schlichte Lichtkonzepte mit wenigen Komponenten; je differenzierter und raffinierter ein Restaurant beleuchtet ist, desto höher das gastronomische Niveau, das erwartet wird. Schließlich spielt auch die Fern- und Außenwirkung des Lokals – Wirtshausschild, Eingang, Fenster zur Straße – eine Rolle. All das lässt sich durch sorgfältige Planung der Beleuchtung, also die durchdachte Wahl und Positionierung der Leuchten, lösen. Mit adaptiver, regelbarer Beleuchtung können Gastronomen außerdem flexibel auf Nutzung und Füllungsgrad reagieren: Ist das Lokal leer, lockt man mit reichlich Licht – ist das Lokal voll, schafft gedämpftes Licht Atmosphäre. Je nach Lichtszene präsentiert sich das Lokal passend für verschiedene Anlässe.
Qualitative Planung
Angesichts der Vielfalt der Konzepte kann es kein Patentrezept zur Beleuchtung eines Lokals geben. Bewährt hat sich der qualitative Planungsansatz nach Richard Kelly (1910-1977), einem Pionier der Architekturlichtplanung. Er etablierte folgende drei Grundkomponenten, in die sich praktisch jede Ist- oder Sollsituation gliedern lässt:
»Ambient luminescence«, die gleichmäßige, oft diffuse Allgemeinbeleuchtung
»Focal glow«, das Akzentlicht, das Objekte, Flächen oder Raumzonen betont und Wahrnehmungshierarchien schafft.
»Play of brillants«, das dekorative Licht, das Licht zum Staunen, das Licht als ästhetischer Selbstzweck.
Erfolg verspricht, alle drei Lichtkomponenten ausgewogen zu kombinieren und ihnen jeweils spezialisierte Lichtquellen zuzuordnen. Ein Beispiel: Ein Gastraum wird durch Deckenfluter diffus allgemein beleuchtet. Strahler akzentuieren die Tische, an der Wand flackert eine nostalgische Neonreklame als Dekoration.
Licht auf dem Tisch
Ein gängiger Fauxpas ist rein indirekte Beleuchtung mit diffusem, schattenarmem Licht. Im Kontrast zur hellen Decke wirken selbst weiß gedeckte Tische grau und fahl. Direktes, gerichtetes Licht auf dem Tisch dagegen fokussiert die Aufmerksamkeit auf Speisen, Getränke und Tischgesellschaft. Anspruchsvolle Küchenkreationen wirken optimal unter brillantem Licht mit hoher Farbwiedergabequalität (Ra > 90) und einem Weißton von ca. 3.000K, der Farben weniger verfälscht als glühlampenartige 2.700K. Der Akzent auf den Tisch sollte möglichst zenital (lotrecht von oben) einfallen.
Pendelleuchten zur Akzentuierung von Tischen und Theken sollten weder blenden noch den Blickkontakt der Gäste stören. Der Abblendwinkel, die Größe der zu beleuchtenden Fläche, aber auch die Wirkung der Leuchtkörper im Raum beeinflussen die Pendellänge. Ein diffuser Lichtanteil, etwa durch einen durchscheinenden Porzellanschirm, hellt die Umgebung, insbesondere die Gesichter der Tischnachbarn, mit auf. Für Stimmung sorgt die Kerze auf dem Tisch – ob im Silberleuchter oder als Teelicht auf der Untertasse.
Das Restaurant als Arbeitsplatz
Gast und Personal stellen an das Licht im Restaurant unterschiedliche Anforderungen. Die Mitarbeiter benötigen geeignetes Licht für ihre Arbeit. Punktstrahler können die Arbeitsflächen gezielt ausleuchten. Analog lassen sich Verkehrswege, Schwellen oder Stufen sicher beleuchten, ohne die Gesamtatmosphäre zu beeinflussen: etwa durch wandmontierte Bodenfluter.
Oft unterschätzt: Die Beleuchtung von Wänden
Wände liegen in der natürlichen Blickrichtung der Gäste, ihre Helligkeit ist für die Wahrnehmung des Raums entscheidend. Sie lassen sich auf verschiedene Arten beleuchten: Spots können Bilder, Menütafeln oder Dekorationen akzentuieren, spezielle Wandfluter beleuchten weich und gleichmäßig, hartes Streiflicht betont dagegen Material und Struktur der Wand. Beleuchtete Innenwände beeinflussen auch die Außenwirkung: Sie lassen das Lokal durch die Fenster wie eine Laterne leuchten.
Lichtquellen und Lichtfarben
Auch in der Gastronomie haben sich LEDs als universelle, langlebige, effiziente und einfach steuerbare Lichtquellen durchgesetzt. Grundsätzlich dominieren hier warmtonige Lichtfarben (2.700-3.000K). Farbiges oder sogar dynamisch veränderbares Licht (RGB-Technik) kann als Blickfang dienen. Bei Farbeffekten in einem Raum sind neutralweiße Akzente auf den Tischen besonders wichtig, um die Farben von Speisen und Getränken nicht zu verfälschen. Damit die Lichtfarben unterschiedlicher Komponenten zum Schluss tatsächlich harmonieren, sind Bemusterungen ratsam – insbesondere bei architekturintegrierten Lichtkomponenten.
Die Leuchten: Integriert oder additiv?
Eine Strategie bei der Leuchtenwahl ist es, thematische Dekoration und funktionale Beleuchtung zu trennen – z. B. unauffällige, deckenintegrierte Spots, kombiniert mit expressiven Kronleuchtern als Blickfang. Die Alternative sind additive Lichtsysteme mit starker Eigen-Präsenz im Raum, etwa Stromschienen, die außerdem den Vorteil hoher Flexibilität mitbringen.
Vorhandene Hohldecken, Akustikpaneele oder abgependelte technische Strukturen eignen sich zur Montage von Lichttechnik und helfen, wie nachträglich appliziert wirkende Beleuchtungslösungen zu vermeiden. Hier eröffnet die LED-Technik mit ihrer fortschreitenden Miniaturisierung viel Spielraum für effektvolle Voutenbeleuchtungen, beleuchtete Möbel oder hinterleuchtete Flächen.
Lichtsteuerung: In Zukunft drahtlos
Der Nutzen von Lichtsteuerung in der Gastronomie wurde bereits thematisiert. Bei Elektroinstallation und Lampenwahl ist die separate Dimmbarkeit der Lichtkomponenten eine Mindestanforderung. Ideal sind digitale Lichtsteuersysteme, um komplexe Lichtszenen programmieren und abrufen zu können – per Knopfdruck oder automatisch über Timer oder Sensoren. Längere Fadingzeiten gestalten die Übergänge zwischen Szenen für die Gäste unmerklich. Mit Technologien wie Bluetooth Mesh bzw. Casambi lassen sich entsprechend ausgerüstete Leuchten ohne weiteren Installationsaufwand drahtlos steuern und vernetzen. Solche Anlagen werden über Apps auf Tablet oder Smartphone eingerichtet und bedient.db, Di., 2020.03.03
03. März 2020 Martin Krautter