Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser
Mit besten Grüssen von der Bundesgartenschau Heilbronn 2019 verabschieden wir uns von Ihnen. Der Vorstand des BSLA hat im Frühjahr 2019 entschieden, anthos, das seit 1962 erscheinende einzige Schweizer Fachmagazin für Landschaftsarchitektur, mit Ausgabe 1/2020 einzustellen. Wir räumen bereits mit Ausgabe 4/2019 das Feld und bedanken uns sehr herzlich bei Ihnen. Dafür, dass Sie anthos zum Teil über Jahrzehnte die Treue gehalten haben, für das entgegengebrachte Vertrauen, die spannenden Diskussionen und die vielen positiven Rückmeldungen. Unser besonderer Dank gilt dem Engagement der Autorinnen und Autoren in zahlreichen Büros weltweit, die uns mit ihren Beiträgen Einblicke in Projekte gewährt haben, ohne die es anthos nicht hätte geben können.

Unsere letzte Ausgabe nimmt den Naturschutz in den Fokus. Ein Thema, dem leider immer noch viel zu oft kaum mehr als Konservieren und Verhindern zugetraut wird. Dabei tut sich gerade hier so viel! Wir stellen Projekte vor, die sich mit unterschiedlichsten Aspekten dieses breiten Aufgabenfelds befassen.

Sie haben gemein, dass sie ein zeitgemässes und zukunftsgewandtes Verständnis von Naturschutz vertreten. Und sie zeigen, dass Technik und technische Hilfsmittel zwar die Arbeit im Detail erleichtern, vieles aber weiterhin Handarbeit bleibt. Viel Vergnügen.

Ihr Redaktionsteam, Dania Genini, Zélie Schaller, Sabine Wolf

Inhalt

Marie Bruun Yde, Steffan Robel: Die neue Natur nutzen
Fanny Desfray: Fluss-Schutz im Naturpark Doubs
Bertrand Massé, Véronique Parent: Schutz der Guirande
Gudrun Hoppe: Mettmenhaslisee
Urs Tester: Wie regeneriert man Moore?
Bruno Vanoni: Naturschutz dank Landschaftspflege
Bettina Tschander: Datengrundlage zur ökologischen Aufwertung
Mirjam Schärer, Julian Hull, Thomas Schneider: Lebensraumkartierung mit Tablet
Dania Genini: Digitale Hilfsmittel für ökologische Kartierung
Victor Condrau, Elisabeth Dürig: Nationales Wildobst-Arboretum
Reto Obrist: Der kantonale Forstgarten Rodels
Christoph Kueffer: Biodiversität und Ökologie in der Lehre
Sabine Tschäppeler: Neue Bilder braucht die Stadt
A. W. Faust, Vera Hertlein-Rieder: In Heilbronn kommt die Natur zum Menschen

Fluss-Schutz im Naturpark Doubs

Da der Doubs eine natürliche Verbindung zwischen der Schweiz und Frankreich ist, können die negativen Auswirkungen des menschlichen Wirkens auf seine Wasserqualität, das Ökosystem und die Landschaft nur in einer grenzüberschreitenden Anstrengung aufgefangen werden. Der Naturpark Doubs setzt dabei auf Information und Sensibilisierung aller beteiligten Akteure.

In den vergangenen dreissig Jahren hat sich die Wasserqualität des Doubs immer weiter verschlechtert. 2011 kam es zu einem ersten Massensterben, Dutzende tote Fische wurden an den Flussufern ­gefunden. Damit war Schluss mit dem Mythos vom wilden und gesunden Fluss in einem Paradies für Angler und Naturtouristen. Jetzt galt es, zum Schutz der bedrohten Tierwelt zu handeln.

Nachdem verschiedene Nichtregierungsorga­nisationen und Anglerverbände in Bern Klage einreichten, haben Frankreich und die Schweiz 2012 sehr schnell damit begonnen, einen gemeinsamen Ak­tionsplan zur Eindämmung der Flussverschmutzung auf die Beine zu stellen. Im Rahmen binationaler Arbeitsgruppen wurden Massnahmen festgelegt, die in Kooperation mit den betroffenen Akteuren – Kantone, Departements, Gemeinden, Berufsorganisationen und Verbände – schrittweise umgesetzt werden sollen.

Die Gründe für die Verschmutzung des Doubs sind vielfältig und komplex, haben aber eines gemeinsam – sie lassen sich alle auf menschliches Wirken zurückführen. Die alten Wehre der Wasserkraftanlagen tragen zur Stagnation der Sedimente bei und bilden eine Barriere zwischen den Fisch­populationen. Einleitungen aus Haushalten, Land- und Forstwirtschaft führen zu einer organischen Verschmutzung, während die Industrie für Mikro­verunreinigungen verantwortlich ist.

Sensibilisierungsauftrag

Angesichts dieser alarmierenden Lage musste der Naturpark Doubs etwas für den Fluss tun, dessen Namen er trägt. Die Institution hat zwar keine legislativen oder repressiven Kompetenzen, spielt aber seit 2012 eine wichtige Rolle als Wächter und Lobbyist für den Schutz des Doubs bei den französisch-schweizerischen Behörden. Sie gehört der «Commission locale pour le Doubs» an und dient als Verbindungsglied zwischen allen betroffenen Ak­teuren auf beiden Seiten der Grenze, denen oft ganz unterschiedliche Interessen am Herzen liegen: Landwirtschaft, Umwelt, Tourismus, Verbände.

Der Naturpark Doubs sieht seine Aufgabe auch in der Sensibilisierung der Bevölkerung für die ökolo­gischen Probleme und die gesellschaftliche Be­deutung des Flusses. Das ganze Jahr über werden Lehrausflüge organisiert – die «Rendez-vous du Doubs» –, um allen Interessierten ein besseres Verständnis für den Wasserlauf, seine Geschichte und sein Ökosystem zu vermitteln. Zur Sensibilisierung regionaler Unternehmen gibt es «Natur-Workshops», und Kinder können den Doubs ab 2020 bei Lehr­veranstaltungen kennenlernen, die derzeit eigens für sie entwickelt werden.

Ein landschaftliches Erbe, das es zu bewahren gilt

Die Problematik des Wehrs bei Le Theusseret hat deutlich gemacht, wie wichtig das Thema Landschaft ist. An dem Wehr zwischen Goumois und La Goule (Le Noirmont), das heute nicht mehr in Betrieb ist, scheiden sich die Geister: ein historisches Bauwerk schützen oder das Ökosystem wiederherstellen? Es ist nicht Aufgabe des Naturparks, Partei zu ergreifen. Er muss vielmehr darauf achten, dass alle Seiten angehört werden, sodass konzertierte Lösungen gefunden werden können. Um die potenziell brutalen landschaftlichen Veränderungen zu überwachen, hat der Naturpark 2017 eine «Landschaftsbeobachtungsstelle» geschaffen, um die landschaftliche Entwicklung des Parkgebiets fotografisch zu dokumentieren. Entlang des Doubs werden vier alte Wehre überwacht, die möglicherweise zurückgebaut werden sollen: Le Theusseret, Le Moulin du Plain und zwei Standorte bei La Rasse.

Zum Landschaftserbe am Doubs gehören auch die Flussufer, die ebenfalls Gegenstand erhaltender Massnahmen des Naturparks sind. Der Schutz der einheimischen Pflanzenwelt ist gleichbedeutend mit dem Schutz dessen, was die Identität der Ufer des Doubs ausmacht, und mit dem Kampf gegen die Banalisierung der Landschaft. Wenn invasive eingeschleppte Pflanzen ausgemerzt werden, kann sich wieder biologische Vielfalt entwickeln, und die ­Landschaft wird widerstandsfähiger gegen Veränderungen. In diesem Bestreben bemüht sich der Naturpark auch, die Population der Schachbrettblume ­(Fritillaria meleagris) zu fördern, einer kleinen Tulpenpflanze, die an den Ufern des Doubs heimisch und in der Schweiz vom Aussterben bedroht ist.

anthos, Mo., 2019.11.25

25. November 2019 Fanny Desfray

Mettmenhaslisee

Naturschutz und Erholungsnutzung können durchaus auch in hochsensiblen Gebieten wie Moor- und Wasserlandschaften mit ihren typischen Lebensräumen zusammen betrachtet und entwickelt werden. Wo Projekte mit viel Fachwissen sowie professionsübergreifend und vernetzt realisiert werden, ­profitieren am Schluss Mensch und Natur.

Der direkt am Siedlungsrand der Gemeinde Niederhasli gelegene, wunderschöne Mettmenhaslisee ist ein beliebter Erholungsort. Als verlandender Söllsee ist er ein Zeuge der letzten Eiszeit – und ausserdem ein kantonales Natur- und Landschaftsschutzobjekt sowie ein Flach- und Hochmoor von nationaler Bedeutung. Die Erhaltung und Förderung der Lebensräume und Arten hat daher höchste Priorität, ohne die Möglichkeit einer Interessenabwägung.

Der Moorsee weist vielfältige ökologische und landschaftliche Werte auf kleinstem Raum auf: Die typischen Lebensräume wie ein Hochmoorrest mit Birken-Föhren-Moorwald, Schneidbinsenriede, verwinkelte Torfstichweiher und grössere Wasserflächen sowie Röhrichte sind Lebensraum für zahlreiche Libellen, Vögel und Reptilien. Am Südufer des Mettmenhaslisees wurde in den 1950er-Jahren ein öffentliches Freibad gebaut, das auch heute noch im Sommer von einheimischen und auswärtigen Gästen rege genutzt wird. Zahlreiche SpaziergängerInnen nutzen Freibad und Seeuferweg als Erholungsraum, was das Gebiet – neben künstlichen Aufschüttungen im Randbereich der Moore – derzeit deutlich beeinträchtigt.

Der hohe Erholungsdruck der Bevölkerung war denn auch der Auslöser für das Anliegen der Gemeinde, die Möglichkeiten für entsprechende Nutzungen im Einklang mit dem Naturschutz weiter zu entwickeln. Die Lösung dieser eher konfliktartigen Ausgangslage kann allerdings nur gelingen, wenn das Kerngebiet von den Störungen durch die Be­sucherInnen entlastet wird und dennoch weiterhin eine attraktive Naherholung möglich bleibt.

Konzeptionelle Ideen

Im Jahr 2010 entwickelte eine vom Gemeinderat eingesetzte Arbeitsgruppe «Natur und Landschaft» Gestaltungs- und Aufwertungsideen für den Mettmenhaslisee. Im Jahr darauf nahm die Gemeinde Kontakt mit der Fachstelle Naturschutz des Kantons auf, die in den Folgejahren einen umfassenden Bericht mit Zielen und Massnahmen aus naturschützerischer Sicht unter Einbezug der Erholungsnutzung erarbeiten liess.[1]

Konkrete Projekte

2018 beauftragten die Gemeinde und die Fachstelle Naturschutz gemeinsam die Zürcher quadra gmbh mit der Umsetzung von ersten Teilprojekten des Konzeptes. Der grosse Erholungsdruck erfordert eine gezielte Lenkung der Erholungsnutzung rund um den See. Dabei gilt es aus Sicht des Naturschutzes, Störungen von sensiblen Schutzgütern zu minimieren. Gleichzeitig sollte die Erlebbarkeit von Natur und Landschaft mit punktuellen Zugängen zum See und zu den Feuchtgebieten gefördert werden. Die konkreten Aufwertungsprojekte wurden in enger Zusammenarbeit mit der Projektgruppe Mettmenhaslisee erarbeitet.

Realisierung

Mit den Zielen «mehr Natur» und «Lenkung der Erholungsnutzung» ist in der ersten Etappe eine grössere Flächen- und Nutzungsrochade vorgesehen. Die bestehende Liegewiese der Badi soll abgetragen und als Riedfläche wiedervernässt werden. Eine neue Liegewiese entsteht auf dem heutigen grossen Parkplatz direkt am See, der planungsrechtlich aus dem Gewässerraum entfernt wird. Der heute wenig einladende, asphaltierte Vorplatz wird höhengestaffelt als ansprechender Eingangsbereich und Veloparkplatz neu angelegt. Der bestehende Seeweg wird zugunsten weiterer Vernässungsflächen 30 bis 40 Meter vom See weg verlegt. In weiteren Etappen sind neben flächigen Aufwertungen auch Aussichtssitze und -plattformen sowie «Hides»[2] vorgesehen, die zum Landschaftserlebnis und zur Naturbeobachtung einladen.

Der Zeitplan für die Umsetzung ist ehrgeizig, nahm aber bisher alle Hürden. Die Bauprojekte wurden im Frühling 2019 eingereicht, die Gemeindeversammlung stimmte dem Projekt am 5. Juni zu. Die Baubewilligung wurde Mitte August erteilt. Die Kantonsarchäologie wird das Vorhaben begleiten, da das Gebiet in einer archäologischen Zone liegt. Mit der Realisierung wird ab September begonnen. Zur Eröffnung der Badesaison im Mai 2020 sollen bereits alle Arbeiten fertiggestellt sein.

Das Projekt Mettmenhaslisee, das Naturschutz und Erholung vereint, zeigt ein beispielhaftes Vorgehen. Vor allem die sehr gute Zusammenarbeit aller Beteiligten zugunsten einer gemeinsamen Zielsetzung trägt zum Erfolg des Projektes bei. Ziehen alle am gleichen Strick, sind gute und einvernehmliche Lösungen für die Natur und die Erholung möglich, von der beide, häufig getrennt betrachteten Bereiche, profitieren.

Da der Druck auf die Natur im Schweizer Mittelland nach wie vor sehr hoch bleibt, könnte das Projekt als gelungenes Vorbild dienen.


Anmerkungen:
[01] Naturschutzgebiete am Mettmenhaslisee in der Gemeinde Niederhasli, Studie erarbeitet durch das Büro FORNAT, 20. Juli 2016.
[02] Hütte mit Sehschlitzen, durch die Besucher:innen Vögel beobachten können, ohne sie zu stören.

anthos, Mo., 2019.11.25

25. November 2019 Gudrun Hoppe

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