Editorial

Kühle und warm wirkende Baustoffe erzeugen im Zusammenspiel archi­tektonische Spannung – gut zu er­kennen bei der Kombination von Holz und Stahl. Konstruktiv treten dabei auch die Stärken des jeweiligen Materials in den Vordergrund.

Die vorliegende Ausgabe stellt Solitärbauten aus Holz und Stahl vor, bei denen die Materialkombination ein charakteristisches Merkmal ihrer Ar­chitektur ist: zum einen die jüngst aufgestellten Architekturobjekte im Park von Carrières-sous-­Poissy­ westlich von Paris und zum anderen das ArtLab auf dem Campus der EPFL in Lausanne.

Der Aussichtsturm im Parc du Peuple de ­l’Herbe, ein Projekt der Architekten AWP aus Paris und HHF aus Basel, ragt 15 m in die Höhe und erscheint geradezu instabil. Diese Wirkung verdankt das Bauwerk einer filigranen, offenen Stahlstruktur. Im Kontrast dazu besteht die Hauptkonstruktion beim dazugehörenden, geschlossen anmutenden, flachen Museumsbau aus Holz. Eine einheitliche Architektursprache setzt die unterschied­lichen Materialien der Einzelbauten in Beziehung zueinander.

Beim ArtLab in Lausanne verwendet der japanische Architekt Kengo Kuma für die Tragstruktur eine Hybridkonstruktion aus Brett­schichtholzrahmen mit eingebetteten, gelochten Stahlblechen. Die Rahmen zeichnen sich jeweils an den Wand- und Dachflächen gut sichtbar ab und prägen dadurch die Erscheinung des Bauwerks.

Viola John

Inhalt

AKTUELL
07 WETTBEWERBE
Weiterbauen im Welterbe

12 PANORAMA
«Wir brauchen Klarheit im Kopf» | Zukunftsweisend umbauen | Der zweite Blick

20 VITRINE
Neues aus der Baubranche | 1 : 0 für digitale Hilfsmittel

23 SIA
Stundensatzermittlung 1.0 – zurück in die Zukunft | a & k – Reisen und Exkursionen | «Digitalisierung ist keine tech­nologische Dampfwalze»

28 VERANSTALTUNGEN

THEMA
30 KONSTRUKTIONEN AUS STAHL UND HOLZ

30 STAPELN UND VERBINDEN
Hubertus Adam
Mit zwei Bauten aus Stahl und Holz hat die Ausgestaltung des Parc du Peuple de l’Herbe in Carrières-sous-­Poissy westlich von Paris begonnen.

36 JAPANER IN LAUSANNE
Mounir Ayoub
In Kengo Kumas ArtLab auf dem EPF-Campus in Lausanne, einer Hybridkonstruktion aus Holz und Stahl, ist japa­nische Architektursprache auf das Formale reduziert.

AUSKLANG
41 STELLENINSERATE

45 IMPRESSUM

46 UNVORHERGESEHENES

Stapeln und verbinden

Mit zwei Bauten der Architekten AWP und HHF sowie der Ingenieure EVP und Schnetzer Puskas hat die Ausgestaltung des Parc du Peuple de l’Herbe in Carrières-sous-Poissy westlich von Paris begonnen. Das Motiv der Urhütte ist der leitende Gedanke, vertikal gestapelt und horizontal verbunden.

Nähert man sich dem Parc du Peuple de l’Herbe, so fällt schon von Weitem inmitten der Vegetation eine rätselhafte weisse Struktur ins Auge; vor Ort erkennt man, dass es sich gleichsam um vier gestapelte Urhütten handelt: abstrakte Hausformen mit Satteldach, zusammengeschraubt und -geschweisst aus weiss lackierten Doppel-T-Trägern. Die Hütten sind gegeneinander versetzt und wirken aus mancher Perspektive atemberaubend instabil, als würde die Konstruktion gleich auseinanderfallen.

Die unterste und die zweitoberste der Hütten bestehen lediglich aus den offenen Gerüststrukturen, bei den beiden anderen sind einzelne Flächen mit hellen Holzlatten verkleidet. Der bis zur Spitze 15 m hohe «Observatoire» bietet eine Aussicht über den Park; eine Treppen- und Galeriestruktur führt hinauf zur obersten Ebene. Es ist ein veritables «folly» oder, um in der französischen Terminologie zu bleiben, eine «fabrique», eine kleine Parkarchitektur, konstruktiv gelöst und architektonisch formuliert mit den Mitteln der heutigen Zeit.

Dabei spielen die Architekten AWP aus Paris und HHF aus Basel souverän mit der Tradition von Parkbauten und Aussichtsarchitektur. Der Observatoire wirkt wie eine künstliche Ruine, und wenn man hinaufsteigt, merkt man, dass die Struktur sich leicht bewegt und durch die Schritte in Schwingung versetzt wird. Seit Goethe 1770 in die filigrane Turmspitze des Strassburger Münsters kletterte, um mit einer Brachialkur seine Höhenangst zu überwinden, gehört der Schwindeleffekt bei der architektonischen Inszenierung von Aussicht dazu. Da das Gelände recht flach ist, reicht die Höhe von 12 m aus, um einen guten Überblick über den Park und seine Umgebung zu bekommen, die «Boucle de Chanteloup». Man gelangt nach kurzer Wegstrecke zum Park, wenn man vom Endbahnhof des RER in Poissy, 25 km westlich von Paris, nicht den Weg zur Villa Savoye einschlägt, sondern die Seine überquert.

Park auf belastetem Boden

Die von der dritten Seineschleife flussabwärts von Paris umschlossenen Gebiete dienten über Jahrhunderte als Gemüsegarten der Hauptstadt, und als diese wuchs, wurden die Abwässer der sich ausdehnenden Metropole hier als Dünger verwendet. Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung gelangten aber immer mehr Schadstoffe auf die Rieselfelder. Die Belastung mit Blei, Cadmium und Zink führte schliesslich dazu, dass der Gemüseanbau in der Chanteloup-Ebene 1999 verboten wurde.

Heute sieht man eine ausgezehrte und versehrte Landschaft, zum Teil sich selbst überlassen, zum Teil industriell überformt. Altlasten mischen sich mit Spontanvegetation und neuen Biotopen. Die Behörden versuchen nun schrittweise, die Probleme der Vergangenheit in den Griff zu bekommen, und in Carrières-sous-Poissy, begünstigt durch die Nähe zur RER-Station, sind inzwischen neue Wohngebiete entstanden. Im Süden und Westen stossen sie an den Parc du Peuple de l’Herbe.

Der vom Landschaftsarchitekturbüro Agence Ter geplante Park umfasst 113 ha und erstreckt sich im Seinebogen über eine Länge von 2.8 km. Auch hier wurde früher Gemüse angebaut, auch hier verseuchten Abwässer den Boden, und schliesslich kam der Kiesabbau, der zwei grosse Seen hinterlassen hat. Kein arkadisches Idyll also, sondern eine raue Landschaft, hybrid geprägt von den Kräften der Natur und den Interventionen des Menschen.

Das Parkprojekt verfolgt zwei Ziele: Zum einen geht es um ökologische Aspekte, um die Verstärkung von Biodiversität und um Phytosanierung, also die Sanierung des Bodens mit biologischen Mitteln; zum anderen um die Anlage eines Naherholungsgebiets für die lokale Bevölkerung, das aber durchaus auch die Bewohnerinnen und Bewohner der nahen Hauptstadt anlocken soll. Das Konzept der Pariser Landschaftsarchitekten teilt die Gesamtfläche in drei unterschiedlich intensiv genutzte Bereiche: die «bande active» mit diversen Freizeitangeboten entlang der Siedlungskante, eine mittlere Zone, in der die Natur weitgehend ungestört bleibt, und schliesslich die Bereiche am Seineufer, die durch teilweise Auslichtung sowie Stege und Terrassen für die Besucher zugänglich gemacht wurden.

Für die Parkbauten wurde ein separater Wettbewerb ausgeschrieben, den HHF und AWP gewinnen konnten; seit ihrem erstmaligen Zusammentreffen auf der Architekturbiennale São Paulo 2007 haben die Büros aus Basel und Paris immer wieder gemeinsam an Projekten gearbeitet. Für Carrières-sous-Poissy konzipierten sie eine Familie von kleinen Parkbauten mit ganz unterschiedlichen Funktionen. Die ursprünglichen Pläne umfassten neben dem Observatoire ein Besucherzentrum und ein Restaurant sowie eine ganze Reihe weiterer Kleinbauten zum Skaten, Klettern und für diverse andere Betätigungen, darunter auch ein Minitheater und einen Kiosk. Das abstrakte Satteldachhaus war das verbindende Motiv; es erlaubte eine unterschiedliche Materialisierung und gewährte zugleich genügend Flexibilität bei zukünftiger Nutzungsänderung. Eine wichtige Inspirationsquelle waren die kleinen Fischerhütten und die Hausboote in der Umgebung, aber natürlich kann man die Urhütten auch als Referenz an die für Suburbia typische generische Bebauung verstehen.

Insekten in der Urhütte

Der zweite Bau von HHF und AWP steht denn auch in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wohnsiedlung. Er markiert den Hauptzugang zum Park und ist aus dem Konzept eines ursprünglich hier geplanten Besucherzentrums hervorgegangen. Dieses wurde im Lauf der Planung vergrössert und zu einem Insektenmuseum umprogrammiert. Auch das Insektenmuseum besteht aus mehreren Urhütten – nur sind diese hier nicht aus Stahl, sondern aus Holz gefertigt und nicht vertikal übereinander, sondern horizontal nebeneinander angeordnet. Fünf Körper unterschiedlicher Grösse und Proportion wurden über einem Betonsockel zu einem Volumen zusammengeschoben, das über unregelmässigem Grundriss in die Landschaft ausgreift.

Die Konstruktion besteht aus biegesteifen Holzrahmen aus Douglasien-Brettschichtholz, die zum Teil an den Schnittstellen als Spider Legs im Raum auftreten. Grosse Fenster öffnen gezielt Blickachsen in die Umgebung, transluzente Polycarbonatplatten lassen Licht ins Innere strömen. Vertikale Latten aus sibirischer Lärche bilden die äussere Haut des Gebäudes und sind auch als Lamellenstruktur über einige Bereiche der Verglasung geführt. In zwei Ausstellungsbereichen werden die Geschichte des Orts und das Thema der Insekten präsentiert. Daneben umfasst das Museum ein Auditorium samt Gruppenraum, Büros und schliesslich ein Labor mit Bruteinrichtungen für Insekten. Als Haus im Haus steht ein Glashaus mit lebenden Schmetterlingen und Insekten, es bildet sozusagen den Nukleus des Museums, in formaler wie in inhaltlicher Hinsicht. Und inzwischen hat das «Peuple de l’Herbe» dem Park ja auch seinen Namen gegeben.

Klamme Kassen lassen vermuten, dass der Park wohl nicht den im Wettbewerb von 2011 imaginierten Ausbauzustand erreichen wird. Aber zumindest die geplante Guinguette wäre eine wünschenswerte und angesichts des Besucherstroms seit der Eröffnung auch realistische Ergänzung. Guinguettes, das waren die Ausflugsgaststätten, die seit dem 19. Jahrhundert an den Ufern von Seine und Marne im Pariser Umland entstanden – einfache Gartenlokale mit Tanz und Musik. Man kennt sie eigentlich nur noch von den Bildern der Impressionisten. HHF und AWP haben eine zeitgenössische Guinguette entworfen. Sie könnte eine zusätzliche Attraktion des Parks darstellen.

TEC21, Fr., 2018.04.20

20. April 2018 Hubertus Adam

Japaner in Lausanne

Ein weiterer Solitär auf dem Campus der EPFL: Kengo Kuma reduziert mit seinem ArtLab die japanische Architektursprache auf das Formale und setzt es in visuellen Kontrast zum Rolex Learning Center von Sanaa.

Von der Esplanade her kommend, lässt sich das ArtLab, der neue architektonische Wurf an der EPFL, schnell in seiner Gesamtheit erfassen. Ein langes Satteldach überspannt drei Pavillons aus Holz. Der erste der Pavillons enthält zwei Ausstellungssäle, der zweite ein Café und der dritte ein Musikarchiv. Für das Projekt hat sich der japanische Architekt Kengo Kuma mit CCHE Architecture et Design aus Lausanne zusammengetan, die mit den rechtlichen und baulichen Anforderungen vor Ort vertraut waren. Dazu wurden sie von mehreren in der Schweiz ansässigen Ingenieuren begleitet. Gemeinsam arbeiteten sie vier Jahre lang an der Fertigstellung des Projekts, ohne dabei das ursprüngliche Motto des gewonnenen Wettbewerbs aus den Augen zu verlieren: Under One Roof. Mit ihrem architektonischen Konzept und der daraus resultierenden Prägnanz in der visuellen Wirkung des Bauwerks ist das Team diesem Motto treu geblieben.

Aber birgt eine solche Eindeutigkeit nicht auch das Risiko, die Architektur allein auf ihre Form und deren visuelle Wirkung zu reduzieren? Vom Cosandey-Platz aus erscheint der Bau etwas subtiler: Mit dem ebenfalls auf dem Campus ansässigen Rolex Learning Center von Sanaa auf der linken Seite und den vom Nebel eingehüllten Gipfeln des savoyischen Chablais im Hintergrund erinnert die Szenerie an einen Holzschnitt des japanischen Meisters Hiroshige. Selbst Augustin Berque, der in Paris lehrende Philosoph und Geograf, hätte sich kein besseres Freiluftlabor der «Mesologie» wünschen können[1]: In seiner «Wissenschaft der Umgebungen» werden die Wechselwirkungen zwischen Architektur und ihrem räumlichen Umfeld untersucht.

Form und visuelle Wirkung

Entlang einer Nord-Süd-Achse platzierte Kengo Kuma seinen Bau parallel zur Allée de Savoie und schuf damit eine bebaute Front von über 200 m. Diese definiert deutlich die westliche Grenze des Cosandey-Platzes, des künftig grössten öffentlichen Platzes auf dem Campus der EPFL. Der Architekt setzte auf sein Bauwerk ein grosses, wie bei einer riesigen Origami-Figur geknicktes Satteldach, das der unebenen Topografie des Bodens folgt. Visuell auffällig: Der First greift die Silhouette des fernen Gebirges auf.

Am nördlichen Ende des Gebäudes knickt das Dach ab und bildet einen eindrucksvollen trigonalen Überhang. Mit einer Spitze gräbt er sich scheinbar in den Boden hinein, während die andere Spitze ins Leere ragt. Von diesem nördlichen Ende des Bauwerks aus verläuft eine durchgehend überdachte, lange Blindwand zu den Eingangsbereichen der Ausstellungsräume. Am südlichen Ende des Baus knickt das Dach ebenfalls in Richtung Boden ab und rahmt dabei den Blick vom Café zum See und zum Bergpanorama ein.

Zwei Bauwerke, zwei Gegensätze

Mit dem neuen ArtLab von Kengo Kuma und dem gegenüberliegenden Rolex Learning Center von Sanaa (vgl. TEC21 26/2010) stehen sich nun an einem Ort zwei Projekte japanischer Architekten gegenüber, die in ihrer visuellen Wirkung kaum gegensätzlicher sein könnten. Bauform und Topograpfie des ArtLab reagieren aufmerksam auf die Gegebenheiten vor Ort. Das Rolex Learning Center mit seiner autonomen Geometrie stellt im Gegensatz dazu ein Bauwerk dar, das völlig losgelöst vom Standort existiert. Beide zitieren zwar japanische Architektursprache, allerdings ist die Interpretation jeweils sehr unterschiedlich. Während sich das Bauwerk von Sanaa an der auf dem Campusareal allgegenwärtigen städtebaulichen Zersplitterung beteiligt, bemüht sich das von Kengo Kuma darum, diese zu reduzieren. Dazu bedient sich Kuma architektonischer Elemente, die man üblicherweise eher in einem historischen Stadtkern als auf einem Universitätscampus antrifft: axiale Anordnung, parallele Ausrichtung zur Strassenseite, durchgehendes Dach, Innenhof, Vordach der Eingangsportale.

Die Gegensätzlichkeit der beiden Gebäude wird aus der Nähe noch deutlicher. Beim ArtLab bilden die Textur und Farbe des Fassadenholzes, der Schattenwurf des überstehenden Dachs und das Relief der Pfeiler gemeinsam eine edle Haut, die mit der glatten Glashülle des Rolex Learning Centers kontrastiert. Auch im Innern der beiden Gebäude schaffen die Architekten jeweils vollkommen gegensätzliche Stimmungen. Im ArtLab werden die Räume in den Pavillons von ihrer jeweiligen Zweckbestimmung oder von der äusseren Form des Gebäudes definiert. Die beiden Ausstellungssäle erhalten nur an ihren äussersten Enden Tageslicht, und die geschlossenen seitlichen Fassaden verstärken den perspektivischen Schlaucheffekt, der im Innenraum durch den engen Abstand der Pfeiler erzeugt wird.

Im Café schränken die Knicke des Dachs und der Fassade die Geometrie und Gestaltung der Innenräume stark ein. Demgegenüber schafft im Rolex Learning Center das Fehlen einer funktionalen Spezialisierung der Räume eine geradezu ätherische Atmosphäre, die das Innere durchflutet. Es lassen sich hier also zwei radikal widersprüchliche Auffassungen erkennen, zwei mesologische Definitionen des architektonischen Raums, den man in Japan gern «Umwelt» nennt: Den von Kuma klar bestimmten und spezialisierten Räumen steht eine von Sanaa durchgehend und generisch gezeichnete Umgebung gegenüber.

Stahlbleche als Notlösung

Beim ArtLab haben die speziellen und anspruchsvollen Bautechniken, die zur Anwendung kamen, kaum noch etwas mit dem von Kengo Kuma geäusserten Wunsch zu tun, das traditionelle Handwerk wiederzuentdecken («Sehnsucht nach japanischer Tradition», Kasten unten). Die statischen Berechnungen der Ingenieure zwangen die Handwerker, perforierte Stahlbleche in das Holz des Tragwerks einzubauen. Der Traum von der Einfachheit lässt sich nur schwer mit den zahlreichen Anforderungen vereinbaren, die sich aus einer komplexen öffentlich-privaten Partnerschaft am Bau ergeben. Die Verbindung zur überlieferten japanischen Bautradition ist abgebrochen. Es bleibt lediglich das typisierende Bild, das der Bau, so wie er ausgeführt wurde, vermittelt: ein grosses Satteldach, das mehrere Holzpavillons überdeckt.

Bei vielen Projekten von Kuma ist solch eine prägnante Formensprache ein effizientes Mittel, um mehr oder weniger explizit ein vereinfachtes Bild der japanischen Architektur zu zeichnen. Beim Lausanner Projekt erkennt man aber auch ein weiteres traditionelles architektonisches Element, auf das sich der Architekt – und dieses Mal sehr explizit – beruft: Die Verwendung von Schiefer auf dem Dach lässt sich mit einem Verweis auf das Schweizer Chalet erklären.[2] Dies ist ebenso überraschend wie schwierig zu fassen. Indem er seine Arbeit auf die japanische Architektur oder gar auf ein Schweizer Klischee zurückführt, scheint Kengo Kuma um jeden Preis an traditionellen Paradigmen festhalten zu wollen. Von der Architektur bleibt nur die Formensprache übrig.

Auf dem Cosandey-Platz hat sich die imaginäre Szenerie einer Landschaft von Hiroshige in Luft aufgelöst. Zurück bleiben zwei architektonische Solitäre, die einander gleichgültig sind. Hartnäckig hält sich der urbane Zustand mit seinen heterogen verstreuten Bauwerken, der für den Campus der EPFL so charakteristisch ist.



Dieser Text erschien in erstmals in TRACÉS 22/2016. Übersetzung aus dem Französischen: deepl.com, Viola John

Anmerkungen:
[01] Die Mesologie wird definiert als die Wissenschaft der Umgebungen. Augustin Berque, Geograf und Philosoph, unterrichtet Mesologie an der Hochschule für Sozialwissenschaften in Paris (EHESS). Über Kuma äussert sich Augustin Berque in «De terre en monde, la poétique de l’écoumène» in «L’habiter dans sa poétique première», Beiträge des Kolloquiums von Cerisy-la-Salle, veröffentlicht bei Donner Lieu, Paris, 2008, S. 231–247.
[02] Siehe hierzu Cedric van der Poel, «L’art de la simplicité», TRACÉS Nr. 13–14/2013.

TEC21, Fr., 2018.04.20

20. April 2018 Mounir Ayoub

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