Editorial

Die Bilder, die über die Jahrzehnte mit dem Ort des Bürgenstock ­Resorts verbunden sind, gleichen einem bunten Strauss, der kaum zu ordnen ist: Sophia Loren als Dauermieterin. Eine libanesische Shisha-Lounge mit Blick über den Vierwaldstättersee. Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen. Eine Bar mit Bullaugen in den Aussenpool. Tennismatches im Diamond Dome. Ein Lift, der aus einer Felsspalte emporragt.

Die Entwicklung des Hotelstandorts birgt zahl­lose Geschichten, die erzählenswert wären. Anders als auf der Rigi oder in Andermatt ist dieser ­touristische Ort seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert ständig gewachsen und hat sich dabei mehrfach neu erfinden müssen. Mit der Wieder­eröffnung des Bürgenstock Hotels im vergangenen Herbst ist ein Grossteil des Hoteldorfs, das unter der Bauherrschaft der Katara Hospitality einen weiteren Entwicklungsschub erlebt, erneut in den Blickpunkt gerückt. Über eine halbe ­Milliarde Franken wurden seit 2011 investiert. Ein guter Moment, die ­Folgen dieses Neustarts zu untersuchen.

Gerold Kunz, Denkmalpfleger des Kantons Nidwalden, schildert den Umgang mit den bestehenden Bauten während der Planungsphase. Ergänzend dazu betrachten wir die verschie­denen Massnahmen, mit denen Behörden und Landschaftsschützer die Einbettung der Bauten in die Landschaft gelenkt haben.

Hella Schindel, Paul Knüsel

Inhalt

AKTUELL
10 WETTBEWERBE
«… oder bin ich öppe-n-e Bank …?»

17 PANORAMA
Aussicht mit Zimmern | Fachwerk vor Steilwand | Wakkerpreis nach Riom | Erbe und Zukunft | Kulturerbejahr 2018 | Bauten in Kürze | Leserbrief | 20 Jahre «Laboratorio Ticino»

33 VITRINE
Bauen im Mittelpunkt

37 SIA
Essenz des Wohnens | Gewappnet gegen Unternehmerkonkurse | Sicherheiten von Planern | Grauzone im Untergrund

43 VERANSTALTUNGEN

THEMA
44 BÜRGENSTOCK RESORT: EINE GEBAUTE LANDSCHAFT

44 DIE OBEREN ZEHNTAUSEND
Hella Schindel
Ein historischer und baulicher Überblick.

48 ALT UND NEU, GROSS UND KLEIN IM WECHSELSPIEL
Gerold Kunz
Aktive Ortsbild­gestaltung unter Berück­sichtigung von denkmalgeschütztem Bestand.

51 EIN ZACKEN MEHR AUF DER BERGKRONE
Paul Knüsel
Koordination von touristischer Entwicklung und Landschaftspflege.

55 AUS HOTEL- WERDEN ENERGIEPIONIERE
Daniela Hochradl
Haustechnik auf dem Bürgenstock.

AUSKLANG
56 STELLENINSERATE

69 IMPRESSUM

70 UNVORHERGESEHENES

Die oberen Zehntausend

Das geschichtsträchtige Hoteldorf oberhalb des Vierwaldstättersees wird erneut verdichtet – das bringt den Standort an seine Grenzen. Von der klaren Struktur profitiert die umgebende Landschaft.

Prachtvolle Hotelbauten prägen seit Ende des 19. Jahrhunderts den Berg­rücken des Bürgenstocks, der sich auf 874 m ü. M., oberhalb von Luzern erstreckt. Dem Grand Hotel, das die Touris­muspioniere Franz Josef Bucher-­Durrer und Josef Durrer im Jahr 1873 eröffneten, folgten etappenweise und über die Jahrzehnte hinweg ­weitere Gästehäuser. Nebengebäude wie Wäscherei, Schreinerei oder Gärtnerei machten den Standort zunehmend unabhängiger von der Stadt. Die steigende Zahl der Beschäftigten zog wiederum einen Bedarf an Häusern für ihre Unterbringung nach sich.

Sportplatz, Freibad, Restaurants und Geschäfte kamen in den 1950er-Jahren hinzu, sodass ein veritables Hoteldorf entstand. Gleichzeitig entfaltete sich ein Wegenetz, das bis heute zu einer komplexen Erschliessung für Fussgänger, Autoverkehr sowie öffentlichen Verkehr inklusive Standseilbahn und Lift angewachsen ist. Innovativ war von Anfang an die Energieversorgung: Bucher und Durrer bauten 1888 ein Kraftwerk im 4 km entfernten Buochs; von dort wurden der Bürgenstock mit Strom versorgt und eine Pumpstation betrieben, die frisches Quellwasser hinaufbeförderte. Heute dient der See als thermischer Energiespeicher (vgl. «Aus Hotel- werden Energiepioniere»).

Schauplatz der Geschichte

Die Lage – hoch über dem Vierwaldstättersee mit Blick auf die Alpen und dennoch von Luzern aus schnell erreichbar – ermöglicht von jeher einen erholsamen Berg­urlaub ohne körperliche Strapazen bei der Anreise. Weltberühmte Persönlichkeiten haben hier ihre raren Ferientage verbracht, internationale Politiker wie Konrad Adenauer oder Indira Gandhi haben zu Sitzungen geladen, und manche Stars wie Sophia Loren und ihr Mann ­Carlo Ponti bezogen sogar dauerhaft Residenz.

In den 1960er-Jahren entwickelte sich der ­Bürgenstock zu einem Treffpunkt der Hautevolee: ­Modeschauen am Pool, Partys, Hollywood-Hochzeiten und ganze Filmteams brachten Glamour und internationale Beachtung. Aufgrund der autofreien Erschlies­sung vom Bahnhof Luzern per Schiff, Standseilbahn und zusätzlichen Lift zu einer Aussichtsplattform zieht das Gelände bis heute gleichzeitig grosse Scharen von wanderlustigen Tagesausflüglern an.

Luxus neu formuliert

Durch kluges Agieren konnte der einheimische Hotel­erbe Fritz Frey, ab 1953 Besitzer der bis dato drei zusam­menstehenden Hotels, dem Niedergang des hochklassigen Bergtourismus in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg Paroli bieten. Zum Ende des 20. Jahrhunderts wurde es jedoch auch hier stiller – die Hotellerie auf dem Bürgenstock erlebte schwierige Jahre mit mehrfachen Betreiberwechseln. Mit der Übernahme im Jahr 2012 durch die Katara Hospitality Switzerland, einen Staatsfonds aus Katar, soll ein neues Kapitel der Superlative in der Geschichte des Hoteldorfs beginnen. Wenn alle Bauarbeiten abgeschlossen sind, werden 35 Gebäude auf dem Gelände stehen. Nur zwei Häuser ganz im Osten der Anlage erschliessen neuen Baugrund. Die anderen Gebäudegruppen nutzen Standorte, die auch zuvor schon bebaut waren, nehmen jetzt allerdings deutlich mehr Volumen ein. So sind beispielsweise anstelle der Dépendance des Palace Hotels und zweier Villen zehn Privat­residenzen mit fünf Etagen entstanden.

Bestehende Hotels wurden abgerissen oder entkernt und internationalen Luxusstandards ­angepasst. Die Zahl der Hotelbetten hat sich seit 2006 von 180 auf 383 mehr als verdoppelt. Als Annex an den Hotelbetrieb bieten private Residenzen innerhalb des Resorts maximale Intimität – eine Wohnform, die auf gegenwärtige Bedürfnisse der Gäste reagiert. Der Verkauf dieser Bauten spielt aber in erster Linie bei der Finanzierung des modernisierten Hoteldorfs eine herausragende Rolle.

Konferenzräume, Restaurants und Bars sowie private und öffentliche Spa-Bereiche runden das neue Angebot ab. Neben weiteren Infrastrukturbauten und Mitarbeiterhäusern ist anstelle des Hotels Waldheim das architektonisch ambitionierte Waldhotel für ­«Healthy Living» entstanden, eine exklusive Herberge mit medizinischer Betreuung, die kurz vor der Eröffnung steht.

Die Aussenbereiche sind im Lauf der Jahrzehnte zum integralen Teil des Areals geworden. So entsteht der Eindruck eines in sich geschlossenen Gefüges. Baulich stehen die Wege, Plätze und Hotelgebäude allen Besuchern offen. Ob sich jedermann in dieser Welt des High-End-Luxus willkommen fühlt, ist eine andere Frage. Die öffentlichen Wege führen nicht selten an fensterlosen Wänden entlang. Manche Zugänge zu den Privatresidenzen verbergen sich hinter hohen Mauern und beanspruchen die schöne Aussicht für ihre Bewohner.

Natur als Kulisse

Seit Beginn der Entwicklung dieses Orts hat sich das Verhältnis zwischen natürlicher und gebauter Landschaft umgekehrt: Während die ersten Hotels als Ausleger städtischer Ansprüche in der Natur funktionierten, die im deutlichen Kontrast zur Umgebung standen, kamen in den 1950er-Jahren einzelne Kleinbauten dazu, die den Solitärcharakter der grossen Häuser abmilderten. Der Aussenraum gewann als wichtiger Bestandteil der Gestaltung an Bedeutung.

Bis heute hat sich das architektonische Agglomerat aber so verdichtet, dass die Natur zunehmend als blosse Kulisse in weiter Entfernung eine Rolle spielt. Die Bepflanzung und Modellierung der freien Flächen zwischen den Bauten ist zwar ausgesprochen feinfühlig und dem Ort angemessen, muss sich aber inzwischen mit so geringem Platz begnügen, dass sie in eine dekorative Rolle gezwungen wird (vgl. «Ein Zacken mehr auf der Bergkrone»).

Da die Baukörper aus den verschiedenen Epochen einzeln gedacht und entstanden sind, ist es schwierig, ein neues Gesamtkonzept zu entwickeln, das die älteren Häuser einbindet und den Ort zu einem gewachsenen Ganzen fassen würde.
Die Piazza vor dem mit «5 Sterne Superior» ausgezeichneten Bürgenstock Hotel liegt vom See abgewandt. Sie bildet den zentralen Ort auf dem Weg entlang des Bergrückens, der Fussgängern vorbehalten ist. Autoverkehr und Postbuslinie verlaufen auf einer parallelen Achse, einer Servicestrasse unterhalb der Hauptwege. Der Anschluss an das doppelte Wegenetz – eines für Fussgänger, eines für den Autoverkehr – nimmt manchen Gebäuden die eindeutige Ausrichtung. So ist beispielsweise der Zugang zur Rezeption des Bürgenstock Hotels für Fussgänger und Ankommende aus der Bürgenstockbahn erst über zwei Wendeltreppen im Innern zu erreichen. Der Haupteingang mit der direkten Vorfahrt ist von der Servicestrasse für den motorisierten Verkehr geschaffen. Er liegt zwei Etagen tiefer an der Südseite des Hauses und führt direkt in die Lobby mit dahinterliegender Lounge und der grandiosen Aussicht über den See.

Beste Absichten

Seit 2007 begleiten verschiedene Behörden von Kanton und Gemeinde sowie unabhängige Naturschutzorganisationen die Planungen des Tourismusstandorts. Aus dieser Zusammenarbeit entstand 2014 ein Gestaltungsplan, der den Bauvorhaben zugrundeliegt. Durch den so gesteckten Entwicklungsrahmen sollen die umliegende Landschaft, das Ortsbild und die denkmalgeschützten Bauten bewahrt werden. Durch die kompakte Bebauung und Wegeführung, die auf dieser Basis eingehalten wurden, gelang einerseits eine klare Formulierung des Gebiets – andererseits grenzt es sich damit aber auch ab. Die Verdichtung innerhalb des Hotelstandorts ist der Preis für den schonenden Umgang mit der direkten Nachbarschaft. Hier ist positiv anzumerken, dass nur wenige hundert Meter entfernt Bauernhöfe in ihren Feldern und Weiden liegen, die weiterhin landwirtschaftlich bestellt werden.

Eine interessante Fragestellung ist, an wen sich dieser Ort wendet und an wen nicht. Durch das um­fassende Angebot an Hotels und Restaurants sollte sich jeder – ein einigermassen unbegrenztes Budget vorausgesetzt – einen geschäftlich, medizinisch oder touristisch ausgerichteten Aufenthalt zusammenstellen können, solange sich seine Wünsche auf eine komfortable Versorgung beziehen. Was aber ist mit den Gästen, deren Interesse dem Ort, der Landschaft, den regionalen Produkten oder gar den Bewohnern der umliegenden Höfe gilt? Wie weit reicht die Wertschöpfung des neuen Bürgenstockprojekts für die Bevölkerung? Inwiefern ist das Resort als Teil eines visionären Tourismuskonzepts einzuordnen?

Mit vertiefenden Informationen zu den denkmalpflegerischen Aspekten und der landschaftlichen Einbettung des Hotelsdorfs, dem Energiekonzept sowie zu den architektonischen Qualitäten der Hotels bieten die folgenden Artikel das Handwerkszeug zur Annäherung an die grossen Themen. Die hier zusammengetragenen Informationen sind als Einladung zu verstehen, sich vor Ort ein eigenes Bild zu verschaffen.

TEC21, Fr., 2018.01.12

12. Januar 2018 Hella Schindel

Alt und Neu, Gross und Klein im Wechselspiel

Der Denkmalpfleger des Kantons Nidwalden hat den Bau des Resorts über dem Vierwaldstättersee von Amts wegen begutachtet. Das städtebauliche und architektonische Gefüge hat in seiner Analyse zentrale Bedeutung; die Historie bleibt darin ablesbar.

Der Bürgenstock beherbergt das nun erneuerte Resort und war bereits in seiner Vergangenheit ein Labor für die vom Tourismus geprägte Baukultur. Als sich ab 2007 ein wachsendes Inter­esse privater Investoren an der Wieder­belebung des Standorts abzeichnete, war die planerische und bauliche Transformation des Hoteldorfs bereits im Gang. So hatte das Raumplanungsamt des Kantons ­Nidwalden 1987 bei der Zürcher Architektin Beate Schnitter ein Ortsbildgutachten bestellt, als Basis für die Festlegung eines rechtlich gültigen Gestaltungsplans.

Von 1988 bis 1992 wurden das Appartement­haus La Maison anstelle der Pferdeställe am westlichen Eingang, der Ersatzneubau des Park­hotels und zwei Personalwohnhäuser erstellt. Weitere Wohnbauten waren vorgesehen, wurden aber nie realisiert. La Maison liegt ausserhalb des Resorts; das Parkhotel ist nun dem Bürgenstock Hotel gewichen. Einzig die Personalhäuser werden weiter­ genutzt. Das Gutachten Schnitter liefert allerdings bis heute wertvolle Erkenntnisse; es dokumentiert insbesondere den aus drei Entwicklungsphasen überlieferten Gebäudebestand. Aus der Ära der Hotelpioniere Franz Josef Bucher-Durrer und Josef Durrer (1872–1925) stammten die Hotelbauten der Belle Epoque; das Grand Hotel, das Park Hotel und das Palace reihten sich entlang der Krete zur Perlen­kette auf.

In der Zeit von Friedrich Frey-Fürst, der das Hoteldorf von 1925 bis 1953 betrieb, kamen Servicegebäude im Heimatstil und ein Clubhaus für den Golfplatz dazu. Fritz Frey-Dreyer, der nach einem Amerikaaufenthalt Anfang der 1950er-Jahre die Hotelanlage des Vaters übernahm, hatte zwischen die Grossvolumen mehrere Kleinbauten gesetzt, die sich zur Einkaufsmeile verbanden oder auf der Hügelkuppe eine Freizeitlandschaft amerikanischer Prägung formten. Frey verdichtete das Werk der Väter- und Grossvätergeneration zum modernen Resort. Der architekturaffine Hotelier legte ein Ortsmodell an, um sein Vorhaben zu überprüfen. Die meisten Planungsarbeiten wurden im internen Baubüro durchgeführt, dem der Luzerner Architekt Otti Gmür angehörte. Freys Ära endete Mitte der 1990er-Jahre.

Erhaltenswerte Gross- und Kleinbauten

Gutachterin Schnitter mass in ihrer Gebäudebewertung den Hotelbauten eine hohe und den vergleichsweise kleinen Zutaten der Familie Frey geringe Priorität zu. Einzig das Garderobengebäude wertete sie als hervorragendes Bauwerk aus der jüngeren Vergangenheit. 2007, das Hoteldorf hatte abermals die Hand gewechselt und der Umbau zum Resort stand bevor, lag trotzdem weder ein Denkmalpflegeinventar vor, noch standen Gebäude unter Schutz. Die private Investorenfirma, die die jüngste Erneuerung des Standorts plante, gab daher eine Recherche in Auftrag. Diese zeichnete die historische Entwicklung des Bürgenstockareals nach; ein Garten­inventar bewertete die Freiräume.

Die kantonalen Fachstellen für Denkmalpflege und Natur- und Landschaftsschutz entwickelten daraufhin ihre Zielvorgaben für den Ortsbildschutz: den Erhalt der beiden historischen Hotels (Grand Hotel und Palace) und der Klein­bauten aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Auch sollte die Anlage mit zeitgenössischer Architektur und Landschafts­architektur ergänzt werden können. Der Nidwaldner Regierungsrat genehmigte einen Schutzplan, der die Weiterentwicklung des Hotelstandorts regelt.

Ein zentrales Anliegen darin war, die Kleinbauten der 1950er- und 1960er-Jahre nach denkmalpflegerischen Grundsätzen zu restaurieren. Sie verfügen über einen hohen Anteil an originaler Bausubstanz. Fassaden, Grundrisse, Dekorationsmalereien und Ausstattungen sind in den letzten 50 Jahren kaum verändert worden. Das Wechselspiel zwischen den ganz grossen Baukörpern und den Kleinbauten ist zudem der Faktor, der das Ortsbild wesentlich prägt. 2013 erhielten fünf Objekte den Status «denkmalgeschützt»: das Garderoben­ge­bäude, der Pool mit Unterwasserbar, der Gübelin-Bazar, die Wetterstation und das Stickereigebäude. Sie wurden zeitgleich mit der Resort-Erweiterung restauriert und wieder in Betrieb genommen.

Denkmalpflege-Repertoire durchgespielt

An den fünf geschützten Kleinbauten und den beiden erhaltenen historischen Hotels wurde das gesamte Repertoire an Vorgehensweisen durchgespielt, mit dem sich die Denkmalpflege heute konfrontiert sieht. Unter anderem steht die Wetterstation an einem neuen Platz, der Pool ist originalgetreu ersetzt, der Gübelin-Bazar wurde in den Originalzustand rückgeführt und das Garderobengebäude sanft renoviert. Bei den Hotelbauten fand eine Auskernung statt; das Grand Hotel ist teilweise rekonstruiert. Die Stuckmarmorsäulen und -pilaster im Palace Hotel wurden dagegen restauriert.

Weil die historischen Gebäude für Sommertourismus ausgelegt waren respektive auf einer günstigen Bauweise beruhen, sind die baulichen Massnahmen veränderten Betriebsansprüchen und erhöhten strukturellen Anforderungen geschuldet. Immer noch tragen diese Bauten zur Verortung der Geschichte im neu gebauten Resort bei. Ergänzend schreiben die Neubauten, in zeitgenössischer Architektur, die Geschichte des Bürgenstocks lesbar fort. Die materielle und farbliche Ausgestaltung der Fassaden berücksichtigt die Gebote der Integration. Auf dem Bürgenstock gelang es den Fachstellen, den Eigentümer von der Qualität wettbewerbs­ähnlicher Verfahren zu überzeugen. Die Panorama-­Residenzen, das Spa, die Lakeview-Residenzen, die Tennishallen und das Bürgenstock Hotel sind aus Studienaufträgen hervorgegangen.

Ein Vergleich mit Andermatt?

Neben dem Bürgenstock führt ein weiteres Resort in der Zentralschweiz die aktuelle Liste der Schweizer Tourismusgrossprojekte an: das Andermatt Swiss Alps des ägyptischen Investors Samih Sawiris. Der Autor hat die jüngste Entwicklung beider Tourismusstandorte mit­erlebt: den komplexen Umbauprozess auf dem Bürgenstock als Denkmalpfleger des Kantons Nidwalden und die Anfänge in Andermatt von 2005 bis 2008 als Heimat­schutzvertreter im Begleitgremium des Kantons Uri.

Sowohl das Resort in Andermatt als auch das Hoteldorf Bürgenstock sind private Areale unter der Kontrolle eines einzelnen Investors. Das öffentliche Interesse wird in Zonenbestimmungen gesichert. Gestaltungsplan respektive Quartiergestaltungsplan sind in einem demokratischen Raumplanungsverfahren festgelegt worden. In vielem aber wirkt die Ausgangslage gegensätzlich: In Andermatt platziert sich die Resort-Architektur im Zwischenraum zwischen Dorf und alpiner Kulisse. Die verdichtete Anlage ist ausserhalb der Kernsiedlung auf dem unbebauten Areal des ehemaligen Militärgeländes angelegt. Das ebenfalls von Investor Sawiris erstellte Luxushotel The Chedi (Baujahr 2015) und der umgebaute Bahnhof (Neubau 2017–2019) bilden das Scharnier zwischen dem Resort «Andermatt Reuss» und dem Dorfzentrum. Auf dem Bürgenstock stehen die Bauten hingegen für sich allein, ohne dörfliche Anbindung. Sie prägen aber den Vierwaldstätterseeraum.

Ernüchterung versus solides Schaffen

Der unterschiedlichen Einbettung zum Trotz sind beide Anlagen in Beziehung zu einem ISOS-Ortsbild natio­naler Bedeutung zu setzen. Das Resort in Andermatt dehnt sich ausserhalb des Dorfperimeters aus, löst aber auch im Ortsbild Veränderungen aus: Das ehemalige Belle-Epoque-Hotel Danioth ist bereits einer Wohn­anlage gewichen. Das Hoteldorf Bürgenstock belegt hingegen das Kerngebiet des nationalen Ortsbilds, das 1994 ins Inventar aufgenommen wurde.

Drehte sich die Diskussion über Neubauten in Andermatt anfänglich um Fragen der ortsbaulichen und architektonischen Angemessenheit, haben stilistische Bezugnahmen zwischen Neuem und der Architektur der 1950er-Jahre die Projektauswahl auf dem Bürgenstock bestimmt. Die Bauten in Andermatt werden von Generalunternehmungen realisiert. Auf dem Bürgenstock setzten die in den Studienaufträgen siegreichen Architekten ihre Projekte um, begleitet von Fachgremien und Jurymitglieder. Vor zwölf Jahren dokumentierte der Schweizer Heimatschutz den Zustand des historischen Hotelbestands von Andermatt in einem Faltblatt. Einst exponierte Bauten mitten im Ortsbild waren schon damals überformt, abgebrochen oder verwaist.

Heute ist das Resort ausserhalb des Dorfs noch im Bau; bis 2022 soll ein erheblicher Anteil realisiert sein. Erst dann wird Andermatt abschliessend zu beurteilen sein. Im Unterschied hat das Bürgenstock Resort seinen Betrieb 2017 aufgenommen, wobei das Hoteldorf bereits vor 30 Jahren in den Fokus der Denkmalpflege und des Ortsbildschutzes geriet. Das Bürgenstock Resort beruht auf einer Neukonzeption und mehreren Neubauten. Dennoch bleiben die Geschichte und der gewachsene Charakter des Hoteldorfs im Ortsbild ablesbar.

Sowohl auf dem Bürgenstock als auch in Andermatt sind Städtebau, Architektur und Denkmalpflege wichtige Bausteine der Entwicklungsgeschichte. Zum inhaltlichen Profil der Resorts tragen Qualitätsfragen aller drei Fachbereiche unterschiedlich bei. Versprachen in Andermatt die Anfänge eine Aufbruchstimmung, macht sich inzwischen Ernüchterung breit. Liess der Totalumbau des Bürgenstocks zu Beginn Schlimmes befürchten, ist daraus eine solide Architekturanlage hervorgegangen. Beide Projekte legen Grundsteine für eine Neuauflage der traditionellen Tourismusarchitektur in der Schweiz. Der Zeitpunkt ist ideal, die Rolle der zeitgenössischen Architektur für den Tourismus zu überdenken und ihren Wert zu erkennen.

TEC21, Fr., 2018.01.12

12. Januar 2018 Gerold Kunz

Ein Zacken mehr auf der Bergkrone

Die Reaktivierung des Bürgenstocks bedarf einer gewaltigen und ­risikoreichen Investition. Damit das neu dimensionierte Luxusresort weiterhin in die Landschaft passt, hat sich der Standortkanton Nidwalden um planerische und gestalterische Leitplanken bemüht.

Viele Wege führen auf den Bürgenstock; fast nach Belieben sind auch Gefährt, Preisklasse oder Erlebniswert wählbar. Exklusiv und schnell geht es durch die Luft. Vor dem Historic-Hotel Honegg im Osten der Halbinsel wartet der offizielle Helikopterlandeplatz. Kurvenreich und häufig verstopft ist die Budgetvariante mit Pkw, Reisecar oder Postauto. Die 5 km lange Bürgenstockstrasse ab Stansstad endet aber direkt vor dem Eingangstor zum Wellness-Resort. Idyllisch, geruhsam und wie vor hundert Jahren reist man dagegen über den Vierwaldstättersee an: von Luzern nach Kehrsiten mit einem Kursschiff und von dort mit der Standseilbahn fast direkt an die Hotelrezeption.

Auch nach dem Grossumbau ist das Bürgenstock Resort öffentlich zugänglich. Und obwohl nun ein diversifiziertes Unterkunfts-, Residenz- und Erholungsangebot zusätzliche Gäste, Ausflügler und Teilzeitbewohner auf den Nidwaldner Hügelzug locken soll, ist die Erschliessung mit Ausnahme des abgehobenen Anflugs auf bereits vorhandenen Pfaden gebündelt. Mit höheren Frequenzen ist zu rechnen, denn nicht nur das Resort selbst, auch die landschaftliche Umgebung ist äusserst attraktiv. Die Insellage im Grünen, der unverbaubare Blick auf die innerschweizerische Seen- und Alpenlandschaft sowie die Inszenierung eines Hoteldorfs sind die lokalen Vorzüge, die der Bürgenstock seit jeher geschickt kombiniert.

Vor 150 Jahren begann die touristische Eroberung im Umfeld der populären Feriendestination Luzern. Im Sommer 1873 wurde ein Kurhaus auf der «Alp Tritt» oberhalb von Stansstad gebaut. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurde daraus das Grand Hotel; bald krönten zwei weitere Belle-Epoque-Bauten den Bürgenstock (vgl. Kasten unten «Von der Belle Epoque in die touristische Neuzeit»). Die dreifach gezackte Krone auf dem Berggrat wurde im Lauf der Jahrzehnte zum Erkennungsmerkmal. Beim Blick über das Luzerner Seebecken auf das Alpenpanorama ist der Hotelberg besonders gut sichtbar.

Schonende und kohärente Einbettung

Das Resort erstreckt sich über 1.2 km der Hügelkrete entlang und umfasst eine dorfähnliche Bebauung mit drei Dutzend kleinen und grossen Gebäuden, von der Wetterstation über den Boutiquenpavillon bis zum Wellness-Komplex. Intern wurde die Nutzung verdichtet und räumlich umorganisiert: Hotellerie an der Hauptachse; Ferien- und Eigentumswohnungen an der Peripherie. Gleichzeitig ist die nutzbare, bebaute Fläche um das Sechsfache gestiegen. Die Weiterentwicklung der sechs Hektar grossen Erholungszone ist raumplanerisch koordiniert und im kantonalen Richtplan ausdrücklich erlaubt.

Da die steile Halbinsel zwischen Rigi und Pilatus aber mitten in einer Landschaft von nationaler Bedeutung liegt (BLN-Objekt Nr. 1606 «Vierwaldstättersee mit Kernwald, Bürgenstock und Rigi»), sind auch kleinste Veränderungen im Orts- und Landschaftsbild zu beachten. Die insgesamt acht Ersatz- und Ergänzungsbauwerke für das neue Resort wurden sowohl denkmalpflegerisch (vgl. «Alt und Neu, Gross und Klein im Wechselspiel») als auch hinsichtlich des Natur- und Landschaftsschutzes eingehend begutachtet. Der Kanton Nidwalden und die Standortgemeinden Stansstad und Ennetbürgen haben dazu ein Regelwerk entworfen[1], damit das Gebaute die landschaftliche Umgebung nicht stärker als bisher dominiert.

Zum einen präzisieren der vorgängig erstellte Gestaltungsplan und die ergänzenden Sonderbauvorschriften, wie die einzelnen baulichen Eingriffe landschaftsschonend einzubetten sind. Zum anderen bemühte sich die Behörde darum, einer Zerstückelung des Ensembles und des gestalterischen Zusammenhangs zwischen Promenade, Hotelpark und Aussenraum entgegenzutreten. Wesentlich ist auch, dass der kurz vor dem Abschluss stehende Ausbau fast vollständig auf bereits überbauten Parzellen stattfindet und das Gesamtareal räumlich nur geringfügig erweitert wurde.

Die von Norden gut einsehbare Silhouette hat sich dennoch verändert; die vertraute Krone hat einen Zacken zugelegt: Das Bürgenstock Hotel mit Bahnstation im Sockel und SpaBereich daneben markiert nun die neue Mitte. Etwas unterhalb haben drei massige Baukörper, Wohnresidenzen mit Blick auf den Vierwaldstättersee (Stücheli Architekten), drei kleinere Baukörper ersetzt.

Die Neubauten im Wahrnehmungsfeld der exponierten Krete haben jedoch strenge geometrische und gestalterische Regeln einzuhalten: Höhe und Breite waren definiert. Und auch Materialisierung, Struktur und Farbe wurden für jede Aussichtsfassade eingehend programmiert, damit das Neue nicht blendet, sondern die klassizistische Historie respektiert. Eine ad hoc gebildete Ortsbildkommission besuchte mit Architekturteams sogar Steinbrüche, um die bestverträgliche Erscheinung für den Blick aus der Ferne zu bestimmen. Die Wahl fiel auf dunklen Naturstein, der dem ortstypischen Schrattenkalk ähnlich ist und nicht mit der hellen Oberfläche der Gründerbauten konkurriert.

Das Waldhotel (Architektur: Matteo Thun) am Südhang soll sich dereinst mit begrünter Hauptfront in die bewaldete Umgebung einbetten. Das Hotel wird Anfang 2018 eröffnet.

Fühler in die Landschaft

Der landschaftliche Charakter am Bürgenstock ist eine kleinräumige Kombination aus gebauter Tourismusinfrastruktur und naturnaher Kulisse. Nordwestlich fallen die Flanken steil zum Vierwaldstättersee ab; das karstige Waldreservat ist nur auf wenigen Pfaden begehbar. Mittendurch führen die Standseilbahn und eine Druckwasserleitung für die Energieversorgung (vgl. «Aus Hotel- werden Energiepioniere»); Letztere ist nach der Erneuerung grün angestrichen worden, um das Landschaftsbild auch hier zu schonen. Im Süden und Osten grenzt das Resort an eine landwirtschaftlich genutzte Mulde und an ein Naherholungs- und Wandergebiet. Bereits die früheren Hotelbesitzer streckten die Fühler hierhin aus: Felsenweg und Hammetschwand-Lift (vgl. «Fachwerk vor Steilwand») laden zum spektakulären Flanieren über dem See. In Fussdistanz liegen Golfplatz und Hotel Honegg, die gemäss den Erfordernissen einer Luxusdestination dezent ausgebaut worden sind.

Der Erholungs-, Ausflugs- und Residenzstandort ist aber nicht nur Aussichtsbühne für den Blick in die Alpen. Die Promenade will den Gästen aus aller Welt auch kleinräumig eine wohlgeordnete, wirkungsvoll inszenierte, alpine Atmosphäre vermitteln. Der jüngsten Reaktivierung sind zwar Laubengänge und Parkflächen zum Opfer gefallen. Im Gegenzug sind jedoch andere Attraktionen wie eine Hängebrücke oder die Verkehrsberuhigung der Promenade geschaffen worden.

Die Kantonsbehörde gab nicht nur für die Hotelbauten, sondern auch den Landschaftsarchitekten einen verbindlichen übergeordneten Gestaltungsraster vor. Dieser beruht auf Bestandsaufnahmen, die 2008 in Angriff genommen worden sind. Damals wurde der historische, dramaturgisch aufgebaute Landschaftspark inventarisiert und ein Pflegekonzept formuliert. Die Fachstellen haben diese Grundlagen nun dazu genutzt, die Anlage als ein zusammenhängendes Ganzes zu wahren und die aufparzellierten Bebauungsprojekte gestalterisch miteinander zu verbinden. «Das Fünf-Sterne-Resort verdient einen ebenso hochwertigen Aussenraum», sagt Felix Omlin, Leiter der Natur- und Landschaftsschutzfachstelle Nidwalden.

Bäume und Felsen als Standortmerkmale

Zwar sind schützenswerte Naturelemente und Biotope spärlich vertreten. Zur Verbesserung der Standortökologie wurde mit den Hotelgärtnern aber vereinbart, eine blumenreiche Trockenwiese anzulegen sowie wuchernde, invasive Neophyten rund um die Hotels zu vernichten. Derweil galt es, typische Flanier- und Parkelemente vor einem undifferenzierten Redesign zu retten. Lärchen, Zedern, Schwarzföhren und Blutbuchen sind an sich standortfremd; die teilweise über 100 Jahre alten Bäume bleiben aber, ebenso wie einzelne Felsblöcke, als Zeugen der historischen Parkanlage weiterhin sichtbar.

Besonders die Geologie, ein Mix aus schroffen Abbruchstellen und geschliffenen Felsplatten mit hellem bis dunklem Kalk, trägt viel zur alpinen Lokalszenerie bei. Die meisten Neubauten sind deshalb thematisch passend mit Natursteinfassaden eingekleidet. Auch zur Hangsicherung und Abdeckung von Stützmauern wurde lokales Ausbruchmaterial verwendet.

Ein zusätzliches Anliegen in der Gestaltungsbegleitung war, Baumgruppen und Sträucher direkt neben den Grossbauten stehen zu lassen. Zwar schränken sie die Aussicht der Hotelgäste ein; sie sind aber Teil des charakteristischen Landschaftsbilds und wirken als eine naturnahe, halboffene Trennlinie am Siedlungsrand. Dahinter verbirgt sich auch die neue Servicestrasse. Noch eine klaffende Leerstelle ist dagegen der Platz unterhalb des Parkhotels; das darin vorgesehene Kongresszentrum wird vorerst nicht gebaut.

Kritik der Heimatschutzkommission

Die baulichen Veränderungen, die landschaftliche Einbettung und das planerische Vorgehen werden als schonend und angemessen anerkannt. Weder ist die übergeordnete Vorarbeit der Ämter und Gemeinden auf grundsätzliche Opposition gestossen, noch haben einzelne Baugesuche Einsprachen provoziert. Die Verhandlung zwischen Investoren und Behörde begannen vor rund zehn Jahren; während des Planungsverfahrens wechselte die Eigentümerschaft. Lokale und nationale Schutzorganisationen wurden vom neuen Besitzer frühzeitig informiert und regelmässig zu Aussprachen eingeladen.

Im Nachgang loben Hotelbetreiber, Behörde und Landschaftsschutzkreise den offenen Dialog. Öffentliche Kritik äusserte zwischenzeitlich die eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK). Sie war nicht immer aus erster Hand informiert und beklagte sich bei der Nidwaldner Kantonsregierung, ihre Empfehlungen würden ignoriert. Unter anderem wollte die ENHK die Tennisplätze erhalten und Eingriffe in historische Hotelbauten einschränken.

Dass der Investor das Vorhaben möglichst als Ganzes realisieren wollte, bezeichnet Natur- und Landschaftsschutz-Fachstellenleiter Omlin eher als Vorteil, weil die gestalterischen Qualitäten so einfacher optimiert und vereinheitlicht werden können. Allerdings stieg dadurch das Abhängigkeitsrisiko: Hätte sich der Geldgeber aufgrund einer globalen Finanzkrise zurückgezogen, wären brachiale Spuren in der Landschaft sichtbar geblieben. Über Monate war der Bürgenstock eine riesige Baustelle mit abgeräumten Hotels und tiefen Löchern im Fels. Der Kanton empfahl den Gemeinden daher, eine Bürgschaft einzufordern.

Nun ist aber der Plan aufgegangen und das mondäne Hoteldorf erneuert auferstanden. Als landschaftsverträglich darf dabei bezeichnet werden, dass sich selbst die Neubauten nicht allzusehr und, wenn überhaupt, nur aus der Nähe in den Vordergrund drängen. Dass die bestehenden Baugrenzen belassen wurden und eine Verdichtung nach innen bevorzugt wurde, trägt ebenso viel zur entspannten Wirkung des Bürgenstock Resorts auf die landschaftliche Umgebung bei.


Anmerkungen:
[01] Umweltverträglichkeitsbericht zum Gestaltungsplanverfahren (Gebietsabschnitte II und III); Kt. Nidwalden, Gden. Stansstad, Ennetbürgen 2013.

TEC21, Fr., 2018.01.12

12. Januar 2018 Paul Knüsel

Aus Hotel- werden Energiepioniere

Die Investoren des Bürgenstock Resorts hegen auch beim Betrieb nachhaltige Ambitionen. Das Erbe der Hotelpioniere Franz-Josef Bucher und Josef Durrer beziehen sie dabei mit ein: Wasser aus dem Vierwaldstättersee wurde bereits 1888 den Berg hoch gepumpt; nun ist die Nutzung des Seewassers auch auf die energetischen Bedürfnisse ausgerichtet worden. Dazu musste die Infrastruktur komplett erneuert und ver­grös­sert werden: mit einem Saugkorb in 37 m See­tiefe, einer Pumpstation in Kehrsiten und einer rund 1 km langen Druck­leitung, die eine ­Höhendifferenz von 500 m überwindet. Damit können bis zu 75 l Seewasser pro Sekunde aus dem See in ein bestehendes, erweitertes Wasser­reservoir oberhalb des Resorts gepumpt werden. Dieses Reservoir umfasst zwei Wasserkammern für unverbrauchtes respek­tive verbrauchtes Seewasser.

Die Innovation der erneuerten Anlage ist die vierfache Nutzung des Seewassers, auch um das Resort nahezu CO2-neutral mit Wärme und Kälte zu versorgen. Das konstant 5 bis 7 °C warme Seewasser dient als Energiequelle auf Niedertemperaturniveau und deckt 80 % des Wärmebedarfs respektive 100 % des Kältebedarfs. Zusätzlich wird das Seewasser zur Bewässerung des Golfplatzes und der Gartenanlagen verwendet und kann ohne weitere Aufbereitung auch in den Schwimmbädern und in der Wäscherei eingesetzt werden.

Mit Seewasser heizen und kühlen

Die energetische Nutzung beruht auf ­einem Kreislaufsystem mit Wärmerückgewinnung; hierfür kann das Seewasser im Arealnetz abhängig vom Tempe­raturgradienten mehrmals benutzt werden. Das im Winter auf 2 °C abgekühlte respektive im Sommer auf 18 °C erwärmte Wasser wird via Reservoir in den See zurückgeführt. Eine Turbine in der Fallleitung nutzt Wasserkraft: Ein Generator erzeugt etwa die Hälfte des für das Hochpumpen erforderlichen Stroms vor Ort.

In der Energiezentrale unterhalb des Parkhauses erfolgt die Verteilung der Energieströme im Resort. Ein un­ter­irdisches Leitungsnetz versorgt 30 Gebäude im Resort mit Kalt- und Warmwasser; Letzteres mit einer Temperatur von 52 °C. Die Grundlast für Heizung und Brauchwarmwasser, die von den einzelnen Hotels, Appartements und Residenzen benötigt wird, bereiten Wasser/Wasser-Wärmepumpen dezentral auf. Die Spitzenlastdeckung (ca. 20 %), insbesondere im Winter übernehmen dagegen Heizkessel, die mit Flüssiggas versorgt werden müssen. Beide Wärmeversorgungssysteme sind jeweils an einen Pufferspeicher angehängt. Dagegen braucht es Kältespeicher ebenso wenig wie Kältemaschinen. Die Gebäude werden energieeffizient passiv gekühlt, über einen zentralen, mit Seewasser gespeisten Zwischenkreislauf.

Das Kaltwasser wird zusätzlich zur Abfuhr der Abwärme genutzt, die in gewerblichen Kälteanlagen (etwa im Gastrobereich) oder beim Betrieb des Eisfelds entsteht. Der Rückfluss des verbrauchten, abgekühlten respektive erwärmten Seewassers ist derart organisiert, dass dieser die Wasserfassung weder hydraulisch noch thermisch beeinflussen kann.

Dem Konzept zur klimafreund­lichen Wärmeversorgung wird gute Wirtschaftlichkeit und hohe Betriebs­sicherheit zugetraut. Der Vergleich mit einer konventionellen Energieanlage, die fossile Wärme erzeugt und elektrische ­Kältemaschinen betreibt, zeigt: Der End­ener­giebedarf ist um den Faktor 2.3 geringer und die Treibhausgas­emissionen fallen unter 30 %.

TEC21, Fr., 2018.01.12

12. Januar 2018 Daniela Hochradl

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