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09. November 2018Daniela Hochradl
Paul Knüsel
TEC21

Wo die E-City gegründet wird

Wer bislang einfach Häuser bauen liess, kann sich nun auch um die Infrastruktur für die dezentrale Stromversorgung kümmern. Verdrängen Immobilieninvestoren die Energieversorger? Oder tauchen neue Intermediäre auf?

Wer bislang einfach Häuser bauen liess, kann sich nun auch um die Infrastruktur für die dezentrale Stromversorgung kümmern. Verdrängen Immobilieninvestoren die Energieversorger? Oder tauchen neue Intermediäre auf?

Im Basler Neubauquartier Erlenmatt Ost formiert sich die bislang grösste Solarstrom-Eigenverbrauchsgemeinschaft der Schweiz. Im Endausbau, in drei bis vier Jahren, sollen rund 630 Bewohner einen grossen Teil ihres Energiebedarfs direkt von den eigenen Dächern beziehen. Auf insgesamt zwölf Mehrfamilienhäusern, die verschiedenen Stiftungen, Genossen­schaften und Hausgemeinschaften gehören (vgl. «Energie- und Soziallabor Erlenmatt Ost»), erzeugen Photovoltaikanlagen den dafür erforderlichen Solarstrom. Letzten Sommer begann der Bezug des östlichen Erlenmatt-Areals; inzwischen ist ein Drittel des Gesamtvolumens realisiert.

Im Gleichschritt wird die interne Energieversorgung auf maximale Leistung (750 kWp) und auf künftige Jahreserträge von etwa 750 000 kWh Strom ausgebaut. Über ein Jahr bilanziert soll die Produk­tionsmenge etwa 40 % des Bedarfs vor Ort abdecken; möglichst viel des eigenen Ertrags ist selbst zu konsumieren, ohne Lieferumweg über das öffentliche Stromnetz (vgl. «ZEV: Eigenverbrauch oder Selbstversorgung?», Kasten unten).

Bisher lassen sich Produk­tion und Konsum von Solarstrom in Erlenmatt Ost zeitlich gut aufeinander abstimmen: Aktuell werden nur knapp 20 % exportiert; mit dem weiteren Ausbau der Überbauung und der Solaranlagen wird sich dieser Exportanteil aber wohl verdoppeln. Das ist die Krux für viele Eigenverbrauchsgemeinschaften: Allein mit der Erhöhung des selbst erzeugten Stromertrags schwindet der Anteil des Selbstkonsums, ausser man ergänzt das lokale ­Versorgungssystem mit einem Speicher, entweder in einzelnen Gebäuden oder durch ein Andocken an die Elektro­mobilität (vgl. «Geteilte E-Mobilität»).

Bei PV-Anlagen in Einfamilienhäusern, die tagsüber wenig Strom verbrauchen, lassen sich in der Regel Eigenverbrauchsquoten unter 30 % erreichen. Wird zusätzlich eine Wärmepumpe als Heizsystem betrieben, lässt sich dieser Anteil auf etwa 50 % steigern. Zur weitergehenden Optimierung sind Batteriespeicher erforderlich, die den Tagesertrag für den Konsum am Abend und in der Nacht verfügbar machen.

Netztechnisch und wirtschaftlich sinnvoller wäre aber eine zeitgleiche Stromlieferung an Nachbarn, die allenfalls derselben ZEV-Gemeinschaft angeschlossen sind. In gemischt genutzten Arealen lässt sich die Eigenverbrauchsquote durchaus auf 100 % erhöhen, wenn Wohnsiedlungen mit Gewerbebetrieben energetisch zusammengeschlossen sind. Deren jeweilige Verbrauchsprofile sollten sich dabei zeitlich ergänzen. Ideal sind Abnehmer in unmittelbarer Nachbarschaft, die die selbst erzeugte Energie jeweils in der Überschussperiode verbrauchen können.

Erproben von Komponenten und Systemen

Sowohl die angewandte Energie- und Bauforschung als auch Energieversorger haben in Pilot- und Demonstrationsprojekten begonnen, die dafür benötigten Komponenten, Technologien und Systeme auf der Ebene einzelner Gebäude oder Quartiere zu erproben. Absehbar ist auch, dass neue Marktteilnehmer auftreten und sich neue Wertschöpfungsketten um solche Energiehubs bilden werden. Sie fordern das bisherige Businessmodell der zentral organisierten Energieversorger heraus.

Erkennbar wird dies auch an der Organisation des Eigenverbrauchsmodells in Erlenmatt Ost: Anstelle des städtischen Energieversorgers beliefert eine externe Energiegenossenschaft die Erlenmatt-Bewohner mit Strom. Sie realisiert und betreibt die Solaranlage auf eigenes unternehmerisches Risiko; zudem ist sie auch der lokale Wärmeproduzent, der das gesamte Ostareal mit Energie für die Gebäudeheizung und das Warmwasser versorgt. Daher fliesst der Grossteil des vor Ort erzeugten Solarstroms in deren Wärmezentrale, damit dort die Wärmepumpen angetrieben werden. Die Stromüberschüsse werden an die Bewohner und die Gewerbemieter der Basler Arealüberbauung zu einem günstigen Preis verkauft.

Das Eigenverbrauchsmodell beruht auf einem Gegengeschäft: Weil die Arealgemeinschaft für den Eigenstrom nicht mehr oder sogar weniger bezahlt als für importierten Netzstrom, steht dem Anbieter eine Anschlusspflicht zu. In Erlenmatt Ost lauten die Zahlen: Die Stromlieferantin, die ADEV-Energiegenossenschaft, verrechnete der Eigenverbrauchsgemeinschaft anfangs rund 18 Rp./kWh, was dem Haushaltstarif in der Stadt Basel entspricht. Aber bereits für das laufende Jahr hat der Intermediär den Tarif gesenkt. Um wie viel, kann er erst nach Ablauf des Produktionsjahrs 2018 sagen. Doch die aktuelle Benchmark für dezentral erzeugten Solarstrom liegt schweizweit bei rund 15 Rp./kWh (vgl. «Der nächste Nachhaltigkeitshype?»). Die Bewohner von Erlenmatt Ost konsumieren daher nicht nur klimafreundlichere, sondern auch preisgünstigere Energie als der Durchschnitt der Schweizer Bevölkerung.

Eigenverbrauch bei 100 %

Im Zürcher Stadtkreis 6, beim Schaffhauserplatz, ist eine vergleichbare, etwas kleinere Solarzelle aktiv. Das vom Architekturbüro Viridén + Partner sanierte Mehrfamilienhaus (vgl. «Es blinkt in alle vier Himmelsrichtungen», TEC21 48/2017) ist ebenfalls eine Eigenver­brauchsgemeinschaft. Der eigene Strom wird auf dem Dach und an den vier Gebäudefassaden produziert. Der Anlagenbetreiber ist hier gleichzeitig der Immobilien­investor.

Das städtische Elektrizitätswerk begleitet dieses Demonstrationsprojekt mit Fokus auf Technik und ­Netzstabilität. Zu untersuchen ist, wie sich Ertrags- und Einspeiseschwankungen sowie Leistungsspitzen auf die Spannung im Stromnetz des Quartiers auswirken werden. Die Hypothese lautet: Lassen sich die lokalen Einspeise-Peaks im dezentralen Energiesystem optimal steuern, kann auf einen Ausbau der Anschlusskapazitäten verzichtet werden. Die gebäudeintegrierte PV-Anlage im Zürcher Wohnhaus ist für solche Analysen besonders interessant: Die Leistungsgrösse ist im ­städtischen Umfeld bisher einmalig.

Das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (ewz) will weitere Erfahrungen sammeln; für die Betriebsperiode 2017/2018 liegt bereits eine Zwischenbilanz vor: Seit Anfang Jahr wird ein 150-kWh-Akkumulator eingesetzt; das Vorjahr liefert die Vergleichswerte ohne Batterie. Dank dem Speicher wurde im Sommer eine Eigenverbrauchsquote von ­fast 100 % erreicht; im Herbst sank sie auf etwa 60 %. Mit dem Speicher lässt sich der Stromkonsum auf die Nachtstunden für die Warmwasseraufbereitung ­verschieben. Als Jahresdurchschnitt prognostiziert das ewz etwa 70 %.

Eine weitere Erkenntnis ist: Der Produktionsverlauf am Zürcher Sonnenkraftwerk unterscheidet sich von Gebäuden, die nur auf dem Dach mit Solaranlagen versehen sind. Im Vergleich zur ausschliesslichen ­Produktion auf dem Dach verschiebt sich die Strom­produktion dank der PV-Fassade um 5 bis 7 % ins Winterhalbjahr. Dies kann den Eigenverbrauch erhöhen. Aber ebenso wäre dann ein Einspeisen der Energie in lokale Verteilnetze interessant. In der kalten Saison wird generell Strom in die Schweiz importiert.

Auch anderenorts führen regionale und kommu­nale Stromversorger Tests mit Speichersystemen (vgl. TEC21 14–15/2017 «Elektrische Energie speichern») in unterschiedlichen Grössenordnungen durch. Batterien können einem einzelnen Gebäude zugeordnet werden oder einer kleineren Einheit im öffentlichen Verteilnetz, einer ZEV-Gemeinschaft oder einem Quartier. Eine andere Skala hat das Elektrizitätswerk des Kantons Zürich gewählt. Ein 18-MW-Speicher, die grösste Batterie der Schweiz, stabilisiert die Netzspannung und könnte zwei sparsame Haushalte ein Jahr lang mit Strom beliefern.

Eine interessante Speichervariante ist die Kopplung von Gebäude und Elektromobilität (vgl. «Geteilte E-Mobilität»). Sie wird auch im Basler ZEV-Verbund erprobt. Ein Forschungsprojekt, gemeinsam mit Hochschulen, soll zeigen, inwieweit der in Autobatterien gespeicherte Solarstrom nicht nur zum Fahren am Tag eingesetzt werden, sondern auch den Eigenverbrauch der Siedlung abends und in der Nacht erhöhen kann.

TEC21, Fr., 2018.11.09



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2018|45 Hausanschluss an die Stromwende

09. Februar 2018Daniela Hochradl
TEC21

Fortschrittliche Gebäudetechnik

Der Zürichsee als erneuerbare Energiequelle oder neuartige Kältemittel – die Gebäudetechnik der Swiss Re Next ist zukunftsweisend.

Der Zürichsee als erneuerbare Energiequelle oder neuartige Kältemittel – die Gebäudetechnik der Swiss Re Next ist zukunftsweisend.

Dank der Lage am Mythenquai kann für die Gebäude der Swiss Re der Zürichsee als erneuerbare Energiequelle genutzt werden. Das Wasser wird in knapp 20 m Tiefe rund 500 m vom Ufer entfernt ­gefasst. Ganzjährig herrscht hier eine Wassertemperatur von durchschnittlich 10 bis 15 °C. Damit eignet sich das Wasser im Winter gut als Quelle für Wärmepumpen und kann im Sommer direkt für die Kühlung verwendet werden.

Das in den Wärmepumpen eingesetzte Kältemittel HFO (1234ze) war zum Planungszeitpunkt in der Schweiz kaum bekannt. Die Planer vom Büro Dr. Eicher Pauli suchten eine Alternative zu Ammoniak NH3 mit einer hohen ­Umweltverträglichkeit und einer gerin­geren Gefährdung für die Mitarbeitenden bei einer Havarie. HFO-Kältemittel besitzen ein tiefes Treibhauspotenzial. Während der Planungsphase 2014/2015 gab es damit hierzulande noch keine Anlagen, daher standen auch keine Referenzberichte und Normen zur Verfügung. Die Sicherheitsanforderungen mussten mit Feuerpolizei und Brandschutzberater erstmalig und speziell für diese Anlage entwickelt werden.

Im Wärmebedarfsfall wird dem Seewasser Energie entzogen und mittels Wärmepumpen auf das erforderliche Heiztemperaturniveau (im Heizungsspeicher max. 38 °C) gebracht. Das Besondere an der Anlage ist die Nutzung des Seewassers über einen separaten Verdampfer an der Wärmepumpe. Die Raumkühlung erfolgt – wenn möglich – direkt über das Seewasser. Bei hohen Wassertemperaturen ist keine direkte Kühlung möglich. Dann erzeugt der zweite Verdampfer der Wärmepumpe die zusätzlich benötigte Kälte.

Die Nachkühlung des Seewassers erfolgt in zwei Stufen in Abhängigkeit der erforderlichen Kühlwassertemperaturen der Verbraucher (14 °C und 8 °C für die Entfeuchtung). Die Rückkühlung der Kältemaschine funktioniert ebenfalls mit Seewasser. Die Wassermengen in den Wärmepumpen werden ohne zusätzliche Regelventile über die Drehzahl der Pumpen geregelt.

Die Wärmeerzeugung des Warmwassers erfolgt über eine separate Wärmepumpe mit CO2 als Kältemittel. Diese nutzt die im Gebäude anfallende Abwärme (technische Kälte für IT- und EDV-Räume). Sollte keine ausreichende Abwärme vorhanden sein, kommt wiederum das Seewasser als Quelle ins Spiel.

Die Wärme- und Kälteabgabe erfolgt grösstenteils mittels neu entwickelten Heiz- und Kühldecken, die vorab im Labor geprüft wurden. Die Metalldecke mit porösem Weissputz verfügt über unsichtbare Zuluftauslässe, was eine komplett geschlossene Deckenfläche im Grossraumbüro ermöglichte. Mit einem Mock-up konnte die Funktionalität vor der Ausführung getestet werden.

Die Erschliessung der Deckenkreise erfolgt aus den vier fassadenorientierten Steigzonen im Vierrohrsystem. Damit kann der orientierungsabhängige Einfluss der Sonnenstrahlung kompensiert werden. Eine PV-Anlage auf dem Dach produziert rund 150 MWh/a und deckt rund 7 % des gesamten Strombedarfs.

Bedarfsgesteuerte Luftqualität

Alle Räume werden über mechanische Lüftungs- und Klimaanlagen belüftet. Für eine möglichst hohe Energieeffi­zienz wurden Sorptionswärmetauscher zur Feuchte- und Wärmerückgewinnung eingesetzt. Die Luftmengen richten sich nach den hygienischen Bedürfnissen und werden über variable Volumenstromregler bedarfsgerecht geregelt.

Die Regelung der Luftmenge an den zentralen Anlagen läuft nicht über eine herkömmliche Druckregelung, sondern über die Rückmeldungen der einzelnen Volumenstromregler. Einzigartig im Bürobereich sind die bereits beschriebenen Lüftungsauslässe in der Heiz- und Kühldecke. Sie bestehen aus dichten Kästen, die auf die ab­gehängte, im Auslassbereich gelochte Decke gesetzt wurden. Darüber gelangt die Luft turbulenzarm in den Raum.

Gebäudetechnisches Highlight des Baus ist die Foyerzone im 2. UG mit Auditorium und eigenem TV-Studio. Diese Bereiche werden über mehrere Spezial­lüftungsanlagen mit grossen Luftmengen belüftet. Die hohen Wärmelasten durch Personen, Geräte und Beleuchtung können hier mit sieben hinter einer Holzbauwand platzierten Umluftgeräten abgeführt werden. Die Zuluft strömt über Quellluftauslässe im Bodenbereich in den Raum, die Abluft wird über einen Schlitzauslass an der Decke gefasst. Er dient zusätzlich als Schiene, um raumhohe LED-Paneele zu bewegen. Zehn dieser Elemente, jedes 1 m breit und 6 m hoch, können an definierten Stellen positioniert und einzeln mit Inhalt bespielt werden. Aneinandergereiht ergeben sie eine Präsentationsfläche von 60 m².

Das Gebäude wurde mit mehreren Rauchschutzdruckanlagen (RDA) und mechanischen Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (MRWA) ausgestattet. Speziell ist die Kombination der Rauch- und Wärmeabzugsanlage im Parking-Bereich der Untergeschosse, mit einer separaten Zuluft-Lüftungsanlage über CO-Steuerung. Bei einem Brand wird die Anlage umgesteuert und vom CO-Betrieb automatisch zur Rauch- und Wärmeabzugsanlage umfunktioniert.

TEC21, Fr., 2018.02.09



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2018|06-07 Swiss Re Next – Bauen am See

12. Januar 2018Daniela Hochradl
TEC21

Aus Hotel- werden Energiepioniere

Die Investoren des Bürgenstock Resorts hegen auch beim Betrieb nachhaltige Ambitionen. Das Erbe der Hotelpioniere Franz-Josef Bucher und Josef Durrer beziehen...

Die Investoren des Bürgenstock Resorts hegen auch beim Betrieb nachhaltige Ambitionen. Das Erbe der Hotelpioniere Franz-Josef Bucher und Josef Durrer beziehen...

Die Investoren des Bürgenstock Resorts hegen auch beim Betrieb nachhaltige Ambitionen. Das Erbe der Hotelpioniere Franz-Josef Bucher und Josef Durrer beziehen sie dabei mit ein: Wasser aus dem Vierwaldstättersee wurde bereits 1888 den Berg hoch gepumpt; nun ist die Nutzung des Seewassers auch auf die energetischen Bedürfnisse ausgerichtet worden. Dazu musste die Infrastruktur komplett erneuert und ver­grös­sert werden: mit einem Saugkorb in 37 m See­tiefe, einer Pumpstation in Kehrsiten und einer rund 1 km langen Druck­leitung, die eine ­Höhendifferenz von 500 m überwindet. Damit können bis zu 75 l Seewasser pro Sekunde aus dem See in ein bestehendes, erweitertes Wasser­reservoir oberhalb des Resorts gepumpt werden. Dieses Reservoir umfasst zwei Wasserkammern für unverbrauchtes respek­tive verbrauchtes Seewasser.

Die Innovation der erneuerten Anlage ist die vierfache Nutzung des Seewassers, auch um das Resort nahezu CO2-neutral mit Wärme und Kälte zu versorgen. Das konstant 5 bis 7 °C warme Seewasser dient als Energiequelle auf Niedertemperaturniveau und deckt 80 % des Wärmebedarfs respektive 100 % des Kältebedarfs. Zusätzlich wird das Seewasser zur Bewässerung des Golfplatzes und der Gartenanlagen verwendet und kann ohne weitere Aufbereitung auch in den Schwimmbädern und in der Wäscherei eingesetzt werden.

Mit Seewasser heizen und kühlen

Die energetische Nutzung beruht auf ­einem Kreislaufsystem mit Wärmerückgewinnung; hierfür kann das Seewasser im Arealnetz abhängig vom Tempe­raturgradienten mehrmals benutzt werden. Das im Winter auf 2 °C abgekühlte respektive im Sommer auf 18 °C erwärmte Wasser wird via Reservoir in den See zurückgeführt. Eine Turbine in der Fallleitung nutzt Wasserkraft: Ein Generator erzeugt etwa die Hälfte des für das Hochpumpen erforderlichen Stroms vor Ort.

In der Energiezentrale unterhalb des Parkhauses erfolgt die Verteilung der Energieströme im Resort. Ein un­ter­irdisches Leitungsnetz versorgt 30 Gebäude im Resort mit Kalt- und Warmwasser; Letzteres mit einer Temperatur von 52 °C. Die Grundlast für Heizung und Brauchwarmwasser, die von den einzelnen Hotels, Appartements und Residenzen benötigt wird, bereiten Wasser/Wasser-Wärmepumpen dezentral auf. Die Spitzenlastdeckung (ca. 20 %), insbesondere im Winter übernehmen dagegen Heizkessel, die mit Flüssiggas versorgt werden müssen. Beide Wärmeversorgungssysteme sind jeweils an einen Pufferspeicher angehängt. Dagegen braucht es Kältespeicher ebenso wenig wie Kältemaschinen. Die Gebäude werden energieeffizient passiv gekühlt, über einen zentralen, mit Seewasser gespeisten Zwischenkreislauf.

Das Kaltwasser wird zusätzlich zur Abfuhr der Abwärme genutzt, die in gewerblichen Kälteanlagen (etwa im Gastrobereich) oder beim Betrieb des Eisfelds entsteht. Der Rückfluss des verbrauchten, abgekühlten respektive erwärmten Seewassers ist derart organisiert, dass dieser die Wasserfassung weder hydraulisch noch thermisch beeinflussen kann.

Dem Konzept zur klimafreund­lichen Wärmeversorgung wird gute Wirtschaftlichkeit und hohe Betriebs­sicherheit zugetraut. Der Vergleich mit einer konventionellen Energieanlage, die fossile Wärme erzeugt und elektrische ­Kältemaschinen betreibt, zeigt: Der End­ener­giebedarf ist um den Faktor 2.3 geringer und die Treibhausgas­emissionen fallen unter 30 %.

TEC21, Fr., 2018.01.12



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2018|01-03 Bürgenstock Resort: eine gebaute Landschaft

Presseschau 12

09. November 2018Daniela Hochradl
Paul Knüsel
TEC21

Wo die E-City gegründet wird

Wer bislang einfach Häuser bauen liess, kann sich nun auch um die Infrastruktur für die dezentrale Stromversorgung kümmern. Verdrängen Immobilieninvestoren die Energieversorger? Oder tauchen neue Intermediäre auf?

Wer bislang einfach Häuser bauen liess, kann sich nun auch um die Infrastruktur für die dezentrale Stromversorgung kümmern. Verdrängen Immobilieninvestoren die Energieversorger? Oder tauchen neue Intermediäre auf?

Im Basler Neubauquartier Erlenmatt Ost formiert sich die bislang grösste Solarstrom-Eigenverbrauchsgemeinschaft der Schweiz. Im Endausbau, in drei bis vier Jahren, sollen rund 630 Bewohner einen grossen Teil ihres Energiebedarfs direkt von den eigenen Dächern beziehen. Auf insgesamt zwölf Mehrfamilienhäusern, die verschiedenen Stiftungen, Genossen­schaften und Hausgemeinschaften gehören (vgl. «Energie- und Soziallabor Erlenmatt Ost»), erzeugen Photovoltaikanlagen den dafür erforderlichen Solarstrom. Letzten Sommer begann der Bezug des östlichen Erlenmatt-Areals; inzwischen ist ein Drittel des Gesamtvolumens realisiert.

Im Gleichschritt wird die interne Energieversorgung auf maximale Leistung (750 kWp) und auf künftige Jahreserträge von etwa 750 000 kWh Strom ausgebaut. Über ein Jahr bilanziert soll die Produk­tionsmenge etwa 40 % des Bedarfs vor Ort abdecken; möglichst viel des eigenen Ertrags ist selbst zu konsumieren, ohne Lieferumweg über das öffentliche Stromnetz (vgl. «ZEV: Eigenverbrauch oder Selbstversorgung?», Kasten unten).

Bisher lassen sich Produk­tion und Konsum von Solarstrom in Erlenmatt Ost zeitlich gut aufeinander abstimmen: Aktuell werden nur knapp 20 % exportiert; mit dem weiteren Ausbau der Überbauung und der Solaranlagen wird sich dieser Exportanteil aber wohl verdoppeln. Das ist die Krux für viele Eigenverbrauchsgemeinschaften: Allein mit der Erhöhung des selbst erzeugten Stromertrags schwindet der Anteil des Selbstkonsums, ausser man ergänzt das lokale ­Versorgungssystem mit einem Speicher, entweder in einzelnen Gebäuden oder durch ein Andocken an die Elektro­mobilität (vgl. «Geteilte E-Mobilität»).

Bei PV-Anlagen in Einfamilienhäusern, die tagsüber wenig Strom verbrauchen, lassen sich in der Regel Eigenverbrauchsquoten unter 30 % erreichen. Wird zusätzlich eine Wärmepumpe als Heizsystem betrieben, lässt sich dieser Anteil auf etwa 50 % steigern. Zur weitergehenden Optimierung sind Batteriespeicher erforderlich, die den Tagesertrag für den Konsum am Abend und in der Nacht verfügbar machen.

Netztechnisch und wirtschaftlich sinnvoller wäre aber eine zeitgleiche Stromlieferung an Nachbarn, die allenfalls derselben ZEV-Gemeinschaft angeschlossen sind. In gemischt genutzten Arealen lässt sich die Eigenverbrauchsquote durchaus auf 100 % erhöhen, wenn Wohnsiedlungen mit Gewerbebetrieben energetisch zusammengeschlossen sind. Deren jeweilige Verbrauchsprofile sollten sich dabei zeitlich ergänzen. Ideal sind Abnehmer in unmittelbarer Nachbarschaft, die die selbst erzeugte Energie jeweils in der Überschussperiode verbrauchen können.

Erproben von Komponenten und Systemen

Sowohl die angewandte Energie- und Bauforschung als auch Energieversorger haben in Pilot- und Demonstrationsprojekten begonnen, die dafür benötigten Komponenten, Technologien und Systeme auf der Ebene einzelner Gebäude oder Quartiere zu erproben. Absehbar ist auch, dass neue Marktteilnehmer auftreten und sich neue Wertschöpfungsketten um solche Energiehubs bilden werden. Sie fordern das bisherige Businessmodell der zentral organisierten Energieversorger heraus.

Erkennbar wird dies auch an der Organisation des Eigenverbrauchsmodells in Erlenmatt Ost: Anstelle des städtischen Energieversorgers beliefert eine externe Energiegenossenschaft die Erlenmatt-Bewohner mit Strom. Sie realisiert und betreibt die Solaranlage auf eigenes unternehmerisches Risiko; zudem ist sie auch der lokale Wärmeproduzent, der das gesamte Ostareal mit Energie für die Gebäudeheizung und das Warmwasser versorgt. Daher fliesst der Grossteil des vor Ort erzeugten Solarstroms in deren Wärmezentrale, damit dort die Wärmepumpen angetrieben werden. Die Stromüberschüsse werden an die Bewohner und die Gewerbemieter der Basler Arealüberbauung zu einem günstigen Preis verkauft.

Das Eigenverbrauchsmodell beruht auf einem Gegengeschäft: Weil die Arealgemeinschaft für den Eigenstrom nicht mehr oder sogar weniger bezahlt als für importierten Netzstrom, steht dem Anbieter eine Anschlusspflicht zu. In Erlenmatt Ost lauten die Zahlen: Die Stromlieferantin, die ADEV-Energiegenossenschaft, verrechnete der Eigenverbrauchsgemeinschaft anfangs rund 18 Rp./kWh, was dem Haushaltstarif in der Stadt Basel entspricht. Aber bereits für das laufende Jahr hat der Intermediär den Tarif gesenkt. Um wie viel, kann er erst nach Ablauf des Produktionsjahrs 2018 sagen. Doch die aktuelle Benchmark für dezentral erzeugten Solarstrom liegt schweizweit bei rund 15 Rp./kWh (vgl. «Der nächste Nachhaltigkeitshype?»). Die Bewohner von Erlenmatt Ost konsumieren daher nicht nur klimafreundlichere, sondern auch preisgünstigere Energie als der Durchschnitt der Schweizer Bevölkerung.

Eigenverbrauch bei 100 %

Im Zürcher Stadtkreis 6, beim Schaffhauserplatz, ist eine vergleichbare, etwas kleinere Solarzelle aktiv. Das vom Architekturbüro Viridén + Partner sanierte Mehrfamilienhaus (vgl. «Es blinkt in alle vier Himmelsrichtungen», TEC21 48/2017) ist ebenfalls eine Eigenver­brauchsgemeinschaft. Der eigene Strom wird auf dem Dach und an den vier Gebäudefassaden produziert. Der Anlagenbetreiber ist hier gleichzeitig der Immobilien­investor.

Das städtische Elektrizitätswerk begleitet dieses Demonstrationsprojekt mit Fokus auf Technik und ­Netzstabilität. Zu untersuchen ist, wie sich Ertrags- und Einspeiseschwankungen sowie Leistungsspitzen auf die Spannung im Stromnetz des Quartiers auswirken werden. Die Hypothese lautet: Lassen sich die lokalen Einspeise-Peaks im dezentralen Energiesystem optimal steuern, kann auf einen Ausbau der Anschlusskapazitäten verzichtet werden. Die gebäudeintegrierte PV-Anlage im Zürcher Wohnhaus ist für solche Analysen besonders interessant: Die Leistungsgrösse ist im ­städtischen Umfeld bisher einmalig.

Das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (ewz) will weitere Erfahrungen sammeln; für die Betriebsperiode 2017/2018 liegt bereits eine Zwischenbilanz vor: Seit Anfang Jahr wird ein 150-kWh-Akkumulator eingesetzt; das Vorjahr liefert die Vergleichswerte ohne Batterie. Dank dem Speicher wurde im Sommer eine Eigenverbrauchsquote von ­fast 100 % erreicht; im Herbst sank sie auf etwa 60 %. Mit dem Speicher lässt sich der Stromkonsum auf die Nachtstunden für die Warmwasseraufbereitung ­verschieben. Als Jahresdurchschnitt prognostiziert das ewz etwa 70 %.

Eine weitere Erkenntnis ist: Der Produktionsverlauf am Zürcher Sonnenkraftwerk unterscheidet sich von Gebäuden, die nur auf dem Dach mit Solaranlagen versehen sind. Im Vergleich zur ausschliesslichen ­Produktion auf dem Dach verschiebt sich die Strom­produktion dank der PV-Fassade um 5 bis 7 % ins Winterhalbjahr. Dies kann den Eigenverbrauch erhöhen. Aber ebenso wäre dann ein Einspeisen der Energie in lokale Verteilnetze interessant. In der kalten Saison wird generell Strom in die Schweiz importiert.

Auch anderenorts führen regionale und kommu­nale Stromversorger Tests mit Speichersystemen (vgl. TEC21 14–15/2017 «Elektrische Energie speichern») in unterschiedlichen Grössenordnungen durch. Batterien können einem einzelnen Gebäude zugeordnet werden oder einer kleineren Einheit im öffentlichen Verteilnetz, einer ZEV-Gemeinschaft oder einem Quartier. Eine andere Skala hat das Elektrizitätswerk des Kantons Zürich gewählt. Ein 18-MW-Speicher, die grösste Batterie der Schweiz, stabilisiert die Netzspannung und könnte zwei sparsame Haushalte ein Jahr lang mit Strom beliefern.

Eine interessante Speichervariante ist die Kopplung von Gebäude und Elektromobilität (vgl. «Geteilte E-Mobilität»). Sie wird auch im Basler ZEV-Verbund erprobt. Ein Forschungsprojekt, gemeinsam mit Hochschulen, soll zeigen, inwieweit der in Autobatterien gespeicherte Solarstrom nicht nur zum Fahren am Tag eingesetzt werden, sondern auch den Eigenverbrauch der Siedlung abends und in der Nacht erhöhen kann.

TEC21, Fr., 2018.11.09



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2018|45 Hausanschluss an die Stromwende

09. Februar 2018Daniela Hochradl
TEC21

Fortschrittliche Gebäudetechnik

Der Zürichsee als erneuerbare Energiequelle oder neuartige Kältemittel – die Gebäudetechnik der Swiss Re Next ist zukunftsweisend.

Der Zürichsee als erneuerbare Energiequelle oder neuartige Kältemittel – die Gebäudetechnik der Swiss Re Next ist zukunftsweisend.

Dank der Lage am Mythenquai kann für die Gebäude der Swiss Re der Zürichsee als erneuerbare Energiequelle genutzt werden. Das Wasser wird in knapp 20 m Tiefe rund 500 m vom Ufer entfernt ­gefasst. Ganzjährig herrscht hier eine Wassertemperatur von durchschnittlich 10 bis 15 °C. Damit eignet sich das Wasser im Winter gut als Quelle für Wärmepumpen und kann im Sommer direkt für die Kühlung verwendet werden.

Das in den Wärmepumpen eingesetzte Kältemittel HFO (1234ze) war zum Planungszeitpunkt in der Schweiz kaum bekannt. Die Planer vom Büro Dr. Eicher Pauli suchten eine Alternative zu Ammoniak NH3 mit einer hohen ­Umweltverträglichkeit und einer gerin­geren Gefährdung für die Mitarbeitenden bei einer Havarie. HFO-Kältemittel besitzen ein tiefes Treibhauspotenzial. Während der Planungsphase 2014/2015 gab es damit hierzulande noch keine Anlagen, daher standen auch keine Referenzberichte und Normen zur Verfügung. Die Sicherheitsanforderungen mussten mit Feuerpolizei und Brandschutzberater erstmalig und speziell für diese Anlage entwickelt werden.

Im Wärmebedarfsfall wird dem Seewasser Energie entzogen und mittels Wärmepumpen auf das erforderliche Heiztemperaturniveau (im Heizungsspeicher max. 38 °C) gebracht. Das Besondere an der Anlage ist die Nutzung des Seewassers über einen separaten Verdampfer an der Wärmepumpe. Die Raumkühlung erfolgt – wenn möglich – direkt über das Seewasser. Bei hohen Wassertemperaturen ist keine direkte Kühlung möglich. Dann erzeugt der zweite Verdampfer der Wärmepumpe die zusätzlich benötigte Kälte.

Die Nachkühlung des Seewassers erfolgt in zwei Stufen in Abhängigkeit der erforderlichen Kühlwassertemperaturen der Verbraucher (14 °C und 8 °C für die Entfeuchtung). Die Rückkühlung der Kältemaschine funktioniert ebenfalls mit Seewasser. Die Wassermengen in den Wärmepumpen werden ohne zusätzliche Regelventile über die Drehzahl der Pumpen geregelt.

Die Wärmeerzeugung des Warmwassers erfolgt über eine separate Wärmepumpe mit CO2 als Kältemittel. Diese nutzt die im Gebäude anfallende Abwärme (technische Kälte für IT- und EDV-Räume). Sollte keine ausreichende Abwärme vorhanden sein, kommt wiederum das Seewasser als Quelle ins Spiel.

Die Wärme- und Kälteabgabe erfolgt grösstenteils mittels neu entwickelten Heiz- und Kühldecken, die vorab im Labor geprüft wurden. Die Metalldecke mit porösem Weissputz verfügt über unsichtbare Zuluftauslässe, was eine komplett geschlossene Deckenfläche im Grossraumbüro ermöglichte. Mit einem Mock-up konnte die Funktionalität vor der Ausführung getestet werden.

Die Erschliessung der Deckenkreise erfolgt aus den vier fassadenorientierten Steigzonen im Vierrohrsystem. Damit kann der orientierungsabhängige Einfluss der Sonnenstrahlung kompensiert werden. Eine PV-Anlage auf dem Dach produziert rund 150 MWh/a und deckt rund 7 % des gesamten Strombedarfs.

Bedarfsgesteuerte Luftqualität

Alle Räume werden über mechanische Lüftungs- und Klimaanlagen belüftet. Für eine möglichst hohe Energieeffi­zienz wurden Sorptionswärmetauscher zur Feuchte- und Wärmerückgewinnung eingesetzt. Die Luftmengen richten sich nach den hygienischen Bedürfnissen und werden über variable Volumenstromregler bedarfsgerecht geregelt.

Die Regelung der Luftmenge an den zentralen Anlagen läuft nicht über eine herkömmliche Druckregelung, sondern über die Rückmeldungen der einzelnen Volumenstromregler. Einzigartig im Bürobereich sind die bereits beschriebenen Lüftungsauslässe in der Heiz- und Kühldecke. Sie bestehen aus dichten Kästen, die auf die ab­gehängte, im Auslassbereich gelochte Decke gesetzt wurden. Darüber gelangt die Luft turbulenzarm in den Raum.

Gebäudetechnisches Highlight des Baus ist die Foyerzone im 2. UG mit Auditorium und eigenem TV-Studio. Diese Bereiche werden über mehrere Spezial­lüftungsanlagen mit grossen Luftmengen belüftet. Die hohen Wärmelasten durch Personen, Geräte und Beleuchtung können hier mit sieben hinter einer Holzbauwand platzierten Umluftgeräten abgeführt werden. Die Zuluft strömt über Quellluftauslässe im Bodenbereich in den Raum, die Abluft wird über einen Schlitzauslass an der Decke gefasst. Er dient zusätzlich als Schiene, um raumhohe LED-Paneele zu bewegen. Zehn dieser Elemente, jedes 1 m breit und 6 m hoch, können an definierten Stellen positioniert und einzeln mit Inhalt bespielt werden. Aneinandergereiht ergeben sie eine Präsentationsfläche von 60 m².

Das Gebäude wurde mit mehreren Rauchschutzdruckanlagen (RDA) und mechanischen Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (MRWA) ausgestattet. Speziell ist die Kombination der Rauch- und Wärmeabzugsanlage im Parking-Bereich der Untergeschosse, mit einer separaten Zuluft-Lüftungsanlage über CO-Steuerung. Bei einem Brand wird die Anlage umgesteuert und vom CO-Betrieb automatisch zur Rauch- und Wärmeabzugsanlage umfunktioniert.

TEC21, Fr., 2018.02.09



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2018|06-07 Swiss Re Next – Bauen am See

12. Januar 2018Daniela Hochradl
TEC21

Aus Hotel- werden Energiepioniere

Die Investoren des Bürgenstock Resorts hegen auch beim Betrieb nachhaltige Ambitionen. Das Erbe der Hotelpioniere Franz-Josef Bucher und Josef Durrer beziehen...

Die Investoren des Bürgenstock Resorts hegen auch beim Betrieb nachhaltige Ambitionen. Das Erbe der Hotelpioniere Franz-Josef Bucher und Josef Durrer beziehen...

Die Investoren des Bürgenstock Resorts hegen auch beim Betrieb nachhaltige Ambitionen. Das Erbe der Hotelpioniere Franz-Josef Bucher und Josef Durrer beziehen sie dabei mit ein: Wasser aus dem Vierwaldstättersee wurde bereits 1888 den Berg hoch gepumpt; nun ist die Nutzung des Seewassers auch auf die energetischen Bedürfnisse ausgerichtet worden. Dazu musste die Infrastruktur komplett erneuert und ver­grös­sert werden: mit einem Saugkorb in 37 m See­tiefe, einer Pumpstation in Kehrsiten und einer rund 1 km langen Druck­leitung, die eine ­Höhendifferenz von 500 m überwindet. Damit können bis zu 75 l Seewasser pro Sekunde aus dem See in ein bestehendes, erweitertes Wasser­reservoir oberhalb des Resorts gepumpt werden. Dieses Reservoir umfasst zwei Wasserkammern für unverbrauchtes respek­tive verbrauchtes Seewasser.

Die Innovation der erneuerten Anlage ist die vierfache Nutzung des Seewassers, auch um das Resort nahezu CO2-neutral mit Wärme und Kälte zu versorgen. Das konstant 5 bis 7 °C warme Seewasser dient als Energiequelle auf Niedertemperaturniveau und deckt 80 % des Wärmebedarfs respektive 100 % des Kältebedarfs. Zusätzlich wird das Seewasser zur Bewässerung des Golfplatzes und der Gartenanlagen verwendet und kann ohne weitere Aufbereitung auch in den Schwimmbädern und in der Wäscherei eingesetzt werden.

Mit Seewasser heizen und kühlen

Die energetische Nutzung beruht auf ­einem Kreislaufsystem mit Wärmerückgewinnung; hierfür kann das Seewasser im Arealnetz abhängig vom Tempe­raturgradienten mehrmals benutzt werden. Das im Winter auf 2 °C abgekühlte respektive im Sommer auf 18 °C erwärmte Wasser wird via Reservoir in den See zurückgeführt. Eine Turbine in der Fallleitung nutzt Wasserkraft: Ein Generator erzeugt etwa die Hälfte des für das Hochpumpen erforderlichen Stroms vor Ort.

In der Energiezentrale unterhalb des Parkhauses erfolgt die Verteilung der Energieströme im Resort. Ein un­ter­irdisches Leitungsnetz versorgt 30 Gebäude im Resort mit Kalt- und Warmwasser; Letzteres mit einer Temperatur von 52 °C. Die Grundlast für Heizung und Brauchwarmwasser, die von den einzelnen Hotels, Appartements und Residenzen benötigt wird, bereiten Wasser/Wasser-Wärmepumpen dezentral auf. Die Spitzenlastdeckung (ca. 20 %), insbesondere im Winter übernehmen dagegen Heizkessel, die mit Flüssiggas versorgt werden müssen. Beide Wärmeversorgungssysteme sind jeweils an einen Pufferspeicher angehängt. Dagegen braucht es Kältespeicher ebenso wenig wie Kältemaschinen. Die Gebäude werden energieeffizient passiv gekühlt, über einen zentralen, mit Seewasser gespeisten Zwischenkreislauf.

Das Kaltwasser wird zusätzlich zur Abfuhr der Abwärme genutzt, die in gewerblichen Kälteanlagen (etwa im Gastrobereich) oder beim Betrieb des Eisfelds entsteht. Der Rückfluss des verbrauchten, abgekühlten respektive erwärmten Seewassers ist derart organisiert, dass dieser die Wasserfassung weder hydraulisch noch thermisch beeinflussen kann.

Dem Konzept zur klimafreund­lichen Wärmeversorgung wird gute Wirtschaftlichkeit und hohe Betriebs­sicherheit zugetraut. Der Vergleich mit einer konventionellen Energieanlage, die fossile Wärme erzeugt und elektrische ­Kältemaschinen betreibt, zeigt: Der End­ener­giebedarf ist um den Faktor 2.3 geringer und die Treibhausgas­emissionen fallen unter 30 %.

TEC21, Fr., 2018.01.12



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