Editorial

Zwei neue Brücken in der Stadt und auf dem Land stellen wir in diesem Heft vor. Sie haben nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern weisen auch Unterschiede auf. Beide gingen respektive gehen 2017 in Betrieb und sind neu im Sinn von «neu an einem neuen Platz». Dadurch stechen sie unter den zahlreichen Brückenersatzneubauten hervor.

Die Aarebrücke ist das Herzstück des Bypass Thun Nord und als Durchlaufträger durch und über Industriegebiet konzipiert. Sie soll die Agglomeration Thun besser verbinden und ­gleichzeitig die Altstadt vom Verkehr entlasten. Der Bogen der Punt Mulinaun überspannt ein Seitental des Vorderrheins und verbessert den Verkehrsfluss. Vielleicht zum Leidwesen sonntäg­licher Ausflugsfahrer – existiert auf der Strecke zum Oberalppass doch nun eine Kurve weniger.

Zahlreiche innovative Brücken bauten auch die Bauingenieure Christian Menn und Dialma Jakob Bänziger, denen wir zum 90. Geburtstag gratulieren dürfen (Interviews in der Rubrik Panorama ab S. 12). Menn und ­Bänziger, beide 1927 geboren, projektierten oftmals neue Brücken im obigen Sinn. Damals hatten Brücken noch ihre sprichwörtliche Aufgabe: ­Verbinden. Von Entlasten war noch kaum die Rede, denn 1960 gab es nur eine halbe Million Pkw in der Schweiz.

Welche Brücken werden Kinder, die 2017 geboren werden, einst bauen? Braucht es dann noch welche? Liegt die Zukunft des Verkehrs in der Luft? Oder sind das nur Luftschlösser? In 90 Jahren kann viel passieren.

Peter Seitz

Inhalt

AKTUELL
07 WETTBEWERBE
Personenüberführung Rotkreuz/Risch

12 PANORAMA
Zwei Interviews zum 90. Geburtstag: Dialma Jakob Bänziger und Christian Menn

16 VITRINE
Bauen für die Mobilität

18 SIA
Beitritte zum SIA | Stolzer Mittelpunkt des Gemeinwesens | Mehrwert interdisziplinärer Planung

23 VERANSTALTUNGEN

THEMA
24 NEUE BRÜCKEN FÜR STADT UND LAND

24 IN DER BAUTRADITION DER BÜNDNER BOGENBRÜCKEN
Clementine Hegner-van Rooden
Eine neue Bogenbrücke ersetzt die Strassenkurve der Val Mulinaun.

28 TEIL EINES KONTINUUMS
Clementine Hegner-van Rooden et al.
Als Durchlaufträger überspannt die neue Aarebrücke in Thun Industriegebiet und Fluss.

AUSKLANG
33 STELLENINSERATE

37 IMPRESSUM

38 UNVORHERGESEHENES

In der Bautradition der Bündner Bogenbrücken

Seit Juni 2017 rollt der Verkehr ein Stück geradliniger in Richtung Oberalppass. Eine neue Bogenbrücke von Schnetzer Puskas Ingenieure begradigt eine Kurve bei Rabius und ist ein Beispiel für ein statisch effizientes Bauwerk mit gelungener Gestaltung.

Oberhalb des Vorderrheins schlängelt sich die Hauptstrasse 19 kurvenreich von Reichenau auf den Oberalppass. Eine neue Bogenbrücke überspannt nun die Val Mulinaun und begradigt den rund 1.3 km langen Strassenabschnitt zwischen Rabius und Sumvitg – folgte doch die bisherige instandsetzungsbedürftige Betonfahrbahn dem Geländeeinschnitt.

Effizienter Wettbewerb

Für den Brückenentwurf schrieb das Tiefbauamt Graubünden 2013 einen anonymen, zweistufigen Wettbewerb aus (vgl. TEC21 37/2014). In der ersten Phase waren nur eine Ideenskizze der Brücke und ein Kurzbeschrieb einzureichen. 37 Projektvorschläge gingen hierzu ein. Sechs Teams wurden daraufhin eingeladen, in einem reduzierten Vorprojekt ihren Brückenentwurf auszuarbeiten, die Hauptmassen zu ermitteln und die technische Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit zu belegen. Aufgrund der überschaubaren Abgabeleistungen in der ersten Phase und danach erhöhter Gewinnchancen bei steigendem Aufwand ist ein solches zweistufiges Verfahren sowohl für die Projektverfasser als auch die Auslober effizient und vorteilhaft (vgl. Interview mit Christian Menn).

Bogen als Kernstück der Korrektion

Die Randbedingungen des Bauprojekts waren anspruchsvoll: Steile Talflanken und die anstehende Geologie bargen baugrundtechnische Risiken. Die Brücke musste der vorgegebenen, gekrümmten Linienführung der zukünftigen Strasse folgen, gleichzeitig war ein Lawinenzug in der Val Mulinaun zu berücksichtigen. Ausserdem stellte die landschaftlich exponierte Lage etwa 60 m über dem Bach trotz verdeckenden Waldhängen hohe Ansprüche an das Erscheinungsbild. Von drei vorgeschlagenen Bogenbrückenkonstruktionen kam nur der Entwurf von Schnetzer Puskas Ingenieure in die engere Auswahl und konnte letztlich den Wettbewerb für sich entscheiden.

Obwohl die gekrümmte Linienführung der Strasse für eine Bogenkonstruktion nicht optimal war, wählte der Projektverfasser Heinrich Schnetzer dieses Tragsystem aufgrund statischer, herstellungstechnischer und ästhetischer Gesichtspunkte. Ein Bogen füge sich optimal in die Umgebung ein und lasse sich an dieser Stelle mit dieser Spannweite in effizienter Weise umsetzen – so Schnetzer. Der Entwurf basiere auf statischen und kontextuellen Überlegungen zum Typus Bogen und leite sich grundsätzlich von der Strassengeometrie ab. Eine herkömmliche Bauweise mit teuren Lehrgerüsten habe er aber im Wettbewerbsentwurf mit modernen Herstellungsverfahren weiterentwickelt, wodurch der Bogen als statisches System wirtschaftlich noch interessanter würde (vgl. «Ursprüngliches Bauverfahren», Kasten unten).

Die ästhetische Bogenkonstruktion mit ihrem schlanken, sichelförmigen Bogen, der den Lawinenzug respektvoll überbrückt, dem ruhigen Rhythmus der Aufständerung und der bedachten Einbindung in die Umgebung überzeugte auch die Jury.

Inspiriert von Robert Maillart und Christian Menn

Die knapp 210 m lange Stahlbetonkonstruktion führt teilweise als Hangbrücke bis zu den Widerlagern. Die Spannweite des Bogens beträgt 97.8 m, der Stich 16.8 m, was ein statisch günstiges Verhältnis von 5.8 nach sich zieht. Die monolithische Konstruktion ist lediglich an den Widerlagern verschieblich gelagert. Der Bewegungsmittelpunkt befindet sich im Bogenscheitel, an dem Bogen und Fahrbahn miteinander verbunden sind.

Die Brückenansicht erinnert zwar an einen versteiften Stabbogen, wie ihn Robert Maillart in den 1930er-Jahren entwickelte, das statische System jedoch ist ein anderes: Bei der Punt Mulinaun ist der Bogen ausgesteift und der Fahrbahnträger vorgespannt. Eine solche Kombination setzte bereits Christian Menn bei Bogenbrücken um. Die einzelnen Tragelemente werden zu einem ganzheitlichen Tragkonzept zusammengefügt. Im Grundriss ist die Bogenbreite variabel.

Der kurvenaussenseitige Bogenrand gegen das Vorderrheintal hin ist gerade, der kurveninnenseitige ist gekrümmt ausgebildet. Der Bogen folgt im Grundriss also der vorgegebenen horizontalen Linienführung der Strasse und ist kein ebenes Tragwerk. Dies widerspricht grundsätzlich dem statisch idealen Konzept, wonach ein Bogen sich nur in der vertikalen Ebene entwickeln sollte. Die Krümmung des inneren Bogenrands führt zu einer im Grundriss gekrümmten Bogenachse.

Die Bogennormalkräfte verursachen deshalb horizontale Umlenkkräfte. Diese kompensieren die aus der gekrümmten Strassenführung entstehenden Torsions­kräfte zumindest teilweise. Um die verbleibenden Torsionskräfte aufnehmen zu können, ist der Bogen gegen die Kämpferfundamente hin relativ breit und mit stabi­lisierenden Rippen versehen.

Um die Wölbung des Bogens insgesamt zu minimieren, tarierten die Ingenieure die Bogenachse an der Strassenlinie aus – eine geometrisch diffizile Parallelverschiebung, da sich die Strassenlinie im Brückenperimeter aus einer Geraden, einer Klothoide und einem Radius zusammensetzt. Die Bogenachse positionierten die Ingenieure so, dass die positive Exzentrizität im Scheitel (Stütze 8) gleich gross wird wie die negativen Exzentrizitäten bei den ersten Bogenstützen (Stützen 6 und 10). Dadurch glichen sie die Exzentrizitäten zwischen den Bogenstützen aus und konnten die Torsion des Bogens trotz seiner räumlichen Geometrie begrenzen.

Schnittkräfte bestimmen die Form

In der Ansicht verläuft die 35 cm starke Bogenplatte polygonal entlang der Stützlinie (Spitzbogen mit höchstem Polygonpunkt im Scheitel). Die den Bogen stabilisierenden 40 cm breiten Rippen variieren in ihrer Höhe von 1.25 m im Viertelspunkt bis zu 1.65 m am Scheitel. Diese sichelförmige U-Form des Bogens leitet sich von der statischen Grenzwertbetrachtung der Momentenbeanspruchung ab. Wie schon bei Maillarts Brücken bestimmt die Schnittkraftlinie die Form des Haupttragelements.

Der vorgespannte, 1.20 m hohe Fahrbahnträger ist als Plattenbalken (d = 32 cm, verjüngend auf 26 cm am Kordon) mit zwei Längsträgern ausgestaltet, zwischen denen Werkleitungen nicht direkt sichtbar verlaufen. Die Breite der Längsträger nimmt von 1.20 m im Feld auf 1.82 m an den Auflagern zu. Der Fahrbahnträger ist auf Stützenscheiben mit einem Abstand von 16.30 m respektive 15 m an den Endfeldern aufgeständert. Über dem Bogen sind die Scheiben im Grundriss rechtwinklig zur Bogenachse ausgerichtet, in den Lehnenbrücken radial zur Fahrbahnachse.

Da der Bogen zum Scheitel hin schmaler wird, der Überbau gegenüber dem Bogen (im Grundriss) stärker gekrümmt ist und das Quergefälle von 7 % (Rabius) auf 3 % (Sumvitg) abnimmt, verändert sich der jeweilige Anzug der Stützen. Jede Stütze hat im Querprofil der Brücke gesehen eine eigene Ansicht. Die Kämpferstützen – sie stehen nicht auf dem Bogen selbst, sondern auf dem Kämpferfundament am Bogenansatz – sind 55 cm dick, die übrigen 40 und 30 cm. Alle Stützen sind grundsätzlich mit einem 10 cm weiten Versatz nach innen auf dem Bogen angeordnet, am Anschluss an den Fahrbahnträger beträgt dieser 20 cm gegenüber den Trägerkanten. Dies ergibt optisch eine klare Abgrenzung zwischen den Ständern und den längs laufenden Elementen wie Bogen und Fahrbahn.

Die Kämpfer stehen ausserhalb der Lawinenzone der Val Mulinaun und ruhen auf Schwerge­wichtsfundamenten. Die übrigen Tragelemente konnten auf Flachfundationen abgestellt werden, da die Lasten bei den Vorlandstützen und den Widerlagern dank den kurzen Spannweiten bescheiden sind. Die Widerlager sind konventionell ausgestaltet und weisen einen Kontrollgang auf. Der Fahrbahnträger ruht hier auf Topflagern und ist mit Fahrbahnübergängen dilatiert.

Brücke als Kunst des Ingenieurs

Die neue Überquerung widerspiegelt die statisch und gestalterisch sachverständige Leistung der Ingenieure. Schliesslich ist die statische Effizienz, die für eine qualitativ gut gestaltete Brücke unabdingbar ist, ein gewichtiges Kriterium des Entwurfs. Anders als rein auf gestalterische und geometrische Argumente ausgelegte Tragwerke entsprechen die Tragelemente hier der effektiven Beanspruchung. Mit dem dadurch gewon­nenen effizienten Tragverhalten erhält die Brücke ihre Wirtschaftlichkeit und fügt sich als exponiertes Bauwerk leicht und schwungvoll in die Landschaft der Surselva ein.

TEC21, Fr., 2017.10.27

27. Oktober 2017 Clementine Hegner-van Rooden

Teil eines Kontinuums

Die neue Aarebrücke, das Herzstück des Bypass Thun Nord, geht am 9. November 2017 in Betrieb. Der von Bänziger Partner Ingenieure gebaute, über 500 m lange Durchlaufträger überspannt Bahnlinie und Aare, verbindet den Entwicklungsschwerpunkt Thun Nord mit Steffisburg und soll zukünftig zur Entlastung der städtischen Brücken beitragen.

Die Bevölkerung und der Motorisierungsgrad in der Agglomeration Thun haben in den letzten Jahren überdurchschnittlich zugenommen. Obwohl bereits seit 1955 verschiedene Anläufe unternommen wurden, die Verkehrsprobleme zu lösen, blieb das Verkehrssystem in den letzten Jahrzehnten im Wesentlichen unverändert. Insbesondere die Innenstadt von Thun und die dorthin führenden Hauptachsen sind mittlerweile sehr stark belastet. Im Jahr 2002 erarbeitete daher der Oberingenieurkreis I des Tiefbau­amts des Kantons Bern im Rahmen eines Forumsprozesses mit rund 80 beteiligten Interes­senvertretern Lösungen für das Verkehrsproblem.

Die Ergebnisse flossen in die Gesamtverkehrsstudie Agglomeration Thun ein, deren Kernstück der Bypass Thun Nord mit einer neuen Querung der Aare und der Eisenbahn ist. Der Bypass sorgt nicht nur für eine bessere Anbindung Thuns an die Nachbargemeinden Steffisburg und Heimberg, auch der Entwicklungsschwerpunkt (ESP) Thun Nord – ein künftiger Wirtschaftspark, der auf nicht mehr militärisch genutzten Arealen entsteht – wird über die neue Aarebrücke an den Autobahnzubringer Thun Nord angeschlossen. Verkehrstechnisch und wirtschaftlich gilt der Bypass daher als Schlüsselprojekt für die Agglomeration Thun.

Studienaufträge für Schlüsselprojekt

In einem Studienauftrag im Jahr 2006 wurden Lösungsvorschläge für die Linienführung, den Betrieb und die Ausgestaltung der neuen Strassenanlage sowie deren Integration in das Siedlungsgefüge und den Landschaftsraum gesucht. Vier Ingenieurbüros mit Architekten als Fachspezialisten waren daraufhin eingeladen, im Rahmen eines weiteren Studienauftrags ein Projekt für eine neue Aarebrücke zu erarbeiten. Das Beurteilungsgremium entschied sich für das Projekt von Bänziger Partner mit der Architektin Corinna Menn. Der Vorschlag war eine schlichte, doch elegante und in den Details sorgfältig gestaltete Stahlbetonbrücke, die auf bewährte Brückenbautechniken zurückgreift und sich gut in das heterogene Siedlungsgefüge und den Landschaftsraum integriert.

Randbedingungen, ober- und unterirdisch

Die heterogene Abfolge von öffentlichem Raum, militärischer und gewerblicher Nutzung im direkten Umfeld, aber auch die weitere Umgebung mit den Berner Alpen verlangte ein schlichtes, harmonisches und präzise konstruiertes Brückenbauwerk. Massgebend für den Entwurf waren die Geometrien der zu überbrückenden Gebäude und Erschliessungsanlagen. Auch Fundationen einengende, unterirdische Anlagen wie Schiesskeller und Werkleitungen waren zu berücksichtigen. Ausserdem erwarteten die SBB und die BLS Eisenbahngesellschaft nach der Erstellung des Bauwerks Freiraum für zukünftige Erweiterungen. Die Strassen­achse war durch das übergeordnete Gesamtprojekt gegeben und konnte lediglich im Dezimeterbereich verschoben werden. Die aktuelle Nutzung der an die Brücke angrenzenden Areale musste auch während des Baus stets gewährleistet sein. Ausserdem sollte das Bauwerk eine geschlossene Konstruktion mit Lärmschutzelementen bis zu einer Höhe von 1.20 m aufweisen. Schliesslich war seitens der Bauherrschaft eine «Landmark»-Lösung unerwünscht.

Ellipsen, Parabeln und Rhomben

Aus städtebaulichen und gestalterischen Überlegungen heraus entschloss sich das Planerteam, das Bauwerk als homogene Einheit zu konzipieren. Die Ingenieure entschieden sich für einen kompakten Hohlkastenträger in Spannbetonbauweise mit konstantem Querschnitt im Vorlandbereich und einem gevouteten Abschnitt über der Aare.

Der Brückenüberbau mit trapezförmigem Hohlkastenquerschnitt zieht sich zwischen den Widerlager­achsen über die gesamte Brückenlänge von 541 m, wobei die Spannweiten der 14 Felder zwischen 25 und 68 m variieren. Bedingt durch die im rechten Aareufer liegenden Hauptkanäle der Abwasserentsorgung Thun ist die grösste Spannweite exzentrisch über dem Fluss­profil angeordnet. Die 12.5 m breite Brückenplatte kragt rund 3 m über den für den Unterhalt begehbaren und beleuchteten Hohlkasten aus.

Die Neigung der vorgespannten Hohlkasten­stege setzt sich in den 13 Pfeilern fort und geht fliessend in eine parabelförmige Verjüngung von 5 m (4.18 m bei den gevouteten Brückenträgern) auf 3 m über. Dies lässt das Bauwerk als Einheit erscheinen. Ab 8 m unterhalb der Fahrbahnachse bleibt der rhombusförmige Pfeilerquerschnitt bis zum Stützenfuss konstant. Die wohlproportionierte Pfeilerform gibt dem Bauwerk seine Stabilität in Längs- und Querrichtung.

Die sich ändernden Höhen der gevouteten Kastenträger an der Aare ziehen am Anschluss an die rhombischen Pfeilerquerschnitte elliptische Formen der Kastenunterseite nach sich. Zusammen mit der Brückenkrümmung im Grundriss erhält das Erscheinungsbild dadurch im Aarebereich eine zusätzliche formale und fliessende Dynamik.

Die Absturzsicherung besteht aus einer Stahlbetonbrüstung mit eingelassenen Lärmschutzelementen. Auf die Brüstungen, die auch Vorinstallationen für eine spätere Gehwegbeleuchtung enthalten, wird zusätzlich ein Überwurfschutz aus Glas montiert werden, der sich ohne ästhetische Nachteile in das Brückensystem integrieren soll.

Schwimmend gelagert

Das Tragwerk ist als Durchlaufträger konzipiert, wobei die Aarequerung mit der maximalen Spannweite von 68 m als Brückenzentrum betrachtet wird. Vom «Zentrum Aare», das zwar weder der geometrischen Mitte noch dem Scheitelpunkt entspricht, reduzieren sich die Spannweiten unter Berücksichtigung der Bestandsbauten kontinuierlich zu den Widerlagern hin.

Die tragfähige Fundationsschicht liegt rund 3 m unterhalb des heutigen Terrains. Aufgrund der Platzverhältnisse fundieren die Stützen auf Bohrpfählen. Nördlich der Aare (Seite Steffisburg) besteht eine Grundwasserschutzzone, in der die Pfeiler flach auf einem Materialersatz fundiert wurden. Ebenfalls flach gegründet sind die Widerlager, beide Rampen und die Fussgängerunterführung.

Die Brücke ist in Längsrichtung schwimmend gelagert, der Fixpunkt liegt beim linksufrigen Pfeiler an der Aare (P9). Bei den beiden Widerlagern und den Pfeilern P1 bis P5 sowie P12 und P13 sind Topfgleitlager eingebaut. Einzig bei den Widerlagern sind mechanische Fugenübergänge montiert. Damit die Widerlager – über die auch der Einstieg in den Hohlkasten erfolgt – mühe­los begehbar sind, sind sie mit einen minimalen Freiraum von 2 m Höhe unterhalb des Brückenträgers angeordnet.

Wasser im Kasten

Die Brücke liegt mit Ausnahme des Bereichs der Aare über genutztem Gelände. Eine konventionelle Belagsentwässerung mittels Entwässerungsröhren ist nicht möglich. Entlang dem Tiefpunkt der Fahrbahnplatten wurden deshalb gelochte, in Epoxid-Drainmörtel verlegte Hutprofile eingelegt, die über die Einlaufschächte die Belagsentwässerung sicherstellen. Die Oberflächenentwässerung erfolgt über Einlaufschächte in einem Abstand zwischen 25 und 40 m.

Die Schächte liegen am Gehwegrand und damit ausserhalb des Hohlkastenträgers. Aus ästhetischen Gründen sowie zu ihrem Schutz und Unterhalt sind die Entwässerungslängsleitungen allerdings im Hohlkasten aufgehängt. Für die von aussen nicht sichtbare Querung der Stege des Hohlkastens musste die Lage der Einlaufschächte auf die Spannkabelführung abgestimmt werden. Die Spülschächte sind in einem Abstand vom maximal 80 m angeordnet. Das Oberflächenwasser fliesst in den Längsleitungen bis zu den Widerlagern und wird mit dem Abwasser des übrigen Trassees in die Becken der Strassenabwasserbehandlungsanlage (SABA) geleitet. Diese befinden sich südlich der Aare unter den beiden ersten Vorlandfeldern, nördlich des Flusses am Kreisel Glattmüli.

Kontinuum durch städtisches Gebiet

Die konventionell mit einem Flächengerüst hergestellte Brücke ist aus dem Stadtgebiet heraus nur in Abschnitten und nie gesamthaft erfahrbar. Wegen ihrer gestalterischen Einheit bilden die Abschnitte dennoch ein Kontinuum. Das Planerteam teilte das Bauwerk gestalterisch und statisch nicht in Sektoren, sondern konzipierte es als Ganzes und schaffte dadurch eine zurückhaltende Selbstverständlichkeit. Die geraden Kanten am Brückenträger, die glatten, in der Fläche aber strukturierten Pfeiler und das bereits in der Submission vorgeschriebene Schalungsbild verstärken den formalen Ausdruck eines einheitlichen Bands, das die Ingenieure als Durchlaufträger statisch konsequent umgesetzt haben.

TEC21, Fr., 2017.10.27

27. Oktober 2017 Clementine Hegner-van Rooden, Werner Brändli, Corinna Menn, Urs Fischer

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