Editorial
Keine Architekturmonografie, die dem Fotografen nicht breiten Raum gewährt, kein Museum mit Fotosammlung, das nicht seine Bestände für eine Sonderausstellung prüft. Warum also noch ein Heft dazu? Zwei Gründe: Zum einen hat sich die Zirkulation von Bildern durch die neuen Medien exorbitant gesteigert. Die Rede ist von einer Sprache, die erstmals rein über Bilder funktioniert. Bilder antworten auf Bilder, und wir alle sind beteiligt am Strom. Zum anderen hat sich dank der digitalen Bearbeitung auch die Bildproduktion vor dem Bau, die Kunst des Renderings professionalisiert, sodass sie kaum mehr hinter dem Abbild des Realen zurücksteht. Rendering, Fotografie und Gebautes beeinflussen sich gegenseitig. Die schiere Masse der Bilder macht einen neuen Umgang mit der Architekturfotografie nötig. Information und sachliche Repräsentation kann nicht mehr das einzige Ziel sein. Und schliesslich: als Redaktion sind wir selbst an der Produktion von Images beteiligt. In der Funktion als Redaktoren der Zeitschrift nehmen wir Einfluss auf die Deutungshoheit über die Architektur, via Auswahl ihrer Bilder. Leider bekommen wir nicht selten eine unbefriedigende Auswahl vorgesetzt: Wohnbauten ohne Menschen, Museen ohne Exponate, Städte ohne Leben. Um Architektur aber beurteilen zu können – dies ist unsere feste Überzeugung –, braucht es den Test auf ihre Alltagstauglichkeit. Gebrauch und Alltag sind jedoch meist aus den Bildern verbannt, und oft ist es auch die dezidierte Autorschaft des Fotografen. Die tägliche Bilderflut macht einen anderen Umgang nötig. Wie reagiert die Architekturfotografie, wenn das Publikum den Bau «irgendwo» bereits gesehen hat? Wir wünschen uns mehr Mut zu starken Bildern. Wir hoffen, mit der Stärkung des Fotografen als Autor und damit einem subjektiveren Blick die unsichtbaren Qualitäten von Architektur aufspüren zu können. Nur gute Autorinnen vermögen es, der Repräsentationsfalle der Architekturvermittlung zu entgehen: durch eine eigenständige Erzählung im Bild.