Editorial

Die neuen Museumsbauten der USA präsentieren sich – anders als jene der Schweiz – nach aussen hin auffällig und wenig zurückhaltend. Um ein möglichst grosses Publikum anzulocken, setzen die Museen auf aufsehen­erregende Architektur und effektvoll in Szene gesetzte Exponate.

Wir zeigen in diesem Heft zwei Beispiele für eine Museums­architektur, die förmlich nach Aufmerksamkeit schreit. Optisch laut, versucht sie im visuellen Getöse der umgebenden Gebäude der Grossstadt nicht unterzugehen. Die vorgestellten Bauten illustrieren verschiedene Konzepte für den Umgang der Architekten mit dem städtischen Bestand und dem öffentlichen Raum.

Das vor der Aussenwelt verhüllte Broad Museum in Los Angeles steht als eigenständiger Baukörper selbstbewusst in unmittelbarer Nachbarschaft zum Museum of Contemporary Art sowie zur Walt Disney Concert Hall und erweitert die Grand Avenue in L. A. damit zum Kulturboulevard. Das Ausstellungskonzept präsentiert die Exponate introvertiert, in einer Schatzkammer.

Der neue Anbau des San Francisco Museum of Modern Art (SFMoMA) belebt die ursprüngliche Rückseite des postmodernen Museums, wobei die Stadt nun über mehrere öffentliche Zugänge in das Gebäude hineindiffundieren kann. Das
SFMoMA öffnet seine Ausstellungsflächen einem breiten Publikum und lädt als Ort der Begegnung zum entspannten Verweilen ein.

Eins ist beiden Museen gemein: Ein Besuch verspricht sowohl Architektur- als auch Kunstliebhabern ein Erlebnis der besonderen Art.

Inhalt

AKTUELL
07 WETTBEWERBE
Angenehm unaufgeregt

10 PANORAMA
Ein sprudelndes Märchen | Wenn das Wasser durch den Zoll muss

16 VITRINE
Im Umgang mit Wasser

17 SIA
Gemeinsam den Zukunftspfad beschreiten | Autodidakten statt Akademiker? | SIA-Form Fort- und Weiterbildung

21 VERANSTALTUNGEN

THEMA
22 SHOWTIME FÜR DIE KUNST

22 SCHLEIER UND GEWÖLBE
Lilian Pfaff
Der Kunstmäzen Eli Broad hat sich von Diller  Scofidio + Renfro eine Schatz­truhe neben die glänzende Walt Disney Concert Hall in Downtown Los Angeles bauen lassen: das Broad Museum.

27 TANZEN MIT MARIO BOTTA
Lilian Pfaff
Für den Anbau des San Francisco Museum of Modern Art (SFMoMA) haben die Architekten Snøhetta ein eigenständiges Volumen als Hintergrundkulisse erstellt, das im Innern mit dem postmodernen Bestandsbau verschmilzt.

AUSKLANG
32 STELLENINSERATE

37 IMPRESSUM

38 UNVORHERGESEHENES

Schleier und Gewölbe

Der Kunstmäzen Eli Broad hat sich von Diller Scofidio + Renfro neben die glänzende Walt Disney Concert Hall in Downtown Los Angeles eine Schatztruhe bauen lassen. Seine Sammlung umfasst rund 2000 Werke der Nachkriegskunst und der zeitgenössischen Kunst.

Das Zentrum von Los Angeles an der Grand Avenue ist seit über fünf Jahrzehnten im Werden begriffen. Mitte der 1950er-Jahre wurde der Gebäudebestand des ehemals bürgerlichen Viertels Bunker Hill dem Erdboden gleichgemacht. In den 1980er-Jahren entstanden hier planlos nebeneinander Hochhäuser und Apartmentblöcke. Doch seit dem Bau des Museum of Contemporary Art (MOCA, vgl. TEC21 11/2009) wandelt sich Bunker Hill zu einer Kulturmeile.

An all den neuen Kulturbauten – Walt Disney Concert Hall 2003, Cathedral of Our Lady of the Angels 2002, Ramon C. Cortines School of Visual and Performing Arts 2002 etc. – war der Immobilienmogul, Mäzen und Kunstsammler Eli Broad beteiligt. Um seine Person und Sammlung ranken sich Gerichtsprozesse und illustre Geschichten. Hat er doch in den letzten Jahren erst das MOCA finanziell vor dem Bankrott gerettet, nur um nun – als direkte Konkurrenz zu diesem – auf der gegenüberliegenden Seite sein eigenes Museum zu bauen. Wie es gelingen kann, dass sich das Gebäude von seinen Nachbarn absetzt und sich gleichzeitig in die von ihm mitgeprägte Kulturmeile einpasst, war eine der Aufgabenstellungen an die fünf Architekten, die Broad 2010 zum Wettbewerb eingeladen hatte. 2011 beauftragte er die New Yorker Architekten Diller Scofidio Renfro mit dem Projekt und gab ihnen damit den Vorrang vor Rem Koolhaas, Herzog & de Meuron, Christian de Potzamparc und SANAA.

Zur Stadt hin ein Schleier

Von aussen erscheint das Gebäude fast banal, wie eine der vielen Parkgaragen in Los Angeles: Es ist eine einfache Box mit perforierter Hülle. An zwei Ecken ist sie aufgeschnitten, um Raum für die Eingänge zu schaffen. 2500 Stahlbetonpaneele bilden die Waben der Hülle, die das dreigeschossige Gebäude auf allen Seiten umgibt. Gehalten werden sie von einem 650 t schweren Stahlgerüst.[1] Ohne visuellen Abschluss zum Dach und zu den Ecken wirkt die Fassade wie ein abgeschnittener bzw. das Gebäude unendlich umhüllender Stoff (Abb. unten).

Die Fassade erinnert an das 1964 erstellte American Cement Building am Wilshire Boulevard oder auch an andere spätmodernistische Experimente von Le Corbusier mit Betonfassadenelementen. Vor allem aber setzt sie einen klaren Kontrapunkt zu der silbrig glänzenden, skulpturalen Konzerthalle von Frank Gehry daneben. Es ist ein matter Kubus mit einer auf halber Höhe der Hauptfassade dezentrierten Einbuchtung – dem als Okulus bezeichneten Fensterauge (Abbildung und Grundriss).

Fenster in Anführungszeichen

Die Erwartung, die der Anblick der Fassade weckt – wie wird es hinter dem Auge beziehungsweise der eingedrückten Wand aussehen? –, führt zum eigentlichen Konzept des Museums: Der Besucher ist gleichzeitig Teilnehmer und Beobachter, Sehender und Gesehener. Es ist eine Erwartung, die grundsätzlich bei einer Verhüllung entsteht – man denke hier auch an Christo und Jeanne-Claude –, von aussen verborgen und von innen dann entzaubert.

Die norwegische Schriftstellerin und Kritikerin Victoria Bugge Øye hat diesen Okulus und die vielen kleinen schiessschartenartigen Fenster hinter der Honigwabenstruktur als «Fenster in Anführungszeichen» verstanden. Ihrer Ansicht nach stehen die transparenten Öffnungen für mehr als nur für ein Fenster. Enttäuscht steht man dann aber im Konferenzraum und sieht den Okulus von innen: eine einfache eingebuchtete Fassade. Auch die kleinen Fenster an zwei Seiten der Fassade dienen lediglich der Orientierung zum MOCA und zur Walt Disney Concert Hall, ohne einen Ausblick zu bieten.

Vom Dunkel ins Licht

Hinter dem Schleier der Museumslobby herrscht eine andere Atmosphäre. Der Vorhang zeigt sich selbstbewusst als eigenständiges Gebilde und setzt sich von der dahinter liegenden Glasfassade ab. Es entsteht ein schmaler Gang im Aussenraum. Dunkle, höhlenartig gewölbte Betonwände führen zum kleineren Ausstellungsbereich (mit 1300 m²) für zeitgenössische Kunst. Ein Tunnel mit einer schmalen, 32 m langen Rolltreppe führt durch eine kleine, lichtdurchflutete Öffnung ins 2. Obergeschoss. Der fast 4000 m² grosse stützenfreie Raum mit seinen 7 m hohen Decken, in dem flexible Ausstellungswände in einem 3 × 3-Meter-Raster beliebig installiert werden können, wird über 318 nördlich orientierte Oberlichter einheitlich mit Tageslicht beleuchtet (Abbildung).

Obwohl die Oberlichter den Waben der Aussenfassade ähnlich sind, erinnert der Gesamteindruck der Räume an das Eli Broad Museum des Los Angeles County Museum (LACMA), das Renzo Piano vor knapp sieben Jahren für dieselbe Sammlung fertiggestellt hat und bei der ebenfalls eine Rolltreppe ins Obergeschoss führt. Bei Diller Scofidio Renfro, die mit der lokalen Firma Gensler kooperierten, wird allerdings im Gegensatz dazu die Ankunft theatralisch inszeniert. Ein gläserner runder Aufzug, ebenso wie die Rolltreppe, lässt die Besucher im Zentrum des Ausstellungsraums wie aus dem Nichts auftauchen, sie scheinen sich inmitten eines Theaterstücks wiederzufinden. Auch hier geht es um das Sehen und Gesehenwerden.

Archiv als Schatzkammer

Das Konzept des Museums wird von den Architekten als «veil» (Schleier) und «vault» (Gewölbe/Tresor) umschrieben. Für die unzähligen nicht sichtbaren Werke der Sammlung wurde im mittleren Geschoss ein Depot – konzeptionell die Gewölbekammer – als Herzstück des Museums geschaffen. Diese Kammer kann der Besucher beim Verlassen des Obergeschosses über die Treppe durch zwei Fenster bestaunen. Es ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Sammlung, der ordentlich an Hängewänden des Depots aufgereiht ist. Die Decke der Eingangshalle bildet die Basis für die Tresorkammer. Auf diesen Eingeweiden im 1. Obergeschoss, dem Depot, der Administration und den Konferenzräumen, basiert das Museum. Denn die Schätze können nur teilweise in den Ausstellungsräumen betrachtet werden; dass noch viel mehr vorhanden ist, lässt das schnelle Erhaschen der Depotreihen erahnen.

Es ist eine neue Variante eines Schaulagers, wie es in Basel bereits 2003 von Maja Oeri und Herzog & de Meuron angedacht wurde. Während dort die Schätze nur den ausgewählten Kunstkennern zugänglich sind und in ihrer musealen Präsentationsform aufbewahrt werden, scheint Broad einen etwas anderen Weg gegangen zu sein. Sein Museum ist ein öffentliches Haus, das ohne Eintritt besucht werden kann, das aber durch seine Architektur der Verhüllung und der Einblicke in die archivarische Sammlung neugierig auf die Schätze in ihrer Gesamtheit macht. Damit animiert es auch zum erneuten Besuch. Während bei Herzog & de Meuron die Lagerung im Lehmbau demonstriert wird, ist es bei Diller Scofido Renfro das Schauen-Wollen und Eingeschränkt-Schauen-Lassen, das die Sammlung zum Objekt der Begierde macht.


Anmerkung:
[01] Ein Rechtsstreit mit der Ingenieurfirma Seele Inc., die für die Fertigstellung und Installation der wabenförmigen Paneele zuständig war, verzögerte den Eröffnungstermin um ein Jahr.

TEC21, Di., 2017.01.03

03. Januar 2017 Lilian Pfaff



verknüpfte Bauwerke
The Broad

Tanzen mit Mario Botta

An einen postmodernen Museumsbau anzubauen ist schwierig. Die norwegischen Architekten Snøhetta haben ein eigenständiges Volumen als Hintergrundkulisse erstellt, das im Innern mit dem Altbau verschmilzt.

Drei Jahre lang war das San Francisco Museum of Modern Art (SFMoMA) für die Erweiterung des Museums von Mario Botta geschlossen. Anlass der Expansion war das Versprechen von Donald Fisher, dem Gründer der Bekleidungskette Gap, 1500 seiner Kunstwerke dem Museum für 100 Jahre zu leihen. Zuvor hatte er 2007 erfolglos versucht, sein eigenes Museum in Presidio zu errichten.

Mit 16 000 m² bietet der Anbau nun dreimal mehr Ausstellungsfläche als das alte SFMoMA von Botta. Kostenpunkt: 305 Millionen Dollar (der Botta-Bau kostete 60 Millionen). Wichtige und bekannte Werke der Kunstgeschichte bilden die Blockbuster der Sammlung. So ist ein Stockwerk der deutschen Kunst von Richter, Polke, Kiefer, Gursky und Ruff gewidmet. Weitere 3000 Werke von Privatsammlern wurden in einer beispielhaften Kampagne als Geschenke oder Dauerleihgaben akquiriert. Nach einem internationalen Wettbewerb und einer zweijährigen Planungsphase wurden die norwegischen Architekten Snøhetta 2010 ausgewählt, um den Anbau auszuführen (weitere Finalisten: Adjaye Associates, Diller Scofidio Renfro und Foster Partners).

Erweiterung als Herausforderung

Anbauen an den Bestand ist besonders im engen Stadtgefüge von San Francisco eine Herausforderung. Als Bauplatz stand nur die Rückseite des Museums zur Verfügung – ein Parkplatz mit Feuerwehrzufahrt. Zu den Rahmenbedingungen für die norwegischen Architekten gehörten die Aufgabe, die Museumsfläche in einer wenig attraktiven Lage zu verdreifachen und das Museum besser in die Stadt und Öffentlichkeit zu integrieren, sowie die Frage, wie ein solch ikonischer postmoderner Bau überhaupt erweitert werden kann. Durch den neuen Eingang an der Seite und den Skulpturengarten im 2. Geschoss vor einer «Living Wall», einer mit 19442 (zu 40 % einheimischen) Pflanzen bestückten grünen Wand setzt sich die Architektur deutlich als eigenständiges Bauwerk ab.

Der Neubau orientiert sich mit seinen Öffnungen und der Terrasse im 7. Geschoss vor allem zur anderen, also entgegengesetzten Seite der Stadt hin. Er steht sozusagen Rücken an Rücken mit Mario Bottas Bau. Damit schaffen die Architekten lichtdurchflutete Treppenräume, die an Felsschluchten erinnern, weil sie sich nach oben immer weiter verjüngen, und drei Stockwerke mit administrativen Räumen, die zu beiden Seiten Fensterbänder haben.

Das Museum ist von zwei Seiten im Erdgeschoss öffentlich zugänglich. Auf der Seite des Snøhetta-Gebäudes befindet sich die Skulptur «Sequence» von Richard Serra, die man von Treppen aus Ahornholz aus überblicken kann. Auf der anderen Seite wurde im Botta-Gebäude das rotundenartige, dunkle und enge Treppenhaus entfernt und durch eine neue, ebenfalls skulpturale, aber offene Treppe ersetzt – nur die vier Säulen blieben als Reminiszenz übrig. Im ersten Stock treffen sich die beiden Häuser im Foyer des Museums. Aufzüge, im Neubau auch Treppen, führen in die sechs Ausstellungsgeschosse hinauf.

In den kleinen Studienmodellen wird deutlich, wie sich die Architekten um eine Positionierung zu Mario Botta bemühen. Craig Dykers von Snøhetta fasst es folgendermassen zusammen: «Beim Tanzen wollen Sie Ihren Partner nicht kopieren, Sie möchten ihn ergänzen, damit Sie sich nicht auf die Füsse treten.»[1] Was von aussen als zwei komplett getrennte Baukörper erscheint, die Rücken an Rücken aneinanderlehnen, wird im Innern vollkommen verzahnt und miteinander verschmolzen. Mit der Architekturtheoretikerin Sylvia Lavin gesprochen, die jüngst eine Theorie des «Kissing»[2] entwickelt hat, könnte die innere Verschmelzung den Kuss der ansonsten individuellen Charaktere verkörpern – denn es ist mehr als der blosse Tanz mit Mario Botta.

Wo der Alt- und wo der Neubau anfängt und aufhört, bemerkt man im Innern oftmals kaum, so gekonnt wurden die Materialien, Farben und Räume aufeinander abgestimmt. Das neue Gebäude ist mit einem Spalt vom alten Gebäude abgesetzt, was im 3. Obergeschoss durch ein kleines Fenster sichtbar und im Boden auf jedem Stock durch zwei Metallleisten gekennzeichnet ist. Dies war wegen der Erdbebensicherheit notwendig, damit sich die Gebäudeteile hin- und herbewegen können. Im Ernstfall klappen die Bodenplanken nach oben und öffnen den Spalt.

Mario Botta selbst ist der Meinung, die Architekten hätten seinen Bau nicht gewürdigt: «Das Gebäude, wie ich es entworfen habe, mass sich mit dem Himmel oder mit der Spitze des 30er-Jahre-Wolkenkratzers, der dahinter aufragt. Die Erweiterung jetzt wirkt wie eine stumme Wand, wie eine aufgeblähte Garderobe.»[3] Tatsächlich gehen die Meinungen der Kritiker weit auseinander, ob hier eine geeignete Anfügung geglückt ist oder ob man Snøhetta nicht besser eine Tabula rasa überlassen hätte, um einen Neuanfang zu wagen. Gerade die Zurücknahme des Neubaus wird oftmals als störend empfunden. Ausserdem wird der Verlust der boxartigen Innentreppe von Botta bemängelt. Wegen der grossen Anzahl Besucher (1.2 Millionen pro Jahr) war jedoch eine bessere Zirkulation durch das Haus notwendig, was mit dem alten Treppenhaus nicht möglich war.

Ausgeklügelte Lichtführung

Eine Gemeinsamkeit der beiden Architekturen ist die spezielle Behandlung des Lichts. Die Galerien im Neubau, von denen die ersten drei allein den 260 ausgestellten Werken der Doris und Donald Fisher Collection gewidmet sind, werden von einem ausgeklügelten künstlichen Lichtsystem erhellt. Es wirft keine Schatten und erzeugt ein angenehmes Licht, das man nicht wahrnimmt und das die Kunstwerke in ihrer Wirkung unterstützt. Alle technischen Details wie Feuermelder, Sprinklersystem und Klimaanlage wurden versteckt.

Die verschiedenen Sammlungen auf den Stockwerken erhalten ihre eigene Deckenausprägung. Die Decken in den ersten drei Etagen haben eine gewölbte Struktur, während sie in den beiden folgenden Geschossen flach sind. Im 7. Stockwerk mit der zeitgenössischen Kunst sind die technischen und konstruktiven Details an der Decke sichtbar. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Kuratoren wurden klare, unaufgeregte Räume im Dienst der Kunst entwickelt, die bis auf eine Wand im Zentrum des Neubaus alle flexibel wandelbar sind.

Naturphänomene als Inspiration

Schon in ihrem ersten international aufsehenerregenden Gebäude, dem Opernhaus in Oslo, versinnbildlichen Snøhetta einen Eisberg im Wasser. Theatralisch erhebt sich die Architektur über der Bucht. Damit der zehnstöckige Gebäudeblock des SFMoMA nicht nur als dienendes Bauwerk hinter jenem von Mario Botta steht und völlig unspektakulär verschwindet, haben sich die Architekten auch hier eine wirkungsvolle Fassade ausgedacht, die dem Bau seine eigene Identität verleiht. Die unregelmässig wirkende Faltung besteht aus über 700 unterschiedlichen, aus Fiberglas verstärkten, weniger als einen Zentimeter starken Polymerpaneelen (FRP), die das Museum als Curtain Wall umschliessen.

Je nach Lichteinfall scheinen sich ihre gefalteten horizontalen Bänder durch die jeweils andersartigen Licht- und Schattenwürfe zu verschieben. Durch die Beimischung von Sand aus der Monterey Bay im Süden von San Francisco wirkt die Fassade auch manchmal wie eine glitzernde Oberfläche. Die Vorlage für die klippenartige Fassadenformation hätten sie, so Architekt Craig Dykers, vor Ort von den aufziehenden Nebelwänden in San Francisco bekommen. Aber auch die spiegelnde Wasseroberfläche der Meeresbucht findet sich wieder. Die Natur oder der Nebel als Hintergrundkulisse zu Botta erzeugt, transferiert und abstrahiert Gefühle beim Betrachter. Man schaudert nicht vor dem Gebäude, empfindet es aber auch nicht als schön. Diese Ambivalenz macht die Qualität des Neubaus aus.


Anmerkungen:
[01] «You don’t want to copy your dance partner, you want to be complimentary to it so you don’t step on each other’s toes.» Craig Dykers von Snøhetta im Interview mit Dan Howarth, Dezeen 02.05.2015 (Übersetzung: Christof Rostert).
[02] Sylvia Lavin: Kissing Architecture, Princeton University Press, 2011.
[03] «The building, as I conceived it, compared itself either with the sky or with the top of the skyscraper dating back to the 1930s at its back. Now the expansion looks like a mute wall, an enlarged wardrobe.» Mario Botta in: Jenna McKnight «Postmodern architecture: San Francisco Museum of Modern Art by Mario Botta», Dezeen 10.08.2015 (Übersetzung: Christof Rostert).

TEC21, Di., 2017.01.03

03. Januar 2017 Lilian Pfaff

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