Editorial
Zwischen unserer Recherchereise Ende September 2015 und der Drucklegung dieses Hefts lagen Ereignisse, die Europa verändert haben: Die Anschläge vom 13. November in Paris und die anschwellenden Flüchtlingsströme. Seitdem wissen wir, dass kriegerische Konflikte kein Aussen mehr kennen. Sie sind Teil unserer Nachbarschaften nicht nur vor den Toren, sondern im Herz der Städte – die Exponenten der internationalisierten Konflikte wohnen unter uns.
Jüngst ist also die weitgerühmte europäische Stadt des 19. Jahrhunderts in den Blick geraten: Das Zentrum von Paris, die Einwandererquartiere im Brüsseler Molenbeek – oder das Antwerpener Borgerhout.
Die aktuellen Völkerwanderungen bestärken uns im Eintreten für eine durchmischte Stadt, die Paola Viganò und Bernardo Secchi, in ihren Vorschlägen zur Entwicklung von Antwerpen auch «poröse Stadt» genannt haben. Der mit diesem Begriff verbundene Aspekt der grundsätzlichen Offenheit und Durchlässigkeit einer Stadtstruktur hat heute an Brisanz gewonnen. Stadtentwicklung und Architektur leisten einen zentralen Beitrag zu einer sozialen Mischung der Bevölkerung als Basis für ein friedliches Miteinander: In der Banlieue genauso wie in der Kernstadt.
Der Antwerpener Ansatz zur Akupunktur in den dichtesten Stadtgebieten, dem labyrinthischen Borgerhout im östlichen Teil der Kernstadt oder dem Nachverdichten zwischen windigen Hochhausscheiben im Westen in der Banlieue am linken Ufer sind ein Schlüssel für eine Stabilisierung der sozialen Verhältnisse und die Möglichkeiten einer Partizipation der Bewohner an ihrer Stadt und deren Kultur.
Mit unvergleichlicher Unbefangenheit hat die aktuelle Architekturszene in Flandern die Bedingungen des Bauens akzeptiert und in fruchtbare Konzepte gegossen. Positionen wie diejenige von Bovenbouw (vgl. wbw 3 – 2013) sind eine wichtige Motivation für dieses Heft und ein formidabler Ansatz zur Aktualisierung der Realismus-Debatte, auch und gerade hier in der Schweiz.
Mit dem Heft zu Antwerpen setzen wir unsere Reihe der Städtehefte fort: Antwerpen ist nach Gent (wbw 7/8 – 2011) die nächste Reisedestination in Flandern, die man sich merken muss.