Editorial

Dieses letzte Heft unserer Akustik-Reihe greift einige aktuelle Entwicklungen der Akustik auf, die in der einen oder anderen Form für ­unseren Alltag von Bedeutung sein können. Zunächst stellen wir eine neue Genera­tion von computergenerierten schalldämpfenden Textilien vor, die mit minimaler Masse und minimalem Volumen unseren Büro- und Wohnalltag ruhiger und stressfreier machen können und dabei auch noch visuell attraktiv erscheinen.

Bei Büro- und Wohnräumen ist die Akustik ein Aspekt unter vielen, bei Konzertsälen ist sie jedoch ihre Raison d’être. Umso erstaunlicher ist es deshalb, dass sich etliche der grossen ­Musik­tempel als akustische Sündenfälle erwiesen. Dazu gehörte bis vor Kurzem auch die Tonhalle in St. Gallen, in der die Mehrzahl der Besucher wegen der speziellen Bündelung der Schall­ausbreitung nur einen Ausschnitt der gebotenen Tonfülle hören konnte. Unser Beitrag zeigt, wie dieses Problem mit den Mitteln der modernen Akustik behoben werden konnte und welchen gestalterischen Mehrwert die getroffenen Massnahmen in die ehrwürdige Halle einbringen.

Nicht nur im Konzertsaal, auch im Kino spielt die Akustik eine tragende Rolle. Hier zeichnen sich auch in peripheren Lagen realistische Chancen für profilierte kleine Lichtspieltheater ab.

Die Vielfalt der heute für die akustische Raum­gestaltung verfügbaren Materialien und Technologien illustrieren drei neue Kinoprojekte in unterschiedlichen Regionen. Die Beispiele zeigen ­insbesondere das gestalterische Potenzial sowohl neuer als auch traditioneller Akustikmaterialien.

Aldo Rota

Inhalt

7 WETTBEWERBE
Ausschreibungen/Preise | Tageslicht-Award 2014
Das Licht der Sonne nutzen

10 PANORAMA
Walter Zschokke. Texte | Das Spital wird zum Patienten | Mehrwert durch Fasern

14 VITRINE
Im Einklang – Produkte für eine gute Raumakustik

16 REVIDIERTE NORM
SIA 264 Stahl-Beton-Verbundbau | Vergabe­politik gestalten | Beitritte zum SIA im 4. Quartal 2013

21 VERANSTALTUNGEN

22 MATERIAL UND AKUSTIK

22 AKUSTIKMATERIALIEN AUS DEM COMPUTER
Reto Pieren
Mit Modellrechnungen ent­wickelte Vorhänge revolutionieren die Schalldämpfung in Büros und Wohnungen.

26 DER GUTE TON IN ST. GALLEN
Aldo Rota
Dank dem Konzept eines spanischen Akustikers ­erklingt in der Tonhalle die Musik jetzt ohne akustisches Störfeuer.

30 JETZT IM KINO
Aldo Rota
Auch in kleinen Kinosälen ist eine sorgfältige akustische Gestaltung Voraussetzung für ungetrübten Filmgenuss.

32 AUSSCHREIBUNGEN

33 STELLENINSERATE

37 IMPRESSUM

38 UNVORHERGESEHENES

Akustikmaterialien aus dem Computer

Für die Schalldämpfung in Innenräumen braucht es nicht immer dicke Akustikplatten. Mithilfe von Computersimulationen entwickelt die Empa einfache Alternativen. Als erste Ergebnisse sind lichtdurchlässige und leichte Vorhänge mit sehr gutem Dämpfungsverhalten erhältlich.

Bitte nicht so laut! Die Dämpfung von unerwünschtem Schall, anders gesagt: Lärm, ist seit der Antike eine der wichtigsten Aufgaben der Raumakustik. In der Moderne hat sich die akustische Belästigung der Menschen akzentuiert: Verschluckten früher dicke Teppiche, Vorhänge, Polster und Ornamente die Schallwellen, so werden sie heute von Betonwänden und Fenstern reflektiert und ungedämpft in praktisch leeren Zimmern verbreitet.

Um den Schallpegel zu reduzieren, haben die Akustiker die Funktion der schweren Textilien und Möbel an spezialisierte Schallabsorptionselemente und Materialien delegiert. Um ihre Aufgabe zu erfüllen, benötigen diese Schallschlucker allerdings ein gewisses Volumen und teilweise auch Gewicht. Bei Architekten sind sie daher alles andere als beliebt.

Vorhänge gegen den Lärm Doch es gibt auch alternative Ansätze für die Schalldämpfung, wie neue Forschungsarbeiten und Entwicklungen an der Empa zeigen. Wesentliche Impulse liefert dabei die computerbasierte Modellierung der Akustikmaterialien. In einem KTI-Projekt[1] entwickelte die Empa zusammen mit der Textildesignerin Annette Douglas einen neuartigen Akustikvorhang. Neu daran ist, dass die Textilien leicht und lichtdurchlässig sind und trotzdem hervorragend Schall absorbieren. Eine solche Kombination galt unter Fachleuten bis anhin als utopisch. Die Entwicklung dieses Textils in gerade einmal zwei Jahren war nur dank der Computermodellierung möglich.

Wozu Computermodelle?

Bisher arbeiteten die Entwickler neuer Akustikmaterialien meist nach dem Trial-and-Error-Prinzip – sie erstellten viele Prototypen und massen deren akustische Eigenschaften aus. Der grosse Produktions- und Messaufwand trieb die Entwicklungskosten in die Höhe. Ausserdem liess sich bei komplexen Strukturen mit vielen freien Parametern eine Lösung nur durch Zufall finden – das Risiko, dass eine innovative Entwicklung scheitert, war gross.

Deshalb setzt die Technik heute bei der Dimensionierung und Entwicklung von Materialien für akustische Anwendungen auf Rechenmodelle. Der Computer simuliert das akustische Verhalten der Strukturen und erlaubt es, virtuell tausende Varianten eines Materials effizient zu konstruieren und auf ihre Funktionstüchtigkeit hin zu testen. In einem Optimierungsprozess kann man so umfangreiche Parameterstudien durchführen und die Wirkungsweise eines Materials besser erkennen. Dabei ist es schwierig, für die Kommunikation zwischen Hersteller und Designer des Materials und dem abstrakten Rechenmodell geeignete Designparameter, also eine gemeinsame Sprache, zu finden. Meist verwendet man mechanische und geometrische Parameter; für poröse Materialien werden dabei Poren bis in den Mikrometerbereich simuliert. Da das Computermodell nur ein abstraktes Abbild der Realität darstellt, ist es wichtig, das Modell mit punktuellen Messungen an realen Materialproben zu validieren und gegebenenfalls zu verfeinern.

Simulieren geht über Probieren

Die Modellierung des schallabsorbierenden Vorhangs geht von der Analogie von mechanischen, akustischen und elektrischen Vorgängen aus. Die mechanischen und akustischen Strukturen wurden für das Modell in ein elektrisches Netzwerk übersetzt (Kasten S. 25).

Der Durchtritt von Schall durch ein Textil entspricht in erster Linie dem Durchströmen von Luft durch das Textil. Im elektrischen Modell werden die diesen Luftströmen entgegengesetzen Strömungswiderstände als elektrische Widerstände im Stromkreis dargestellt. Vereinfacht betrachtet ergeben kleine Poren im Textil einen hohen Durchströmwiderstand für die Luft, was einem hohen elektrischen (ohmschen) Widerstand im Modell entspricht. Sind unterschiedliche Gewebe in einem Vorhangaufbau kombiniert, ist für jedes einzelne der entsprechende Widerstand ins Netzwerk einzusetzen.

Der auftreffende Schall regt den Vorhang aber auch zum mechanischen Mitschwingen an. Ähnlich einer Lautsprechermembran wird der Schall auf der Gegenseite wieder ungedämpft abgestrahlt. Das System des bei Schallanregung schwingenden Vorhangs verhält sich frequenzabhängig und wird in der Simulation durch eine elektrische Spule abgebildet. Die ersten Simulationen haben gezeigt, dass das Mitschwingen des Vorhangs bei leichten Textilien nicht vernachlässigbar ist.

Weitere Aspekte des Vorhangs lassen sich in ähnlicher Weise abbilden und ins Modell einbauen. Dieses elektrische Netzwerk wurde dann in eine Software implementiert. Dabei berücksichtigt das vollständige Modell sowohl den makroskopischen Aufbau des Vorhangs als auch die mikroskopische Struktur der Gewebe. Die Simulationsrechnungen haben denn auch gezeigt, dass für eine optimale Schalldämpfung die Mikroporen im Gewebe bezüglich Grösse, Form, Art und Menge optimiert werden müssen. Aus diesen Anforderungen entwickelten die Forscher an der Empa für die Textilfachleute eine Art «Rezept», einen Bauplan des angestrebten akustischen Gewebes. Dieser Bauplan wurde in ein echtes Gewebe umgesetzt, und dabei entstand eine 3-D-Gewebekonstruktion aus bis zu fünf unterschiedlichen Garnarten, die inzwischen im Handel erhältlich ist.[2]

Schall und Materie: die Grundlagen

Das Verständnis der Wirkungsweise akustischer Materialien – und in der Folge die Entwicklung neuer Produkte – erlebt gegenwärtig dank der Computermodellierung einen Quantensprung. Nichtakustiker könnten angesichts einer sich abzeichnenden neuen Generation von Akustikmaterialien die Übersicht verlieren. Für das Verständnis der Tragweite der neuen Entwicklungen in der Akustik kann deshalb eine kurze Rekapitulation der physikalischen Grundlagen hilfreich sein. Bei der Interaktion von Schall und Material treten drei physikalische Phänomene gleichzeitig auf: Reflexion, Transmission und Absorption.

Reflexion: Beim Rückwurf des Schalls wird je nach Frequenzbereich und Modellvorstellung zwischen spiegelnder oder streuender Reflexion unterschieden. Dabei sind die Grösse des Reflektors und dessen Oberflächenstruktur wichtige Parameter. Massgebend ist die Strukturtiefe im Vergleich zur interessierenden Wellenlänge. Die Schallreflexion ist in der Akustik von Räumen von zentraler Bedeutung.

Transmission: Unter Transmission versteht man die Übertragung von Schall durch Materialien. Trifft Luftschall auf feste Materialien, wird das Bauteil in Schwingung versetzt. Diese Schwingung führt auf der Rückseite – ähnlich einer Lautsprechermembran – dazu, dass Luftschall abgestrahlt wird. Das Bauteil ist eine Art «Damm» zwischen zwei Lufträumen; die akustische Wirkung wird entsprechend als Schalldämmung bezeichnet. Für monolithische Trennbauteile ist die Schalldämmung wesentlich durch die flächenbezogene Masse gegeben. Die Schwingung des Bauteils gehorcht dem newtonschen Bewegungsgesetz, und daraus folgt in erster Näherung: je grösser die Masse, desto grösser die Dämmwirkung. Durch mehrschichtige Aufbauten mit mechanischer Entkopplung lässt sich die Schalldämmung in bestimmten Frequenzbereichen erhöhen. Die Akustik fokussiert heute auf die Entwicklung von Prognosemodellen für die Schalldämmung von komplexen Wand- und Deckenaufbauten.

Dämpfung: Nicht zu verwechseln mit der Dämmung ist die Dämpfung von Schallwellen. Bei der Dämpfung oder Absorption wird ein Teil der Schallenergie in Wärme umgewandelt. Dämmung und Dämpfung unterscheiden sich phänomenologisch und energetisch voneinander. Ein Absorber (Dämpfer), der 90 % der Schallenergie in Wärme umwandelt, ist ein «guter» Absorber. Wenn hingegen bei der Transmission immer noch 10 % der Energie ein Bauteil (Damm) passieren, kann von Dämmung eigentlich nicht die Rede sein. Auch alltägliche Trennbauteile dürfen höchstens einen Bruchteil eines Promilles der einfallenden Schallenergie übertragen.

Welcher Absorber für welchen Schall?

Die Justierung der Schallabsorption ist für die Raumakustik entscheidend. Tiefe Frequenzen werden meist mit Membranabsorbern (Plattenresonatoren) oder Helmholtz-Absorbern gedämpft. Erstere sind schallharte, frei schwingenden Membranen, die nach dem Masse-Feder-Prinzip funktionieren. Letztere bestehen aus einem Luftvolumen, das über einen dünnen, akustisch bedämpften Hals an den Raum angeschlossen ist. Das Prinzip des Helmholtz-Absorbers ist auch im Mitteltonbereich wirksam, häufig in Form von perforierten oder geschlitzten Holzverkleidungen.

Für die Absorption von mittleren und hohen Frequenzen eignen sich poröse oder mikroperforierte Materialien am besten. Hier kommt es vor allem darauf an, dass der Schall ins Material eindringen kann. Bewährt haben sich u. a. Schaumstoffe, Akustikputz, Textilien oder (thermische) Dämmstoffe wie Glas- oder Steinwolle. Wie wirksam diese Absorber sind, hängt von ihrer Dicke und Mikrostruktur sowie ihrem Abstand von der Raumbegrenzungsfläche (Wand) ab. Indem man unterschiedliche Materialien auf geeignete Weise übereinanderschichtet, kann man die Absorption effizienter gestalten und über ein breiteres Spektrum auslegen.


Anmerkungen:
[01] KTI-Projekt Nr. 10675.1 PFIW-IW.Projektpartner: Empa Akustik/Lärmminderung, www.empa.ch/akustik Annette Douglas Textiles, textile design, www.douglas-textiles.ch Weisbrod-Zürrer AG, weaving company, www.weisbrod.ch
[02] Erhältlich beispielsweise bei Pfister (www.pfister.ch/de/aufmass_vorhaenge_akustik.html)
[03] «Silent Space» von Annette Douglas Textiles AG. www.douglas-textiles.ch

TEC21, Fr., 2014.03.07

07. März 2014 Reto Pieren

Der gute Ton in St. Gallen

In der St. Galler Tonhalle verdarb die problematische Akustik bis 2009 manches Musikerlebnis. Seither verteilen Schalldiffraktoren an der Decke den Klangstrom und verschaffen allen im Saal ungetrübten Hörgenuss.

In der Blütezeit der St. Galler Stickereiindustrie um 1900 erstellte der Architekt Gottfried Julius Kunkler (1845–1923) im Auftrag eines privaten Trägervereins zwischen 1906 und 1909 die Tonhalle St. Gallen.Die Gebäudehülle im Stil eines französischen Gartenschlosses kaschiert eine damals hochmoderne Eisenbeton-Tragkonstruktion von Robert Maillart (1872–1940). Trotz einigen Anpassungen und Erweiterungen ist die Bausubstanz, insbesondere die Tragkonstruktion, bis heute unverändert erhalten geblieben. Ihr heutiges äusseres und inneres Erscheinungsbild erhielt die Tonhalle bei der umfassenden Restaurierung und Modernisierung von 1990–1993, als auch ein Glas-Stahl-Anbau für ein Restaurant dazukam.

Das Kreuz mit der Akustik

Klagen über die problematische Akustik zogen sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte der Tonhalle St. Gallen, und alle bisherigen Umbauten hatten nichts daran geändert. Das Hauptproblem war, vereinfacht gesehen, dass die Kuppel über der Bühne den Schall des Orchesters sehr ungleichmässig reflektierte und verteilte; das konnte auch zu extremer Fokussierung des Schalls im Bühnenbereich führen, sodass selbst gesundheitliche Schäden für die Musiker nicht auszuschliessen waren – während gleichzeitig die Musik im Saal schlecht wahrnehmbar war.

Nach einigen Voruntersuchungen beschloss schliesslich das Hochbauamt der Stadt St. Gallen als Bauherr eine grundlegende akustische Sanierung der Tonhalle im Bühnenbereich und schrieb im April 2009 einen entsprechenden Studienauftrag auf Einladung aus. Die eingeladenen fünf Architekturbüros wurden verpflichtet, für ihre Arbeit bereits im Projektstadium namhafte Akustiker beizuziehen. Ein Schalldiffraktor als Lösung

Das Beurteilungsgremium empfahl einstimmig das Projekt des Planungsteams Bosshard Vaquer Architekten in Zusammenarbeit mit dem spanischen Akustiker Higini Arau zur Weiterbearbeitung und Ausführung. Viele Akustiker äusserten aber Zweifel an der Wirksamkeit des von Arau vorgeschlagenen Schalldiffraktors, sodass die Ausführung des Projekts fraglich schien.

Bisher war erst ein Schalldiffraktor nach Araus Vorstellungen realisiert worden: zwei Jahre zuvor in einem Probesaal des «Gran Teatre del Liceu» in Barcelona. Als Entscheidungshilfe reiste die Bauherrschaft nach Barcelona, um die Wirkung dieser Installation vor Ort zu begutachten. Mit dabei waren auch drei erfahrene Orchestermusiker mit ihren Instrumenten.

Diese Reise war der Wendepunkt im Projektablauf: Nur wenige Minuten brauchten die drei Musikprofis zu spielen, und es wurde klar, dass Araus Konzept die Lösung war. Der Vergleich mit einem identischen Saal ohne Diffraktor bestätigte diesen Befund: Der Saal mit dem Diffraktor erscheint akustisch doppelt so gross. Dieser in St. Gallen dann tatsächlich auch eintretende Effekt beruht auf der Verdoppelung der Nachhallzeit – auch das Volumen der Tonhalle schien nach dem Einbau des Diffraktors verdoppelt.

Vergoldete Platten gegen Schall

In der Folge entstand eine eindrückliche und doch luftig und filigran wirkende Konstruktion am gewölbten Himmel über der Bühne: eine schwebende, dezent strahlende goldene Wolke. Dabei wird die akustische und visuelle Wirkung mit einfachen Mitteln, ohne hochgezüchtete Hightechmaterialien erzielt: Als eigentliche Schalldiffraktoren fungieren 96 periodisch in einem orthogonalen Raster angeordnete, einzeln vertikal aufgehängte rechteckige Platten aus handelsüblichem Brettschichtholz. Ihre Funktion ist nicht die Dämpfung, sondern die Reflexion, Umlenkung und Verteilung des Schalls. Dass die Holzplatten rundum mit Blattgold beschichtet sind, hat ästhetische Gründe – die durchaus zu einem ansprechenden visuellen Raumeindruck geführt haben – und ist für die Akustik nicht relevant.

Die goldenen Holzplatten werden jeweils in Vierergruppen von einer Mobile-artigen, aufgehängten Tragkonstruktion aus Flachstählen mit drei Ebenen gehalten. An der unteren Ebene sind auf Höhe der Diffusorplatten auch die neuen Leuchten angebracht. Das gesamte «Mobile» ist, auch mithilfe einiger Gewichte auf den Trägern, sorgfältig austariert und stablilisert.

Die über zwei Tonnen wiegende Wolke ist mit drei Zugstäben an einem Fachwerkquerträger der ursprünglichen Dachkonstruktion aufgehängt. Einer der Fachwerkträger der Dachkonstruktion über der Bühne ist doppelt ausgeführt; im Zwischenraum dieses Doppelträgers wurde ursprünglich der schwere Vorhang aufgezogen. An diesem doppelten Träger ist der Diffraktor abgehängt. Die statische Überprüfung zeigte, dass seine Tragsicherheit dafür ausreicht.

Flankierende Massnahmen

Die allgemein geschätzte Verbesserung der Raumakustik ist aber nicht ausschliesslich dem Einbau des Diffraktors zuzuschreiben. Flankierende Massnahmen tragen einiges zum Gesamtresultat bei, darunter vor allem der Umbau der Bühne, die jetzt generell niedriger ist. Bei baulichen Massnahmen in diesem Bereich musste auch beachtet werden, dass die Bühne auf einem Stahlbeton-Kuppelgewölbe steht, das wie die übrigen Tragkonstruktionen von Robert Maillart entworfen wurde und nicht verändert werden durfte. Unter diesem Gewölbe ist nach wie vor ein stimmungsvoller kleiner Saal eingerichtet, der separat oder als Erweiterung des Hauptsaals genutzt werden kann.

Als weitere Massnahmen zur Optimierung der Konzertakustik sind die ursprünglich glatten Rück- und Seitenwände der Bühne mit Holzverkleidungen versehen worden, die dank ihrer unregelmässigen Geometrie als Diffusoren wirken und Flatterechos verhindern. Ebenfalls zum Zweck der Schallwellendiffusion erhielt die zuvor ungesicherte Empore hinter der Bühne eine massive, unregelmässig zusammengesetzte Holzbalustrade.

Der Diffraktor funktioniert wirklich

Der Aufwand für den Einbau des Diffraktors hat sich offenbar gelohnt: Endlich können die Musiker jetzt ungestört musizieren, hören, wie die anderen Orchestermitglieder spielen, und sie müssen ihr Gehör nicht mehr aufs Spiel setzen. Und für das Konzertpublikum im Saal klingt es einfach besser, an jedem Platz, bei jeder Musik. Oder, wie es Projektleiter Andreas Schneiter formuliert: «Eine Flöte beispielsweise klingt jetzt noch ‹flötiger›.»

TEC21, Fr., 2014.03.07

07. März 2014 Aldo Rota

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