Editorial

Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd.

Strömt von der hohen,
Steilen Felswand
Der reine Strahl,
Dann stäubt er lieblich
In Wolkenwellen
Zum glatten Fels,
Und leicht empfangen
Wallt er verschleiernd,
Leisrauschend
Zur Tiefe nieder.

Ragen Klippen
Dem Sturz entgegen,
Schäumt er unmutig
Stufenweise
Zum Abgrund.

Im flachen Bette
Schleicht er das Wiesental hin,
Und in dem glatten See
Weiden ihr Antlitz
Alle Gestirne.

Wind ist der Welle
Lieblicher Buhler;
Wind mischt vom Grund aus
Schäumende Wogen.

Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!

Johann Wolfgang von Goethe
«Gesang der Geister über den Wassern», Schweiz 1779

Ende Oktober ging in Basel der gemeinsam vom BSLA und der IBA Basel 2020 veranstaltete Landschaftskongress 2013 «Blau vernetzt» vor ausverkauftem Haus erfolgreich über die Bühne. Zurück bleiben drei wesentliche Erkenntnisse: Erstens kann der Wasserhaushalt nur grossmassstäblich entwickelt werden. Zweitens müssen Projekte in diesem dynamischen Arbeitsfeld künftig noch stärker transdisziplinärer erarbeitet werden. Drittens brauchen wir einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Umgang mit Wasser.

anthos begleitet den Anlass als Medienpartner. Im Folgenden präsentieren die Referenten des Kongresses ihre Ansätze, Visionen und konkreten Projekte. Herausragende internationale Realisierungen ergänzen die Kongressbeiträge, die mit einem blauen Wasserband am unteren Seitenrand gekennzeichnet sind. Viel Vergnügen!
Sabine Wolf

Inhalt

Landschaftskongress 2013: Programm / Zwischenrufe zur Landschaft 2013
Sébastien Marot: Fragmentarische Gedanken über die Hydrosphäre
Herbert Dreiseitl: Blau-grüne Infrastrukturen
Projekt IBA Basel 2020: «Landschaft x Fluss = Wiesionen2»
John Aubert et Marco Rampini: Y-Parc, Yverdon-les-Bains
Stefan Kunz: Ran ans Wasser! Streiflicht durch 120 Jahre Gewässerschutz
Projekt IBA Basel 2020: «Birspark Landschaft»
Marco Kaufmann: Vernetzungsprojekt Fliessgewässer
Klaus Michor: Lebensader Obere Drau
André Seippel und Johannes Abegg: Lebendige Sure
Hans-Peter Hadorn: Wasser als Wirtschaftsfaktor
Projekt IBA Basel 2020: «Rheinufer»
Antje Stokman: Entwerfen grossräumiger Wasserlandschaften
Projekt IBA Basel 2020: «Kiesgruben 2.0»
Florian Glowatz-Frei: Am Strand von Rheinfelden
Aline Oertli: Wasserspielplatz «Gwunderwasser»
Matthias Krebs und Sabine Kanne: Leitbild Naherholung Töss
Frédéric Fourreau et Loïc Mareschal: Ströme und Flüsse, die neuen urbanen Landmarken

Y-Parc, Yverdon-les-Bains

Anstatt den einzelnen Unternehmen Auflagen zur Freiraumgestaltung zu machen, werden auf dem ­Gelände des Technologieparks Y-Parc die ökologischen Flächen und offenen Entwässerungskanäle als Gesamtprojekt gestaltet. Die Aussenanlagen dieser Gewerbezone im Werden erhalten so eine dauerhafte Struktur, ein zusammenhängendes grün-blaues Gerüst.

Yverdon-les-Bains verfügt über den ersten und grössten Technologiepark der Schweiz: Y-Parc, 50 Hektare der Innovation gewidmete Fläche mit einer Aufnahmekapazität für 9000 Arbeitsplätze. Zurzeit beschäftigen dort 120 schweizerische und internationale Unternehmen mehr als 1000 Personen. Das städtebauliche und landschaftliche Projekt für das Gelände soll langfristig das Funktionieren der Anlage und die Qualität ihrer Freiräume sichern. Ziel ist es, auch Unternehmen mit hohen Ansprüchen an eine attraktive Umgebungsgestaltung gerecht zu werden. Um den landschaftlichen Rahmen für Y-Parc zu schaffen, wurde bewusst auf die Elemente Wasser und Natur gesetzt sowie auf die räumliche Grosszügigkeit des gemeinschaftlichen Freiraums.

Landschaft als städtebauliches Gerüst

Y-Parc entstand aus dem Nichts auf landwirtschaftlichen Flächen. Der Geist des Ortes entspringt der umgebenden Landschaft: Die Jura-Bergkette überragt die flache, geometrisch geteilte Flussebene des Orbe, eine weite und intensiv genutzte Fläche. Das Gelände wird von der Autobahnbrücke und ihren Böschungen umfasst und durch die Eisenbahnlinie begrenzt.

Ein 900 Meter langer Kanal durchquert die Anlage und begründet ihre räumliche Struktur. Den Kanal begleitet eine mit Bäumen bestandene, mit Bänken und Tischen versehene Promenade. Quer zum Kanal angelegte Gräben ergänzen das Wassersammelsystem und teilen das Gelände in langgestreckte Bauparzellen. Durch die landschaftliche Gestaltung und die Grösse des Areals entsteht insgesamt eine ökologisch wertvolle Einheit. Ein öffentlicher Platz in zentraler Lage ist vorgesehen: Knotenpunkt der verschiedenen Transportmittel, gemeinschaftlicher Parkplatz mit P + R-Flächen und den lokalen Dienstleistungen.

Der Kanal und die Promenade lenken den Blick in die Weite, während Gräben und Zugangswege die Perspektive Richtung Jura freimachen. Kanal, Gräben, Strassen und Baumreihen nehmen die grundlegenden Gestaltungselemente der Orbe-Ebene auf: Geometrie, Geradlinigkeit, Flachheit. Sie entsprechen dem Massstab des Ortes, er ist weit und durchgehend. Dank der klaren Struktur sind Regenwasser- und Verkehrsflüsse sowie ein rationeller Parzellenzuschnitt gewährleistet. Die Verbindungen von Y-Parc mit der Ebene werden über bestehende Elemente hergestellt. Landwirtschaftswege gehen über in bepflanzte Promenaden oder in den Fussweg am Hang der SBB-Linie.

Die Kunst vorausschauend zu gestalten

Die Gebäude des Technologieparks müssen die Bedürfnisse der sich ständig weiterentwickelnden industriellen Produktion erfüllen. Die Landschaftsarchitektur dagegen schafft eine öffentlich zugängliche und dauerhafte Grundstruktur, die gemeinschaftlich unterhalten wird. Die volle Entwicklung eines solchen Technologieparks dauert viele Jahre. Seine öffentlichen Räume wurden zu Beginn erstellt, um auch die ersten sich ansiedelnden Unternehmen gebührend zu empfangen. Diese im Voraus an einem unberührten Ort gebaute landschaftliche Struktur definierte das Grundgerüst des Gesamtprojekts. Heute ist Y-Parc von seinen öffentlichen Räumen mit den gewünschten landschaftlichen und ökologischen Qualitäten auch visuell geprägt.

Die Natur machen lassen

Sparsam eingesetzte Mittel und die natürliche biologische Vielfalt produzieren gemeinsam die urbane Landschaft. Kanal und Gräben blieben nach ihrem Bau unbehandelt. Das damit zur Verfügung gestellte Substrat wurde in erstaunlicher Geschwindigkeit spontan von der Natur besiedelt. Vielfältige wassergebundene Ökosysteme entwickelten sich. Die Tierwelt folgte mit Zug- und Raubvögeln, Amphibien, Libellen und weiteren. Mit grossflächiger Bodenvorbereitung und üppiger Pflanzung griff das Projekt auf land- und forstwirtschaftliche Methoden zurück. Es ist langfristig ausgelegt und arbeitet mit den natürlichen Prozessen, nicht gegen sie. Diese Herangehensweise findet sich auch bei den verwendeten Materialien: Beton mit Besenstrich für die Promenade, Wege mit wassergebundenen Decken, Spundbohlen als Stütz­elemente, glatter Beton für die Ausstattung. Es wurden einheimische Arten verwendet – Eichen, Weiden, Spitzblättriger Ahorn, Erlen – und zahlreiche ungeschnittene Strauchhecken gepflanzt. Die Anlage wurde zur Zertifizierung als Naturpark bei der Stiftung Natur und Wirtschaft angemeldet.

Ein beispielhaftes Projekt?

Die öffentlichen Freiräume Y-Parcs wurden von der Eigentümergemeinschaft, bestehend aus der Stadt Yverdon, der kantonalen Versicherung ECA und dem Kanton Waadt, finanziert. Als Gegenleistung für diese Vorinvestition, und da von einer rationellen Bodennutzung ausgegangen wird, wurde die Nutzungsdichte der Fläche verdoppelt. Wenn es auch noch zu früh ist, um den Einfluss der öffentlichen Anlagen auf die privaten Investitionen abschliessend zu beurteilen, so ist doch bereits klar, dass die Neubauten eine deutlich höhere Dichte erreichen und von besserer Qualität sind, als die vorhergehenden. Das ist ermutigend.

Y-Parc wird zu einem lebendigen und vielfältigen Quartier werden. Der Bau einer RER-Station (regionaler Schnellzug) ist vorgesehen, mit dem dieser Entwicklungsschwerpunkt mit Tausenden Arbeitsplätzen und den 3000 Einwohnern des Stadtviertels Pierre de Savoie endgültig alle Funktionen anbietet. Die heute im Voraus geschaffenen Freiräume werden dann voll genutzt und zur hohen sozialen und landschaftsarchitektonischen Qualität des Ganzen beitragen. Mit Y-Parc möchten wir zeigen, dass die städtebauliche Planung eine ganz andere Gestaltung zukünftiger Städte vorausdenken kann und dass die Landschaftsarchitektur diesen eine dauerhafte Form gibt.

anthos, Mo., 2013.11.25

25. November 2013 John Aubert, Marco Rampini

Am Strand von Rheinfelden

Anfang 2013 wurde der Stadtpark Ost in Rheinfelden eröffnet. Seither freuen sich nicht nur Badenixen und Sandburgarchitekten, sondern auch Storch, Eidechse und Wildbiene über die Vorzüge dieser Anlage.

2009, zu Beginn der Projektierung, wurden wir mit einer Fülle von Bedürfnissen und Wünschen an die Parkanlage konfrontiert. Einerseits gab es Richt­pläne, städtebauliche Planungen und ein Parkpflegewerk der Hager Partner AG, auf der anderen Seite mehr oder weniger lautstarke, sich oft widersprechende Rufe nach (Abenteuer-)Spielplätzen, Storchhabitaten, viel Ruhe für den Kurbetrieb und einiges mehr. Eine Synthese aus einer angemessenen, die Geschichte und Stimmung des Ortes berücksichtigenden Gestaltung und den ausgesprochen vielfältigen Nutzungsansprüchen war gefragt. Ein breit ab­gestütztes Mitwirkungsverfahren, in dem frühzeitig alle wichtigen öffentlichen und privaten Betroffenen einbezogen wurden, war der Schlüssel zum Erfolg. Unter der professionellen Leitung einer erfahrenen Moderatorin wurden die einzelnen Themen in Workshops ergebnisoffen diskutiert und so die erforderlichen Kompromisse erzielt. Um die gestalterische Qualität zu gewährleisten, wurde als Grundlage ein starker Rahmenplan skizziert, in dem unverhandelbare Elemente definiert waren. Am Ende des halbjährigen Verfahrens lagen Pläne zur Umsetzung auf dem Tisch, die für die allermeisten Beteiligten sehr zufriedenstellend waren. Die positive Folge war, dass das Projekt sämtliche politischen und administrativen Hürden ohne Verzögerungen genommen hat.

Wasser

Wasser ist ein ausserordentlich identitätsstiftendes Element für den Stadtpark. Einerseits liegt der Ursprung der Anlage im Kurbetrieb des Solebads. Andererseits markiert der Rhein eindrucksvoll den gesamten nord-westlichen Parkabschluss. Ob die noblen Kurgäste früherer Zeiten sich in das kühle Nass des Rheins wagten, ist zu bezweifeln. In der historischen Anlage, soweit sie dokumentiert ist, gab es jedenfalls keine Möglichkeiten dazu. Aus heutiger Sicht drängte es sich aber geradezu auf, einen grosszügigen Rheinzugang als neues prägendes Parkelement zu schaffen.

Der richtige Massstab orientierte sich an der städte­baulichen Relevanz in Bezug zur angrenzenden Altstadt, den Volumen der benachbarten Gebäude sowie der Dimension der Parkanlage. Es entstand eine Stufenanlage, die mit 60 Metern Länge zu den übrigen Spielern des Ensembles passt. Den landseitigen Halt bildet eine platzartige, ulmenbestandene Aufweitung des Uferweges mit Tischen, Bänken und Brunnen. Den gesamten süd-östliche Parkteil gestalteten wir als grosse offene, leicht terrassierte Wiesenfläche, die in ihrer Weite ein starkes Gegengewicht zum Rheinzugang darstellt.

Schliesslich tragen die Wahl der Materialien und die Möblierung zur dezent noblen Stimmung eines Kurparks bei. Für die vorfabrizierten Betonelemente, die Stufen, Bänke, Tische, Trinkstelen und Belagsabschlüsse wurde ein heller, stark gestrahlter Kalksteinbeton gewählt, der in seinem Erscheinungsbild an den Kalkstein der Gegend anknüpft. Für alle Bodenbeläge kam heller Kalkmergel zum Einsatz.

Dynamik

Im Stadtpark Rheinfelden sahen wir die natürliche ­Dynamik und Gestaltungskraft des Wassers nicht nur als zu bändigende Gefahr, der mit einer robusten Gestaltung beizukommen ist. Vor allem erschien sie uns als grosse Chance für die weitere Parkentwicklung.

Und tatsächlich: Nach dem Rückgang des Hochwassers vom Juni 2013 gab der Rhein eine schöne Überraschung preis – entlang der Stufenanlage liegt nun eine Sandbank, die den ohnehin schon beliebten Ort am Wasser zu einem feinen Sandstrand macht. Gespannt freuen wir uns, was der Fluss mit der nächsten Flut bringt oder nimmt.

anthos, Mo., 2013.11.25

25. November 2013 Florian Glowatz-Frei

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