Editorial

Im Alltag wird unter «Risiko» oft «gefühlte» Gefahr verstanden. Jeder Mensch trifft täglich mehr oder weniger bewusst Entscheidungen, und jede enthält Risiken und Chancen. Jeder hat sein subjektives Empfinden und seine persönliche Haltung gegenüber Risiken. Dabei zählt nicht, wie gross Risiken tatsächlich sind, sondern als wie gross wir sie empfinden – was zu einem grossen Teil von Erfahrungen abhängt.

Wenn wir uns als Gesellschaft heute weniger auf Aberglaube und Tradition verlassen als unsere Vorfahren, so nicht etwa, weil wir rationalere Menschen wären, sondern weil wir dank dem Risikobegriff rational Entscheidungen treffen können. «Der moderne Umgang mit dem Unbekannten begann mit dem Berechnen von Wahrscheinlichkeiten. Ohne Zahlen und Statistik ist Risiko etwas, das man aus dem Bauch heraus entscheidet», formuliert es Peter L. Bernstein in seinem anschaulichen Buch «Wider die Götter» zur Geschichte des Risikomanagements. Zentral ist, dass Menschen Wahrscheinlichkeiten und Risiken identifizieren können, potenzielle Schäden erkennen und dann Berechnung und Intuition abwägen.

Bernstein sagt es so: «Risiko ist eher eine Wahlentscheidung als etwas Schicksalhaftes.»
Wenn das so ist, fragt sich also nur, wer die Wahl trifft und nach welchen Kriterien – etwa wenn wir in Gebieten bauen, von denen wir die Gefährdung durch Hochwasser, Erdbeben oder Lawinen kennen. Prominentestes Beispiel derzeit sind die Ereignisse in Japan im letzten Jahr. Gemäss dem Untersuchungsausschuss des japanischen Parlaments wussten Regierung, Betreiberfirma und Aufsichtsbehörden, dass das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi zu nahe am Meer gebaut wurde, um einem mas­siven Erdbeben mit nachfolgenden Springwellen von 15 bis 30 m Höhe standzuhalten, wie sie in den vergangenen 120 Jahren immerhin dreimal vorkamen.

Die sechs Nuklear­meiler wurden nur 10 m über dem Meeresspiegel gebaut. Die Zerstörung der Reaktoren und der Kollaps der Kühlsysteme seien laut dem Ausschuss vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Die Frage, warum nichts unternommen worden ist, beantwortet das japanische Parlament mit dem vernichtenden Urteil: Vetternwirtschaft.

Damit die Rationalität, zu der wir Menschen fähig sind, zum Tragen kommen kann, braucht es also eine politische Kultur, in der alle sicherheitsrelevanten Bereiche der öffentlichen Kontrolle unterstehen und die Experten, Politiker, Wirtschaftsführer und Aufsichtsbehörden zu rationalem Handeln verpflichtet. Das wäre dann der politische Teil des Risikomanagements, also die Aufgabe von uns Bürgerinnen und Bürgern.

Daniela Dietsche, Ruedi Weidmann

Inhalt

05 WETTBEWERBE
Europaallee Zürich – Baufeld B

11 MAGAZIN
Geologische CO2-Speicherung im Modell | Weltmonument in der Schweiz

16 RISIKOKULTUR: INTEGRAL DENKEN
Walter J. Ammann
Integrales Risikomanagement zielt darauf ab, die Massnahmen im ­Risikokreislauf als gleichwertige Komponenten zu betrachten.

20 VERBORGENE GEFAHREN
Christian Kellerhals Nicht auf den ersten Blick offensichtlich: Die identifizierten ­Risiken einer Strassenbaubehörde liegen hauptsächlich beim Faktor Mensch.

23 WAS VERSICHERER AUS KATASTROPHEN LERNEN
Esther Baur, Andreas Schraft
In unserer vernetzten Gesellschaft können sich Kata­strophen schnell auf die unterschiedlichsten Systeme auswirken. Wie reagiert die Versicherungsindustrie?

27 SIA
Der Tonhallenentscheid | Revidierte Norm SIA 405 Geodaten | Preisänderungen infolge Teuerung

37 IMPRESSUM

38 VERANSTALTUNGEN

Risikokultur: integral denken

Um bei Katastrophen die Zahl der Todesopfer zu senken und das Ausmass der Schäden zu reduzieren, muss die Prävention stärker berücksichtigt werden. Integrales Risikomanagement zielt darauf ab, die Massnahmen im Risikokreislauf von Prävention, Intervention und Wiederinstandsetzung als gleichwertige Komponenten zu betrachten.

In den letzten zehn Jahren haben die Auswirkungen von schweren Naturkatastrophen wie Erdbeben, Wirbelstürmen, Hitzewellen und Überschwemmungen um rund 50 % zugenommen. Insbesondere in den Entwicklungsländern sind immer mehr Menschen betroffen und auf die kurzfristige Bereitstellung von medizinischer Notversorgung, Medikamenten, Wasser, Nahrungsmitteln, Kleidung und Unterkünften in Form internationaler humanitärer Hilfe angewiesen. Es ist davon auszugehen, dass durch die Klimaveränderung die meteorologisch bedingten Naturgefahren an Zahl und Intensität zunehmen werden. Umso mehr gilt es, neben der humanitären Hilfe in der Katastrophenphase präventive Massnahmen zu stärken und damit das Ausmass möglicher Katastrophen zu verringern. Investitionen in präventive Massnahmen stehen in Konkurrenz zu kurzfristig zu deckenden, dringlichen Bedürfnissen.[1] Ereignisse werden nicht zuletzt deshalb als Katastrophen wahrgenommen, weil sie die Gesellschaft in der Regel unerwartet treffen, auch wenn den meisten Ereignissen statistisch eine bestimmte Eintrittswahrscheinlichkeit zugeordnet werden kann. Im Eintrittsfall bleiben häufig nur Sekunden bis Stunden zur Reaktion. Die Reaktionszeit hängt ab von einem funktionsfähigen Frühwarnsystem, einem richtigen Verständnis und dementsprechendem Handeln der Bevölkerung. Bei sich schleichend entwickelnden Ereignissen wäre meist genügend Reaktionszeit vorhanden, doch häufig werden die nötigen Entscheidungen nicht getroffen und der richtige Interventionszeitpunkt verpasst. Einer der Gründe mag sein, dass Entscheidungsträger die Verantwortung für eine zu frühe oder für eine das Ausmass falsch einschätzende Entscheidung nicht tragen wollen.

Risiko = Eintrittswahrscheinlichkeit × möglicher Schaden

Im Umgang mit Katastrophen als Folge von Naturgefahren, aber auch mit technischen Grosskatastrophen hat sich die Einführung einer technisch basierten Risikogrösse als Mass für Sicherheit bewährt. Das Risiko wird dabei als mathematisches Produkt aus der Wahrscheinlichkeit, mit der gefährliche Ereignisse bzw. Wirkungen eintreten, und dem zu erwartenden Schadensausmass definiert. Gefährliche Ereignisse werden charakterisiert durch die Häufigkeit und Intensität des Auftretens und durch die wahrscheinliche räumliche Verteilung der gefährlichen Wirkungen (Gefahrenpotenzial). Das Schadensausmass hängt zudem von der Expositionswahrscheinlichkeit ab, d. h. von der Wahrscheinlichkeit, mit der das Objekt der Gefährdung ausgesetzt ist. Eine Rolle spielen auch der Grad an Verletzlichkeit der betroffenen Personen, Tiere, Gebäude und Infrastrukturen. Das Schadensausmass richtet sich also nach Werten, die einer Gefahr ausgesetzt sind, und nach deren Verletzlichkeit; das Risiko kann für Personen als Todesfallrisiko, für Sachwerte als monetarisierbarer Schadenerwartungswert ausgedrückt werden.

Prävention, Intervention, Wiederinstandsetzung Abstimmen

Integrales Risikomanagement orientiert sich nicht mehr an Gefahren, sondern an Risiken. Es gründet auf der Risikoanalyse (Was kann geschehen?), der Risikobewertung (Was darf geschehen?) und der Schutzmassnahmenplanung (Was ist zu tun? Welches Schutzziel wird angestrebt?). Risikobasierte Massnahmenplanung ist vorausschauend, während bei der Gefahrenabwehr in der Regel erst nach einer Katastrophe gehandelt wird. Dieser in der Schweiz von der Nationalen Plattform Naturgefahren in den vergangenen Jahren stark forcierte Paradigmenwechsel bedeutet die Abkehr von der Gefahrenabwehr hin zur Risikokultur. Sie erlaubt, die Zusammenhänge bei der Beurteilung von Sicherheitsproblemen und dem Entscheid über Massnahmen transparent zu strukturieren. Das können sein: technisch-bauliche Massnahmen wie Hochwasserdämme oder erdbebenresistente Bauweisen; raumplanerische Massnahmen wie die Ausscheidung von Bauzonen auf der Basis von Gefahrenkarten; biologische Massnahmen wie Aufforstung oder vorsorgliche Impfungen im Gesundheitswesen.

«vorbeugen» oder «heilen»

Im Umgang mit Risiken geht es letztlich darum, ein akzeptiertes Sicherheitsniveau nach einheitlichen Kriterien zu gewährleisten, vorhandene Risiken zu mindern und neue zu vermeiden sowie vorhandene Ressourcen effektiv und effizient einzusetzen. Ziel ist aber auch, im Fall einer eingetretenen Katastrophe zusätzliche Todesfälle und Sekundärschäden zu limitieren. Entscheidend ist, dass alle möglichen Massnahmen in die Planung einbezogen und nach gleichen und transparenten Kriterien beurteilt werden. Dabei ist der unterschiedlichen Wirkungsweise, der Funktionssicherheit und der zeitlichen Wirksamkeit der Massnahmen Rechnung zu tragen. Ziel muss sein, die Mittel entlang des gesamten Risikokreislaufes und unter Berücksichtigung der verschiedenen möglichen Massnahmen entlang der Risikoreduktionstreppe (Abb. 3) optimal einzusetzen. Die eingangs erwähnte humanitäre Hilfe ist eine der Möglichkeiten. Es kann dabei durchaus sein, dass eine Risikoanalyse zum Ergebnis kommt, dass eine professionelle Intervention nach einem Ereignis effizienter sein kann. Solange keine Menschenleben betroffen sind, muss «Vorbeugen» nicht immer billiger sein als «Heilen». Grundsätzlich sind in einer Risikoanalyse die Schadenarten zu berücksichtigen, die für die Entscheidung über die notwendigen Sicherheitsmassnahmen im konkreten Fall als massgebend erachtet werden. Der Schutz von Menschenleben hat dabei Vorrang, doch auch Infrastrukturen, Kulturgüter, politische Gemeinwesen und sozioökonomische Systeme müssen beachtet werden. Speziell bei diesen weisen die Erfahrungen der vergangenen Jahre darauf hin, dass deren Verletzlichkeit stark steigen kann und dies möglicherweise weit mehr zu einem Risikoanstieg beitragen dürfte als Veränderungen in den Gefährdungsszenarien und deren Intensität als Folge einer Klimaveränderung.

Das integrale Risikomanagement zielt darauf ab, risikomindernde Massnahmen entlang des gesamten Risikokreislaufs als gleichwertig zu betrachten. Dabei kommt Versicherungslösungen in der Instandstellungsphase eine wichtige Bedeutung zu (vgl. S. 23, «Was Versicherer aus Katastrophen lernen»). Leider ist es nach wie vor so, dass die Wirkungen der Schutzmassnahmen bezüglich Risikoreduktion bzw. der Gewinn an Sicherheit nur ansatzweise und häufig nur qualitativ erfasst werden können. Zudem wurden und werden Massnahmen oftmals unabhängig voneinander bzw. unkoordiniert geplant und umgesetzt.

Während mit präventiven Massnahmen vor allem die Verletzlichkeit von Personen und Sachwerten verringert werden soll, geht es bei Massnahmen in der Interventionsphase um eine Verbesserung der Resilienz. Resilienz bedeutet dabei die Fähigkeit eines geschädigten Systems, sich einer veränderten Situation anzupassen bzw. sich rasch wieder auf den Normalzustand zurückzubewegen. Im Gegensatz zur Präventionsphase, wo raumplanerische, technische, biologische und weitere sachbezogene Massnahmen getätigt werden, kommt in der Interventionsphase der Frühwarnung und Alarmierung und sowie den Einsatzkräften eine zentrale Rolle zu – der Feuerwehr, dem Zivilschutz, der Armee, der Polizei, der Sanität, den Spitälern und den technischen Diensten. Fehlentscheide und verzögerte Einsätze führen zu weiteren Schäden und Todesopfern, auch bei den Einsatzkräften selbst.

Den Willen zur ZUsammenarbeit stärken

Eine risikobasierte, integrale Massnahmenplanung ist ein wichtiger und anspruchsvoller Schritt im Umgang mit Risiken und Sicherheit, besonders wenn dieser Ansatz auch auf den Umgang mit der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt ausgeweitet wird («One Health»-Ansatz). Das Konzept beruht darauf, dass alle Arten von Massnahmen konsequent aufgrund ihrer risikoreduzierenden Wirkung und nach dem gleichen methodischen Grundprinzip (Risikokonzept) beurteilt werden. Risikobeurteilung ist heute noch stark auf die Prävention ausgerichtet und schliesst die Beurteilung von Interventionsmassnahmen oft nicht ein. Allerdings muss gesagt sein, dass es für die risikobasierte Beurteilung der Wirkungsmechanismen von Interventionsmassnahmen wenig Erfahrungen, Grundlagen und Daten gibt. Zudem existieren klar abgegrenzte Zuständigkeitsbereiche für die Prävention auf der einen Seite und für die (humanitäre) Intervention und die Wiederinstandsetzung auf der anderen Seite, mit oft wenig Durchlässigkeit, Transparenz und Wille zur Zusammenarbeit. Humanitäre Hilfe ist nicht nachhaltig. Die Spendenabhängigkeit von Einzelpersonen, Institutionen und Regierungen führt zu vielen Partikulärinteressen, die einen effizienten Mitteleinsatz im Sinne des beschriebenen Risikokonzeptes kaum zulassen. Der stark politisch motivierte «Return on Donations» müsste vermehrt einem risikobasierten, Massnahmen optimierenden «Return on Investments» Platz machen. Entwicklungsgesellschaften und Entwicklungsbanken sind künftig stärker gefordert, ihre Bemühungen in der Prävention zu stärken und Risikotransfer-Lösungen zu unterstützen, die eine rasche Refinanzierung von Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen nach einer Katastrophe erlauben. Allenfalls liessen sich vermehrt hybride Systeme im Sinne der Public-Private-Partnership bzw. einer Public-Private-Donorship einsetzen, um die Effizienz der eingesetzten Mittel zu verbessern und mehr Anreize für eine Zusammenarbeit aller Beteiligten zu setzen.


Anmerkungen:
[01] Als Beispiel: Gemäss FAO wurden 2010 925 Mio. Hungerleidende gezählt – Tendenz steigend. Betroffen sind mittlerweile rund 15% der Weltbevölkerung. Allerdings wäre genügend nutzbare Landwirtschaftsfläche vorhanden, um die gesamte Weltbevölkerung ausreichend zu ernähren; fehlende Infrastrukturen bzw. der schlechte Zustand von Eisenbahnlinien, Strassen und Binnenhäfen und ungenügende Logistik spielen eine zentrale Rolle. Langfristige Investitionen in Infrastrukturen, aber auch kurzfristige Verbesserungen von bestehenden Logistikkonzepten sind nötig
[02] IDRC Davos 2012; www.idrc.info
[03] Bei den sogenannten NaTech-Katastrophen handelt es sich um Ereignisse, die primär eine naturbedingte Ursache haben – Erdbeben, Hurrikane, Überschwemmungen etc. – und zu Schäden an Bauwerken und Einrichtungen führen, von denen ihrerseits eine Gefährdung für Personen und Sachwerte ausgehen kann. Beispiele sind durch Erdbeben beschädigte Chemieanlagen oder Kernkraftwerke, die kaskadenartig zu weiteren Risiken und Schäden führen können. Eines der folgenreichsten Ereignisse mit dieser Art kaskadenartiger Effekte ist das Tohoku-Kanto-Erdbeben vom 11. März 2011 in Ostjapan

TEC21, Mo., 2012.08.13

13. August 2012 Walter J. Ammann

Verborgene Gefahr

Die Abteilung Infrastruktur des Bundesamts für Strassen führt ein aufwendiges Risikomanagement durch, um die Qualität des Nationalstrassennetzes sicherzustellen. Deutlich wird dabei, dass die Gefahren nicht nur in der ­Natur lauern, sondern auch in den Büros – und dass sich ähnliche Herausforderungen auch in vielen Planungsbüros und Unternehmen stellen.

Die Risiken für die Abteilung Infrastruktur des Bundesamtes für Strassen (Astra), die Ursachen und die Wirkung der umgesetzten risikovermindernden Massnahmen werden laufend vom Risikoeigner, d. h. meist dem Abteilungsleiter einer Verwaltungseinheit, überwacht.

Die Situation wird jährlich neu analysiert, bewertet und je nach Expositionen (Höhe des Risikos) werden weitere Massnahmen zur Risikosteuerung durch den Risikoeigner definiert, den amtsinternen Risikocoach aggregiert und durch die Geschäftsleitung genehmigt. Falls für ein Risiko trotz hoher Exposition keine sinnvollen Steuerungsmassnahmen mehr möglich sind, wird geprüft, ob Notfal, Krisen oder Kontinuitätsplanungen für den Ereignisfall vorzubereiten sind. Die Abteilung bewertet ihre ­Risiken anhand von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmass. Dabei werden der mögliche finanzielle Schaden, der Personenschaden, die Beeinträchtigung der Aufgaben­erfüllung, negative Auswirkungen auf die Umwelt und ein allfälliger Reputationsschaden ­untersucht. Zusätzlich wird für jedes Risiko ein Entwicklungstrend angegeben.

Dargestellt werden die Risiken in ihrer Nettoexposition, d. h., die Wirkung bereits ergriffener Massnahmen wird berücksichtigt. Im Folgenden werden die wichtigsten Risiken kurz vorgestellt.

Ungenügende Projektaufsicht aus strukturellen Gründen

Mit der Reorganisation aufgrund der Neugestaltung des Finanzausgleichs (NFA) 2008 wurde der Abteilung Infrastruktur neben ihrer bisherigen Rolle als Aufsichtsbehörde auch die Verantwortung für den Bau, Unterhalt und Betrieb der Nationalstrassen übertragen. Die Abteilung erfüllt somit neben einer Aufsichts und Genehmigungsfunktion auch operative Aufgaben.

Daraus ergibt sich das Risiko, dass Letztere ungenügend beaufsichtigt werden, was Mehrkosten und Reputationsschäden zur Folge haben kann. Massnahmen, die dieses Risiko auf ein tragbares Mass reduzieren, umfassen eine klare Kompetenzteilung innerhalb der Abteilung, ein umfassendes Auditkonzept sowie Sensibilisierungs und Ausbildungsmassnahmen. ­Aufgrund der anstehenden Grossprojekte, wie der Nordumfahrung Zürich oder der dritten Röhre Belchentunnel (BL / SO), nimmt dieses Risiko tendenziell zu.

Korruption

Bei 600 laufenden Projekten, 5000 Verträgen und einem Budget von über 2 Mrd. Fr. pro Jahr ist das Korruptionsrisiko hoch. Ist die Schadenssumme gross und haben bestehende Kontrollmechanismen versagt, verliert die Abteilung an Glaubwürdigkeit, was sie in der Erfüllung ihrer Aufgaben erheblich behindern würde. Es gibt daher klare Vorgaben, wie die Verhaltensrichtlinien zur Korruptionsbekämpfung, das Beschaffungshandbuch, die Unterschrifts und Kompetenzregelung und die Weisungen zum Rechnungswesen. Zudem werden die Mitarbeitenden regelmässig geschult und interne und externe Audits durchgeführt.[1]

Personalmangel

Frei werdende Stellen kann die Abteilung namentlich im Ingenieurbereich oft nur zeitverzögert besetzen. Steigende Anforderungen und temporäre Vakanzen können bewirken, dass die Leistung der Abteilung qualitativ und quantitativ absinkt. Zudem nimmt der Arbeitsdruck auf die Mitarbeitenden besonders an Schlüsselpositionen zu. Dies kann Abgänge zur Folge ­haben, die schwierig zu ersetzen sind. Die Abteilung stuft dieses Risiko als hoch ein, besonders weil die Eintrittswahrscheinlichkeit eines durch Personalmangel verursachten Schadens vergleichsweise hoch ist.

Gegenmassnahmen beinhalten die Zurückstellung von Projekten, wenn Personalengpässe entstehen, Wissensmanagement in der Abteilung und motivationsfördernde Massnahmen, um die Mitarbeiterbindung zu erhalten und nach Möglichkeit zu verstärken.

Neue Aufgaben, wie die Erweiterung des Nationalstrassennetzes um 376 km (derzeit im Parlament), werden eine weitere Erhöhung des Personalbestands erfordern. ­Dieses Risiko weist daher eine steigende Tendenz auf.

Externe Projektaufsicht

Der Personalbestand der öffentlichen Verwaltung für die Betreuung der Nationalstrassenprojekte wurde seit der NFA bei gleichbleibendem Bauvolumen um fast einen Viertel reduziert. Damit wurde dem politischen Wunsch nach einer schlanken Verwaltung stattgegeben. Gleichzeitig werden jedoch die Anforderungen bezüglich Controlling, Budgetmanagement und Berichterstattung laufend erhöht. Die Abteilung lagert daher gewisse Aufgaben, wie Projektadministration, Koordination und Elemente des Controllings, an die Privatwirtschaft aus. Dadurch entsteht das Risiko, dass Projektwissen in der Abteilung verloren geht und sie von Aussenstehenden abhängig wird. Mangelnde Aufsicht kann Mehrkosten, Baumängel und/oder Bauverzögerungen zur Folge haben. Das Risiko wird dank folgender Gegenmassnahmen als mittel eingestuft: Stärkung der Führung des Projektmanagements[2], Förderung des Erfahrungsaustausches unter den amtsinternen Projektleitern, starke Gewichtung der Qualität in Ausschreibungen für Bauherrenunterstützer, Vertragskontrollen mittels externer Audits.

Ungenügender Schutz vor Naturgefahren Gerade in Bergregionen verursachen Naturgefahren wie Steinschlag, Wasser, Rutschungen und Lawinen grosse Schäden. Bei einem Grossereignis auf einem bekanntermassen exponierten Abschnitt könnten unter Umständen Ansprüche gegenüber dem Amt geltend gemacht werden,[3] und das Vertrauen in die Abteilung würde beeinträchtigt. Häufig haben ­solche Ereignisse auch grosse volkswirtschaftliche Schäden zur Folge, indem wichtige Verbindungsachsen für längere Zeit unterbrochen werden. Dank bereits umgesetzten Massnahmen an den heikelsten Stellen kann dieses Risiko heute als mittel eingestuft werden. Um die Priorisierung weiterer Massnahmen gegen Naturgefahren zu verbessern, nimmt die Abteilung eine netzweite ­Risikoanalyse nach einheitlichen Vorgaben vor.

Berichterstattung Die Abteilung erstattet jährlich Bericht an die Geschäftsleitung des Astra, die danach die aggregierten Risiken an das Departement (Uvek) weiterleitet. Die konsolidierten Risikoberichte aus den Departementen bilden schliesslich die Basis für die Berichterstattung an den Gesamtbundesrat. Ausserordentliche Risikosituationen werden dem Bundesrat umgehend und ausserhalb der normalen Berichterstattung gemeldet.


Anmerkungen:
[01] Die Audits werden von der eidgenössischen Finanzkontrolle, dem Finanzinspektorat Astra und dem Rechtsdienst Astra durchgeführt, indem bestimmte Themen in ausgewählten Projekten auditiert werden
[02] Zur Stärkung der Führung wurde die Funktion «Bereichsleiter Projektmanagement» geschaffen, als direkter Vorgesetzter und erste Ansprechperson für die Projektleiter
[03] Werkeigentümerhaftung gemäss Art. 58 des Schweizerischen Obligationenrechts. Dieser lautet: «Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen. Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind.»

TEC21, Mo., 2012.08.13

13. August 2012 Christian Kellerhals

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