Editorial

Der Preis der Bilder
Dieses Heft ist den «Besten» gewidmet und dem Medium Bild — ein Spezialheft in doppelter Hinsicht. Das braucht Erklärung. Die «Besten», das sind seit 1991 die besten Bauten und Objekte des Jahres in Landschaft, Architektur und Design. Drei Jurys, von Hochparterre einberufen, küren sie. Das Museum für Gestaltung Zürich stellt sie aus. Und gemeinsam verleihen wir ihnen die «Hasen» in Gold, Silber und Bronze.

Hochparterre widmet den «Besten» jeweils auch sein Dezemberheft. Dieses Jahr entschieden wir, die Preisträger zu bebildern statt zu beschreiben. Dafür hat die Redaktion drei Fotografen ausgewählt: Rolf Siegenthaler für die Landschaft, Bruno Augsburger für die Architektur und Stephan Rappo für das Design. Als das fertige Layout auf dem Redaktionstisch auslag, rieben wir uns die Augen: Die Bilder verleihen dem Heft eine ungewohnte Wucht. Es sind unkonventionelle und starke Interpretationen.

Kein Text also bis auf die Juryberichte — warum? Die Welt ist voller Bilder, viele davon sind schlecht. Als Magazin der Gestaltung wollen wir Zeit und Geld ins gute Bild investieren und Massstäbe setzen. So hat jede Rubrik eine eigene Fotografin, jeweils für ein Jahr. Das Titelblatt zum Beispiel stammt ab dieser Aus- gabe von Gian Paul Lozza. Er stellte den Hasen zu den Trophäen des Hornussenvereins.

Für Titelgeschichten und Brennpunkte vergeben wir Einzelaufträge. Die Redaktorin erläutert dem Fotografen das Thema, dieser sucht seine eigene Sicht — neben dem Text ein zweites Medium. Der Entscheid für diese Bilderausgabe fiel also nicht auf die Schnelle, sondern ist Redaktionsprogramm. Wir hoffen, das Ergebnis gefalle Ihnen ebenso wie uns. Das Hasenfest steigt übrigens am 7. Dezember um 18.30 Uhr im Museum für Gestaltung, Zürich. Wir laden Sie, werte Abonnentin, lieber Leser, herzlich dazu ein.
Ruhmvolles zum Schluss: Meret Ernst, Redaktorin für Design, ist vom Regierungsrat des Kantons Zürich zur Fachhochschulrätin gewählt worden. Wir gratulieren unserer Kollegin zum Amt und wünschen ihr gute Entscheide und wirksames Wirken.
Rahel Marti

Inhalt

06 Meinungen
07 Lautsprecher
08 Funde
11 Sitten und Bräuche
17 Massarbeit

Titelgeschichte
19 Die Besten 2010
Wie der Hase läuft
Köbi Gantenbein erzählt uns über den Wettbewerb 2010.

Landschaft
20 Hase in Gold
Der Brühlgutpark in Winterthur erhält eine neue Mitte.

Landschaft
26 Hase in Silber
In Genf setzt die Gestaltung eines Schulhofs neue Zeichen.

Landschaft
30 Hase in Bronze
Der Schlosshügel bei Arbon bietet neue An- und Aussichten.

Landschaft
32 Anerkennungen und Nominierungen
Vier Anerkennungen und alle nominierten Projekte.

Architektur
36 Hase in Gold
Klein, aber fein präsentiert sich ein Kino in Ilanz.

Architektur
42 Hase in Silber
Auf dem Gotthard lohnt sich eine Rast im Alten Hospiz.

Architektur
46 Hase in Bronze
Der Eingang zum Churer Grossratsgebäude ist unfehlbar.

Architektur
48 Anerkennungen und Nominierungen
Vier Anerkennungen und alle nominierten Projekte.

Design
52 Hase in Gold
Entwurf und Qualität bringen Anita Mosers Schuhe zum Glänzen.

Design
58 Hase in Silber
Freitag erweitert mit gleichem Material um eine neue Kollektion.

Design
62 Hase in Bronze
Die Rangierlok leuchtet mit Farbe und praktischen Details.

Design
64 Anerkennungen und Nominierungen
Vier Anerkennungen und alle nominierten Projekte.

68 Jury
72 Bücher

Cinema Sil Plaz

Auf dem Rückweg vom Baden in Vals fährt man darauf zu: das Haus Vieli im Zentrum von Ilanz. Im hinteren Anbau zeigt der hiesige Filmclub seit einigen Jahren ein farbiges Kinoprogramm, veranstaltet Konzerte und lädt zu Lesungen oder Theaterabenden ein — und schuf so ein informelles Kulturzentrum der Region Surselva. Die bald nötigen baulichen Anpassungen für Haus-, Sicherheits- und Kinotechnik sowie Lärmschutz planten die beiden Architekten Gordian Blumenthal und Ramun Capaul als engagierte Mitglieder des Vereins und legten beim Bau auch selbst mit Hand an. Im Bar- und Bühnenraum beschränkten sie sich auf das Nötigste. Rohe Eisentore führen zu den Toiletten und den Raum mit den Filmprojektoren, man riecht noch den Wein, der früher hier abgefüllt wurde.

Den Kinoraum jedoch implantierten sie als schönen Fremdling: Massige Stampflehmwände, Lehmdecke und -boden bilden den archaischen Raum, in dem das bewegte Licht die Besucher an fiktive Orte entführt. Mit ihrer überraschenden Wahl würdigt die Jury die Intensität des Projekts. Die Architekten reagierten feinsinnig auf das Vorhandene. Ihre minimalen, aber hochpräzisen Massnahmen zielten auf das Notwendige und schufen doch etwas Reiches und gänzlich Neues.

[Kommentar der Jury Cinema Sil Plaz]

hochparterre, Di., 2010.12.07

07. Dezember 2010 Axel Simon

Hospiz St. Gotthard

Miller & Maranta bauen für die Stiftung Pro San Gottardo das älteste Haus auf dem Pass um. Sie entfernen marode Wände und Balken, erhöhen den Giebel der Umfassungsmauer und setzen eine moderne Holzkonstruktion hinein. Ein tonnenschweres Bleidach gibt dem Haus nun Abschluss und Einheit. Hochparterre schrieb im Septemberheft: ein Gipfel alpiner Beherbergung! Die Jury fragte sich: Ist der Umbau eines solchen Hauses ein Steilpass für die Architekten? Will heissen, sind Aufgabe und Ort per se so schön, dass daraus ein schönes Haus resultieren muss? Wohl kaum, kommt man zum Schluss, und spricht dem Basler Architekturbüro Miller & Maranta für ihr Projekt den Preis zu. Weil sie aus dem vorhandenen Konglomerat ein komplexes, aber stimmiges Ganzes geschaffen haben. Weil sie dem Volumen mit der Überhöhung eine schöne Geste und eine gestärkte Wirkung verliehen haben. Und weil sie Alt und Neu überzeugend und stimmungsvoll miteinander verschmolzen haben.
Der Pass ging ins Tor.

[Kommentar der Jury Hospiz St. Gotthard]

hochparterre, Di., 2010.12.07

07. Dezember 2010 Axel Simon

Eingang Grossratsgebäude

Die Aufgabe: dem Eingang zum Bündner Parlament mehr Prominenz verleihen. Die Lösung: ein kraftvolles Objekt vor das Gebäude stellen, unabhängig und eigenständig. Das tonnenschwere Gebilde erscheint aus wenigen Teilen zusammengesetzt und ist aus einem Material gegossen. Mit seiner präzis-monumentalen Geste beeindruckt es und irritiert gleichzeitig mit scheinbarer Instabilität. Die Jury kürt Valerio Olgiatis Eingang zum Grossratsgebäude als eine herausragende Einzelleistung. Er ist mehr Installation als Vordach, mehr Kunst als Architektur.

[Kommentar der Jury Grosser Eingang]

hochparterre, Di., 2010.12.07

07. Dezember 2010 Axel Simon

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