Editorial

Dieses Heft ist den Interieurs gewidmet: Innenräumen, die aus den Bedürfnissen und dem Zeitgeist der jüngeren und älteren Vergangen-heit heraus entstanden sind; Interieurs, die Geschichten erzählen, aber in der Regel eine weit kürzere Lebensdauer besitzen als die um-gebende Architektur.

Was also passiert, wenn es neue Anforderungen an die Räume gibt, wenn ein Tapetenwechsel nötig wird? Welche Elemente bleiben, was wird neuen Bedürfnissen angepasst, was komplett entfernt?
Die gezeigten Beispiele spannen den Bogen über die Regionen vom ländlichen Gebiet im Kanton Uri über die Stadt Zürich bis zur Mega-city Los Angeles und analog dazu vom privaten über den halböffentlichen bis zum öffentlichen Raum. Die Methoden beim Umbau sind dabei oft die gleichen: Strukturen werden übernommen, Überflüssiges wird entfernt, einzelne Objekte, die vielleicht wertvoll, aber momen-tan nicht passend sind, werden mit dem Verweis auf eine allfällige spätere Nutzung aus dem Kontext gerissen und eingelagert. Variierend ist dabei lediglich die Eingrifftiefe, die Radikalität der Anwendung.

Den Anfang macht ein Bürger-Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert, dessen Status als denkmalgeschütztes Objekt lange einer zeitge-mässen Nutzung entgegenstand. Ein Umdenken bei der Denkmalpflege, aber auch das Entgegenkommen der Bewohnerinnen und Be-wohner sorgten dafür, dass der Bau heute mit seinen Qualitäten, seinen Ecken und Kanten ganz selbstverständlich als Wohnhaus für zwei Familien dient («Für eine neue Generation», S. 22ff.). Weniger sanft, aber ebenso sorgfältig gingen die Architekten die Sanierung des Altersheims Wildbach in Zürich an. Die Raumstruktur aus den 1970er-Jahren und die architektonisch, konstruktiv und bauphysikalisch besondere Verbindung von mehrstöckigem Parkhaus und Altersheim forderten ein beherzteres Eingreifen. Das Ergebnis: lichtdurchflutete, abwechslungsreich, aber stimmig materialisierte Interieurs, die den Bewohnerinnen und Bewohnern spannende Räume im besten Sinne bieten («Verborgene Qualitäten», S. 26ff.). Im Gegensatz dazu steht das «Hotel Ambassador» in Los Angeles – neben mehreren Oscar-Verleihungen in den 1930er-Jahren auch der Schauplatz des Attentats auf Robert F. Kennedy. Hier war die Bewahrung der Geschichte zwar ein Thema, die Zerstörung der historisch wertvollen Räume wurde aber von der Bauherrschaft zugunsten eines -Neubaus in Kauf genommen. Kompensationszahlungen und «kreative» Nachbildungen der Innenräume im Neubau sollen diesen Verlust ausgleichen («Leere Gesten», S. 31ff.). Tina Cieslik

Inhalt

05 WETTBEWERBE
MCS-Wohnhaus in Zürich | Wohnüberbauung Esslinger Dreieck

10 PERSÖNLICH
Yvonne Farrell: «Wir suchen das symbolische Element» | Hans Grob 1917–2010

12 MAGAZIN
Sanierung mit Fingerspitzengefühl | Sanfte Sanierung eines Zeitzeugen | Maschinen gegen Wärmedämmung? | Bücher: «Fotografie als Katalysator» und «Querdenker»

22 FÜR EINE NEUE GENERATION
Tina Cieslik Aus dem frühen 17. Jahrhundert stammt das Haus Balmermatte in Bürglen im Kanton Uri. In enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege wurde es zum modernen Zweifamilienhaus umgebaut.

26 VERBORGENE QUALITÄTEN
Jutta Glanzmann Gut Das 1972 erbaute Altersheim Wildbach in Zürich besitzt eine kuriose Typologie: Das Heim ist auf und um ein Parkhaus gebaut. Die Innenräume wurden vor kurzem aufwendig saniert.

31 LEERE GESTEN
Lilian Pfaff Während der Roaring Twenties galt das «Hotel Ambassador» in Los Angeles als Treffpunkt der Hollywoodstars, 1968 wurde hier Robert F. Kennedy erschossen.Knapp vierzig Jahre später musste der Bau einer Schule weichen. Replikate sollen an die Geschichte des Ortes erinnern.

37 SIA
Architektenhonorar ohne Auftrag? | 1. Sitzung der Energiekommission | Wahlen in Kommissionen | Kompetenz in Erneuerung | Raument-wicklung über die Grenzen

45 PRODUKTE

53 IMPRESSUM

54 VERANSTALTUNGEN

Für eine neue Generation

Das Haus Balmermatte in Bürglen UR stammt aus dem frühen 17. Jahrhundert. Die Architektur mit den grossen hohen Räumen erfüllt auch heutige Wohnansprüche. Die Altdorfer Architektin Margrit Baumann baute das denkmalgeschützte Bürger-Bauernhaus 2007 zum modernen Zweifamilienhaus um.

Der Bau liegt am westlichen Ortsrand von Bürglen im Kanton Uri, am Eingang zum Schächental. Dendrochronologische Analysen ergaben, dass das Bauholz 1608 geschlagen wurde; einen weiteren Hinweis auf die Entstehungszeit liefern die Jahreszahlen 1634,1636 und 1638, die in die Bemalungen der Innenräume integriert sind. Bei dem Strickbau mit Steinsockel handelt es sich um ein sogenanntes Bürger-Bauernhaus, das sich durch die höhere Geschosszahl, reich verzierte Prunkräume und das steile Dach von den einfachen Bauernhäusern der Umgebung unterscheidet. Die Entstehung der Bürger-Bauernhäuser ist eng mit der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung der Innerschweiz verknüpft: Im 16. Jahrhundert florierte der Handel über die Pässe, wovon auch die Urner Bevölkerung profitierte. Gleichzeitig blieben auch die wohlhabenderen Bauern Bürger unter Bürgern; ihre Häuser blieben im Grossen und Ganzen den ortsüblichen Formen verhaftet.1 Bauherr des Hauses Balmermatte war der Urner Landammann Johann Peter von Roll, einer der reichsten und einflussreichsten Männer der Eidgenossenschaft. Bis zum Bau der Klausenstrasse waren Hof und Grundstück inklusive des Hausgartens und eines kleinen Wäldchens von einer Mauer umschlossen. Der Stall lag ausserhalb dieses abgegrenzten Gebiets.2

Umdenken bei der Denkmalpflege

Während in den ersten Jahrhunderten die Eigentümer des Hofes mehrfach wechselten, sind Haus und Grundstück seit 1882 im Besitz derselben Familie. Ausser kleineren Eingriffen in den 1980er-Jahren wie einem Anbau an der Westseite für die Sanitärräume befand sich das Haus bis zum Umbau 2007 weitgehend im Originalzustand – mit allen Konsequenzen: Die Kinder des Eigentümers verbanden mit dem Haus primär die niedrige Raumtemperatur, im Winter durchschnittlich etwa 15 ˚C. Bereits der Vater wollte das Haus umbauen, scheiterte mit seinen Vorstellungen aber an den Vorgaben der Denkmalpflege. Er realisierte daraufhin nebenan ein Einfamilienhaus nach seinen Vorstellungen, der Sohn übernahm Haus und Betrieb. Den Anstoss für den aktuellen Umbau gab dessen älterer Bruder, der als Polier von der historischen Bausubstanz fasziniert war und dann auch die Baumeisterarbeiten leitete.

Die Talente der einzelnen Familienmitglieder in den Bauprozess einzubinden hat sich gemäss Architektin beim Umgang mit Bauernhäusern schon mehrfach bewährt. Der Bau aus dem frühen 17. Jahrhundert sollte in eine neue Generation übergeführt werden und Raum für zwei unabhängige Wohneinheiten bieten. Platz dafür gab es auf den fünf Geschossen mit seinen immerhin 25 Nutz- und Wohnräumen genug. Durch die beiden Zugänge – einer für repräsentative Zwecke an der Ostseite der Fassade sowie der Ausgang zum Stall Richtung Westen – waren für die Erschliessung auch keine Eingriffe in die Fassade nötig.

Umbau in Etappen

Der Umbau fand in zwei Etappen und bei laufendem Betrieb statt: Zunächst wurde die Stöckli-Wohnung gebaut, anschliessend folgte die Restaurierung der als Lagerraum genutzten Trinkstube im Tiefparterre. Die Herausforderung: Gebäudestruktur und Räume sollten integral erhalten werden – bei gleichzeitiger Erfüllung der Anforderungen an Schallschutz, Feuersicherheit und vor allem an das heutige Komfortbedürfnis. Für die neue Wohnung wurden ausschliesslich Kalträume im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss genutzt, die bisher teilweise als Estrich, teilweise als Trockenräume für Obst dienten. Erschlossen wird das Stöckli durch den Eingang an der Ostfassade, von hier führt eine Treppe direkt in das erste Wohngeschoss im 1. OG. Um Platz für die Treppe zu schaffen, musste ein Teil der bemalten Decke im Erdgeschoss herausgesägt werden – ein Entgegenkommen der Denkmalpflege, das so vor einigen Jahren noch nicht möglich gewesen wäre. Die Wohnung erstreckt sich über vier Geschosse: Im 1. Obergeschoss befindet sich die neu eingebaute Küche sowie die sogenannte «Apotheke». Dieser Raum ist komplett mit bedrucktem Täfer ausgekleidet (Abb. 10), auch das eingebaute Buffet weist ornamentale Verzierungen auf. Nach einer vorsichtigen Reinigung des Holzes wird der Raum heute als Wohnzimmer genutzt.

Bei der Küche bestand der Wunsch nach einem hellen Raum. Das Originaltäfer wurde daher ausgebaut und durch Fermacellplatten ersetzt. Da das Täfer aber weiterhin im Gebäude gelagert wird, also jederzeit wieder einbaubar ist, gab die Denkmalpflege ihre Zustimmung zu diesem Vorgehen. Diese Grundhaltung bestimmte den Umgang mit der historischen Bausubstanz: «Temporäre«, also konstruktiv nicht notwendige Elemente wie das Gäste-WC im Obergeschoss sind so eingebaut, dass sie bei Bedarf auch wieder entfernt werden können. Konstruktive Teile wie die beiden neuen Treppen sind dagegen fest mit der Bausubstanz verbunden.

Vom 1. Obergeschoss gelangt man über die Treppe in den grosszügigen zweigeschossigen Korridor im 2. Obergeschoss, der durch zwei Lukarnen erhellt wird (Abb. 3). Die obere Lukarne entstand im Zuge der Umbauarbeiten, es gab aber Hinweise darauf, dass an dieser Stelle schon früher eine Öffnung existierte. Der Korridor wirkt als Verteiler für Bad, Arbeits- und Schlafzimmer. Eine weitere Treppe führt in ein zweites Wohnzimmer direkt unter dem Dach. Diese Stube wird durch eine fast raumlange Verglasung im Dach erhellt, die analog zu den Sparrenabständen eingepasst ist und neben Licht und Luft auch Aussicht auf die spektakuläre Bergwelt bietet. Die Ausbauarbeiten umfassten neben Restauration und Reinigung der Holzoberflächen auch bauphysikalische Massnahmen: Alle Räume der Stöckli-Wohnung erhielten hinter der Täferung eine Innenisolation aus feuchtigkeitsabsorbierender Schafwolle.

Restauration der Trinkstube

Nach Fertigstellung der Wohnung konzentrierten sich die Arbeiten auf die Wiederherstellung der Trinkstube im Tiefparterre in der Südostecke des Hauses. Dieser ursprünglich reich verzierte Raum diente in den letzten Jahrzehnten als Abstellraum und war in entsprechendem Zustand. Zunächst wurde daher der Kalkboden ersetzt, der neben den Beschädigungen auch einen Niveauunterschied von bis zu 12 cm aufwies. Neben einer Isolierung aus Glassplittern konnten so auch die neuen Elektroleitungen sowie eine Bodenheizung eingebracht werden. Anschliessend folgte die Reinigung und Fixierung der dekorativen Kalkseccomalerei an Decke und Wänden. Während der weisse Untergrund der Holzkassettendecke mit Schablonenmalerei in Blau und Rot verziert ist, schmücken das Familienwappen der von Roll, verschiedene Tier- und Pflanzenmotive sowie eine Säulenanlage, die sich interessanterweise nicht an den Proportionen der Decke orientiert, die weiss gekalkten Wände.

Eine Besonderheit sind die beiden Tiermotive an Ost- und Westwand: Sie zeigen zwei springende Steinhirsche (Abb. 11). Im Kopfbereich waren beide Malereien so stark beschädigt, dass sich Architektin und Denkmalpflege für einen abstrahierten, dreidimensionalen Ersatz aus Holz entschieden. Da diese Art heute in der Gegend ausgestorben ist, wurden entsprechende Geweihe aus dem Muotathal beschafft. Neben diesen neuen Elementen wurden die bestehenden Fenster mit einfachen Isolierglasfenstern ohne Dichtungen ersetzt, Letzteres, damit sich darin kein Kondenswasser bilden kann. Heute ist die Trinkstube öffentlich zugänglich und kann für Anlässe gemietet werden. Die Eigentümer, die auch das Brennrecht besitzen, präsentieren hier ihre Produkte und führen so die Tradition der Trinkstube weiter.

Wohnen im Baudenkmal

Rund 400 Jahre steht das Haus Balmermatte bereits. Durch die Eingriffe konnte die Bausubstanz nicht nur erhalten werden, der Ausbau zum Zweifamilienhaus führte sogar zu einer Wertsteigerung, auch wenn das Haus hinsichtlich der Erwartungen an Schalldämmung, Innenraumklima oder Türhöhen manchmal auch ein Entgegenkommen der Bewohner verlangt. Dass zeitgenössisches Wohnen aber trotz Denkmalschutz möglich ist, zeigt dieses Beispiel exemplarisch. Zu Recht wurde der Bau daher 2009 mit dem Schweizer Denkmalpreis ausgezeichnet.

TEC21, Fr., 2010.09.24

24. September 2010 Tina Cieslik

Verborgene Qualitäten

Mit Sorgfalt und Gespür haben Gäumann Lüdi von der Ropp Architekten in Zürich das städtische Altersheim Wildbach umgebaut. Der Bau von 1972 ist ein seltsamer Gebäudehybrid: Das Altersheim ist um und auf ein mehrstöckiges Parkhaus gebaut. Betriebswirtschaftliche Überlegungen führten zur Erweiterung, zudem wies der Bau neben betrieblichen auch bauliche Mängel auf. Ein wichtiger Teil des Eingriffs besteht in den mit unterschiedlichen Materialien erzeugten Raumwirkungen, die sich trotz Eigenständigkeit zu einem Ganzen fügen.

Das städtische Altersheim Wildbach im Zürcher Seefeld ist ein Kuriosum, sowohl was seine Lage im Quartier betrifft als auch in Bezug auf sein Innenleben. Der sechsgeschossige rechteckige Bau, der nicht nur Altersheim, sondern auch Parkhaus ist, wirkt unter den mehrheitlich dreigeschossigen Wohnhäusern aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert irgendwie fremd. Im Gebäude, dessen Äusseres stark durch die vorgelagerte Balkonschicht strukturiert wird, legen sich in den ersten vier Geschossen die Räume L-fömig um die drei oberirdischen Parkgeschosse, die sich gegen die Inselhofstrasse mit einer geschlossenen Betonfassade zeigen. Das Haus als Wohnmaschine ist ein Kind seiner Zeit: Anfang der 1970er-Jahre von Architekt André E. Bosshard entworfen, verfolgt der Bau einen funktionalistischen Ansatz. In der konstruktiven Detailausbildung aber ist er alles andere als funktional. Für die Verschränkung der drei sehr ungleichen Teile Parkhaus, Alterswohnungen und Dachgeschosse mit Innenhof und Saal waren aufwendige Statik- und Techniklösungen notwendig. Eine Tatsache, mit der sich das Zürcher Architekturbüro Gäumann Lüdi von der Ropp konfrontiert sah, nachdem es den Wettbewerb für den Umbau des Hauses 2005 gewonnen hatte.

Mit dem Einbezug der in den drei unteren Stockwerken liegenden Seniorenwohnungen ins Altersheim, das seit den 1980er-Jahren in den beiden obersten Geschossen bestand, sollte die Einrichtung aufgrund der grossen Nachfrage erweitert und mit 56 Ein- und 15 Zweizimmerappartements gleichzeitig eine betriebswirtschaftliche Grösse erreichen, um wieder rentabel betrieben werden zu können. Gefragt war eine Lösung, die trotz begrenzten Mitteln das Haus zu einer Einheit werden lässt. Mit unterschiedlich tiefen Eingriffen in den Bestand an verschiedenen Orten im Gebäude ist das Gäumann Lüdi von der Ropp trotz schwieriger Ausgangslage gut gelungen. Während der neue Eingangsbereich und die Anbindung ans Quartier mit der öffentlich zugänglichen Cafeteria und dem zugehörigen Aussenbereich sofort ins Auge fällt, ist das neu gebaute Kernstück der beiden obersten Geschosse von aussen nicht sichtbar. Für die notwendigen Anpassungen in den drei dazwischen liegenden Geschossen und dem neu gestalteten vertikalen Erschliessungsbereich mit einem zweiten Aufzug suchten die Architekten nach kostengünstigen Lösungen, die räumlich trotzdem eine grosse Wirkung entfalten.

Der Bestand als Ausgangspunkt für Neues

Die neue Adresse des Hauses ist ein Pavillon, der dem eigentlichen Volumen vorgelagert ist. Die Betonstützen erinnern in ihrer Form an Äste und bringen ein neues Element in das streng geometrische, durch die Balkone regelmässig rhythmisierte Äussere des Gebäudes. Da sie ebenfalls in Sichtbeton realisiert sind, entsteht aber auch eine Verwandtschaft zwischen alt und neu. Gleichzeitig schafft der Baukörper Klarheit zwischen der Garageneinfahrt und dem Besuchereingang und gliedert den davor liegenden kleinen Park. An die Lobby, die sich im neuen Pavillon befindet, schliesst die neu geschaffene Cafeteria an – ein Begegnungsort, der sich bewusst auch nach aussen und zum Quartier orientiert. Die Öffnung derkleinteiligen Räume, die sich vorher hier befanden, machten Unterzüge und Stützen notwendig, welche den Raum heute in Nischen gliedern. Die Architekten haben diese mit rubinroten Tapeten ausgekleidet, auf denen sich durch die mittig platzierten Wandleuchten ein schönes Lichtspiel ergibt. Entstanden ist ein Raum mit hoher Aufenthaltsqualität. Bereits heute sind die Plätze in der Cafeteria sehr beliebt, um am Kommen und Gehen im Haus teilzuhaben.

Für Lobby und Cafeteria wählten die Architekten Materialien und eine Formensprache, die an ein Hotel erinnert. Damit wird den Räumen eine gewisse, durchaus beabsichtigte Weltoffenheit und Eleganz verliehen. So ist der Handlauf, der vom Erdgeschoss ins erste Stockwerk führt, aus dunkler, kerngeräucherter Eiche gefertigt, die angenehm in der Hand liegt. Als Bodenbelag wählten die Architekten einen fein gezeichneten, hellen Kalkstein, der im überhohen Raum der Lobby gut zur Geltung kommt und die Cafeteria weit und offen macht. Als verbindendes Element wurde er überall da eingesetzt, wo in die bestehende Struktur des Hauses eingegriffen wurde: im Erdgeschoss, den neu gestalteten Begegnungszonen vor dem Lift und in den beiden obersten Stockwerken.

Prunkstück auf dem Dach

In den Korridoren der Stockwerke eins bis drei, die an die Sichtbetonwand des Parkhauses grenzen und wo früher die Seniorenwohnungen lagen, ging dies aus Kostengründen nicht. Hier ersetzt das kräftige helle Blau eines gegossenen Kunststoffbodens den dunklen Teppich von damals. Die grossflächigen Wandbilder auf der Parkhauswand – von Künstler Harry Buser zwischen 1976 und 1980 geschaffen – wurden auf Wunsch der Stadt Zürich erhalten. An der Decke brechen tellerartige Elemente mit bündig eingelassenen Leuchten die stark lineare Wirkung der Korridore. Die Wohnungen selbst wurden wie die Fassade lediglich neu gestrichen. Eine Verbindung zu den beiden obersten Geschossen schaffen die Zonen vor dem Lift. Die bis zur Fassade offen gestalteten Bereiche ermöglichen den Bezug zu aussen, erleichtern damit die Orientierung und bieten gleichzeitig auch Sitzgelegenheiten. Dabeischliesst an den eigentlichen Liftvorplatz jeweils ein gemeinschaftlich nutzbarer Raum an, der von den Architekten ebenfalls neu eingerichtet wurde. Wie bereits im Erdgeschoss entsteht auch hier durch die verwendeten Materialien und die Möblierung eine den Räumen

Adäquate Atmosphäre.

Mit dem radikalen Umbau der beiden obersten Geschosse schliesslich ist es den Architekten gelungen, im Altersheim Wildbach eine ganz neue Raumwahrnehmung zu schaffen. Anstelle trostloser Räume, die nur durch Kuppellichter Bezug zum Aussenraum hatten, ist eine Welt entstanden, die von spannungsvollen Durch- und Ausblicken lebt. Der mit Zedernholz und Glas eingefasste, auf zwei Ebenen liegende Innenhof mit freiem Blick zum Himmel findet seine Fortsetzung im mehrfach nutzbaren Saal, der in der Mitte zweigeschossig wird und sich mit einem eingeschossigen Flügel zur Aussenfassade öffnet. Dunkelgrüne Tapeten, eine zeitgemässe Version eines Kronleuchters und ein mit CNC gefertigtes dekoratives Wandelement als Sichtschutz zum Korridor lassen zusammen mit der Verkleidung aus Zedernholz eine warme, fast festliche Raumstimmung entstehen. Auf Zeder fiel die Wahl aufgrund der positiven Eigenschaften des Materials: Es ist aussen und innen einsetzbar, harzt nicht und schafft ein gutes Raumklima. Im Wellnessbereich erzeugen die Architekten mit den kleinteiligen Glaskeramiksteinen in Blau-, Grün- und Brauntönen nochmals eine andere Raumstimmung. Und selbst die Grossküche überrascht mit einem eigenwilligen Farbkonzept: Die üblicherweise weissen Keramikplatten sind hier pinkfarben. Mit der Vielfalt an Raumeindrücken, die sich im Haus zu einem stimmigen Ganzen fügen, unterstützen Gäumann Lüdi von der Ropp selbstbestimmtes Wohnen im Alter, das im Rahmen einer Institution vielfältige Aktivitäten und den Rückzug in die eigenen vier Wände bietet. Sie haben für Menschen, die in der Regel über einen nur mehr begrenzten Bewegungsradius verfügen, eine Vielfalt an spannungsvollen Räumen in erreichbarer Distanz geschaffen.

TEC21, Fr., 2010.09.24

24. September 2010 Jutta Glanzmann

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