Editorial
Was die Zeitgenossen an Arne Jacobsens Munkegårdsskolen in der Gemeinde Gentofte nördlich von Kopenhagen frappierte, war «its small and intimate scale, suggesting a little school, when in actual fact it takes 850 children of all ages»1. Wie ein Teppich breitet sich die Schule auf dem Gelände zwischen den Ortsteilen Vangede und Dyssegård aus. Das regelmässige Muster der aneinander gereihten Pavillons, Höfe und Korridore wird im Zentrum aufgebrochen durch den Bau, der u.a. den Festsaal beherbergt. Im Norden wird die eingeschossige Pavillonlandschaft begrenzt von einem zweigeschossigen Riegel. Im Südwesten ist die Turnhalle angefügt, die sich auf einen Fussballplatz öffnet. Dennoch hat Jacobsen das Serielle, das potenziell endlos Erweiterbare betont. Es findet sich nicht nur in der übergeordneten Struktur, sondern auch in der Ausgestaltung der einzelnen Baukörper. So ist jeder Hof mit einem individuellen, geometrischen Plattenmuster belegt. Der Bühnenvorhang im Festsaal ist in einem rot-gelben Harlekin-Dekor gewoben – Kulminationspunkt einer Entwicklung, die Jacobsen bei seinen textilen Entwürfen durchmachte: Die organischen Motive – florale Muster – wurden mehr und mehr von der Abstraktion verdrängt bis zur reinen Geometrie.
In ihrer unterirdisch angelegten Erweiterung suchte die dänische Architektin Dorte Mandrup nun genau diesen Eigenheiten Rechnung zu tragen (vgl. «Jacobsen ‹untergraben›»). Sie übernahm nicht nur die Hofstruktur, sondern adaptierte auch das Dekor: Die Höfe sind mit Bodenbelägen ausgestattet, die jeweils ein repetitives Muster an der Schwelle zwischen organisch und geometrisch aufweisen. Für Wände und Boden im Toilettenbereich griff sie eine Tapete mit Pflanzenmotiven auf, die Jacobsen einst entworfen hatte. Und die Verglasung der Atrien ist eine in die Dreidimensionalität übertragene Übersetzung des Bühnenvorhangs...
Was Dorte Mandrup Arne Jacobsens Schule architektonisch an Respekt angedeihen liess, mussten die Ingenieure von Grontmij Carl Bro bei den Eingriffen ins Tragwerk beherzigen. Um die bestehenden Bauten nicht in Mitleidenschaft zu ziehen, mussten Erschütterungen vermieden werden. Und die von Mandrup anvisierte Geometrie der Atrienverglasung wurde mit schräg gestellten, gelenkig gelagerten Stahlstützen gelöst (vgl. «Behutsam am Rohbau»). Exemplarisch führt der Ausbau der Schule vor, wie intensiv Architek-tur, Ingenieurwesen und Denkmalpflege zusammenwirken müssen, um eine Erweiterung quasi unsichtbar in das bestehende Ensemble einzubetten.
Rahel Hartmann Schweizer
Inhalt
05 WETTBEWERBE
Raum für Schule und Öffentlichkeit
10 MAGAZIN
Mangelnde Effizienz von Lüftungen | Bücher
16 JACOBSEN «UNTERGRABEN»
Klaus Englert
Architektur: Arne Jacobsens 1956 fertig gestellte Munkegårdsskolen in Gentofte bei Kopenhagen war ein Meilenstein im Schulhausbau. Die dänische Architektin Dorte Mandrup vollzog die Erweiterung des denkmalgeschützten Objekts gleichermassen respektvoll wie eigenständig.
22 BEHUTSAM AM ROHBAU
Hans Bendix Pedersen, Peter Dam-Johansen
Ingenieurwesen: Die tragenden Bauteile des Schulhauses Munkegårdsskolen weisen teilweise geringe Materialfestigkeiten auf. Damit die denkmalgeschützten Bauten nicht beschädigt wurden, mussten die Bauingenieure von Grontmij Carl Bro bei den tragwerkspezifischen Eingriffen behutsam vorgehen.
28 SIA
Direktionsklausur 1/2010 | Stellungnahme: GU-Werkvertrag KBOB | Aktuelle Kurse SIA-Form
30 FIRMEN
31 PRODUKTE
37 IMPRESSUM
38 VERANSTALTUNGEN
Jacobsen «untergraben»
Arne Jacobsens (1902–1971) Munkegårdsskolen in Gentofte bei Kopenhagen (1952–1956) revolutionierte den Schulhausbau: Mit seinem Rastermodell, zweifellos die originellste Entwurfsidee, übersetzte er die pädagogischen Reformgedanken in gebaute Architektur. Und obwohl er Nachahmer fand, wurde es nirgends konsequenter umgesetzt als in der Gentofter Munkegårds-Schule. Die dänische Architektin Dorte Mandrup «huldigt» dem Zeitzeugen mit einer kongenialen, im Herbst 2009 eröffneten Erweiterung.
Gentofte liegt nur wenige Kilometer nördlich von Kopenhagen. Es ist ein beschauliches und wohlhabendes Städtchen, mit ausgeprägtem Trend zum Eigenheim-Idyll. Gentofte ist weder eine gewöhnliche Schlafstadt noch eine der typischen Suburbs, weshalb es die Einheimischen nach getaner Arbeit in Kopenhagen weiterhin vorziehen, ins beschauliche Heim vor den Toren der Hauptstadt zurückzukehren.
Ausgerechnet das kleinstädtische Gentofte war in den 1950er-Jahren Schauplatz einer kleinen architektonischen Revolution. Es war die Zeit, als viele westeuropäische Kommunen aufgrund der Kriegszerstörungen erheblichen Bedarf an neuen, richtungweisenden Schulbauten hatten. Und es war die Zeit, als viele Architekten neue Schultypologien ausprobierten und kindergerechtere Klassenräume bauten (vgl. nebenstehenden Kasten). Die Nouvelle vague neuer Schulen begann allerdings im nördlichen Gentofte, als 1949 ein Wettbewerb für die Munkegårdsskolen ausgelobt wurde, den der damals 47-jährige Arne Jacobsen mit einer ungewöhnlichen Gebäudetypologie gewann. Zunächst widmete sich die Zeitschrift «Arkitekten» dem Thema «eingeschossiger Schulbau» und publizierte den siegreichen Entwurf, schliesslich zog nach Fertigstellung des Projekts die internationale Fachpresse nach, die allseits lobte, durch Jacobsens Munkegårdsskolen seien neue Massstäbe im Schulbau erreicht worden. Anerkennung fand besonders der intime Massstab der Schule, die immerhin 850 Kinder aller Altersgruppen aufnehmen sollte.
Mehrgliedriges Ensemble statt monolithischem Baukörper
Jacobsen war bestrebt, den traditionellen monolithischen, mehrgeschossigen Baukörper zugunsten eines mehrgliedrigen, eingeschossigen Ensembles aufzulösen, und reagierte damit auf die allen voran von Rudolf Steiner propagierte Reformpädagogik, die nicht nur einen mehr auf die kindlichen Bedürfnisse ausgerichteten Unterricht forderte, sondern auch Schulgebäude, die den neuen pädagogischen Erfordernissen besser entsprechen. Diese Reformgedanken machte sich 1933 der Architekt Edvard Thomsen (1884–1980) zu eigen, als er in «Arkitekten» forderte, man solle in Dänemark von der «munteren Renaissance» der Pavillonschule in Deutschland und England lernen. Dabei lobte er die einhüftigen Korridore, da sie im Gegensatz zu den üblichen Mittelkorridoren mehr Tageslicht hereinlassen.
Jacobsens Entwurf zielte darauf ab, den geschlossenen Baukörper zugunsten einer modularen «open-end»-Struktur, einer seriellen Addition von eingeschossigen Klassentrakten aufzulösen, deren Grundriss einem Teppichmuster gleicht (Abb. 1). Die Klassen, die quer zum Festsaal in Bändern angeordnet sind, werden von parallelen Verbindungsgängen durchschnitten, während die verbliebenen Zwischenräume als frei zugängliche Innenhöfe gestaltet wurden. Jacobsen wollte damit erreichen, dass die Kinder während des Unterrichts auf den grünen Patio hinausschauen und sich ablenken können. Entstanden ist dabei ein repetitives Muster aus linearen, rechtwinkligen Modulen. Prima vista hat die Munkegårds- Schule tatsächlich eine offene Struktur. Genaugenommen gehorcht sie aber klaren Ordnungsprinzipien und einer durchaus hierarchischen Ausrichtung: Das schulische Ensemble wird nämlich durch einen mittig angeordneten Festsaal strukturiert, während der zweigeschossige Riegel, der die Fachklassen und die Lehrerbibliothek aufnimmt, den Komplex im Norden abschliesst. Zudem setzt sich diese Begrenzung im südlichen Bereich fort, insofern die Frontgebäude, die überdachten Fahrradschuppen und die beiden Flügel der Sporthallen die Klassentrakte sowie den lang gestreckten Schulhof sehr markant einfassen.
Der Entwurf für die Munkegårds-Schule entbehrt also nicht eines gewissen Paradoxons: Einerseits zeichnet er sich durch eine nicht hierarchisch aufgebaute Systemstruktur aus, die sich am Grundriss des Gitters orientiert. Andererseits ist eine starke Begrenzung und Zentrierung des Ensembles unverkennbar. Jacobsen berücksichtigte zwar auch Elemente, die den seriellen Charakter der Anlage mildern – etwa die nach Norden ausgerichteten Pultdächer der beiden Sporthallen und die nach Süden orientierten Sheddächer der Klassenzimmer –, aber insgesamt ordnen sich diese Elemente dem Gesamtcharakter unter. Das Rastermodell bleibt die originellste Entwurfsidee, und trotz dem Zeittrend wurde es nirgends konsequenter umgesetzt als in der Munkegårds-Schule. Angesichts der internationalen Diskussion um eine Neuausrichtung der Schularchitektur dauerte es nicht lange, bis einige westliche Architekten die Rasterstruktur konsequenter ausbauten (vgl. Kasten S. 16).
Restaurierung und Erweiterung durch Dorte Mandrup
Ähnlich wie in den 1950er-Jahren zeigt sich das Kopenhagener Baudezernat heutzutage offen für neue Entwürfe in der Schularchitektur. Das zeigt sich nicht nur an dem grossartigen, 2007 fertig gestellten Örestad-Gymnasium des dänischen Büros 3XN, das die Schule ausgehend von einem einzigen kontinuierlichen Raumkörper entwickelte und dabei konsequent auf die geometrischen Formen Arne Jacobsens zurückgriff, sondern auch an Erweiterungsbauten für Schulen, die unter Denkmalschutz stehen. Hierzu gehört auch die Gentofter Munkegårdsskolen, die dringend einen Anbau benötigte. Das Baudezernat richtete deswegen einen begrenzten Wettbewerb aus. Die eingereichten Entwürfe kollidierten aber mit den rigiden dänischen Denkmalschutzbestimmungen. Daraufhin, im Februar 2005, beauftragten die Gemeinde Gentofte und die Denkmalschutzbehörde Dorte Mandrup Arkitekter, einen eigenen Entwurf zu erarbeiten, der auf Zustimmung stiess.
Dorte Mandrup, die im trendigen Viertel Nørrebro in Kopenhagen zusammen mit Vandkunsten und dem Senkrechtstarter BIG ein Atelierhaus bezogen hat, musste im Rahmen eines eng begrenzten Etats zwei Aufgaben in Angriff nehmen. Zunächst ging es darum, den Altbau der Munkegårds-Schule zu renovieren, deren Bausubstanz in viel schlechterem Zustand war als zunächst angenommen (vgl. S. 22ff.). Mauerwerk sowie Dachränder und Dacheindeckungen der Flach- und Pultdächer mussten saniert sowie die Bodenbelägeersetzt werden. In den Klassenräumen wurden Verbindungstüren eingebaut, um eine Adhoc- Vergrösserung der Räume zu ermöglichen. Im renovierten Gymnastiksaal wurde die Trennung zwischen Knaben und Mädchen aufgehoben.
Um das Innenraumklima zu verbessern, wurden sowohl die Oberlichter als auch die Jalousien mit einer automatischen Steuerung ausgerüstet. Denn es galt, den teilweise extremen Lichteinfall in die Klassenzimmer zu filtern. Um auch in den sonnenarmen Wintermonaten möglichst viel natürliches Licht in die Räume zu bringen, hatte Jacobsen sie nämlich nach Süden ausgerichtet.
An dem von Jacobsen liebevoll mit eigenen Designentwürfen gestalteten Festsaal nahm Dorte Mandrup den optisch prägnantesten, materiell aber durchaus respektvollen Eingriff am Bestehenden vor. Trotz der Umwandlung in ein «pädagogisches Entwicklungszentrum» mit dem reversiblen Einbau einer Treppenlandschaft mit integrierter Bibliothek bleibt genug Raum, um den Saal nach wie vor als Theater zu nutzen – inklusive originalem Bühnenvorhang (Abb. 4 und 19–22).
Gleichermassen respektvoll wie mutig
Die eigentliche Herausforderung bestand aber darin, für den Gebäudeannex eine einfache, intelligente und die historische Bausubstanz respektierende Lösung zu finden. Dorte Mandrup überzeugte die Denkmalschutzbehörde mit ihrem Vorschlag, den Anbau im südlichen Bereich des Schulkomplexes, unterhalb des vorgelagerten Hofs, anzugliedern. Es handelt sich um einen unsichtbaren, 100 m langen Riegel, der durch die Pavillontrakte erschlossen wird. Auf dem Schulhof ist die Erweiterung einzig durch vier gläserne Atrien wahrnehmbar, die den Innenraum des Riegels mit Tageslicht versorgen. Markant sind die schräg gestellten Stahlstützen und Profile, die entlang dieser Glasprismen die Lasten abtragen.
Design im Geiste Jacobsens
Dorte Mandrup gelang eine einfache räumliche Segmentierung, indem sie den schlauchförmigen Raum in Haupt- und Seitentrakt unterteilte. Der lang gestreckte Riegel wird ausserdem durch die vier begehbaren Atrien unterteilt – eine Replik auf Jacobsens Patios (Abb. 5 und 15–18). Deren Fussböden weisen jeweils unterschiedliche Motive auf: Kreise, Zahlen und Buchstaben, stilisierte Blüten sowie Kristalle. Es sind bildhafte Übersetzungen der in den angelagerten Räumen unterrichteten Fächer Ernährung und Gesundheit, Körper und Bewegung, Natur und Technik sowie Physik und Chemie.
«Natur» hat Dorte Mandrup in den Toilettenbereich gezaubert, der wegen seiner grellen Farbigkeit ins Auge springt. Um das Unfallrisiko zu begrenzen – erläutert die Architektin während eines Rundgangs –, habe sie den Durchgangsraum zu den einzelnen Toiletten nahtlos mit dem Flur verbunden. Dieser offene Bereich ist eine Augenweide: Auf grün schimmerndem Epoxidharz wurden quer über Fussboden, Wände und Toilettentüren Motive von Zweigen, Blättern und Knospen angebracht. Als Vorlage diente ein von Arne Jacobsen entworfenes Motiv für eine Tapete, das in der Danish Art Library aufbewahrt wird. Das Motiv wurde vergrössert und mit einem grünen Grund hinterlegt (siehe inneres Titelbild). Ausserdem wählte sie für Wände und Mobiliar abwechselnde und lichte Farben – für die kreisrunden Tische und die ebenfalls kreisrunde Sitzgarnitur vornehmlich Rot, Grün und Orange. Das ist eine Reverenz an Arne Jacobsen, der im Altbau zur gleichen Farbpalette griff. Besondere Aufmerksamkeit verwendete Mandrup für das kindergerechte Sitzmöbel, denn immerhin hatte Jacobsen für die Munkegårdsskolen neben dem Design der Schreibpulte, der Wanduhren, der Türklinken, der runden Deckenleuchten und des Bühnenvorhangs im Festsaal auch vier unterschiedliche, farbige Stuhltypen entworfen.
Dorte Mandrup, die in Kopenhagen zuvor die viel beachtete Sporthalle «Prisma» in Amager (2006) und die Kindertagesstätte «Krausesvej» im gleichnamigen Quartier (2005) baute, gelang eine sinnvolle Unterteilung des angegliederten Riegels. Entlang der lichtspendenden Atrien gestaltete sie den Haupttrakt als «Mehrzweckraum» für die nachschulischen Aktivitäten der Kinder. Der Trakt endet mit einer hellgrün gestalteten Küche. Hier soll das gemeinsame Kochen als Teil des Unterrichtsprogramms gelernt werden. Kochen steht tatsächlich hoch im Kurs der Munkegårdsskolen: Dorte Mandrup richtete nämlich im Seitentrakt zusätzlich eine kleinere Küche ein, in der exotische Gerichte aus fernen Ländern ausprobiert werden sollen. Aber natürlich ist auch an die Naturwissenschaften gedacht, und so grenzen an die Experimentalküche die nüchterneren Physik- und Chemielabore an. Bereits «Prisma» und «Krausesvej» beweisen, dass die beste Architektur für die spielerischen Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen selbst spielerisch sein sollte. Für den Annex der Munkegårdsskolen ist der Architektin Dorte Mandrup dieser Coup ein weiteres Mal gelungen.TEC21, Fr., 2010.02.19
19. Februar 2010 Klaus Englert
Behutsam am Rohbau
Die Mauern des Schulhauses Munkegårdsskolen nahe Kopenhagen sind rissanfällig, und die tragenden Bauteile weisen teilweise geringe Materialfestigkeiten auf. Da die Anlage unter Denkmalschutz steht, durfte für die Erweiterung die bestehende Bausubstanz nicht verändert werden. Und damit die denkmalgeschützten Bauten nicht beschädigt wurden, mussten die Bauingenieure von Grontmij Carl Bro bei den tragwerkspezifischen Eingriffen behutsam vorgehen.
Die bestehende Schulanlage Munkegårdsskolen in Gentofte nahe Kopenhagen in Dänemark wurde 1949 vom Architekten Arne Jacobsen projektiert, 1952–1956 gebaut und steht seit 1995 unter Denkmalschutz. Die Räumlichkeiten der öffentlichen Schule entsprachen nicht mehr den heutigen Bedürfnissen und Anforderungen, weshalb man bei der Denkmalschutzbehörde eine Erweiterung der Schule beantragte. Der Antrag wurde unter der Vorraussetzung, dass das neue Gebäude unter Terrain versteckt würde und nur wenig im bestehenden Schulhof sichtbar sei, zugelassen.
Widrige umstände und anfälliger Bestand
Das neue, etwa 1600 m² grosse Geschoss ist über 100 m lang und an allen vier Seiten von den bestehenden denkmalgeschützten Schulgebäuden umgeben. Gemauerte Schulpavillons, ein Fahrradschuppen und eine Turnhalle umschliessen die neue Erweiterung, deren Fundamente etwa 5.25 m tiefer liegen als die Terrainkote des ursprünglichen Schulhofes (vgl. S. 16 ff.).
Um das Projekt ausführen zu können, musste eine Baugrube bis zu einer Tiefe von ungefähr 5.60 m ab bestehendem Terrain ausgebaggert werden. Dabei stellten die historische Bausubstanz und die baugrundspezifischen Verhältnisse die Fachplaner vor Schwierigkeiten. Einerseits waren die Schulhauswände anfällig für Beschädigung – ein Teil des Mauerwerks war inzwischen bereits mit Rissen durchsetzt, weshalb auch Renovationsarbeiten an den bestehenden Gebäuden vorgenommen werden mussten. Um den Ist-Zustand vor dem Baugrubenaushub zu erfassen, mussten die Planer das Mauerwerk auf Risse und andere Schäden untersuchen und das Bild entsprechend protokollieren. Ausserdem waren die betonierten Streifenfundamente, in den Nachkriegsjahren erstellt, ohne Armierung ausgeführt worden. Der Massenbeton war ungenügend verdichtet worden und wies eine tiefe Festigkeit auf. Infolge der unzureichenden Qualität waren bei den Fundamenten viele Risse sichtbar. Sie mussten darum während der Bauarbeiten für die Erweiterung mit Ab- und Unterstützungsmassnahmen sowie Unterfangungen temporär gesichert werden.
Andererseits waren die Verhältnisse des Baugrunds ungünstig: Der sehr fette, etwa zu zwei Drittel aus Tonmineralien bestehende, tertiäre Tonboden mit Wasserzustrom durch eingeschlossene Hohlräume erschwerte die Bautätigkeit. Trotz der temporären und partiell angeordneten inneren Wasserhaltung mittels Wellpoint-Verfahren war die Baugrubensohle nass und aufgeweicht. In Kombination mit den beschränkten Platzverhältnissen stellten diese Umstände grosse Anforderungen an die Bauleitung und die Logistik.
Neues soll altes nicht Beschädigen
Die Baugrube wurde auf allen Seiten mit einfach rückverankerten Rühlwänden gesichert. Die vertikalen Stahlträger wurden erschütterungsarm in vorgebohrte Löcher eingestellt, wobei die untersten Trägerabschnitte in Beton eingegossen wurden. Die Anker wurden zentrisch durch die Rühlwandträger versetzt, um Verdrehungen der Stahlträger infolge Exzentrizität zu verhindern (Abb. 1 und 2). Die Ausfachung aus Holzbohlen oder Stahlplatten zwischen den abgeteuften Rühlwandträgern wurde mit fortschreitendem Aushub eingebaut. Dieser erfolgte in zwei Etappen, wobei die Ausfachung jeweils nachgezogen wurde, bis die Bodensohlkote erreicht war. Die Erdanker wurden nach der ersten Etappe ab einer Baugrubentiefe von etwa 2.0 m versetzt. Sie minimieren bei dieser «weichen» Baugrubensicherung die Setzungen und verhindern eine Beschädigung der geschützten Bausubstanz.
Untergrabene Fundamente abfangen
Das neue Untergeschoss wird mit neun Treppen und zwei Liften erschlossen. Ein Lift und ein Treppenlauf bringen die Benutzer hinauf in den Schulhof. Die restlichen Erschliessungszonen ermöglichen die direkte Verbindung in die alten Schulpavillons. Da sie unter den bestehenden Streifenfundamenten hindurch auf die Ergeschossebene geführt sind, waren während des Baus temporäre Konstruktionsmassnahmen erforderlich, die das darüber stehende Gebäude schadlos abfingen (Abb. 3).
Für die Abfangkonstruktionen wurden Mikropfähle eingerammt. Die dadurch entstehenden Erschütterungen waren so klein, dass sie keine Schäden an der bestehenden Bausubstanz verursachten. Stahlträger, die auf den Mikropfählen und im Erdreich unter den Pavillons gelagert waren, wurden sektionsweise und abgestimmt auf den Kräfteverlauf eingebaut und trugen auf einer Höhe von 4.5 m die nicht armierten Streifenfundamente. Einzelne Felder wurden kreuzweise mit vor Ort angeschweissten Stahlträgern ausgesteift.
Erweiterung als Teilvorfabrizierter Neubau
Nach Ausführung der Baugrube, der Abfangkonstruktionen und der Treppenverbindungen konnte der aus ingenieurspezifischer Sicht eher traditionelle Teil des Bauwerks ausgeführt werden. Die Aussenwände aus Beton wurden mehrheitlich einschalig erstellt, wobei die Rühlwände als verlorene Schalung verwendet wurden. Der Hohlraum zwischen den Oberkanten der neuen Wände und den Unterkanten der alten Fundamente wurde mit einer 50 mm dicken Zementmörtelschicht ausgegossen. Auf dieser Ausgleichsschicht liegen die alten Schulhausmauern satt auf, womit Setzungen vorgebeugt wird.
Die Decke über dem neuen Geschoss ist mit Stahlträgern konstruiert. Die Primärträger aus HEM- und HEB-Walzprofilen sind über 15 m gespannt und nur jeweils auf zwei Beton-Aussenmauern gelagert (Abb. 7). Dadurch entstanden grosszügige, stützenfreie Flächen. Die sekundären Blechträger, die in der Regel im Abstand von 2.5 bis 3.5 m zwischen den Primärträgern eingespannt sind, tragen die Filigranplatten (Abb. 6). Diese vorgefertigten Halbfertigteile mit eingebauter Armierung und der monolithische, vor Ort aufgebrachte Überbeton wirken statisch im Verbund und tragen den Dachaufbau mit dem druckfesten Dämmmaterial, den Dichtungsbahnen und der Erdaufschüttung bis zur fertigen Kote des Schulhofes (Abb. 9). Dieser wurde in seiner ehemaligen Form und Gestaltung wiederhergestellt.
Durch vier gläserne Atrien fällt Licht ins Untergeschoss (Abb. 5 und 8). Die schräg gestellten, gelenkig gelagerten Stahlstützen, mit nur geringer aussteifender Funktion, tragen bei diesen Lichtöffnungen hauptsächlich Vertikallasten ab. Die Abtragung der horizontalen Kräfte erfolgt über die als Scheibe wirkende Decke hin zu den Betonaussenwänden und von dort weiter als Querkräfte hinunter in die Fundamente und damit in das Erdreich.
Von aussen nicht sichtbar
Die Projektierung dieser Erweiterung der Munkegårdsskolen war ein spannender Prozess. Die Planer mussten in diesem besonderen Fall spezielle Anliegen der Architektur, des Ingenieurwesens und der Denkmalpflege miteinander vereinen. Im Rohbau waren die teilweise unvorhergesehenen Probleme eine Herausforderung für das Planungsteam und die Ausführenden. Das Ziel, die Erweiterung möglichst unsichtbar und vor allem weitestgehend ohne Beschädigung der historischen Bausubstanz in das bestehende Ensemble einzubetten, ist aber dank enger Zusammenarbeit zwischen allen am Bau Beteiligten und der Denkmalschutzbehörde geglückt.TEC21, Fr., 2010.02.19
19. Februar 2010 Peter Dam-Johansen, Hans Bendix Pedersen