Editorial

Aus Freude am Nervenkitzel begeben sich die Besucher des Seilparks in Grindelwald zur Unterhaltung aufs gespannte Hochseil («Gut angeseilt», S. 33). Wind und Wetter sind sie dabei nicht ausgesetzt, denn die Konstruktion des ersten Indoor-Seilparks in der Schweiz ist sicher und gut geschützt im Innern der Eishalle am Stahlfachwerk der Dachkonstruktion aufgehängt.

Nerven wie Drahtseile brauchten hingegen die Brückenbauer, die den Hängelaufsteg über die Triftschlucht im Berner Oberland montierten («Hochseilakt», S. 27). Das Arbeitsumfeld ist rau: Ein paar in schwindelerregender Höhe gespannte Seile müssen zu einer sicheren Brückenkonstruktion verbunden werden. Der Abwind des Helikopters, für die Montage der Brücke herbeigezogen, erschwert die Handgriffe zusätzlich.

Arbeiten ist hier nur am gesicherten Seil zu verantworten. Es ist natürlich nicht der Adrenalinschub, der die Arbeiter dazu treibt, nach nur vier Jahren Betriebszeit einen Ersatzsteg zu montieren, den alten Hängelaufsteg abzubauen und an einem neuen Standort im Kanton Uri – erneut zwischen steilen Felsen – einzubauen. Die Bauarbeiten dokumentiert hat der bekannte Schweizer Fotograf und Bergführer Robert Bösch. Er hat sowohl die spannenden Momente während der Montage festgehalten als auch schöne, friedlich anmutende und eindrückliche Bilder eingefangen.

Wenn die Montage – wie bei der Triftbrücke – nur mithilfe des Helikopters erfolgen kann, müssen der gesamte Bauablauf und die Arbeitsvorgänge auf die Flüge abgestimmt werden. Auch den Planern des Neubaus der SAC-Hütte Spitzmeilen bot sich der Einsatz eines Helikopters an. Sie suchten jedoch ein weniger witterungsabhängiges Transportmittel, um das Material auf dem Luftweg zur Baustelle zu bringen. Die ablaufspezifisch und wirtschaftlich attraktivste Lösung fanden sie in einer Materialseilbahn («Seilen statt fliegen», S. 22).
Diese drei Beispiel zeigen – so unterschiedlich sie sind –, dass Seile, obwohl sie nur Zugkräfte aufnehmen können, enorm leistungs-fähig sind und dabei sehr effiziente und ästhetische Konstruktionen ermöglichen.
Clementine van Rooden

Inhalt

05 WETTBEWERBE
Architekturpreis Beton 09 | Schulhausersatzbau in Thal | Schulhausneubau in Lenzburg

12 MAGAZIN
Kinder auf die Strasse? | Immer nach Hause| Bandra–Worli Sea Link, Mumbai | Klimagespräch an der ETH Zürich | Bücher | Stadt-baum: künftig Föhre statt Linde? | Bauingenieur Jörg Schlaich 75-jährig

22 SEILEN STATT FLIEGEN
Rolf Bachofner
Die Materialversorgung auf Baustellen in alpiner Höhe erfolgt meist mit Helikoptern. Materialseilbahnen können eine effiziente und kostengünstige Alternative sein. Spitzmeilen ist ein Beispiel dafür.

27 HOCHSEILAKT
Hans Pfaffen, Walter Brog, Clementine van Rooden
Der nur vier Jahre alte Hängelaufsteg in der Triftschlucht musste ersetzt werden, weil heftige Winde die Konstruktion regelmässig beschädigten. Die neue Brücke ist den Windböen weniger ausgesetzt.

33 GUT ANGESEILT
Angela Bruderer
Der bisher einzige Indoor-Seilpark in der Schweiz wurde in Grindelwald gebaut. Er hängt in der Dachkonstruktion der Eishalle und ist seit einem Jahr in Betrieb.

38 SIA
Geschäftslage im 3. Quartal 2009 | Register Dichtungsbahnen | Swissbau 2010

45 PRODUKTE

53 IMPRESSUM

54 VERANSTALTUNGEN

Dreischichtseilen statt fliegen

Bei Bauprojekten an alpinen Standorten ist die Materiallogistik eine Herausforderung. Helikoptertransporte scheinen die naheliegende und einzige Lösung zu sein. Doch Materialseilbahnen bieten als Transportmittel und für die Montage eine finanziell und baulogistisch interessante Alternative, vor allem wenn grosse Mengen Baumaterial transportiert werden müssen wie beim Bau der neuen Spitzmeilenhütte in den Flumserbergen SG.

Die Winterschutzhütte Spitzmeilen wurde 1903 auf 2087 m ü. M. erstellt. Sie wurde mehrfach erweitert und saniert, trotzdem genügte sie den heutigen Anforderungen nicht mehr. Nach reger Standortdiskussion entschloss sich die SAC-Sektion Piz Sol, die Hütte an der gleichen Stelle zu erneuern. Die Sektion als Eigentümerin lobte im Frühjahr 2005 einen Wettbewerb unter drei eingeladenen Architekturbüros aus. Die Aufgabe bestand darin, je einen Vorschlag für eine Sanierung und einen Neubau zu unterbreiten.

Die unwesentlich höheren Kosten eines Neubaus veranlassten die Mitgliederversammlung im März 2006, die Neubauvariante zu bevorzugen und dem Baukredit zuzustimmen. Als Sieger ging das Planerteam mit den Architekten von Berger und Partner und den Bauingenieuren von Conzett Bronzini Gartmann aus dem Wettbewerb hervor.

Einfache Bedürfnisse

Die Hütte ist zu Fuss ohne besondere Schwierigkeiten erreichbar und eignet sich vorzüglich für Familien- und Gruppenausflüge. Die Besucher sind darum vornehmlich durstige Tagesgäste mit dem Wunsch nach einfachen Mittagsmahlzeiten sowie Wanderer, die für eine Nacht beherbergt werden wollen. Entsprechend sind die Räumlichkeiten auf diese Bedürfnisse ausgelegt: Im Untergeschoss befinden sich die Lagerräume, die Gästetoiletten und der Winterraum, ein den Gästen auch bei unbewarteter Hütte zur Verfügung stehender, einfach ausgerüsteter Raum. Das Erdgeschoss umfasst einen grosszügigen Aufenthaltsraum mit einem Panoramafenster, das die Churfirsten und das Schilstal inszeniert. Die zentral angeordnete Küche, die privaten Räume des Hüttenwartes und der Eingang mit dem vorgebauten Windfang vervollständigen das Geschoss. Vor dem Haupteingang liegt eine grosse Terrasse, wo im Sommer Gäste bewirtet werden. Im Obergeschoss befinden sich die Sanitärräume und sieben unbeheizte Schlafzimmer mit insgesamt 44 Betten.

Anspruchsvolle Konstruktion

Die massgebenden Einwirkungen auf die Tragkonstruktion infolge von Schnee und Wind konnten aufgrund der Meereshöhe und der exponierten Lage nicht nur nach der Norm SIA 261 bestimmt werden – es mussten zusätzlich Gespräche über die Erfahrungen mit anderen alpinen Bauten geführt sowie Beobachtungen vor Ort vorgenommen und Wetterdaten und Kartenmaterial studiert werden. Der charakteristische Wert der Schneelast wurde schliesslich mit qk=10 kN/m2 und der Referenzwert des Staudrucks mit qp0=2.50 kN/m2 in der Projektbasis und der Nutzungsvereinbarung festgehalten.

Die Bodenplatte, die erdberührten Aussenwände, einige Innenwände und die Decke des Untergeschosses wurden aus 180 mm starkem bewehrtem Sichtortbeton hergestellt. Die leicht belasteten Innenwände des Untergeschosses sind mit Kalksandsteinen aufgemauert. Die Aussen- und Innenwände in den beiden oberen Geschossen bestehen aus einer 180 mm starken, beplankten Holzkonstruktion, die innenseitig mit einer 57 mm dicken Furnierschichtholzplatte (EG) beziehungsweise einer sichtbaren 27 mm starken Dreischichtplatte (OG) beplankt wurde. Die Verwendung wandgrosser Furnierschichtholzplatten erlaubte es, die Elemente widerstandsfähig auszubilden, was im Gebrauch wegen der nicht genau bekannten Einwirkungen wünschenswert war. Zudem widerstanden die vorgefertigten Elemente den Transportstrapazen durch Umladen und Zwischenlagern bei misslichsten Witterungsbedingungen. Zwischen den Stützen ist eine Dämmung eingesetzt und aussenseitig eine Zusatzdämmung als Winddichtung angeschlagen. Die der Gebäudestabilisierung dienenden Wandscheiben des Erdgeschosses (Innen- und Aussenwände) sind innenseitig zusätzlich mit einer Gipsfaserplatte (Küche, Korridore), mit Dreischichtplatten (Zimmer) oder mit einer Schalung (Aufenthaltsraum) verkleidet. Für die Erdgeschossdecke wurden Rippenplatten mit einer 42 mm starken Dreischichtplatte hergestellt. Die Dachelemente bestehen aus vorfabrizierten Hohlkasten.

Helikopter Versus Materialseilbahn

Die logistischen Herausforderungen bezüglich Transport und Montage an diesem alpinen Standort hatten einen wesentlichen Einfluss auf den Tragwerksentwurf, den Baufortschritt und die Erstellungskosten. Der Bauablauf musste darum bereits in der frühen Planung festgelegt werden. Die Materialtransporte von und zur Baustelle konnten grundsätzlich nur mit dem Helikopter oder mit einer Materialseilbahn erfolgen, weil ein fahrzeuggerechter Ausbau der Wege ausgeschlossen war. Dennoch mussten die Zufahrten bis zu den jeweils für die Materialbahn oder den Helikoptertransport vorgesehenen Umladestellen mit dem Eigentümer des betroffenen Grundstücks und der Strasse sowie mit einem Transporteur geklärt werden. Die kurvenreiche Strasse ist schmal und nur auf geringe Nutzlasten und Frequenzen ausgelegt.

Um das geeignete Transportmittel zu bestimmen, wurden Kosten und Nutzen einander gegenübergestellt: Damit ein Helikoptereinsatz wirtschaftlich ist, müssen die Rotationszeiten in der Regel sehr kurz und die Hublasten eher klein gehalten werden. Die Kosten wachsen mit zunehmender zu überwindender Höhe und – infolge der Überfluggebühren – mit steigender Anzahl Arbeitseinsätze. Ausserdem ist der Einsatz dieses Transportmittels nur bei schönem Wetter und wenig Wind möglich und der Verfügbarkeit des Anbieters unterworfen. Die Materialseilbahn hingegen kann auch bei sehr misslichen Witterungen, insbesondere bei Nebel und kräftigem Wind, ihren Betrieb aufrechterhalten. Die Erstellungsund Demontagearbeiten der Bahn benötigen Zeit und verursachen einen wesentlichen Anteil an den Gesamtkosten. Der Betrieb und der Unterhalt der Bahn sind jedoch sehr günstig, weil eine Person die Bedienung allein vornehmen kann. Mit zunehmender Materialmenge sinken daher die Transportkosten pro Einheit. Tendenziell weist die Materialseilbahn bei grossen Mengen und schweren Einzelteilen Vorteile auf, während sich der Helikoptereinsatz bei kleineren Materialmengen in leichten Einheiten aufdrängt.

Materialseilbahn als geeignetes Transportmittel

Nach einer sorgfältigen Abwägung der Vor- und Nachteile sowie der Kosten eines Helikopter- oder Materialseilbahneinsatzes fiel der Entscheid zu Gunsten der Seilbahn mit einer Nutzlast von 3 t. Der topografisch günstige Gebäudestandort an einer exponierten Geländekante (Abb. 2) und die bestehende Zubringerstrasse zur Talstation (Abb. 4) ergaben ideale Voraussetzungen für die Materialseilbahn. So konnte trotz des häufig schlechten Wetters im Sommer 2007 der Materialtransport stets aufrechterhalten werden.

Die Transporte der Bahnbauteile erfolgten mit einem Helikopter, der anschliessend bis zur Demontage nicht mehr benötigt wurde. Der eingekofferte Verlade- und Installationsplatz bei der Talstation der Materialseilbahn wurde talseitig der Zubringerstrasse direkt unter das Tragseil der Bahn platziert. Er diente dem Materialumschlag und der Zwischenlagerung von Baumaterial. Die Strasse konnte so während des gesamten Neubaus weitgehend freigehalten werden, was seitens der Grundeigentümer Bedingung für die Aufrechterhaltung eines ungestörten Alpbetriebes war. Der geräuscharme Betrieb störte ausserdem weder die neben der Bahn liegende Alphütte noch die weidenden Kühe.

Für die Materialseilbahn wurden keine Zwischenmasten erstellt. Die freie Spannweite des Tragseils war knapp 1200 m. Die Antriebswinde für das Zugseil wurde an der Talstation installiert und bedient. Dabei erfolgte die Verankerung des Tragseils mit einem Mehrfachanker an den umstehenden Bäumen. Die Kommunikation zwischen der Baustelle und der Bedienung an der Talstation funktionierte per Funk. Der Sichtkontakt vereinfachte die Bedienung, weil die bedienende Person die Ankunft der Bahn auf der Baustelle selber sehen konnte.

Für die Montage auf der Baustelle des Neubaus wurde der Einsatz eines Baustellenkrans in Betracht gezogen – infolge der erforderlichen kleinteiligen Transportzerlegung und der daraus resultierenden Kosten aber verworfen. Stattdessen wurde der bergseitig des Neubaus stehende Seilbahnmast als ein 30 m hoher Schwenkmast ausgebildet (Abb. 1). Er konnte je 5 m quer zur Seilachse abgekippt werden, wodurch 2.6 t schwere Wand- und Dachelemente ohne weitere Hilfsmittel versetzt werden konnten. Die Bedienung der Seilwinde (auf und ab) erfolgte vor Ort mit einer Funkfernsteuerung. Für das Betonieren erwies sich das Schwenken des Mastes allerdings als ineffizient. Daher wurden die Betonieretappen so gewählt, dass jede Etappe teilweise unter der Seilachse lag – der eingesetzte fliessfähige SCC-Beton erreichte auch die entfernten Wandpartien.

Synergien Nutzen

Damit Synergien bewusst genutzt und Kosten gespart werden können, müssen Transportdispositionen grundsätzlich zu einem frühen Planungszeitpunkt über das gesamte Bauvorhaben betrachtet werden. Erst dann ist gewährleistet, dass nicht jedes am Bau beteiligte Unternehmen die für ihn beste Transportmöglichkeit wählt, denn dadurch können die Gesamtkosten ansteigen. Die frühzeitige Klärung erlaubte es bei der SAC-Hütte Spitzmeilen, das Tragwerk auf der Basis von wenigen grossflächigen Elementen mit geringen Fugen- und Verbindungsmittelanteilen zu entwerfen. Ausserdem konnten so für die Gebäudestabilität und die Umsetzung des Brandschutzes effiziente Lösungen gefunden werden. Für die Bestimmung der Betonbauteile waren diese Vorabklärungen ebenso relevant: Die Decke über dem Untergeschoss konnte kostengünstiger in Beton statt in Holz erstellt werden. Im Rückblick hat sich der Einsatz einer Materialseilbahn als Transport- und Montagemittel für dieses Bauvorhaben als sehr gute und finanziell ausgesprochen interessante Lösung bestätigt.

TEC21, Fr., 2009.12.04

04. Dezember 2009 Rolf Bachofner

Hochseilakt

Der Hängelaufsteg unterhalb des Triftgletschers im Berner Oberland wurde 2004 gebaut, um nach dem rasanten Schwund des Gletschers den Zustieg zur Trifthütte zu gewährleisten. Doch der Wind am speziellen Standort beschädigte seither die Konstruktion. Deshalb wurde in diesem Sommer eine neue Brücke an einer günstigeren Stelle aufgebaut und die alte demontiert.

Der Weg von der Sustenpassstrasse zur Trifthütte führte ursprünglich über den Triftgletscher: Über steil abfallende Leitern stiegen die Alpinistinnen und Alpinisten hinunter auf die Gletscherzunge, von dort aus überquerten sie den Gletscher bis auf eine Höhe von 1900 m ü. M., via «Telliblatti» führte der Weg dann dem Südhang entlang hinauf zur Trifthütte auf 2520 m ü. M. In den letzten Jahren ist die Gletscherzunge abgeschmolzen, allein im Sommer 2004 um 164 m. Es ist ein grosser See entstanden, und die Triftschlucht hat sich geöffnet, sodass ab etwa 2003 der Abstieg via Leitern nicht mehr möglich war. Die Bergsteiger waren gezwungen, am Nordhang entlang einen mühsamen Aufstieg zu bewältigen, um dann wieder etwa 200 m abzusteigen, damit sie den Triftgletscher oberhalb des Abbruches überqueren konnten. Diese Route war gut ausgerüsteten und erfahrenen Alpinisten vorbehalten, da die Gletscherquerung hier in Spaltenrichtung erfolgte, was vor allem im Frühsommer und Spätherbst eine genaue Routenwahl und Lagebeurteilung erforderte.

Der Hängelaufsteg, der im September 2004 nach nur fünfmonatiger Planungs- und Ausführungszeit eröffnet wurde, machte den Weg wieder einfacher: Auf ihm konnte man die Triftschlucht etwa 30 m unter ihrem oberem Ende 70 m über dem Wasser überqueren.

Konstruktion der ersten Brücke

Die Brücke wurde als einfaches, unversteiftes Tragwerk mit einem Eigengewicht von 100 kg/m2 und einer maximalen Belastung von 750 kg/m2 konzipiert. Schwingungen wurden toleriert – wobei sie gering ausfielen, weil die Tragseile wenig durchhingen. Das nach nepalesischer Bauweise[1] erstellte Tragwerk bestand aus sechs Stahlseilen mit 32 mm Durchmesser und einer daran angehängten einfachen Stahlunterkonstruktion. Die zwei oben liegenden Tragseile wurden im Abstand von 120 cm montiert, sodass sich eine Person beim Überschreiten der Brücke rechts und links am Seil halten konnte. Sie waren zu den beiden in etwa 1.5 × 1.5 m grossen Fundamenten eingegossenen, 1.60 m hohen Pylonen geführt und dahinter mit Schwerlastanker im Fels verankert. Ebenso waren die vier unten liegenden Spannseile verankert, die jeweils als Paar pro Seite 117 t Zugkraft aufnahmen. Die Tragseile bildeten zusammen mit darunter angebrachten weiteren Drahtseilen das Geländer. Es wurde kein Drahtgeflecht montiert, da durch Schneeverwehungen die Windlast auf die Konstruktion erhöht worden wäre. Die Lauffläche war mit einheimischen, druckimprägnierten Lärchenholzplanken belegt. Jede einzelne Planke war luftumflossen und auf den im Abstand von 1.50 m montierten Querbalken der Unterkonstruktion verschraubt (Abb. 1).

Ursprünglicher Standort

Die Lage der ersten Brücke wurde gewählt, weil sie sich dank der nahezu perfekten Felsstruktur (kompakter Granit) für Verankerungen eignete und ausserdem die engste Stelle war, wo noch ein verantwortbarer Ein- und Ausstieg möglich war. Eine Zerstörung durch Lawinenniedergang konnte ausgeschlossen werden, da die Brücke im Schutz einer Felsrippe im Gebiet «Drosi» auf der Ostseite lag. In den vier Betriebsjahren hat sich diese Annahme bestätigt. Auch entlang des neuen Weges waren keine aussergewöhnlichen Gefährdungenbekannt – kleine Rutschungen konnten mit Unterhaltsarbeiten kontrolliert oder umgangen werden. Zwar wäre ein Standort weiter oben in der Schlucht bereits damals sinnvoller gewesen, war aber angesichts der zu Baubeginn noch unsicheren Finanzierung zu teuer.

Unterschätzter Wind

Nach den ersten vier Betriebsjahren zeigte sich, dass die lokalen Windverhältnisse unterschätzt worden waren und die Konstruktion beschädigten. Für die erste Brücke berücksichtigte der Bauingenieur Föhnstürme um 120 km/h, wie sie von der Messanlage auf dem «Bänzlauistock» gemessen werden. Wegen des Venturieffekts sind die Windgeschwindigkeiten in der Schlucht aber wesentlich höher, am Standort der ersten Brücke gibt es Böen von bis zu 200 km/h. Die starken Turbulenzen bewirkten zudem Kräfte auf das Tragwerk, die in diesem Masse für die Bemessung der Konstruktion nicht berücksichtig worden waren. Zahlreiche Holzplanken wurden darum durch das Kippen der Brücke abgerissen, viele Zugstangen zwischen Tragseil und Gehsteg mussten ersetzt werden. Einige Windabspannungen, die nachträglich montiert worden waren (wegen der topografischen Verhältnisse in sehr spitzem Winkel), hielten der Beanspruchung nicht stand.

Bei der Planung 2004 war man davon ausgegangen, dass vorwiegend Alpinistinnen und Alpinisten die Brücke benutzen würden. Mit der Eröffnung der Triftbahn im Frühling 2005 und dem Bekanntwerden des spektakulären Gletscherrückgangs etwa zur gleichen Zeit kamen aber auch weniger geübte Wanderer auf diese Route. Bis zu 35 000 Personen überquerten pro Jahr den längsten Hängelaufsteg im Alpenraum. Sie unterschätzten häufig den alpinen Zustieg zur Brücke hinunter, wodurch dieser zu einem Sicherheitsrisiko wurde.

Neuer Standort

Um den technischen Problemen zu begegnen und den erhöhten Sicherheitsanforderungen zu genügen, entschieden sich die Verantwortlichen 2007 dafür, die Brücke an einen weniger gefährdeten Standort zu versetzen bzw. eine neue aufzubauen. Die Finanzierungsmöglichkeiten hatten sich dank der Attraktivität der ersten Brücke stark verbessert. Der neue Standort befindet sich 20 m talauswärts und 30 m höher, wo die Schlucht breiter ist und die Windgeschwindigkeiten deshalb tiefer sind (Abb. 4 und 5).

Konstruktion der Neuen Brücke

Die neue Brücke wurde vom gleichen Ingenieur konzipiert wie die alte und hat eine ähnliche Tragkonstruktion. Der neue Hängelaufsteg ist jedoch 170 m statt 100 m lang und hat Abspannungen, die als parabolische Zugspannseile unter der Brücke angeordnet sind.

Diese Zugspannseile mit 32 mm Durchmesser sind mit senkrecht zum Laufsteg montierten Drahtseilen (16 mm) verspannt (Abb. 6) und geben der Brücke ihre Stabilität gegen Windeinwirkungen. Die gesamte Traglast verteilt sich auf die sechs Tragseile. Masse, Anordnung und Auslegung entsprechen der Konstruktion der ersten Brücke. Für die Stabilisierung des Geländers, mit zusätzlichen horizontalen und vertikalen Seilen zwischen den Tragseilen ausgespannt, und auch um die Tragseile auszusteifen, sind in den Drittelspunkten des Stegs Stabilisationsrahmen aus Stahl und in U-Form platziert. Sie erhöhen das Sicherheitsgefühl der Benutzer ebenso wie die Kanthölzer am Rand der Lauffläche, die wie die alte Brücke mit einheimischen, druckimprägnierten Lärchenholzplanken belegt ist (Abb. 6 und 7). Der Bau der neuen Brücke dauerte zwei Monate. Eingeweiht wurde sie am 12. Juni 2009 – rechtzeitig zur Saison- und Bahneröffnung. Vor allem der Einbau der Spannseile mit dem Helikopter war ein spektakulärer Vorgang, der von Windturbulenzen geprägt war (Abb. 2). Die alte Brücke wurde für den Montagevorgang genutzt und deshalb erst nach dem Einbau der neuen demontiert. Sie hat unterdessen eine neue Aufgabe erhalten: Seit August verbindet sie am Salbitschijen im Urner Göscheneralptal die SAC-Hütten Salbit und Voralp direkt miteinander.[2]


Anmerkungen:
[01] Hans Pfaffen: Hängebrücken in Nepal, in: Schweizerische Technische Zeitschrift STZ, Ausgabe Nr. 21/22, 1. Juni 1978
[02] www.salbitbruecke.ch

TEC21, Fr., 2009.12.04

04. Dezember 2009 Clementine Hegner-van Rooden, Hans Pfaffen, Walter Brog

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