Editorial

Fokus Bürotürme

„Woran erkennt man ein Bürohochhaus? Es ist groß. Es muss hoch sein. Man muss ihm die aufstrebende Kraft ansehen, es präsentiert seine Höhe selbstbewusst und stolz. Jeder Zentimeter muss entschlossen und siegessicher nach oben streben, eine dynamische Einheit vom Boden bis zur Spitze, die nicht ein einziges Mal gebremst werden darf.“ (Louis Henri Sullivan, 1896, in „Das Bürohochhaus aus künstlerischer Sicht“ )


Heute können Verwaltungstürme ihre Größe weitaus leichter zelebrieren als zu Sullivans Zeiten: Inzwischen wachsen sie bereits doppelt so hoch in den Himmel. Im deutschsprachigen Raum machen derzeit allerdings nicht neu errichtete Büroriesen von sich reden, sondern vor allem bestehende Hochhäuser, die modernisiert oder umgebaut werden. Ein Trend und seine Hintergründe.

Noch nie wurden so viele Bürohochhäuser instandgesetzt wie dieser Tage. Was vor einigen Jahren noch eine Randerscheinung war, mausert sich für Architekten zu einer alltäglichen Bauaufgabe. Unter den zahlreichen Verwaltungstürmen, die zur Modernisierung oder zum Umbau anstanden und -stehen, finden sich einige – auch im übertragenen Sinne des Wortes – herausragende Bauwerke: So erhielt das Hochhaus des Radiostudios Zürich, 1971 von Max Bill errichtet, vor zwei Jahren eine Verjüngungskur, das Hamburger Unilever-Hochhaus von HPP wird ab 2009 auf Vordermann gebracht, und auch beim Düsseldorfer Dreischeibenhaus, ebenfalls von HPP errichtet, sind bauliche Veränderungen zu erwarten, seit Thyssen-Krupp das Gebäude vor wenigen Wochen verkauft hat. Neben solchen Ikonen, die Denkmalschutz genießen, erfuhren und erfahren aber natürlich auch zahlreiche unbekannte Bürotürme eine Umgestaltung.

Was sind die Gründe für die Modernisierungswelle? Seine Boomzeit im deutschsprachigen Raum erlebte der Hochhausbau in den 1960er und 70er Jahren. Diese Generation an Büroriesen kommt allmählich in ein Alter, in dem größere Instandsetzungs- oder gar Umbaumaßnahmen unausweichlich sind. Der Energieverbrauch ist zu hoch, der Wärmeschutz erfüllt nicht die heutigen Standards, die Kabelschächte sind zu eng, die Haustechnik ist veraltet.

Hinzu kommt die aktuelle Situation am Büroimmobilienmarkt. Er ist vielerorts so übersättigt, dass sich nur noch hochwertige Flächen vermieten lassen. Anfang 2007 standen in Hamburg knapp acht, in Berlin etwa zehn, in Leipzig rund elf und in Frankfurt gut fünfzehn Prozent der Büroflächen leer. Auf architektonischem Mittelmaß bleiben die Eigentümer daher sitzen. Nur wer seine Immobilie deutlich aufwertet, hat Chancen, sie an den Mann zu bringen. Die Branche spricht von einem „Refurbishment“-Trend, und dieser macht auch vor den Büroflächen in Hochhäusern nicht halt.

Entspricht ein Verwaltungsturm den heutigen Anforderungen so gar nicht mehr und steht er nicht unter Denkmalschutz, mag es aus Investorensicht zunächst naheliegend erscheinen, ihn komplett abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Was Hochhäuser vor diesem sonst gängigen, aber ökologisch unsinnigen Vorgehen bewahrt, ist vor allem eines: ihre Höhe. Selbst ein aufwändiger Umbau erhält aus rein wirtschaftlichen Gründen in aller Regel den Vorzug vor einem Abriss, weil nach einem Abbruch meist keine Neubaugenehmigung mehr in gleicher Höhe zu bekommen wäre. Der Bauherr würde einige Stockwerke einbüßen. Zusätzlich müsste er meist größere Abstände zu den Nachbarn einhalten und mehr Stellplätze schaffen, denn zu den Zeiten, als das Hochhaus errichtet wurde, waren die geforderten Nebenflächen noch deutlich geringer. Und so ist es eben nicht eine Abbruch-, sondern eine Umbauwelle, von der die Skylines unserer Städte modifiziert werden.

Die Höhe der Büroriesen als Abrissverhinderer, die Übersättigung des Büromarkts als Bausündenverhinderer – die Chancen für anspruchsvolle Hochhausarchitektur standen noch nie so gut.

Christian Schönwetter

Inhalt

Bestandsaufnahme
06-11 | Projekte
12 | Bücher
13 | Termine

Bürotürme
16-17 | Fokus: Modernisierungswelle bei Verwaltungstürmen
18-21 | Die fantastischen Fünf: Versuch einer Typologie des Bürohochhauses
22-27 | 01 Mit Samthandschuhen: Langer Eugen, Bonn
28-33 | 02 Es werde Grün: Schweizer National Versicherung, Frankfurt am Main
34-39 | 03 Effizienz in Silbergrau: KfW Hauptverwaltung, Frankfurt am Main
40-43 | 04 Einheit und Vielfalt: Westend First, Frankfurt am Main
44-51 | 05 Prioritäten gesetzt: Hochhaus Werd, Zürich

Technik und Recht
52-55 | Dem Feuer trotzen: Brandschutz bei der Sanierung von Bürohochhäusern
56-57 | Streit ums Geld: Wie ermittelt man zur Honorarberechnung den Wert vorhandener Bausubstanz?

Produkte
58-59 | Aufzüge
60-61 | Brandschutztüren und -beschläge

Fortbildung
62-63 | Masterstudium Bauen & Erhalten, Cottbus

Rubriken
66 | Vorschau, Impressum, Bildnachweis

Bildnachweis

Bildnachweis

Cover: Simon Böhm, Stuttgart
S. 4 (von oben nach unten): Werner Huthmacher / Berker; Tomas Riehle, Köln; Simon Böhm, Stuttgart; Simon Böhm Stuttgart; Heinz Unger, Zürich
S. 6 (von oben nach unten): Hans Jürgen Landes, Dortmund; Hannes Henz, Zürich; Dominique Marc Wehrli, CH-Unterengstringen
S. 7: alle außer Bild 3:Werner Huthmacher, Berlin; Bild 3: Hotel Ellington
S. 8: Christoph Gebler, Hamburg
S. 9: Dennis Gilbert / VIEW
S. 10: Ester Havlova
S. 11: Allard van der Hoek, Amsterdam
S. 18 - 21: 01: Ezra Stoller, Chicago; 02: Matthew Johnson / Emporis; 03: Edward Jcoby / The Stubbins Association; 04: Baukunst und Werkform 1960/Heft 10; 05: Mike Bull / Emporis
S. 22 - 27: 01: Horstheinz Neuendorff / Werkarchiv Egon Eiermann, Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai), Universität Karlsruhe; 02-07: Werner Huthmacher / Berker; 08, 09: Fritz Altland / HPP International, Düsseldorf
S. 28 - 33: 01: Thomas Koculak, Mörfelden-Walldorf; 02: Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main; S. 32 oben: Christian Schönwetter; 03: Thomas Koculak, Mörfelden-Walldorf; 04: Simon Böhm, Stuttgart
S. 34 - 39: 01: Günther Laznia, Bregenz; 02-05: Tomas Riehle, Köln; 06: Carsten Costard, Frankfurt
S. 40 - 43: 01, 02, 05, S. 42 oben: Stefan Müller, Berlin; 03: Simon Böhm, Stuttgart; 06: Büro Max Dudler, Frankfurt
S. 44 - 51: 01-05; 10, 11: Heinrich Helfenstein, Zürich; 06-08: Heinz Unger, Zürich
S. 52 - 54: BTU Cottbus, Lehrstuhl Denkmalpflege
S. 62: oben: Photo-Middendorf / Werkarchiv Rolf Gutbrod, Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai), Universität Karlsruhe; unten: Christian Schönwetter, Stuttgart
S. 64: Deutsches Museum, München

Aufnahmen, die nicht anders gekennzeichnet sind, sind Werkfotos oder stammen von den Architekten, Bauherren oder aus dem Metamorphose-Archiv.

Metamorphose, Mi., 2008.09.24

24. September 2008

Mit Samthandschuhen: Langer Eugen, Bonn

(SUBTITLE) Langer Eugen, Bonn

Vierzig Jahre lang war der Eiermann-Turm in Bonn das zweite Zuhause der Abgeordneten der Bundesrepublik – mit dem Umzug der Regierung nach Berlin wurde das Gebäude für neue Nutzungen frei. Nach der rücksichtsvollen Modernisierung durch das Büro HPP International zogen nun die Vereinten Nationen in das 115 Meter hohe Gebäude, welches das Herzstück des neuen UN-Campus bilden soll.

Egon Eiermann wollte eigentlich kein Hochhaus bauen. Ein flach gegliedertes, zum Rhein hin abgetrepptes Terrassenhaus, wie es auf seinen ersten Skizzen zu sehen ist, entsprach viel eher seinen Vorstellungen. Doch die Bundesrepublik wollte 1968 nicht zu viel Geld in den Ausbau der „provisorischen“ Hauptstadt Bonn zu investieren, so dass schließlich nur ein recht winziges Grundstück zur Verfügung stand. Ein Hochhaus war die einzige Lösung, um den chronischen Platzmangel der Abgeordneten sinnvoll zu beheben. Besonders der damalige Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier setzte sich für das Gebäude ein; ihm verdankt es auch seinen Spitznamen „Langer Eugen“, mit einer Körpergröße von weniger als 1,70 Meter war der Politiker allerdings alles andere als lang...

15. Mai 2007 Claudia Hildner

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Einheit und Vielfalt

(SUBTITLE) Westend First, Frankfurt am Main

Im Rahmen eines Komplettumbaus hat Max Dudler einer Hochhausscheibe im Frankfurter Westend ein neues Gesicht gegeben. Erstmals verzichtet er auf Naturstein zugunsten einer reinen Alu-Glasfassade. Das neue Kleid erhöht nicht nur den Marktwert des Gebäudes, sondern verbessert auch auf subtile Weise den Bezug zur Umgebung.

Was für eine Nachbarschaft! Nur sechs Straßenblöcke entfernt liegt der Ursprung der deutschen Hausbesetzerbewegung, hier wurde am 19. September 1970 erstmals in der Bundesrepublik ein Gebäude besetzt. Die Protestwelle gegen die gängige Praxis, mehr oder weniger intakte Wohnbauten abzureißen und meist durch lukrativere Hochhäuser zu ersetzen, machte Schlagzeilen und verhalf dem Frankfurter Westend zu einiger Prominenz. Ironie des Schicksals, dass die Bürotürme, die damals beschauliche Gründerzeitbauten verdrängten, heute selbst die Begierde von Investoren wecken...

15. Mai 2007 Christian Schönwetter

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IBM-Haus in Berlin

Liebe Bauherren am Ernst-Reuter-Platz 2 in Berlin,

von Euch kann man noch lernen. Zum Beispiel, wie man aus einem architektonischen Juwel eine gesichtslose Gewerbe-Immobilie macht. Diese Herausforderung habt Ihr bei der Modernisierung des IBM-Baus von Rolf Gutbrod und Bernhard Binder bravourös gemeistert.

Den Fassaden habt Ihr mit dem Austausch der Fenster ihre einstige Filigranität und Eleganz genommen. Beim Einbau der zeitgemäßen Wärmeschutzverglasung war die Gelegenheit aber auch zu günstig, statt der dunkelgrauen Rahmen der Originalfenster endlich schön saubere, blütenweiße Rahmen zu verwenden. Die außerordentliche Leichtigkeit der Bandfassade von 1961 hatte aber darauf beruht, dass die Brüstungen mit weiß emaillierten Aluminiumplatten verkleidet waren, die sich nach außen wölben, während die Fensterbänder leicht zurückspringen, was vor allem durch die dunkelgraue Farbe der Rahmen betont wurde. Lediglich vor dem Kämpfer verlief jeweils eine weiße Blende über die gesamte Länge des Hauses. Sie schien vor den dunklen Glasbändern zu schweben, teilte diese in zwei schmalere waagerechte Streifen und trug entscheidend dazu bei, der Fassade jegliche Schwere zu nehmen…

15. Mai 2007

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