Editorial
Der Verlag spricht
Das Zürcher Kongresshaus darf nicht abgerissen werden! Dafür setzen sich unter dem Dach des Vereins Pro Kongresshaus Architekten, Politikerinnen, der Heimatschutz und Hochparterre ein. Mit politischen Demarchen, mit Berichten und vor allem mit Studien, wo Zürich sein neues Kongresshaus bauen könnte: Am See in Wollishofen, beim Bahnhof, bei der Kaserne. Eine Broschüre fasst all die Kommentare und Projekte zusammen. Sie liegt dieser Ausgabe bei. Zur nächsten Ausmarchung findet am 25. Januar im Cabaret Voltaire um 20 Uhr eine Diskussion statt. Kaum war vor ein paar Monaten das Sonderheft ‹Wohnen im Alter› erschienen, war es ausverkauft. Zum Thema laufen derzeit mehrere Architekturwettbewerbe. Nicht ohne Probleme, denn die Aufgabe verlangt gut erschlossene, günstige Grundstücke. Und müssen sie zusammengestückelt werden, verlangen die Veranstalter von den Teilnehmern die Quadratur des Kreises. Ivo Bösch berichtet davon auf Seite 38 und stellt Wettbewerbe für Alterswohnungen in hochparterre.wettbewerbe vor. Ausserdem:
--› Gästehaus der ETH Zürich mit Atelierbesuch bei ‹ilg santer›
--› Alterswohnungen in Adliswil
--› Wohnen in Zürich-Schwamendingen
--› Neubau Messehallen Allmend, Luzern
--› 100 Jahre Thurgauer Heimatschutz und der Erfolgswettbewerb: Trafostation Andhausen
--› Zuschlagstoff: Projekt verkauft
Zur Zeit sammeln Umwelt- und Landschaftsverbände Unterschriften für die Landschaftsinitiative. So soll der Verschleiss an Land und Landschaft etwas abgebremst werden – täglich werden immerhin 10 Fussballplätze überbaut. Die Forderungen sind: Bau- und Nichtbauland strikte trennen; für 20 Jahre keine Einzonungen; wer dennoch einzont, muss anderswo auszonen. Dieser Ausgabe liegt ein Unterschriftenbogen bei: Unterschreiben Sie – und abonnieren Sie mit dem Coupon auf Seite 12!
Köbi Gantenbein
Inhalt
04 Funde
07 Stadtwanderer: Schön ist, was Prestige bringt
09 Jakobsnotizen: Liebe im Architektenleben
11 Stadt und Spiele: Das Vogelnest
12 Impressum
Titelgeschichte
14 Jetzt ist Dürig am Zug
Brennpunkte
24 Eine Rede: Das Lob der Zersiedelung
26 ‹Kanti› Winterthur: Starkes Stück am Goldenberg
30 Architekten-Websites: Planlos ins Netz
34 Ausstellungskritik: Machen und Mitmachen
38 Wettbewerb: Mehr Platz im Alter
40 Regionalpolitik: Mit Geist gegen Scheunen
42 Kollektion Röthlisberger: In Holz denken
44 Hotel von Herzog & de Meuron: Harmlose Gletscherspalte
Leute
50 An der Verleihung des Kaspar-Diener-Förderpreises
Bücher
52 Architekturführer Basel, über die Moderne und Blumen
Siebensachen
54 Eine Weste mit Wimpeln, ein Tisch für den Tee und eine Leuchte zum Lesen
Fin de Chantier
56 Hotel auf dem Stoos, Schulen in Biel und Winterthur, Wohnen in Orangerie, Wien und Leimbach, preiswertes Haus in Düdingen, Gemeindehaus Bronschhofen, eine Kirche
An der Barkante
63 Mit Vera Gloor im ‹Ah Hua II› in Zürich
Harmlose Gletscherspalte
Herzog & de Meuron waren fünf Jahre mit dem Hotelier Urs Karli unterwegs auf Planungswanderung. Resultat ist der erste Hotelbau der Architekten und ein letzter Passstein in Karlis Hotelimperium. Das ‹Astoria› in Luzern sollte eine bewohnbare ‹Gletscherspalte› werden, doch nach Gletscherlicht, Eiskristallen und Gipfelerlebnis sucht man vergeblich.
Der Luzerner Hotelier- und Gastrounternehmer Urs Karli liess sich bereits 2000 von Jean Nouvel ‹The Hotel› bauen. Beim nur ein paar Schritte entfernten ‹Astoria› erteilte er den 23-Millionen-Franken-Auftrag wieder an Architekten mit Namen – Stararchitekten generieren Hotelnächte und erhöhen den Marktwert eines Hauses. Doch es scheint, dass Herzog & de Meuron mehr als Marketing-Etikett dienen, denn als Architekten. Es wundert deshalb nicht, dass die Basler beim Projekt den Gipfel nicht erklimmen konnten. Das Projekt bleibt in der durchaus spannenden Grundriss-Figur stecken. Karli, der sein Geschäft à coeur kennt, wollte die eierlegende Wollmilchsau: Herzog & de Meuron sollten für die nur 21 Meter breite und 34 Meter tiefe Blockrand-Parzelle zwischen Winkelriedstrasse und Kauffmannweg ein Passstück entwerfen, das möglichst viele Zimmer, ein Tageslicht-Kongress- und Seminargeschoss auf dem Dach und mehrere Küchen im Keller hat sowie die 150 Zimmer der drei bereits bestehenden Hotelbauten des ‹Astoria› mit einer zentralen Lobby verbindet. Herzog & de Meuron haben trotz minimalem städtebaulichen Spielraum eine originelle und auch funktionale Antwort gefunden. Sie füllen die wenig lichtverwöhnte Baulücke mit einer komplizierten Hoffigur, mit einem Glashaus, dessen vier tiefe, über die gesamte Gebäudehöhe verlaufende Einschnitte, sogenannte ‹Gletscherspalten›, Tageslicht bis in die unteren Geschosse holen. Die Raumskulptur ist nicht nur Lichttrichter, sondern verlängert auch die Fassadenlinie: Es gelingt den Architekten, 90 unterschiedliche Zimmer, natürlich belüftet und belichtet, entlang dieser ‹Gletscherspalten› aufzureihen – deutlich mehr, als wenn sie alle direkt auf die Strasse hin orientiert hätten. Noch spannender wäre, von der einen zur anderen Strasse durch das Haus zu laufen, was ursprünglich geplant war.
Soweit die Vorgeschichte. Die effiziente Ausnutzung der Parzelle und die geschickte Verknüpfung durch eine zentrale Lobby mit den Nachbarhäusern führen zwar zu kurzen Wegen, zu einem reibungslosen Hotelbetrieb und zu einem unverwechselbaren Haustyp, nicht aber zu besonderen räumlichen oder architektonischen Qualitäten. Die Erwartungen, welche die expressive Fassadenskulptur von aussen schürt, werden im Inneren nicht erfüllt. «Das ‹Astoria› ist ein interessantes Projekt, doch wir konnten aus Kostengründen viele unserer Ideen nicht realisieren», resümiert Jacques Herzog, «Das Konzept hätte eine radikale Umsetzung verlangt – dass wir die letzten Meter nicht gehen konnten, sieht man dem Projekt heute an. Vielleicht waren wir zu nachsichtig.»
Wo ist der Kofferlift?
Erster Berührungspunkt mit dem Hotel ist der Empfang. Die Art der Inszenierung der Ankunft definiert das Niveau der Gastfreundschaft, kein Hotelier bekommt eine zweite Chance auf den ersten Eindruck. Die Dramaturgie im ‹Astoria› und die Fassade orientieren sich an internationalen Vorlagen. Höhepunkt ist die gelbe Kaskadentreppe in Stein, welche die verspiegelte Glassschlucht an der Winkelriedstrasse herunterplätschert, ein Auftritt der funktioniert und beeindruckt: Die Treppe zur Lobby im ersten Obergeschoss (weil im Erdgeschoss eine Bar oder ein Restaurant entstehen soll) wird zur Bühne und sie markiert zeichenhaft den neuen Haupteingang im nachts von innen heraus leuchtenden Glasgebirge. Gleichzeitig verströmt die 2800 Quadratmeter grosse Fassade aber auch das Flair eines Hotel-Towers in Manhattan oder Shanghai: Grossflächige Spiegelgläser, gefasst von klobigen, glänzenden Chromstahlleisten verkleiden den Bau vollflächig. Sie reduzieren ihn auf ein markantes abstraktes Volumen und unweigerlich hebt man in der ‹Gletscherschlucht› den Kopf zum Himmel, was sicherlich einigen Gästen ein kleines «Ah» abringt. Ihre Tücken zeigt die internationale Schaufassade im Luzerner Alltag – und das nicht nur bei Regen: Rolltreppe und Gepäcklift haben die Architekten so gut versteckt, dass zumindest tagsüber – wer nicht weiss, dass sie sich hinter der Spiegelwand im Erdgeschoss befinden – der Gast entweder den Koffer mühsam ins Obergeschoss schleppt oder darauf hofft, dass ihm jemand den Geheimgang zum Kofferlift zeigt. Hat man diese Hürde einmal geschafft, wird die erste Etappe der Gletscherwanderung aber nicht mit einem Ort der persönlichen, opulenten und warmen Gastlichkeit belohnt, sondern mit einer unterkühlten, klinisch weissen (eben nicht schnee- oder gletscherweissen) Hotellobby. Sie geniesst zwar dank des rückseitigen Einschnitts viel Tageslicht und durch die doppelte Raumhöhe einen weiten Atem, doch ist sie hilflos mit drei grauen Ledersofas und einer modisch-organisch geformten Reception möbliert, die auf einem Lichtband schwebt: Ihr steriler Charme erinnert eher an den Warteraum einer Zahnarztpraxis als an die Hotelhalle eines Viersternehotels. Die Sperma-Lampen, die lustlos von der Decke hängen, und der kalte Steinboden unterstreichen – gewollt oder ungewollt – die medizinischen Assoziationen. Kurz, zum Verweilen, zum Tee trinken oder zum Zeitunglesen lädt dieser Ort nicht ein.
Fliessende Schlaf- und Badelandschaft
In den Gängen der oberen Geschosse wird der geschliffene Terrazzoboden der Lobby von einem schwarz-grauen Leoparden-Teppich abgelöst, wie er auch in den Büroräumen der Neuen Zürcher Zeitung am Boden liegt. Hier erinnert auch mit viel Vorstellungskraft nichts mehr an die Gletscherwelt, die aussen und in der Lobby angetönt wurde. Die 90 neuen Zimmer sind im Normalfall einseitig raumhoch verglast, in den Spitzen gegen die Strassen hin sogar dreiseitig. Weiss ist auch hier das erste Farbthema, nur der Boden ist mit einem rotbraunen Kirschholz-Parkett ausgelegt. Die Bäder sind – so ein neuer Trend in der Hotellerie – vom Schlafzimmer nicht räumlich abgetrennt, sondern befinden sich in einer offenen, weiss gekachelten Nische hinter dem Bett. Die fliessende Schlaf- und Badelandschaft verleiht den eher kleinen Zimmern zwar Grosszügigkeit, das Geruch- und Privatsphäreproblem des offenen WCs bleibt hingegen ungelöst. «Wir haben die Bäder als dunkle Gruften geplant, sie hätten im Kontrast zur kristallinen Zimmerwelt stehen sollen. Das Möblierungskonzept sah unzählige Einzelstücke vor, die sich an den spannendsten Berghotels orientierten, doch am Schluss blieb dafür zu wenig Geld», erklärt Jacques Herzog.
Kein Spiel mit Transparenz
Wer aber beurteilen muss, wie die Zimmer heute daherkommen, der wundert sich nicht über die Möblierung, sondern darüber, dass die zur Lichtumlenkung in die Tiefe trichterförmig geneigte Fassade aus 437 verschiedenen Einzelteilen in den Zimmern erstaunlich wenig Thema ist. Das hat mit ihrer Effektivität zu tun, die kaum wahrnehmbar ist, da Vergleichswerte fehlen: Die Gläser sind zwar mit einer lichtreflektierenden Schicht versehen, doch sie lenken das Licht – ausser über Mittag, wenn sich kaum jemand im Zimmer aufhält – wenig spürbar in die Tiefe. Das hat zu Folge, dass man weniger die Lichtlenkwirkung wahrnimmt als ihre Randbedingung: die Nähe zum gegenüberliegenden Zimmernachbar. In den Gasträumen sind denn nicht Helligkeit, Licht-, Schatten- und Wetterspiele oder der in den Himmel gelenkte Blick Hauptthema, sondern Transparenz und Nähe zur nur wenige Meter gegenüberliegenden Hotelfassade. Das ist an sich noch kein Problem, sondern wäre eine Vorlage für den architektonischen Umgang mit Themen gewesen, die beispielsweise der amerikanische Künstler Dan Graham in seinen architekturnahen Glas-Installationen gekonnt umsetzt. Doch ein Spiel mit Einsicht, Durchsicht, Spiegelung oder sogar Desorientierung findet nicht statt. Nur schon Vorhänge, die der Gast vom Bett oder gar von der Dusche aus hätte steuern können, hätten zu so einem Spiel eingeladen. Doch kleine Schmankerl dieser Art fehlen. Wenn der Gast nicht will, dass ihm der Zimmernachbar beim Duschen oder beim Fernsehschauen zuschaut, muss er die Vorhänge ziehen und findet sich damit in einem austauschbaren Hotelzimmer wieder. Die Spiegelbeschichtung dient nicht der Inszenierung der Hotelwelt, sondern bleibt auf ihre profane Funktion reduziert: Sie verhindert tagsüber die Einsicht in die wenige Meter gegenüberliegende Zimmerschicht.
Mit angezogener Handbremse
Beim ‹Astoria› sind die Architekten Herzog & de Meuron mit angezogener Handbremse gefahren. «Wir wollten der Bauherrschaft entgegenkommen, vielleicht sind wir deshalb zu viele Kompromisse eingegangen», sagt Herzog rückblickend. Fazit bleibt: Dieses Hotel schreibt die an Beispielen reiche Architekturgeschichte der (Luzerner) Hotels nicht weiter. Ein Beitrag ist die skulpturale Fassade mit ihren tiefen Einschnitten auf der Vorder- und Rückseite. Sie ist eine intelligente Antwort auf die Frage, wie durchlässig eine Blockrandbebauung sein kann, und macht dabei den Neubau eindeutig zum Haupthaus des ‹Astoria›-Komplexes. Im Inneren hingegen bringen der planerische, finanzielle und bauliche Aufwand der geneigten Glasfassade weder einzigartige Raumqualitäten noch besonders spannende Lichtsituationen. Der kristalline Eindruck bleibt an der Oberfläche haften.
Drei Extras im ‹Astoria›
--› Tagungsgeschoss:
Mit dem neuen Seminar- und Kongressgeschoss auf dem Dach will der Hotelier Übernachtungen generieren und das ‹Astoria› auch als Kongresshotel positionieren. Im Gegensatz zu seinen Konkurrenten geniessen alle zwölf Tagungsräume Tageslicht und einen weiten Blick über die Dächer von Luzern – zwei nicht zu unterschätzende Startvorsprünge. Eine elegante Dachlounge mit Pianobar und riesiger Terrasse verbindet die Räume und hat gute Chancen, nach Tagungsende zum neuen Hotspot des Luzerner Nachtlebens zu werden.
--› Optimierter Betrieb:
Urs Karli ist in der Gastro- und Hotelszene als erfolgreicher Selfmade-Unternehmer bekannt. Es wundert deshalb nicht, dass er mit dem Neubau ‹Astoria› die Betriebsabläufe auf ein Maximum optimiert hat. Das neue, für die Gäste unsichtbare Herz sind die beiden Küchen in den Untergeschossen: In der Produktions- und in der darüberliegenden Fertigungsküche werden Fleisch, Teigwaren und Pasta für alle drei Restaurants im Hotel vorbereitet. Die Wege zu den Restaurants oder den Kongressräumen auf dem Dach sind in der Horizontalen wie auch in der Vertikalen kurz und von den Gästen getrennt.
--› Hotelzimmer:
Die Hotelzimmer sind eher klein, in erster Linie Schlafzimmer. Eine grosszügige Dusche, die gut zu zweit benutzt werden kann, ersetzt die ‹Bakterienfalle› Badewanne. Erwarten würde man in einem Viersternehotel eine abschliessbare Toilette, sie ging zugunsten der offenen Bade- und Schlaflandschaft unter. Die Zimmer funktionieren gut für Einzelpersonen, wie es wohl die meisten Seminarteilnehmer sind. Wenn am Wochenende aber Paare einziehen, wird es eng. Schönes Detail ist das im Bad versteckte Safe und Minibar-Möbel. Es steht im Schlafzimmer nicht im Weg und bietet zusätzliche Staufläche. Jürg Landerthochparterre, Mi., 2008.01.16
16. Januar 2008 Roderick Hönig
verknüpfte Bauwerke
Hotel Astoria
Planlos ins Netz
Die Auftritte der Schweizer Architekten im Internet sind lieblos und unprofessionell gemacht. Zu diesem Schluss kommt ein von Hochparterre beauftragtes Expertenteam, das die Websites von 50 Büros bewertet hat. Mehr als die Hälfte schneidet ungenügend ab.
Architekten gestalten im Netz wie im richtigen Architekturleben: überall Kästchen und Klötze. Nur leidet im World Wide Web die Gestaltung darunter. «Viele Auftritte wirken verkrampft», hält die Grafikdesignerin Catherine Corti fest. Der Kontroll- und Kästchenwahn ist ihr bei der Beurteilung des Webdesigns als Erstes ins Auge gestochen. Aber auch andere Mängel sind weit verbreitet: verschwommene Bilder, zu kleine Schriften. Oft kommen sich Gestaltung und Navigation in die Quere. Animationen können als dekoratives Element spannend sein. Wenn aber die Navigation der Benutzerin unter dem Mauszeiger wegrennt, macht Internet-Surfen keinen Spass. Viele Seiten gleichen sich. Neben dem omnipräsenten Raster wird sehr häufig ein schwarzer Hintergrund verwendet: «Die haben einander abgeschaut», sagt Catherine Corti.
Keine Web-Extras
«Es wird beinahe nirgends versucht, ein Gefühl für die Architektur zu vermitteln», fasst Usability-Spezialist Daniel Hunziker seinen Eindruck zusammen, dabei böte gerade das Netz unzählige Möglichkeiten dafür. Er vermisst zum Beispiel grosse Bilder. Keines der fünfzig Architekturbüros unterhält einen Blog. Löbliche Ausnahme bildet eine Baustellen-Webcam bei Itten Brechbühl. Manche Sites – so Hunziker – scheinen die Besucher geradezu vertreiben zu wollen. Sie starten mit einer nahezu leeren Homepage, auf der unklar bleibt, wo es weitergeht: «Wie ein Haus, bei dem man die Türe nicht findet», zieht er den Vergleich. Für die Programmierung gilt, was auch für die Architektur Voraussetzung ist: Nur wer sich an Standards und Normen hält, baut etwas, das funktioniert. Im Internet führt ein mangelhafter Quellcode zum Beispiel dazu, dass die Website nur mit einer bestimmten Software läuft. Hat eine Benutzerin diese auf ihrem Computer nicht installiert, sieht sie nichts. Oder sie findet die Navigation nicht, weil sich die Grösse der Seite nicht dem Browserfenster anpasst. Unsaubere Programmierung führt auch dazu, dass eine Seite langsam lädt und die Geduld strapaziert.
Das meiste ist selbstgestrickt
Die meisten Sites sind offensichtlich selbst gemacht. Nur vier Büros sind fehlerfrei programmiert. «Da war wohl ein Freund des Büros am Werk, der ein bisschen HTML-Code kann. Oder der Praktikant, der an der ETH ein paar Lektionen Webdesign gehabt hat», vermutet Alexandra Papadopoulos. Geradezu amüsiert hat die Expertenrunde das Beispiel von Brodbeck-Roulet: Die brauchen mehr als 160 Zeilen Code mit fast zwanzig Fehlern drinen, um ein einziges Pop-up-Fenster zu öffnen. Warum nehmen die Büros ihre Präsenz im Internet nicht ernst? «Den Architekten fehlt wohl der Sinn für Öffentlichkeitsarbeit», vermutet Julian Karrer, Geschäftsführer von Future Connection, und ihnen fehle das Gefühl fürs Medium. Die Büros scheinen sich nur widerwillig zu einem Auftritt zu entschliessen oder finden eine Website nicht nötig, stellt Karrer fest. Einige grosse Büros verzichten ganz darauf, allen voran die Basler Herzog & de Meuron. Hier passt die Haltung zur Corporate Identity und schadet in diesem Fall wohl kaum der Auftragslage. Bei kleineren Büros verstehe er diese Haltung aber nicht. Karrer: «Für viele wäre es eine Möglichkeit zu zeigen, inwiefern sie sich von der Konkurrenz unterschieden.» Für das Expertenteam, das sich täglich mit dem Netz und seinen Anwendungen auseinandersetzt, wirken die Auftritte der Architekturbüros lieblos und unprofessionell. Dass so wenig Aufwand für den Internetauftritt betrieben wird, erstaunt sie vor allem, wenn man die Auftragsvolumen der Büros betrachtet. «Im Internet wäre mit vergleichsweise wenig Mitteln viel zu erreichen», konstatiert Julian Karrer.
Die Gewinner
--› 1 Fischer Architekten: Ein fehlerfreier HTML-Code, bei dem sogar der Inhalt vom Design getrennt wurde, ist die Grundlage des Erfolgs. Dass die Architekten ein Content Management System verwenden, fällt dem Expertenteam positiv auf. Durchschnittlich wurden Fischer Architekten nur in der Kategorie Marketing bewertet: Die Experten hätten sich eine klarere Positionierung gewünscht.
--› 2 Metron: Auch Metron schafft es dank einer perfekten Technik auf das Podest. Sie beinhaltet sogar eine barrierenfreie Version der Website, die einzige der fünfzig getesteten. Dazu punktet das Büro mit einem Unternehmensauftritt, der die verschiedenen Geschäftsbereiche übersichtlich darstellt. Abzüge gibt es für die Navigation und die etwas gar spröde Gestaltung.
--› 3 MLZD: Für die Gestaltung erhalten die Bieler Architekten das Punktemaximum. Sie überzeugen die Experten mit einem sauberen Design und einer offenen Struktur, die nicht dem verbreiteten Kästchen- und Kontrollwahn gehorcht. Technisch hält der Auftritt nicht ganz. was er verspricht. Die eingebaute Suchfunktion findet die eigenen Projekte nicht.
Das Expertenteam
--› Alexandra Papadopoulos, Designerin FH, ist Programmiererin und Projektleiterin. Bis vor vier Jahren war sie Geschäftsführerin der Internetfirma Mitlinks. 2003 gründete sie Wusi Entertainment und spezialisierte sich auf Computerspiele. wusi[at]limmat.ch
--› Catherine Corti, Designerin FH, ist Partnerin im Büro4 in Zürich. Die Agentur für Gestaltung und Kommunikation arbeitet in den Bereichen Print Design, Ausstellungsgestaltung und Screen Design. Dort entstehen Internetauftritte für kleinere und mittlere Unternehmen. www.buero4.ch
--› Julian Karrer, lic. oec., ist Inhaber und Geschäftsleiter der Firma Future Connection in Zürich. Sie erarbeitet Webauftritte und Online-Massnahmen, unter anderem für Aduno, BMW Schweiz, Goldbach Media, Jamie Oliver und das Tonhalle-Orchester. www.fconnection.com
--› Daniel Hunziker, Interaction Designer, ist Inhaber von Associés Consult. Er gestaltet und optimiert Interaktionen für Produkte und Dienstleistungen. Er verfügt über mehrjährige Erfahrung im Gesamtdesign von digitalen Produkten. www.humancentereddesign.com
Kommentare
1 Fischer Architekten: 15 Punkte
--› Technisch perfekt, inhaltlich umfassend, einfach zu bedienen und solid gestaltet.
2 Metron: 15 Punkte
--› Vorbildlich, was die Technik und den barrierenfreien Zugang betrifft. Die Gestaltung passt zu seriösen Grossunternehmen.
3 MLZD: 15 Punkte
--› Alle mal herschauen: Man kann einen Auftritt im Netz auch zeitgemäss und sauber gestalten.
4 EM2N: 13 Punkte
--› Egal, ob man die Gestaltung trendy oder veraltet findet: Die grüne Internetseite bleibt im Gedächtnis und zeigt das Profil des Büros.
5 Kaufmann, van der Meer : 13 Punkte
--› Konventionell, sachlich und trotzdem nicht langweilig. Die grosszügigen Bilder sind teilweise unscharf.
6 Bob Gysin: 12 Punkte
--› Hat man das eitle Zitat zum Einstieg überlesen, findet man sich auf der übersichtlichen Site schnell zurecht.
7 Burckhardt Partner: 12 Punkte
--› Umfassende und internetgerecht aufbereitete Inhalte zeigen, was dieses Unternehmen macht. Die pdf-Dateien zum Runterladen sind nicht als solche gekennzeichnet.
8 Christ & Gantenbein: 12 Punkte
--› Die Website spielt mit dem Raster und setzt gestalterisch konsequent auf weisse Schrift und schwarzen Hintergrund. Die Pop-up-Fenster und die Links sind nicht markiert.
9 Pool Architekten: 12 Punkte
--› Das Intro verspricht mehr als der Rest der Seite hält. Die Gestaltung und die spielerisch eingesetzte Typografie passen zur Architektur des Büros.
10 Bauart Architekten: 11 Punkte
--› Unser Vorschlag: Die Navigation kleiner machen und die Informationen statt in pdf-Dateien zu verstecken in den Inhalt einbauen.
11 Matti Ragaz Hitz: 11 Punkte
--› Solider, unaufdringlicher Auftritt, der wenig vom Profil des Büros zeigt.
12 Pfister Schiess Tropeano: 11 Punkte
--› Die Klickbereiche und die Typografie sind zu klein geraten. Sonst gibts nicht viel zu meckern.
13 Santiago Calatrava LLC: 11 Punkte
--› Der Webauftritt ist ein animierter Hochglanzprospekt. Wegen zu kleiner Typografie schwer lesbar.
14 Zwimpfer Partner: 10 Punkte
--› Die Navigation, die sich nach unten ausrollt, kommt der komplett durchgerasterten Gestaltung in die Quere. Technisch perfekt.
15 AGPS Architecture: 10 Punkte
--› Wem die Navigation nicht unter dem Cursor wegrennt, findet viel Information auf dieser Seite.
16 ASA AG: 10 Punkte
--› Ist der Einstieg einmal gefunden, erfährt die Besucherin viel über die Menschen und das Büro. Selbst gemacht, aber informativ.
17 Gigon / Guyer: 10 Punkte
--› Der Code ist aktuell (XHTML), aber fehlerhaft. Über die Projekte des Büros erfährt man wenig.
18 Group 8: 10 Punkte
--› Die Site hebt sich durch eine abwechslungsreiche Gestaltung ab. Das Design wird aber nicht konsequent durchgezogen und erschwert dadurch die Orientierung.
19 Hans-Jörg Ruch: 10 Punkte
--› Ein perfekter Code hinter einer verstaubten Gestaltung. Von den Projekten sehen die Benutzerinnen jedoch wenig.
20 Meletta Strebel Zangger: 10 Punkte
--› Schöne grosse Bilder, aber kleine Klickbereiche und Typografie.
21 Staufer & Hasler: 10 Punkte
--› Die Seite würde auch mit normalem HTML laufen, statt mit XHTML, und hätte dann wohl weniger Code-Fehler.
22 Allemann Bauer Eigenmann: 9 Punkte
--› Die leere Homepage sagt der Besucherin nicht, wer sich hier präsentiert, und verlangt von ihr einen eigentlich unnötigen Klick.
23 Bakker & Blanc architectes: 9 Punkte
--› Eine reizvolle gestalterische Idee, allerdings unübersichtlich.
24 CCHE Architecture: 9 Punkte
--› Fast alles ist animiert. Das ist aber mehr Selbstzweck als Mehrwert für die Besucherin.
25 Dürig AG: 9 Punkte
--› Der Code wäre gerne XHTML, ist aber HTML. Die Gestaltung wäre gern reduziert, wirkt aber mager.
26 Geninasca Delefortrie: 9 Punkte
--› Die Navigation verwirrt den Besucher, weil er an verschiedenen Standorten klicken muss.
27 Plattform BW1 Architekten: 9 Punkte
--› Eine Menüleiste mit Zahlen statt Titeln erschwert die Orientierung. Ohne Flash geht nichts auf dieser Seite.
28 Theo Hotz: 9 Punkte
--› Eine Navigation für Feinmotoriker. Unnötige Animationen machen diese Internetpräsenz ungenügend.
29 Atelier WW: 8 Punkte
--› Die Site ist auffällig gestaltet, aber nicht sehr sorgfältig.
30 Bonnard et Woeffray: 8 Punkte
--› Ein elektronischer Prospekt: schön bebildert, aber schlecht lesbar.
31 Enzmann Fischer: 8 Punkte
--› Eine elektronische Visitenkarte im Postkartenformat. Von der Architektur sieht die Besucherin wenig.
32 Esch Architekten: 8 Punkte
--› Nicht barrierenfrei: Wer versucht, diese Seiten auszudrucken, sieht nichts ausser der Adresse.
33 Mario Botta: 8 Punkte
--› Unverkennbar Botta. Webdesign funktioniert aber nicht wie Architektur.
34 Martin Spühler: 8 Punkte
--› Sympathisch unverkrampft gestaltet, aber nicht internettauglich.
35 Miller Maranta: 8 Punkte
--› Navigation und Typografie sind zu klein, die Gestaltung ist langweilig.
36 Richter et Dahl Rocha: 8 Punkte
--› Die fehlerhafte Technik erschwert den Zugang zum Inhalt.
37 Stücheli Architekten: 8 Punkte
--› Noch ein Einstieg, der nicht sagt, worum es geht. Die Gestaltung lässt eher einen Steuerberater erwarten.
38 Bearth Deplazes: 7 Punkte
--› Eine Navigation, die sich erklären muss, ist keine Navigation.
39 Brodbeck-Roulet: 7 Punkte
--› Die Gestaltung erschwert die Interaktion. Die Seite bietet keine Alternative zur Flash-Version.
40 Büro B: 7 Punkte
--› Kurios: Der Zugang zum ftp-Server wird durch ein Login geschützt. Das Passwort wird darunter aber gleich angegeben.
41 Christoph Sauter: 7 Punkte
--› Die Animation macht die Site langsam und die Navigation muss man suchen.
42 Itten Brechbühl: 7 Punkte
--› Die Site ist lieblos gestaltet und schlecht navigierbar.
43 Steinmann & Schmid: 7 Punkte
--› Hier wimmelt es nur so von unmotivierten Navigationsmöglichkeiten.
44 Atelier 5: 6 Punkte
--› Zuerst findet man den Einstieg nicht, dann verschwindet die Navigation am unteren Rand.
45 Eckert Eckert: 6 Punkte
--› Die Website ist technisch so fehlerhaft, dass sie den Rechner eines Experten lahm gelegt hat.
46 Frei & Ehrensberger: 6 Punkte
--› Der Auftritt bringt die Architektur auf den Bildschirm, geht aber nicht auf die Bedingungen des Internets ein.
47 Graber Pulver: 4 Punkte
--› Das ist eine PowerPoint-Präsentation, keine Webpräsenz.
48 Bétrix & Consolacio: 4 Punkte
--› Die Einstiegseite führt zu swissarchitects.com. Das Architekturbüro findet man nur mit Glück.
49 Tilla Theus: 4 Punkte
--› Die Navigation hüpft, die Schrift ist nicht lesbar und die Bilder sind von schlechter Qualität.
50 Devantéry & Lamunière: 3 Punkte
--› Das bisschen Inhalt ist schlecht präsentiert. Auch nach längerem Aufenthalt auf der Site weiss die Besucherin nicht, wer hier was macht. Astrologie vielleicht?hochparterre, Mi., 2008.01.16
16. Januar 2008 Urs Honegger
Denkmalpflege zeichnet mit
Auf einer Anhöhe über dem südlichen Genferseeufer liegt das parkähnliche Areal eines ehemaligen Gutshofs mit weitem Blick über See und Stadt. Mitten auf dem Grundstück steht eine nach Süden voll verglaste Orangerie, dahinter duckt sich ein eleganter Wohnwürfel in Sichtbeton. Das Projekt ist das Resultat eines kostspieligen Tauschgeschäfts zwischen Behörden und der alt eingesessenen Besitzerfamilie: denkmalpflegerische Restauration der verfallenen Orangerie gegen Neubaubewilligung. Da Geld keine Rolle spielte, schöpfte der Architekt aus dem Vollen und machte aus beiden Projekten ein Ganzes, unterteilt in einen Tag- und Nachtbereich. Die Orangerie ist lichtdurchflutete Küche, Ess-, Cheminée- und Wohnhalle in einem. Die Höhe der Pflanzenkübel, die früher hier standen, bestimmt ihr Bodenniveau und die Brüstungshöhe: Es liegt 60 Zentimeter unter beziehungsweise über dem Boden. Ein durch einen kleinen Patio belichteter Gang verbindet die Orangerie mit dem dahinterliegenden ‹Schlafhaus›. Die Zimmer und Bäder sind rund um eine zweiläufige Treppe auf zwei Geschossen organisiert. Das in die Erde versenkte Hauptgeschoss hat einen garagenartigen Eingang, doch anders hätte der Architekt dies nicht lösen können, da der Neubau von der Orangerie verdeckt wird.hochparterre, Mi., 2008.01.16
16. Januar 2008 Roderick Hönig