Inhalt

Funde

– Stadtwanderer: Paris mit dem Bicyclette
– Jakobsnotizen: Die Raumplanung der Hauseigentümer
– Estermann: Aufgespiesst
– Impressum

Titelgeschichte
Der Irrweg zum Stadion

Brennpunkte
– Klebgardine: Sichtschutz und Blickfang
– Sulzer-Areal Winterthur: Zweimal anders wohnen
– Designausbildung: Gelassenheit gegen Reformfieber
– Bank Pictet Genf: Polierter Vorgeschmack
– Raumplanung: Klima schützen, Verkehr ändern
– Bundeskasse: Sparplan für Baudenkmäler
– Wettbewerb in Tirana: Demokratischer Kraftakt

Leute
Hochparterres Sommerfest in Zürich

Bücher
Über Lehrer und ihre Vermächtnisse, Agglomerationen und
Brachen, Wohn- und Weltgeschichten

Siebensachen
Eine Insektenleuchte, gläserne Geschenkvasen und ein Stahlrohrstuhl mit Socken überzogen

Fin de Chantier
Sanierung Stücheli-Bau in Zürich, Wohnhäuser in Wettingen und Luzern, Marché Office in Kemptthal, blaues Haus in Thun, Tanz- und Kinohausumbauten in Zürich

An der Barkante
Mit Regula Stüdli in der ‹Stickerei› in St. Gallen

Polierter Vorgeschmack

Zwei Jahre nach ihrem hundertsten Geburtstag hat die Genfer Privatbank Pictet &Cie ihren neuen Hauptsitz bezogen. Die 1800 Backoffice-Arbeitsplätze im polierten Betonpalast sind funktional und banal wie überall; lehrreich ist die Inszenierung der 65 Kundenräume.

Während Ferrari mit einem sich aufbäumenden Pferd auf gelbem Grund die Kraft und Dynamik seiner Boliden im Logo zum Ausdruck bringt, haben es Banken oder Versicherungen bei der Visualisierung ihrer Kompetenz schwerer. Ihre abstrakte, rationale und gefühlsarme Dienstleistung lässt sich kaum so prägnant und unverkennbar symbolisieren, wie es der italienische Sportwagenhersteller kann. Finanz- und andere Dienstleister sind deshalb gezwungen, den Umweg zur Vermittlung ihrer Haltung und Werte über Begriffe wie Solidität, Verlässlichkeit, Tradition oder Dauerhaftigkeit zu nehmen. Sie lassen sich schon eher in Architektur oder Form umsetzen. Der neue Hauptsitz der Genfer Privatbank Pictet & Cie mitten im Genfer Entwicklungsgebiet Acacias ist ein gutes Beispiel für eine solche Übersetzung abstrakter Firmenwerte in Architektur. Andrea Bassi gewann den Wettbewerb für die Fassadengestaltung und die Kundenräume, weil der Architekt innen und aussen unterschiedlich, aber komplementär verknüpft. Von aussen ist das Haus ein monumentaler Edelstein, dessen polierte Steinfassade in der rauen Gegend besonders gut zur Geltung kommt: Die schwere, panzerartige Haut besteht aus einem strengen Raster aus hochpolierten, vorgehängten Betonelementen. Sie fassen in Uhrmacherpräzision sprossenlose, 6,5 auf 2,2 Meter grosse Vitrinenfenster.

Andrea Bassi gibt von aussen keinen Hinweis auf den menschlichen Massstab. Das Haus setzt die Messlatte für die boomende Quartierentwicklung, welche die Stadtväter Acacias in den kommenden Jahren versprechen. Pictet- Teilhaber Jean-François Demole interpretiert die Architektur so: «Mit ihrer Länge von acht Metern und einem Gewicht von sechs Tonnen stehen die Fassadenelemente für Solidität und Beständigkeit, ebenso wie Farbe und Linienführung für Objektivität und Diskretion.»

Spagat zwischen innen und aussen

Andrea Bassi übersetzt aber nicht nur die wichtigen Unternehmenswerte in Architektur, sondern auch das calvinistische Verhältnis zum Geld: Aussen ist das Haus ein Saab, innen ein Bentley. Was auch bedeutet, dass der Spagat zwischen äusserer Zurückhaltung und innerer Luxuswelt gross ist. Aussen der klare, strenge und schwere Stadtmassstab, innen steht der Mensch, also der Kunde im Mittelpunkt der intimen Luxuswelt, die Tradition, Eleganz und Präzision verkörpern soll.

Schnittstelle zwischen den beiden Welten ist die Vorfahrt beziehungsweise die Reception. Die Vorfahrt spricht noch die Sprache der Stadt. Es ist eine karge, aus dem Betonhaus herausgeschnittene polierte Steinnische. Zwei Säulen trennen den Haupteingang zum Bankenmonument vom profanen Strassenraum. Wie in einem Luxushotel halten hier dunkle Limousinen und lassen exklusiv gekleidete Menschen aussteigen. Selbstverständlich können Kunden, die es noch diskreter wollen, also gar nicht gesehen werden möchten, auch auf der Rückseite vorfahren oder den Weg durch die Tiefgarage nehmen. Nicht ungesehen vorbei kommen sie allerdings an der Reception. Der weite, ebenerdige Raum ist durch einen verglasten, aber beschichteten Windfang von der strassen- und rückseitigen Vorfahrt getrennt. Die Ausstattung ist karg und wenig gemütlich – kein Ort zum Verweilen, sondern einerfür Transitpassagiere. Der grösste Teil des Lichts wird durch die mit dunklem Nussbaum verkleideten Wände geschluckt, ein paar Lux wirft der polierte grüne Granit aus Afrika am Boden zurück. Den Schall schluckt der orange Künstlerteppich von Paola Lenti. Nicht nur die reduzierte Eleganz gibt die Augenhöhe an: Hinter dem wie ein schwarzer Steinway-Flügel glänzenden Tresen hängt eine Alpenlandschaft von François Diday aus dem Jahre 1844 in einem matt schimmernden Goldrahmen – die ‹Sicht auf Rosenlaui, Wellhorn und Wetterhorn› ist ein kunstvoller Verweis auf die Gründungszeit der Bank.

Wie im Wohnzimmer

Dass innen und aussen zwei verschiedene Welten sind, merkt man spätestens in den Obergeschossen: Steigt man aus dem Lift, empfängt einen erst ein grosszügiger offener Raum. Er ist eher Lounge als Wartezimmer. Hier ist der Strassenlärm weg, es gibt fast keine Geräusche mehr. Dicke Teppiche am Boden und stoffverkleidete Wände schlucken die wenigen Schritte und Stimmen. Nur die Ventilatoren der hässlichen Iris-Scanner, die wie falsch platzierte Telefonanlagen neben den Türen zum Backoffice-Bereich montiert sind, surren leise vor sich hin. In der Mitte steht jeweils ein flaches Lederhocker-Gebirge, an den Wänden verleiht grossformatige zeitgenössische oder Gründerzeit- Kunst jeder Etage eine eigene Note.

Die intimen Besprechungsräume werden nicht durch Grösse geadelt, sondern durch exklusive Materialien, edle Verarbeitung und diskrete Farben. Die Räume erinnern eher an Wohn- oder Esszimmer und sind zurückhaltend möbliert. Sie bieten einen charaktervollen, aber nicht allzu persönlichen Rahmen fürs Geschäft mit dem Geld. Es gibt je nach Grösse einen Besprechungstisch, an dem manchmal auch gegessen wird, eine bequeme Sitzgruppe fürs lockere Gespräch, immer aber ein dunkles Nussbaumbuffet, in dem alle Anzeichen für ein Büro versteckt sind. Die grossformatigen Fenster, die von aussen die Hauptrolle spielten, haben hier nur noch eine Nebenrolle. Die Fenster sind auf Lichtwände reduziert und unterstreichen die Introvertiertheit der Räume: Wer den weiten Blick über das Industrie- und Gewerbegebiet geniessen will, muss sich durch Vorhang- und Sonnenschutzschichten kämpfen. Der neue Hauptsitz der Bank ist kein Bankenpalast mit Eiffelturm- Qualität, sondern gebautes Understatement. Der konstruktive Kraftakt, den es braucht, um die tonnenschweren Fassadenelemente zu verankern, verlangt genaueres Hinsehen. Auch im Inneren wird nirgends Technik inszeniert, obwohl die siebzig Zentimeter zwischen Decke und Boden zum Bersten voll sind mit Elektronik und Haustechnik und die Ingenieure gern noch mehr Platz gehabt hätten. Das aufwendige, fast vollständige Ausblenden von profanen haustechnischen ‹Nebengeräuschen› macht das klare Bild von Solidität und Beständigkeit von aussen und die wohnliche Eleganz im Inneren erst möglich.

hochparterre, Mi., 2007.09.05

05. September 2007 Roderick Hönig



verknüpfte Bauwerke
Bank Pictet & Cie

Zweimal anders wohnen

Das Sulzer-Areal in Oberwinterthur ist das grösste Entwicklungsgebiet der Stadt. Die Architekturbüros Burkhalter Sumi und Novaron haben fünf Häuser mit 110 Wohnungen gebaut. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Von frei unterteilbaren Lofts für Eigentümer bis zu Miet-Maisonette- und Geschosswohnungen.

Winterthur hat sich mit seinen durchgrünten Arbeitersiedlungen einen Namen als lebenswerte Wohn- und Gartenstadt gemacht. Einige der Siedlungen wurden und werden nachverdichtet, doch wächst die ehema-lige Industriestadt heute vor allem an den Rändern. 2004 etwa hat der Bauunternehmer Leopold Bachmann in Oberwinterthur die Siedlungen ‹Wässerwiesen› und ‹Im Gern› (HP 9/04) gebaut, insgesamt 840 Wohnungen im unteren Preissegment. Auch das Bauvolumen des Jahres 2005 ist eindrücklich: 850 Millionen Franken wurden in den Wohnungsbau investiert. Das wichtigste und grösste Entwicklungsgebiet der Stadt ist das sechzig Hektaren grosse Sulzer-Areal in Oberwinterthur. Aus der mit dem öffentlichen Verkehr gut erschlossenen Industriebrache soll in den kommenden Jahren eine Wohn-, Dienstleistungs- und Parklandschaft entstehen.

Raffinierte Grundrisse Am nördlichen Rand des Industrieareals liegt das Ensemble Am Eulachpark. Es besteht aus 110 Wohnungen für Besserverdienende. Sie sind zwischen dem Bahnhof Oberwinterthur und dem vom Landschaftsarchitekten Stefan Koepfli geplanten, 60 000 Quadratmeter grossen Eulachpark platziert. Die Überbauung besteht aus fünf Baukörpern: zwei dreigeschossige Stadtvillen entlang der Strasse und drei lange Riegel gegen den Park hin. Durch die Kombination von Punkt- und Langhäusern gliedern sich die Bauten zumindest ansatzweise in die biedere ‹Hüsliwelt› entlang der Strasse ein, gleichzeitig übernehmen die bis zu 75 Meter langen und bis zu sechs Geschossen hohen Riegel im rückwärtigen Teil den Massstab der Industriebauten, die früher hier auf dem Areal standen. Den Arealbonus, welcher der Überbauung wegen der Grösse des Baugrunds zuteil wurde, haben die Architekten aber nicht wie erwartet gleichmässig auf den Dachflächen der Riegel verteilt, sondern das Mehrvolumen als dreigeschossige Türme jeweils versetzt draufgestellt. So geniessen die Turmwohnungen Weit- und Rundsicht.

In die beiden westlichen Riegel haben Burkhalter Sumi achtzig Mietwohnungen eingepasst. Die Grundrisse sind ausgetüftelt und effizient: Insgesamt gibt es zehn Wohnungstypen, und durch die geschickte Kombination von Treppenhaus und Rue intérieure braucht es pro Block nur einen Lift. Wie das geht? Burkhalter Sumi kombinieren Le Corbusiers Rue-intérieure-Typ mit Reihenhäuschen im Erdgeschoss und Geschosswohnungen im Turm. Im Erdgeschoss liegen je acht Reihenhäuschen und ein Studio. Man betritt sie über einen würfelförmigen Windfang. Er ragt zwei Meter in den gemeinschaftlichen Zwischenraum hinein; die Vor- und Rücksprünge verleihen dem Hof einen Rhythmus und signalisieren die Hauseingänge. Grosse Glasscheiben geben den Blick auf den 17 Meter tiefen Küchen-, Ess- und Wohnbereich frei. Er erstreckt sich von der einen Fassade zur andern. Neben dem Badkern in der Mitte führt eine kleine Treppe hinunter zu einem Studio im Untergeschoss und macht die Durchschusswohnung zur abwärts orientierten Maisonette.

Über dem Reihenhäuschen-Geschoss liegen acht aufwärts orientierte Maisonetten auf der einen Seite sowie neun 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen auf der anderen. Sie werden über eine knallig gelb gestrichene, 75 Meter lange Rue intérieure erschlossen. Die Rahmen der grauen Wohnungs-türen sind auf die Wand aufgesetzt, sodass die Monotonie des langen Gangs etwas gebrochen wird. Zwei Lichtschächte lassen wenig Tageslicht von oben einfallen, an den beiden Enden geben grosse Fenster den Blick nach draussen frei. Eine enge Rue intérieure erschliesst zwei Duplextypen: Den einen betritt man über einen kleinen fensterlosen Vorraum, den die Architekten zugunsten der Zimmergrösse geopfert haben. Von hier aus werden zwei Schlafzimmer, ein Bad und – über eine interne Treppe – die oberen Räume erschlossen. Darüber wird die Wohnung wieder zum Durchschusstyp: Parallel zum 17 Meter langen Wohn- und Essraum liegen hier Küche, Bad, Waschküche sowie die zwei Zimmer.

Anders der zweite Duplextyp: Man betritt ihn über einen weiten, grosszügigen Raum, der sich über zwei Fenster-achsen erstreckt. Die Nutzungsmöglichkeiten für diesen Raum sind offen: Man kann sich darin ein Fernsehzimmer, einen Fitnessraum oder auch ein grosszügiges Heimbüro vorstellen. An der Rückseite führt eine einläufige Treppe nach oben. Über sie gelangt man in eine Mittelzone, die zwei Schlafzimmer auf der einen vom offenen Wohn- und Essraum auf der anderen Seite trennt. Die gegensätzliche Orientierung der Haupträume im Eingangs- und Obergeschoss macht das Wohnen spannend, scheint aber bei Mieterinnen und Mietern auf wenig Interesse zu stossen: Lange blieben diese Wohnungen frei. Die Turmwohnungen in den Etagen vier bis sechs sind jeweils übers Eck orientierte Geschosswohnungen. Hier sind der weite Blick und die grosszügigen Balkone die Attraktion. Die unterschiedlichen Raumtiefen sind an der Fassadengestaltung ablesbar: Lochfassade für den Aufbau, raumhohe Fenster in den drei Geschossen des Riegels.

Ausgeklügeltes Geschäftsmodell

Das Prinzip der 30 Eigentumswohnungen von Novaron un- terscheidet sich grundsätzlich von den Mietwohnungen. Hier ist nicht die Vielfalt von Typologien auf engem Raum das Thema, sondern die vom Besitzer bestimmte Variante einer immer ähnlichen Grundrissvorlage. Unter dem Label ‹loftprojekt.ch› lancierten die Architekten zusammen mit dem Zürcher Generalunternehmer Halter 2003 einen Bautyp, den sie bis anhin in der Schweiz und in Österreich bereits dreizehnmal realisieren konnten. Die Idee ist einfach und marktorientiert: Wohnraum, bei dem die Käufer die Raumeinteilung und den Ausbaustandard selbst wählen. Die Rationalisierung beim Bauen und Planen eines jeweils ähnlichen Wohnungstyps senkt die Preise, man bekommt verhältnismässig viel Raum fürs Geld: 400 000 bis 890 000 Franken kosten in Winterthur die Lofts in der Basisvariante, 490 000 Franken kostet zum Beispiel ein 155 Quadrat- meter grosser Loft. Im Normalfall, also in Oberwinterthur, bestehen die Loftprojekt-Baukörper aus langen mehrgeschossigen Riegeln, in denen Treppenhauskerne jeweils zwei stützenfreie Wohnungen pro Geschoss erschliessen. Das Konzept ist pragmatisch: Die Abmessungen der Tiefgarage unter dem Haus bestimmen mehr oder weniger die maximale stützenfreie Gebäudetiefe von etwa zwölf Metern. Die Abstände der Stützen entlang der Längsfassade vari- ieren Am Eulachpark zwischen fünf und sechs Metern.

Edelrohbau für jedermann

Die Grundausstattung entspricht einem sogenannten Edelrohbau: Die Lofts besitzen in der Minimalvariante eine rohe Betondecke und einen Anhydrit-Unterlagsboden, eine bestimmte Anzahl raumhoher Lochfenster auf der einen Seite sowie eine Vollverglasung vor der tiefen Balkon-schicht auf der anderen. Im Preis inbegriffen sind je ein Standard-Küchen- und Standard-Badmodul. Den Rest bestimmt der Käufer und sein Budget. Ganz frei sind die Kunden aber in der Grundrissgestaltung nicht. Weil die Steigzonen immer entlang der Treppenhauswände verlaufen, liegen auch Küche und Bad immer links und rechts des Eingangs. Die Lage der Trennwände, der Lochfenster sowie den Ausbaustandard bestimmt der Käufer. Der Rohbau ist so vorbereitet, dass Bodenbeläge, Wände, Bad- und Küchenmodule ohne grossen Aufwand wieder zurückgebaut werden können. So kann bei einem Weiterverkauf oder einer bei einer Umnutzung, etwa von einer Wohnung in ein Büro, der Raum für wenig Geld an die Bedürfnisse der neu-en Nutzung angepasst werden.

Während Burkhalter Sumi versuchten, möglichst viele Grundrisstypen in einen Baukörper einzupassen, konzentrieren sich Novaron darauf, eine grosse Bandbreite an Grundrissen innerhalb eines Typus anzubieten. So reagieren beide Projekte unterschiedlich auf die noch offene Ausgangslage in Oberwinterthur. Denn in welche Richtung sich das Sulzer-Areal entwickelt und welche Art von Bewohner und Nutzer sich hier niederlassen wird, ist derzeit noch völlig unklar. Wie die Räume in zwanzig Jahren genutzt werden, weiss heute noch niemand. Deshalb sind die Grundrisse darauf ausgelegt, auf Schwankungen zu reagieren. Mit kleinen Eingriffen lassen sich beispielsweise die Geschosse der Duplexwohnungen voneinander tren- nen und von mehreren Parteien nutzen. Mit wenig Aufwand können die Wohnungen von Novaron in Büros umgenutzt werden. Dass es im Eulachpark bereits heute Studios für Studenten, Lofts für junge Doppelverdiener, Reihenhäuschen für Familien oder Wohnlandschaften für gut situierte Senioren gibt, hat sich ausbezahlt. Die Vermietung beziehungsweise der Verkauf lief erfolgreich. Das internationale Orthopädieunternehmen Zimmer zum Beispiel, dessen Hauptsitz sich in Gehdistanz auf dem Areal befindet, hat gleich mehrere der neuen Turmwohnungen für seine Kadermitarbeiter gemietet.

hochparterre, Mi., 2007.09.05

05. September 2007 Roderick Hönig



verknüpfte Bauwerke
Eigentumswohnungen Am Eulachpark

Sparhaus an der Autobahn

Adliswil war der traditionelle Standort von Mövenpick, dem von Ueli Prager 1948 gegründeten Gastrounternehmen. Die stolze Möwe musste schon einige Federn lassen, und jetzt ist der Vogel aus dem Tal der Sihl ausgeflogen und hat sich im Tal der Kempt niedergelassen. Dabei hat er gleich auch den Namen gewechselt: Aus der ‹Mövenpick Gastronomie Schweiz› wurde die ‹Marché Restaurants Schweiz›. Auch in der dreissigjährigen Raststätte Kemptthal an der A1 zwischen Zürich und Winterthur, wo einst die ‹Landbeiz› und die ‹Silberkugel› um die Gunst der Autofahrer buhlten, hat sich vor einiger Zeit das ‹Marché› als Flaggschiff des Unternehmens eingerichtet.

Gleich nebenan baute der Architekt Beat Kämpfen nun ein Verwaltungsgebäude. Es ist das erste Nullenergie-Bürogebäude der Schweiz und erhielt dafür das Minergie-P-Eco-Zertifikat. Minergie-P heisst, dass der Gesamtenergieverbrauch 40 Prozent unter dem Minergie-Standard liegt, Eco steht für eine ökologische Bauweise. Zur optimalen Nutzung der passiven Solarenergie ist der Neubau Nord-Süd ausgerichtet. Gegen Norden sind kleine Fenster in die Fassade geschnitten, dafür öffnete der Architekt das Haus im Süden mit einer grosszügigen Glasfassade (U-Wert: 0,46 W / m²K), um damit von der Solarenergie zu profitieren. Damit sich die Büros im Sommer nicht übermässig aufheizen – und sich die Mitarbeiter eine Rauchpause gönnen können –, spannt sich vor der ganzen Südfassade eine Balkonschicht auf. Sie hält die hoch stehende Sommersonne ab, lässt aber die flach eintretenden Wintersonnenstrahlen ins Haus.

Das Haus speichert die Wärme vor allem in den Unterlagsböden, aber auch in den Spezialgläsern der Südfassade, die eine Wärmespeicherkapazität einer 20 Zentimeter dicken Betonwand haben, was angenehme Oberflächentemperaturen erzeugt und den Luftzug ausgleicht. In die Konstruktion eingelegte Wasserleitungen kühlen oder heizen das Gebäude je nach Bedarf mittels einer Erdsonden-Wärmepumpe. Eine Lüftung bläst frische Aussenluft ein und saugt die verbrauchte Luft über einen Wärmetauscher ab. Das mit zwölf Grad gegen Süden geneigte Pultdach ist auch eine Fotovoltaikanlage, die dafür sorgt, dass dem Haus keine Fremde Energie zugeführt werden muss. In der Eco-Bewertung schnitt das Holz besonders gut ab: Der nachwachsende Rohstoff erzeugt ein gesundes Raumklima, ist leicht zu bearbeiten und (meist) lokal zu beziehen. Die Holzkonstruktion des Gebäudes nimmt überschüssige Feuchtigkeit auf und gibt diese bei Trockenheit an die Räume zurück. Ausserdem gibt es auf jedem Geschoss eine bepflanzte und bewässerte Torfmatte, eine ‹grüne Wand›, die als Luftbefeuchter für ein angenehmes Klima sorgt und mittels Fotosynthese die Luft reinigt. Der Zementverbundboden und die eigens entworfenen Büromöbel mit einbezogener Schalldämmung sorgen für eine gute Akustik im Gebäude. Das Bürohaus wurde mit dem Solarpreis 2007 ausgezeichnet.

hochparterre, Mi., 2007.09.05

05. September 2007 Werner Huber

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