Editorial

Editorial

Die Sonne scheint, die Temperaturen steigen, die Tage werden länger, und die klassischen Radwanderwege sind von Velo Fahrenden bevölkert. Gut ausgebaute, breite, möglichst flache und vor allem sichere und verkehrsarme Routen sind offenbar der Traum aller Velofahrer.

Neben den Freizeitradlern benutzen aber vor allem Pendler und Schüler ihr Fahrrad zur Fortbewegung. Sie stellen ganz andere Anforderungen an die Linienführung durch die Städte und die Agglomerationen. Direkt und ohne Hindernisse heisst ihre
Devise. Wer mit 30 km / h auf dem Weg zur Arbeit ist, kann keinen Veloweg brauchen, der im 90°-Winkel abbiegt. Nicht abgesenkte Bordsteine, Tramschienen, Engstellen und Pfosten stören die Velofahrenden. Fehlendes Problembewusstsein und mangelnde Kenntnis im Umgang mit dem Veloverkehr können zu unerfreulichen Situationen führen. Hinweise, worauf bei der Gestaltung von Veloverbindungen zu achten ist, gibt der Autor des Artikels «Veloführung».

Am Ziel angekommen, stellt sich so mancher Radfahrer die Frage nach einem geeigneten Parkplatz und erlebt teilweise böse Überraschungen. Die Abstellanlagen sind permanent überfüllt. Der Artikel «Abstellanlagen» beschreibt die Anforderungen an eine Anlage, damit sie auch benutzt wird. Doch nicht nur die Planer und Ersteller von Velorouten und Abstellanlagen sind verantwortlich dafür, die Bevölkerung zum Umsteigen und Aufsteigen auf das Velo zu bewegen. Die gegenseitige Rücksichtnahme aller Verkehrsbeteiligten hat einen grossen Anteil daran. Um das Zusammenleben von Velo Fahrenden und Fussgängern zu verbessern, lanciert die Stadtpolizei Zürich derzeit eine Kampagne. Sie ist Teil der generellen Bemühungen von Polizei und Interessenverbänden um eine Verbesserung des Verkehrsklimas.
Wie es aus gesellschaftlicher und politischer Sicht um den Veloverkehr steht, beschreibt der Artikel «Gegen Verkehrsstau». Im Vordergrund steht die Agglomerationspolitik des Bundes. Zurzeit steht bei den meisten Agglomerationsprogrammen der Strassenbau im Vordergrund. Eines der Ziele ist aber auch, den Fuss- und Veloverkehr zu fördern. Ob die guten Vorsätze tatsächlich eingehalten werden und der Veloverkehr aus dem Schatten der Verkehrspolitik tritt, wird sich zeigen, sobald die geplanten Massnahmen umgesetzt werden. Daniela Dietsche

Inhalt

WETTBEWERBE
Neue Ausschreibungen / Vasellas Promenade am Basler Rheinufer

MAGAZIN
Binding-Waldpreis 2007 an Sumiswald / Velostationen in der Schweiz / Neat: teilweise Verzögerung / Beschaffungsverfahren im Brückenbau / Umbau Bahnhof Rapperswil / Stadion Aarau: neuer Anlauf / Kurzmeldungen

GEGEN VERKEHRSSTAU
René Hornung
Die Benutzung des Velos im alltäglichen Verkehr zu steigern ist eines der Ziele der Agglomerationsprogramme.

VELOFÜHRUNG
Christof Bähler
Veloverkehr auf öffentlichen und privaten Strassen führt häufig zu Konflikten. Diese lassen sich reduzieren, wenn Planer die Bedürfnisse der Velofahrenden kennen und berücksichtigen.

ABSTELLANLAGEN
Daniel Sigrist
Mit dem Velo von Tür zu Tür: Welche Anforderungen muss ein Veloparkplatz erfüllen?

SIA
Austauschplattform des SIA / Qualifikation für Stahlbaubetriebe / SIA 263: Alternative Kippwiderstandsregel

PRODUKTE

IMPRESSUM

VERANSTALTUNGEN

Veloführung

Veloverkehr ist volkswirtschaftlich hocheffizient und birgt ein hohes Wachstums- und Umsteigepotenzial. Er ist idealer­ Zubringer zum öffentlichen Verkehr und benötigt ein fein­maschiges, komfortables und sicheres Netz mit Einbindung der Haltestellen. Um die Anteile des Veloverkehrs zu erhöhen, sind insbesondere für die Pendler- und die Schulwege Anpassungen der Infrastruktur erforderlich.

Mit dem Bau isolierter Velowege lassen sich weder die Mobilitätsansprüche noch die gesellschaftliche Integration der Velofahrenden erfüllen. Im Gegensatz zu Velowegen oder markierten Radrouten beginnt und endet eine Velofahrt immer vor einer (Haus-)Tür. Ein Verkehrssystem, das Velo Fahrenden ein Inseldasein auf eng begrenzten Velowegen abverlangt, ist deshalb zum Scheitern verurteilt. Veloverkehr gehört in erster Linie auf die Strasse. Die erforderliche Netzdichte für den Veloverkehr und damit die flächendeckende Erschliessung vorhandener Quell- und Zielorte (Wohngebiete, Schulen, Arbeitsplätze, ÖV-Haltestellen, Einkaufsbereiche, Freizeitanlagen, Verwaltungen, Spitäler, Naherholungsgebiete) ist auf das bestehende Strassennetz angewiesen. Ein entscheidender Faktor für ein sicheres Verhalten im Verkehr ist die gegenseitige Wahrnehmung und Rücksichtnahme auf gemeinsamen Verkehrsflächen. Wird der motorisierte Verkehr hingegen abgetrennt, blenden die motorisierten Verkehrsteilnehmer die Velo Fahrenden aus. Dabei entstehen bei den Nahtstellen zwischen Radweg und Strasse (z. B. seitlichen Einmündungen, Rückführung auf die Fahrbahn) neue Gefahrenpunkte. Im Siedlungsbereich lassen die Bedingungen eine sinnvolle Verkehrstrennung gar nicht zu. Die Rahmenbedingungen für den Veloverkehr zu verbessern ist eine klassische Querschnittsaufgabe. Die möglichst umfassende Integration des Veloverkehrs in alle Sach- und Fachbereiche, die mit der Mobilität der Menschen zu tun haben, ist die Voraussetzung für ein gutes «Veloklima».[1]

Veloeigenschaften

Damit die Massnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Veloverkehrs durch die Benutzer angenommen werden, müssen sie in den Mischverkehr in Kenntnis der Eigenschaften des Velos und der Bedürfnisse der Velofahrenden integriert werden:2 Ein Velo benötigt einen Bewegungsraum von mindestens 1.20 m Breite. In Kurven steigt die beanspruchte Breite aufgrund der Schräglage auf mindestens 1.80 m. Die geometrische Ausbildung von Richtungswechseln ist abhängig von der Geschwindigkeit. Der minimale Radius (keine zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen erforderlich) beträgt 15 m bei 20 km/h resp. 30 m bei 30 km/h. Zwischen zwei Radien muss immer eine Zwischengerade eingeplant werden (ca. 3 Sekunden Fahrzeit).

Steigungen sind trotz moderner Fahrradtechnik ein Hindernis. 20 m Höhendifferenz entsprechen bezüglich Zeitaufwand und Energieeinsatz rund einem Kilometer zusätzlicher Weglänge. Unnötige Steigungen in der Anlage von Strassen sind zu vermeiden. Beispielsweise können Velos auf einem höheren Niveau durch Unterführungen geleitet werden. An Steigungen nimmt die Geschwindigkeit ab, der benötigte Bewegungsraum hingegen steigt. Radstreifen sollten deshalb 1.50 m Breite aufweisen, bei Steigungen 1.80 m.

Der Anhalteweg von Velos ist abhängig von der Geschwindigkeit, der Längsneigung und der Beschaffenheit der Fahrbahn (Rauigkeit, Nässe). Bei einer Geschwindigkeit von 20 km/h beträgt der Anhalteweg zwischen 12 und 16 m.

Verhalten und Bedürfnisse der Velo Fahrenden

Das Verhalten und die Bedürfnisse der Velofahrenden werden bestimmt durch ihre körperliche Konstitution, ihre Erfahrung und ihre Grundhaltung. Man unterscheidet zwischen Alltags- und Freizeitfahrern. Bei den Alltagsfahrern gibt es die Gruppe der Fahrradfahrer, die sicher und schnell unterwegs sind. Sie zeichnen sich durch eine selbstbewusste Fahrweise aus und bevorzugen direkte (Hauptverkehrs-) Verbindungen, möglichst ohne Hindernisse oder Haltepunkte. Der weniger verkehrsgewandte Fahrer bevorzugt gesicherte Übergänge und ruhige Nebenachsen ohne hohes Verkehrsaufkommen.

Für sportliche Fahrer, die in ihrer Freizeit oft in Gruppen unterwegs sind, gelten weitgehend die gleichen Ansprüche wie für den selbstsicheren Alltagsradler. Ganz im Gegensatz zu Velofahrenden, die das Fahrrad zur Erholung nutzen. Sie legen Wert auf erhöhte Sicherheit und erlebnisreiche, attraktive Routen mit guter Wegweisung.

Hauptverkehrsachsen

Die Hauptverkehrsstrassen sind in der Regel auch die Hauptachsen des Veloverkehrs. Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Velofahrenden führen dazu, dass auf Verkehrshauptachsen gelegentlich verschiedene Angebote für die Velofahrenden sinnvoll sind. In Knotenbereichen mit einer Lichtsignalanlage ist zum Beispiel sowohl ein direktes (Handzeichen, Einspuren) als auch ein indirektes (Zwischenhalt am rechten Strassenrand) Linksabbiegen möglich. Zur Erhöhung der Sicherheit (Wahrnehmung) sind vorgezogene oder separate Warteräume vor den Motorfahrzeugen möglich. Bei kombinierten Geradeaus- und Rechtsabbiegespuren ist die Montage von Spiegeln sinnvoll, die auch für LKW-Fahrer Einsicht in den «toten Winkel» ermöglichen. Für die Haupt- und Abbiegebeziehungen des Veloverkehrs sind Radstreifen einzurichten.

In den Streckenabschnitten zwischen den Knoten wird die Sicherheit und Attraktivität des Veloverkehrs wesentlich durch den Querschnitt der Strasse, die Möglichkeiten zum Queren und zum Linksabbiegen bestimmt. Genügend breite Fahrspuren (Überholen durch Personen- und Lastwagen möglich) und tiefe oder überfahrbare Randabschlüsse erhöhen die subjektive und die effektive Sicherheit. Auf Engpässe ohne Überholmöglichkeit muss ein rund 120–150 m langer Abschnitt folgen, der es dem nachfolgenden Verkehr ermöglicht, die Velos zu überholen.

Breite, ausgeräumte Strassenräume verleiten die Fahrzeuglenker zu schnellem Fahren. Hier gilt es, die Anliegen des Veloverkehrs bei der Querschnittsbemessung zu berücksichtigen und im Interesse der Verkehrsicherheit so zu wählen, dass den Fahrzeuglenkern eine korrekte Einschätzung möglich ist, ob sie das Velo in genügendem Abstand überholen können.

Nebenachsen und Erschliessungsanlagen

Auf Nebenachsen des Veloverkehrs gilt vielerorts Tempo 30, verbunden mit Rechtsvortritt. Es ist darauf zu achten, dass durch Elemente der Verkehrsberuhigung keine neuen Gefahrenstellen für die Velofahrenden entstehen (Wahrnehmung Hindernisse / horizontale und vertikale Ausgestaltung). Das Öffnen von Einbahnstrassen für den Velogegenverkehr ermöglicht zusätzliche, direkte Verbindungen.
Auf den Erschliessungsstrassen gelten bei tiefer Geschwindigkeit dieselben Anforderungen wie auf den Hauptverkehrsachsen. Auch hier müssen die Begegnungsfälle Personenwagen/Lastwagen / Velo oder Fussgänger / Velo sicher ermöglicht werden und Geometrie und Sichtweiten der Anlagen dem Veloverkehr angepasst sein.

Integration in der Planung

Der öffentliche Strassenraum wird insbesondere im städtischen Umfeld von vielen Nutzungen beansprucht: Fussverkehr, Behinderte, motorisierter Individualverkehr, öffentlicher Verkehr, Parken, Car- / Taxi-Standplätze, Anlieferung, Notfallzufahrt, Aussenbestuhlung der Gastgewerbe, Informationssäulen, Plakatständer, öffentliche Telefone oder Entsorgungsstellen. Daneben muss er hohe städtebauliche Kriterien, zum Beispiel das Aufwerten von Aussenräumen, das Erhalten von Strassenzügen, das Schaffen von Freiräumen und Begrünung, erfüllen. Die Planung und die Umsetzung von Verbesserungen für den Veloverkehr sind deshalb anspruchsvolle Aufgaben.

Die frühzeitige Koordination ist Voraussetzung, dass den verschiedenen, teilweise gegenläufigen Interessen Rechnung getragen werden kann. Damit lassen sich Einsprachen wie auch schwierige, oft nicht mehr mögliche Nachbesserungen vermeiden. Hilfreich ist ein klar definiertes Verfahren, um Differenzen zu bereinigen, nötigenfalls ist eine Interessensabwägung vorzunehmen.
Die Handlungsfelder im Veloverkehrsnetz sind periodisch zu erheben und daraus Schwachstellen und Lücken abzuleiten. Der ausgewiesene Handlungsbedarf aus Sicht des Veloverkehrs soll in Kombination mit Grundsätzen zur Umsetzung in einem behördenverbindlichen Richtplan festgehalten werden.

Ausbildung und Kommunikation

Wesentliche Elemente einer Strategie zur Förderung des Veloverkehrs liegen neben den Ausbauten der Infrastruktur in der Verkehrserziehung und der Bildung, der Beratung und der Kommunikation. Kinder sollen im Schulalter das Velofahren und sicheres Verkehrsverhalten erlernen. Die Beratung der Planer und der Bevölkerung kann verstärkt werden, indem auf der Stufe von Gemeinden und Kantonen weitere Fachstellen geschaffen werden. Die Fachstellen helfen mit, dass die öffentliche Hand ihrer Vorbildfunktion in der Veloförderung gerecht werden kann. Das Wissen um eine fachgerechte Integration des Veloverkehrs muss in die Ausbildung und die Weiterbildung einfliessen. Mit der Kommunikation realisierter Verbesserungen ist die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, das Velo zu benutzen.

[ Christof Bähler, Bauingenieur FH/NDS Umwelttechnik, Fachstelle Fussgänger- und Veloverkehr Tiefbauamt Kanton Bern ]

TEC21, Fr., 2007.05.18

18. Mai 2007 Christof Bähler

Gegen Verkehrsstau

Sechs Prozent aller Wegstrecken werden in der Schweiz per Velo zurückgelegt. Dieser Anteil soll markant erhöht werden, denn mehr Veloverkehr ist nicht zuletzt ein Mittel gegen überlastete Strassen. Mit den Agglomerationsprogrammen wollen Bund und Kantone dieses Ziel erreichen.

Velofahren hat in den letzten Jahrzehnten stark an Bedeutung gewonnen. Über die in Mode gekommene Freizeitnutzung baut das Velo seinen Anteil auch im alltäglichen Verkehr aus – zwar langsam, aber stetig. Im Stadtverkehr ist längst klar, dass Velofahrende auf kurzen Distanzen die Schnellsten sind. Gesamtschweizerisch sind laut Mikrozensus 20001 noch immer knapp 28 % der Haushalte ohne Velo, doch in rund 30 % der Haushalte gibt es drei und mehr Velos. Im Durchschnitt verfügen 72 % aller Haushalte über mindestens ein Velo.

Damit ist allerdings noch nichts über die Nutzung gesagt. Jugendliche gehen überdurchschnittlich häufig zu Fuss und nehmen vor allem zwischen zehn und vierzehn Jahren das Velo für den Schulweg. Bei den jungen Erwachsenen zwischen 25 und 29 Jahren liegt der Anteil der mit dem Velo zurückgelegten Arbeitswege bei 5 %, bei älteren Bevölkerungsgruppen bei rund 4 %.

Förderung des langsamverkehrs
Das wollen die rund 30 Agglomerationsprogramme, die zurzeit in der Schweiz in Bearbeitung sind, ändern. Ziel der Programme ist es, die aktuellen Verkehrsprobleme zu lösen und die notorischen Staustellen zu entschärfen. Ausserdem soll damit die künftige Siedlungsstruktur gesteuert werden. Angestrebt wird eine nachhaltige Verbesserung der Verkehrssituation und der Siedlungsplanung. Der Modalsplit (Aufteilung der Verkehrsetappen auf die verschiedenen Verkehrsmittel) soll zugunsten des öffentlichen Verkehrs und des Fuss- und Veloverkehrs erhöht werden.

Der Grundsatz des Bundes lautet daher «Vermeiden, umlagern und optimieren». Dazu hat der Bund im Jahr 2000 die Fachstelle für Langsamverkehr im Bundesamt für Strassen geschaffen, die sich der Anliegen der zu Fuss Gehenden und der Velo Fahrenden annimmt. Jedes Agglomerationsprogramm muss Projekte zugunsten der zu Fuss Gehenden und Velofahrenden – samt Infrastrukturbauten – vorschlagen. Dazu gehören sowohl Reparaturmassnahmen am bestehenden Netz als auch gezielte Ausbauten ausschliesslich für den Fuss- und den Veloverkehr. Das Bundesamt für Raumentwicklung überprüft danach, ob die Förderung des Langsamverkehrs in der Planung gebührend berücksichtigt ist.Betrachtet man allerdings die ersten fertig ausgearbeiteten Agglomerationsprogramme, etwa jenes für Lausanne und Morges, stellt man fest, dass der Veloverkehr hier stiefmütterlich behandelt wurde. Das Agglomerationsprogramm für Lausanne, von seiner Topografie alles andere als eine Velostadt, enthält vor allem verbale Bekenntnisse zum Veloverkehr und schlägt für zahlreiche Stellen eine bessere Verknüpfung mit dem öffentlichen Verkehr vor. Der Ausbau des Velonetzes beschränkt sich aber auf die Verknüpfung schon vorhandener Teilstücke.

Heute, bevor die Agglomerationsprogramme greifen, stellt man unterschiedliche Anteile des Veloverkehrs in den Agglomerationen und den Städten fest. Winterthur, aus Tradition und dank der Topografie die Schweizer Vorzeige-Velostadt, bringt es auf einen Anteil an Velofahrten von 25 %, Basel liegt nur wenig darunter. In der Agglomeration Zürich werden 7.3 % der Fahrten per Velo zurückgelegt, und gesamtschweizerisch liegt der Durchschnitt bei 6 %.

Allerdings: Betrachtet man in den genannten Beispielen nur die Kernstädte, so liegt der Veloanteil deutlich höher. Grund dafür sind die kürzeren innerstädtischen Distanzen und die ausgebaute Veloinfrastruktur. Erfahrungen zeigen, dass Fördermassnahmen erfolgreich sind. Das Stadtzürcher Velonetz wurde ab Anfang der 1980er-Jahre ausgebaut, was den Veloanteil um das Dreifache, auf immerhin 7 %, steigen liess. Bis 2010 soll ein Veloanteil von12 % erreicht werden.

Dafür sind jedoch mehr zusammenhängende Velostrecken nötig, die zügig befahren werden können, denn im Alltag sind die Velofahrenden genau so in Eile wie die Autofahrenden. Wenn es mit solchen Massnahmen gelingt, mehr Arbeitspendler dazu zu bringen, das Velo zu benutzen, schafft dies nicht zuletzt Platz auf den Strassen und könnte ein Beitrag zur Lösung der Stauprobleme sein.

Grundlagen erarbeiten

Die Fachleute sind überzeugt, dass gerade in den Agglomerationen der Veloverkehr noch markant gesteigert werden kann. In der Agglomeration Bern sind beispielsweise 60 % aller Fahrten maximal 5 km lang – Strecken, die für Velos ideal sind. Bis ins Jahr 2011 soll der Veloanteil hier auf 55 % erhöht werden. Dazu werden in den insgesamt sechs Agglomerationsprogrammen auf dem Gebiet des Kantons Bern viele «unspektakuläre Einzelmassnahmen» ergriffen, so Ulrich Seewer, Leiter der Fachstelle Gesamtmobilität in der kantonalen Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion. Der kantonal-bernische «Richtplan Veloverkehr» vom Dezember 2004, ausgearbeitet von der Fachstelle Langsamverkehr, verlangt schon heute, dass bei Strassenprojekten 10 bis 20 % der Mittel für den Velo- und den Fussverkehr aufgewendet werden. In den Agglomerationsprogrammen findet man auch neue Projekte wie eine Velobrücke über die Aare (Länggasse–Nordquartier). Für die sechs bernischen Programme sind insgesamt 56 Mio. Franken für den Langsamverkehr vorgesehen.

In vielen anderen Regionen müssen die Grundlagen, über die Bern bereits verfügt, zuerst noch erarbeitet werden: Hansueli Hohl (verantwortlicher Planer für den Fuss- und Veloverkehr des Agglomerationsprogramms der Region St. Gallen - Arbon - Rorschach) stellt fest, dass es in seinem Gebiet vorerst nur wenige Ausbauprojekte gebe. «Wir haben schon vor zwei Jahren die 23 Gemeinden unserer Agglomeration – verteilt auf die drei Kantone St. Gallen, Thurgau und Appenzell-Ausserrhoden – nach ihren Wünschen zum Fuss- und Veloverkehr befragt – diese waren bescheiden.» Nun wird nochmals nachgehakt, um möglicherweise entsprechende Projekte in die Planung aufnehmen zu können.
Der Druck auf die Planungsfachleute des Veloverkehrs dürfte in den nächsten Monaten zunehmen. Die IG Velo Schweiz fordert die Regionalverbände nämlich zu Interventionen auf und liefert dazu Kontaktadressen. Im Frühjahr 2007 wird an einem Workshop eine Umsetzungshilfe vorgestellt, denn «nur wenn in den Regionen die Veloverkehrsprojekte gebündelt eingegeben werden, erhalten sie das nötige Gewicht, um mit Bundesgeldern mitfinanziert zu werden», sagt Christoph Merkli, Geschäftsführer der IG Velo Schweiz.
Das Bundesamt für Strassen arbeitet ebenfalls an einer Umsetzungshilfe in Sachen Langsamverkehr. Wann die Checkliste veröffentlicht wird, ist noch nicht bekannt.

Auch parlamentarisch soll die Veloförderung beschleunigt werden: Die SP Schweiz hat eine Mus- terinterpellation ausgearbeitet, die bei den Kantonen eingebracht werden kann. Die Regierungen sollen Zahlen über den Modalsplit in ihren Städten und Agglomerationen erfassen und veröffentlichen. Anschliessend sollen Gelder bereitgestellt und Fachstellen geschaffen werden. Im Kanton Zürich wird zurzeit gar über die Lancierung von zwei Volksinitiativen diskutiert. Die eine will vom Kanton eine Veloförderung, damit der Veloanteil in den Agglomerationen des Kantons auf 15 % ansteigt. Die zweite Initiative soll eine wirksamere Veloförderung in der Schule bringen, denn der Anteil Velofahrender Jugendlicher geht in den letzten Jahren ständig zurück.

[ René Hornung ist freier Journalist im Pressebüro St.Gallen, Mitarbeiter von «Hochparterre» und «Velojournal» ]

TEC21, Mo., 2007.05.07

07. Mai 2007 René Hornung

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