Editorial
Ein gewonnener Wettbewerb ist noch kein fertiges Haus – die Binsenwahrheit erleben die Architekten und Bauherren der Sportanlage von Domat/Ems. Rahel Marti schreibt auf Seite 56 das Protokoll eines Scheiterns und gewinnt drei Erkenntnisse: Erstens hat der Bauherr eine Leistung und kein Werk bestellt; er kann seinen Architekten fast jederzeit entlassen. Zweitens: Je eher Architekten die Konflikte verdrängen, im Glauben, es komme schon gut, umso eher scheitert ein Projekt. Und drittens der Freudentaumel und die Ernüchterung. Vorab junge Architekturbüros sind schnell überfordert. Die Forderung: Die Berufsverbände der Architekten sollen vor allem junge Wettbewerbsgewinner enger begleiten. Nichts desto trotz – Wettbewerbe enden meist in guten Bauten und Minne. Die Maiausgabe von hochparterre.wettbewerbe dokumentiert in seiner aktuellen Ausgabe die folgenden Wettbewerbe:
--› Markthalle Basel, mit Gespräch
--› Wohnüberbauung SBB-Areal, Zug
--› Altersheim Trotte, Zürich
--› Sekundarschule Stacherholz, Arbon
--› Le Concours d’urbanisme ‹Le Brit›
--› Romanel-sur-Lausanne
--› Ausstellungsgestaltung Abegg-Stiftung, Riggisberg
--› Testplanung unteres Reusstal, Uri.
750 Liegenschaften, fast 7 Milliarden wert – das sind zwei Zahlen der Immoblienfonds der Bank UBS. Werner Huber hat untersucht, welchen Stellenwert bei solch grossen Mitspielern Architektur hat. Eine wichtige Erkenntnis: Neubauten erstellen ist das eine, der grosse Teil der Investitionen fliesst aber in die Architektur des Umbauens und Sanierens. Wer Hochparterre abonniert hat, findet die Etüde zu Oekonomie und Architektur als Beilage zu dieser Ausgabe. Alle andern mögen den Coupon auf Seite 14 ausfüllen oder ihr Abo bei verlag@hochparterre.ch bestellen. Und sie werden Monat für Monat Hochparterre und die Beilagehefte im Briefkasten finden. GA
Inhalt
Funde
– Stadtwanderer: Building Zurich, ArchitekturKultur in Bern
– Jakobsnotizen: Hochparterre im Jahr 2006
– Estermann: Vom Spielball der Regionen
Titelgeschichte
Die kleine Serie
Brennpunkte
– Langstrasse Zürich: Von der Absteige zur Edelloge
– Eine Schrift wird 50: Happy Birthday, Helvetica
– Vier Mal Kunst und Park: Grosser Wurf oder Einzelstimme?
– Testplanung in Uri: Erkundungen am Strassenrand
– Vier Designer in England: Magnet London
– Kongresshaus Zürich: Moneos Überarbeitung
– Schule Domat / Ems: Sie kamen, siegten und scheiterten
– Drei Websites im Vergleich: Wo Architekten klicken
Leute
Ski- und Snowboardrennen für Architekten in Arosa
Bücher
Über die gestaltete Schweiz, Barcelona, Weisheiten, ‹Züri
Gschnätzlets› und mehr
Siebensachen
Spiele für die Füsse und die Finger
Fin de Chantier
Schulhäuser in Luzern und Rüschlikon, Sporthalle in St. Gallen, Wohnhäuser in Zürich, Liebefeld und Basel, eine Multimedia-Kapelle und die Edel-Jagdhütte
An der Barkante
Mit der Architektin Marina Hämmerle in Dornbirn
Vorhang auf!
Der Schulhausplatz in Baden ist ein Resultat der Verkehrssanierung der Sechzigerjahre. Damals verlegte man die Bahnlinie in einen neuen Tunnel und baute das alte Trassee samt Eisenbahntunnel zur Hauptstrasse um. Dieser verkehrstechnische Befreiungsschlag hinterliess im Stadtbild Wunden, die erst vierzig Jahre später allmählich verheilen. Dazu gehört auch das Falken-Areal. Der einstige Gasthof fiel schon in den Sechzigern der über- und unterirdischen Verkehrsmaschine des Schulhausplatzes zum Opfer, die Brauerei überlebte etwas länger. Anläufe, das Areal neu zu bebauen, scheiterten zahlreich: an der schwierigen Situation, an der ungünstigen Erschliessung, am Lärm der überlasteten Kreuzung, an fehlenden Investoren. Der jüngste Anlauf, noch unter Denner als damaligem Arealbesitzer begonnen, war von Erfolg gekrönt. Auf die heterogene Umgebung mit der Altstadt an der einen Ecke der Kreuzung, dem klassizistischen Schulhaus an der anderen Ecke und dem Gemisch von Sechzigerjahre-Geschäftshäusern und vorstädtischer Bebauung entlang der Mellingerstrasse reagierten die Architekten von Burkard, Meyer mit einer grossen plastischen Figur. Deren unregelmässiger Grundriss widerspiegelt in den unteren Geschossen die Randbedingungen mit einer öffentlichen Strasse im rückwärtigen Bereich, dem Bahntunnel dahinter und dem Velotunnel, der den Schulhausplatz in weitem Bogen unterfährt. In den oberen Geschossen löst sich der Baukörper von den Vorgaben im Baugrund und inszeniert sich im Stadtraum. Nach über vierzig Jahren hat der grossflächige Schulhausplatz endlich ein Pendant in der dritten Dimension erhalten. Der Platz bleibt zwar eine Verkehrsmaschine (daran werden auch die geplanten Umbauten nichts ändern), aber nun ist die Fläche gebunden und ufert nicht mehr nach allen Seiten aus. Das grosse, auf einem Ladensockel stehende Volumen ist im Innern zweigeteilt: Das Bezirksgericht und Büros belegen die drei unteren Geschosse, in den beiden obersten Stockwerken gibt es 14 Maisonettewohnungen. Der Kern des Hauses ist ein Hof, der die Büros mit Licht versorgt und sich oben zum grossen Eingangshof der Wohnungen weitet. Die innere Ordnung folgt dem fast orthogonalen Hof, was zu schräg angeschnittenen Räumen an den Fassaden führt. Aus dem umlaufenden Bürokorridor gibt es immer wieder Ausblicke auf die Strasse und in den Hof. Der holzbeplankte Eingangshof im vierten Obergeschoss ist der kollektive Aussenraum der Wohnungen. Gemeinsam ist den Büro- und Wohngeschossen die raumhaltige Glasfassade. Deren innere Schicht bildet die Klima- und Schallgrenze und lässt sich nur in den Wohnungen öffnen; die äussere Glashaut ist fix und hinterlüftet. Im Zwischenraum hängen raumhohe Vorhänge als Sonnenschutz. Deren zweischichtige Stoffbahnen – ein grobes Gewebe aussen, ein metallbedampftes innen – kontrastieren mit dem kantigen Glaskörper und bringen etwas Theater-atmosphäre auf den Schulhausplatz.hochparterre, Mi., 2007.05.16
16. Mai 2007 Werner Huber
verknüpfte Bauwerke
Wohn- und Geschäftshaus
Sie kamen, siegten und scheiterten
Wenn die Gemeinde Domat/Ems im Kanton Graubünden am 9. Juni ihre Freizeitanlage einweiht, werden die Architekten nicht dabei sein. Die Gemeinde hatte den einstigen Wettbewerbssiegern fristlos gekündigt – wenige Wochen nach dem Spatenstich. Eine Chronik und ein Fazit.
Im Herbst 2003 gewann das Zürcher Architekturbüro Müller Verdan Weineck den offenen Wettbewerb für die Freizeitanlage ‹Vial› in Domat/Ems. Es war eines jener Projekte, die ein Architekt mit dem Gefühl abgibt, das könnte etwas werden. Domat/Ems plante eine Dreifachturnhalle mit Tribüne und dazu ein Musikzentrum mit Probe- und Unterrichtsräumen. Das erstrangierte Projekt sah die Dreifachhalle als Herz der Anlage vor, belichtet durch ein Glasdach, auf dem Fotovoltaik-Felder für Strom und zugleich für Schatten sorgen sollten. Um die Halle legten die Architekten einen Kranz aus eingeschossigen Trakten für die übrigen Funktionen: auf der Schmalseite nach Osten das Foyer, auf jener nach Westen das Musikzentrum, auf der Längsseite nach Süden die Garderoben, auf jener nach Norden die Geräteräume. Als Baumaterial schlugen sie den in der Region hergestellten ‹Misapor›-Beton vor, einen Konstruktionsdämmbeton. Die Jury lobte: Das Projekt sei «die Erfindung eines ganz speziellen Sporthallentypus», es habe «fast magische Ausstrahlung».
Auch Gemeindepräsident Peter Wettstein und der Leiter des Bauamts, Martin Durisch, waren zufrieden: «Der Wettbewerb hatte sich gelohnt, das Projekt gefiel uns.» Die Zusammenarbeit mit dem Zürcher Büro startete gut, rasch bot man sich das Du an. Bald stellte sich aber heraus, dass man auf das Solardach und den ‹Misapor›-Beton verzichten musste. Zwar hatten Müller Verdan Weineck für beides Fachplaner und Produzenten zur Hand, doch wäre es für die das erste Projekt dieser Grösse gewesen. «Diese Risiken mit entsprechenden Kostenfolgen konnte die Gemeinde nicht übernehmen», erklärt Peter Wettstein.
Uneins beim Dach
Am 16. Mai 2004 bewilligte die Gemeindeversammlung den Baukredit von zwölf Millionen Franken, am 1. Dezember reichten die Architekten die Baueingabe ein. Form und Konstruktion des Dachs blieben Diskussionspunkte. Statt des Glasdachs hatten Müller Verdan Weineck ein Flachdach mit rund vierzig Oberlichtern ausgearbeitet, um das Zenitallicht beizubehalten. Die Neigung der mit Spezialisten entwickelten Konstruktion betrug 1,5 Prozent, das in den SIA-Normen verlangte Minimum. Doch Dieter Federspiel, Domat/Emser Bauvorstand, und Bauamtleiter Durisch blieben skeptisch: «Mit Flachdächern hatten wir schlechte Erfahrungen gemacht, sie waren oft undicht.» Sie forderten ein Gefälle von mindestens 5 Prozent. Die Architekten konstruierten diese Variante, schlossen sie aber für eine Realisierung aus. Das höhere Gefälle war weder technisch nötig, noch entsprach es ihrer architektonischen Idee.
Weitere Diskussionspunkte waren Kosten und Termine. Die Gemeinde erwog anfangs, einen Generalunternehmer zu verpflichten. Doch die Architekten wollten die Ausführung selbst planen; für die örtliche Bauleitung nahmen sie das Churer Büro Albertin Zoanni unter Vertrag. Zur Kontrolle der Kosten und Termine schlugen sie vor, mit der Garantengesellschaft SGC zusammenzuarbeiten. Die SGC prüfte Architekten, Pläne und den Kostenvoranschlag auf Punkt und Komma. Sie zeigte Verbesserungs- und Einsparmöglichkeiten auf und bot der Gemeinde einen Kostengarantievertrag an, basierend auf Preisen von Unternehmern aus Stadtregionen wie Basel oder Zürich. Die SGC bestätigte, dass Müller Verdan Weineck korrekt geplant und – wenn auch knapp – gerechnet hatten und fähig waren, den Bau auszuführen. Als Referenz diente etwa die Sporthalle ‹Gotthelf› in Thun, die das Büro gerade ausführte, auch dies ein Wettbewerbserfolg.
Doch Wettstein und Durisch misstrauten dem Gutachten: «Es war nicht fundiert genug und brachte nicht, was wir erhofft hatten. Zudem ergab die öffentliche Ausschreibung, dass die Baumeisterarbeiten wesentlich teurer würden als budgetiert.» Das aber lag an der Gemeinde: Ihre Ausschreibung hatte die Preise weniger hoch als üblich gewichtet. Daher reichten nur regionale Unternehmer eine Offerte ein – mit teureren Preisen. Der regionale Vorzug hätte für die SGC bedeutet, das garantierte Kostendach zu erhöhen: «Will man aus politischen Gründen nur regionale Firmen berücksichtigen, so muss man oft mit höheren Preisen rechnen, weil der Wettbewerb nicht voll spielt», erklärt Beat Walder, Geschäftsleiter der SGC Basel. Aber die Gemeinde lehnte ein höheres Kostendach ebenso ab wie die Zusammenarbeit mit der SGC. Walders Fazit: «Die Domat/Emser wollten viel: eine Garantie auf den ganzen Bau, den genehmigten Kredit einhalten sowie örtliche Unternehmen berücksichtigen – Fünfer und Weggli.»
Bis September 2005 arbeiteten Müller Verdan Weineck an der Ausführungsplanung weiter. Noch immer rang man ums Dach, zudem um die Garderoben: Wichtiger Teil des jurierten Projekts waren direkte Eingänge in alle sechs Garderoben, um die Wege zu entflechten. Der Kanton als Subventionsgeber – in der Jury nicht vertreten – lehnte dies ab mit Bedenken bezüglich der Sicherheit und der Brauchbarkeit. Doch die Architekten planten nicht um und beliessen auch einige laut Kanton unnötige Toiletten. Beim Spatenstich am 5. September 2005 bemühten sich Gemeinde und Architekten um Harmonie – aber die Probleme wuchsen. «Die Gemeinde machte uns verantwortlich für Verzögerungen und höhere Preise, die auf ihre Änderungswünsche selbst noch am laufenden Bau zurückgingen», sagen Müller Verdan Weineck. – «Die Architekten waren mit den Plänen in Verzug, sodass die Baumeister reklamierten, und in der Ausschreibung fehlten wichtige Positionen», sagen Wettstein und Durisch. «Wir fürchteten, dass wir den Bau nicht zu den veranschlagten Kosten erhalten würden.» Am 19. Oktober 2005, sechs Wochen nach dem Spatenstich, kündigte die Gemeinde den Architekten den Vertrag mit sofortiger Wirkung. In nur einer Woche mussten sie sämtliche Pläne abliefern. Die Gemeinde Domat/Ems übergab den Auftrag den bisherigen Bauleitern Robert Albertin und Alexander Zoanni.
Futter für Juristen
Gegen die Kündigung konnten die drei nicht viel unternehmen. Es blieb ihnen nichts übrig, als die Pläne abzugeben – und zu schauen, dass sie zu ihrem Geld kamen. Jürg Gasche, Rechtsexperte des SIA, bestätigt: «Der Architektenvertrag ist rechtlich gesehen ein Auftrag für eine Leistung und nicht für ein Produkt wie der Werkvertrag – er ist jederzeit von beiden Seiten kündbar.» In diesem Fall aber kündigte die Gemeinde spät, nach Baubeginn. Die SIA-Norm 102 sieht vor, dass bei ‹Kündigung zu Unzeiten› eine Pauschale von zehn Prozent der entzogenen Auftragssumme gefordert werden kann. Müller Verdan Weineck hätten vor Gericht deshalb Schadenersatz fordern können. Ihre Rechtsanwältin, Claudia Schneider-Heusi, riet «trotz guter Erfolgschancen» ab. «Ein Gerichtsverfahren kostet Geld und Nerven. Und es kann sich über Jahre hinziehen, ohne dass das Urteil die Kläger am Ende befriedigt.» Stattdessen einigte man sich auf einen raschen aussergerichtlichen Vergleich, der Schadenersatzansprüche, Honorare und die Abgeltung von Urheberrechten regelte. Zudem sprach die SIA-Honorarkommission den Architekten fast alle geforderten Honorare zu. Fast alles ist erledigt – sie warten noch auf die letzte Zahlung.
Zeit für ein Fazit.
Haben Müller Verdan Weineck die Anliegen der Bauherrschaft zu wenig ernst genommen? Waren sie zu ehrgeizig, wollten sie ihre Architektur stur durchsetzen? Misstrauten umgekehrt Wettstein, Federspiel und Durisch den Fähigkeiten der Architekten, redeten sie ihnen zu sehr drein? Wollte Domat/Ems das Zürcher Büro loswerden, weil das Vertrauen geschwunden war?
Mutmassungen. Sicher ist: Das Ende betrübt alle Beteiligten. Die Gemeinde kann ihre Freizeitanlage erst am kommenden 9. Juni eröffnen, dabei war dies im Oktober 2006 geplant: Diese Verzögerung und der Architektenwechsel kosten Geld und Nerven. Mit dem Resultat aber sind Peter Wettstein und Martin Durisch nach wie vor zufrieden «und jetzt ist der Bau fast fertig». Er habe im Dorf noch nie ein schlechtes Wort über die Architektur gehört, sagt Peter Wettstein. Das ist bitter für die Architekten: Sie verloren nicht nur einen 12-Millionen-Auftrag, sondern auch zwei Jahre Arbeit an einem Entwurf – den nun andere ausführten. «Es ist nicht mehr unser Projekt, aber auch kein ganz anderes», versuchen sie zu beschreiben. Vom «felsigen Charakter», den sie mit gestocktem Beton erzeugen wollten, blieb gewöhnlicher Sichtbeton übrig. Das Dach wurde auf Anweisung der Gemeinde geschlossen und «technisch einwandfrei konstruiert». Tageslicht fällt nun durch ein Fensterband auf der Nordseite in die Halle, die so ein anderer Raum geworden ist. Um zu sparen, schraubte die Gemeinde die Qualität der Detaillierung herunter – auch dies schmerzt Müller Verdan Weineck, die perfekt bauen wollen: «Eine selbst für hiesige Verhältnisse aussergewöhnlich sorgfältige Detaillierung», attestiert Martin Tschanz in ‹Werk, Bauen Wohnen› ihrer Sporthalle ‹Gotthelf› in Thun. Auch wenn die neuen Architekten in Domat/Ems unter Spardruck das Beste machten: Der Bau zeigt, dass formal einfache Architektur ins Banale kippt, wenn ihr die feinen Wesenszüge fehlen.
Ein paar Anregungen
Peter Wettstein schliesst aus dem Geschehen: «Wir überlegen, künftig professionelle Bauherrenvertreter beizuziehen. Und die Bauleitung sollte nicht unter Aufsicht der Architekten stehen.» Raphael Müller, Dominique Verdan und Ralf Weineck wollen künftig «Warnsignale früher erkennen». Sie wollten vorwärtsmachen und glaubten, den Rank schon zu finden. Doch schwelende Konflikte zu überspielen – und sei es auch gut gemeint –, ist gefährlich. «Architekten sollten hellhörig sein und bei Anzeichen von Schwierigkeiten früh Rat suchen», sagt die Rechtsanwältin Claudia Schneider-Heusi. Domat/Ems ist nicht die einzige Gemeinde, deren Beziehung zu Wettbewerbsgewinnern zu Bruch ging. Kommen Wettbewerbsgewinner von weither, geraten sie ab und zu zu Aussenseitern. Den Draht zur Bauherrschaft zu finden, braucht da Fingerspitzengefühl. Darum sind die Fachverbände gefragt: Sie müssen dafür schauen – zum Beispiel mit der SIA-Wettbewerbsordnung –, dass vor allem junge Wettbewerbsgewinner und ihr Projekt mindestens von einer Delegation der Jury und mindestens während der ersten Sitzungen begleitet werden. Dies könnte Bauherrschaften die Bedenken vor offenen Wettbewerben nehmen und Konflikte schon früh klären helfen. Und es änderte wohl auch das Verhalten der einen oder anderen Fachjurorin, die nach dem Juryentscheid die Baustelle verlassen. Wären sie weiter verantwortlich, nähmen wohl einige beim Jurieren die Anliegen der Bauherrschaft ernster.hochparterre, Mi., 2007.05.16
16. Mai 2007 Rahel Marti
Wo Architekten klicken
Wer im Internet ein Service bietet, der Architekten und Planern die Arbeit erleichtert, kann damit Geld verdienen. Dazu ein Vergleich von drei Websites: die Pro-duk-te-bibliothek architonic.com, der Online-Verlag baunetz.de und die Architektenporträts auf world-architects.com.
Wer im World Wide Web erfolgreich geschäften will, war am besten von Anfang an dabei. «Jetzt noch im Netz starten? Schmerzvoll», meint Tobias Lutz, Geschäftsführer von Architonic. Er hat gut lachen, seit 1999 ist der Architekt im Geschäft. Schon länger dabei sind die Zürcher PSA Publishers mit world-architects.com und der deutsche Online-Verlag baunetz.de. Bei allen drei Angeboten dauerte es ein paar Jahre, bis sie finanziell erfolgreich waren. Baunetz.de profitierte zunächst von der Investition des Bertelsmann Verlags. Wenige Jahre nach dem Start rentierte die Website ohne Querfinanzierung. «Das ist für einen On-line-Dienst eine aussergewöhnlich gute Leistung, weit über die Baubranche hinaus», weiss Stephan Westermann, der für den Inhalt zuständig ist. Die PSA Publishers investierten die Einnahmen aus ihren Porträtbüchern ins Netz. Heute gibt es keine Bücher mehr, die Firma macht ihren Umsatz ausschliesslich im Internet. Architonic betrieb neben der Website drei weitere Geschäfte. Seit Kurzem schreibt auch www.architonic.com schwarze Zahlen.
Besucher und Inhalt
Bei allen drei Beispielen bezahlen nicht die Benutzer, sondern die Mitglieder, Abonnenten und Werbekunden. Im Internet vom Benutzer Geld für Inhalt zu verlangen, ist nach wie vor schwierig: Baunetz hat versucht, einen kostenpflichtigen Bereich mit Dossiers über Architekturwettbewerbe einzurichten, vergeblich. Die Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg ist eine hohe Besucherzahl. Sie bestimmt den Anzeigetarif. Baunetz finanziert sich vorwiegend über Werbeeinnahmen. Das hat Konsequenzen für den Inhalt: «Eine neue Infoline wird nur eingerichtet, wenn wir dafür einen Sponsor finden», hält Stephan Westermann fest. Unter den vielen Anzeigen leidet die Gestaltung und die Benutzerfreundlichkeit der Seite. Lästig sind die Anzeigen, die sich immer wieder ins Gesichtsfeld des Benutzers stellen. Dafür bezahlen die Werbekunden aber den höchsten Preis. Und wie bringt man Architekten dazu, eine Website zu besuchen? Indem man einen Service bietet, der ihnen die Arbeit erleichtert. Zum Beispiel die Auswahl und die Bewertung von Informationen.
PSA Publishers verkaufen Architekten, Ingenieuren, Landschaftsarchitektinnen und weiteren Auftritte im Netz – ihre Leistung ist einerseits eine Selektion nach Güte der Büros – es wird nicht wahllos jedem ein Auftritt verkauft. Andererseits werden die Seiten im selben Designstandard aufgebaut, sind leserfreundlich und informativ. Wer über die Architekten der Schweiz zum Beispiel einen ersten Überblick will, findet hier allerhand. Tobias Lutz von architonic sagt: «Wir wollen eine Art Nischen-Google sein». Ein Suchdienst also, bei dem die meisten Nachfragen im Bereich Produkte und Materialien für Architekten beginnen. Lutz spielt dabei auf eine weitere Besonderheit des Mediums an. Viele Besucher und Erfolg hat, wer von der Internetweltmacht Google gut bewertet wird.
Google rangiert alle Websites nach einem sich dauernd ändernden Algorithmus, der sich unter anderem aus den Parametern Besucherzahl, Vernetzung und Inhaltsmenge zusammensetzt. Wer hier gut klassiert ist, erscheint bei der Google-Suche auf den ersten Seiten. Entsprechend viele Internetbenutzer werden auf die Homepage aufmerksam. «Google hat uns kürzlich auf Page Rank 6 befördert; unser Traffic ist massiv gestiegen», weist Tobias Lutz den Zusammenhang nach. Bei der Firma Architonic wendet ein Techniker fünfzig Stellenprozent allein dafür auf, die Google-Klassifizierung zu verbessern. Auch bei world-architects.com steigt die Besucherzahl. Darum ist die Site bei Google weit oben anzutreffen, wenn man das Stichwort ‹architects› oder ‹Architekten› eingibt. «Manche Architekten haben gar keinen eigenen Internet-auftritt mehr, sondern nutzen ihre Seite bei uns als Website», sagt Hans Demarmels. Dadurch sparen sie sich Kosten und Aufwand, um die Homepage zu unterhalten.
Untereinander verknüpft
Links sind das A und O im World Wide Web. Wenn eine Site mit vielen anderen vernetzt ist, bewertet sie nicht nur Google besser, sie lockt dann auch mehr Besucher an. Architonic ist über die Produktebibliothek mit den Homepages vieler international wichtiger Möbelhersteller verlinkt, die auf ihren eigenen Websites eine Menge Besucher haben. World-architects.com betreibt mit den Dependancen in den einzelnen Ländern bereits ein eigenes Netz. Hinzu kommen die Links zu den porträtierten Büros. Jeder Sponsor von Baunetz ist per Banner nicht nur visuell präsent, sondern auch mit einem Klick erreichbar. Verschiedene Anbieter können ihre Inhalte problemlos zu einem neuen Angebot verknüpfen. Das machen Architonic und PSA Publishers: Die Produktebibliothek, die man auf architonic.com findet, ist auch bei world-architects.com eingebaut. Architonic ist so bei mehr Architekten und Bauherren präsent. PSA kann mit dem fremden Inhalt Werbeeinnahmen generieren. Der Inhalt fliesst aber aus dem Internet auch zurück in die reale Welt: Tobias Lutz nutzt bei seinen Beratungen der Möbelfirmen jenes Wissen, das er sich im Online-Geschäft erarbeitet hat – und Hans Demarmels sucht nach Konzepten für Bücher.
Weitere Adressen zu Architekur und Design: www.arcguide.de, www.coohunting.com, www.designspotter.com, www.hochparterre.ch, www.materialconnexion.com, www.sia.ch, www.stylepark.com, www.we-make-money-not-art.com, www.werkbauen-undwohnen.ch.hochparterre, Mi., 2007.05.16
16. Mai 2007 Urs Honegger