Inhalt

WOCHENSCHAU
02 Haus am Dom in Frankfurt am Main | Ursula Kleefisch-Jobst
03 Lessons from Rudofsky in Wien | Friederike Meyer
03 Was ist los beim Marinski-II-Theater in St. Petersburg? Cordula Rau
04 Geschichtspark „Ehemaliges Zellengefängnis Moabit“ | Anne Kockelkorn
05 MIPIM 2007 in Cannes | Christian Brensing
06 Max-Frisch-Ausstellung in München | Jochen Paul

BETRIFFT
08 Folgsame Architekten | Bart Goldhoorn

WETTBEWERBE
10 Goethe-Institut und DAAD in Kairo | Friederike Meyer
12 Entscheidungen
13 Auslobungen

THEMA
14 Provokante Ähnlichkeit | Bernd Vlay
20 Alt, neu, altneu | Axel Simon
26 Organisches Fortschreiben | Delphine Costedoat

REZENSIONEN
33 Planet der Slums

RUBRIKEN
06 wer wo was wann
32 Kalender
34 Anzeigen

Geschichtspark „Ehemaliges Zellen­gefängnis Moabit“ in Berlin

„Von morgens fünf bis nachts um halb eins. Die Stadt­bahn fuhr alle drei Minuten. Jedesmal rief eine Frauenstimme durch den Lautsprecher auf den Bahnsteig; Lehrter Straße. Lehrter Straße. Das wehte rüber bis nach uns. Von morgens halb fünf bis nachts um halb eins. Achthundertmal: Lehrter Straße. Lehr-ter Straße.“ Zweieinhalb Jahre blieben Wolfgang Borchardt noch nach dem Kriegsende; Zeit genug, um auch seine Erinnerungen an die Inhaftierung im Zellengefängnis Moabit in eine Kurzgeschichte zu fassen, bevor er mit 26 Jahren an den Folgen seiner Kriegs-leiden starb. Seitdem sind 60 Jahre vergangen, und sowohl das Zellengefängnis als auch der Lehrter Stadt­bahnhof sind abgerissen; geblieben ist die Ziegelmauer, die dem flüchtigen Blick kaum erzählt, ob sich einst dahinter eine Fabrik, eine Schule, ein Fried­hof oder ein Gefängnis befand. Seit 1992 steht das Gelände unter Denkmalschutz, 14 Jahre später, Ende 2006, wurde der Geschichtspark eröffnet. Die Berliner Landschaftsarchitekten Glaser und Dagenbach wurden dafür gerade mit dem Landschaftsarchitek-turpreis des BDLA 2007 ausgezeichnet.

Die Einzelhaft ist eine Errungenschaft der Neuzeit, die nicht mehr die schmerzhafte Strafe zur Schau stellen, sondern auf Willen und Denken des Häftlings Einfluss nehmen wollte. Im Panoptikum tritt die Seele des Häftlings auf die Bühne der Justiz; die beobachtende Macht ist allgegenwärtig, aber uneinsehbar. Das Zellengefängnis Moabit wurde 1842–49 von Carl Ferdinand Busse als Kopie des Londoner Gefängnisses Pentonville erbaut; als Disziplinarmaschine der Isolationshaft war sein Erfolg insofern einschlagend, als die Selbstmordrate und die Zahl der psychisch kranken Häftlinge so drastisch anstiegen, dass ein Nebengebäude an der Ostmauer 1886 zum Irrenhaus umgebaut werden musste. Bis 1910 galten Isolation und Schweigegebot selbst für den Hofspaziergang, was man bis heute der Redensart „im Dreieck springen“ nachhören kann. Die drei kreisrunden Spa­zierhöfe waren durch mannshohe Mauern in jeweils 20 Dreiecke unterteilt; für jeden Häftling zwei zulaufende Mauern, darüber ein kleines Stück Himmel.

Müßiggang und Gedenken liegen nicht so weit auseinander, wie man im ersten Moment glauben mag; und die Kombination aus Park und Panoptikum besitzt mit der achteckigen Menagerie von Le Vau im Schlosspark von Versailles ein prominentes Vorbild der Architekturgeschichte, lange bevor die strahlen­förmigen Gefängnisse des 18. Jahrhunderts errich-tet wurden. In der Mitte der Salon Ludwigs XIV., zu den Rändern sieben ummauerte Tiergehege, die kon­zen­trisch auf den Salon zulaufen; zur achten Seite der Eingang. Panoptikum als auch Menagerie lassen den Betrachter Naturforschung betreiben; die Two-in-One-Realisierung von Gedenkstätte und Bürgerpark drei Jahrhunderte später in Berlin ist dennoch eine schwierige Gratwanderung zwischen Gedächtnis und Gedenkstättenkitsch, Erholung und Geschwätz.

Udo Dagenbach und Silvia Glaßer haben diese Aufgabe gemeistert. Ihr größtes Verdienst war aber vielleicht, vom ersten Gutachten 1989 bis zur Eröffnung des Parks 17 Jahre später nicht müde zu werden, das Projekt den Beamten der Stadtverwaltung zu zeigen und auf die Bedeutung des Ortes hinzuweisen. Andererseits ist es auch dem Berliner Geldmangel zu verdanken, dass das Gelände der Stadt erhalten blieb; wären jederzeit die nötigen Mittel vorhanden gewesen, stünde jetzt auf dem Parkgelände eine Schule, verliefe darunter der Tiergartentunnel und daneben die Westtangente der Stadtautobahn. Nichts davon wurde realisiert, und zum Glück der Mittellosigkeit gesellte sich das Geschick der Planer.

Die Landschaftsarchitekten ließen die Gefängnismauer denkmalgerecht restaurieren und teilten das Parkgelände in zwei Hälften. Auf der einen Seite planten sie eine romantische Landschaft als Remi-niszenz an die zugewucherte Lagerstätte des Westber­liner Tiefbauamtes von 1960 bis 1990; auf der an-deren Hälfte legten sie die Gedenkstätte als strengen Jardin à la française an. Hier die partizipative Spielplatzgestaltung, das wilde Robinienwäldchen und
in den Boden gepflasterte Reste der Moltkebrücke; dort die reduzierten skulpturalen Zitate der Gefängnisform. Die Außenwände der vier Zellenflügel zeichneten die Architekten mit niedrigen Betonmauern nach und legten zwei der Zellenflügel als schräg ansteigende Rasenflächen an; das Verwaltungsgebäude im Westen symbolisierten sie durch kastenförmig geschnittene Blutbuchen. Auch die drei Spazierhöfe sind zitiert: im Norden als Trittsteine auf den Grundrisslinien der Spazierhofsgehege, in jedem Tortenstück ein Säulenwacholder; im Osten als Walnussbaum, umgeben von einem kreisrunden Betonmäuerchen; im Süden als kopfhohes Betonmauerdreieck. Zusammen mit der nachgebauten Zelle von Gefängnisflügel A, dem leeren Würfel in der Mitte der Anlage und den drei Eingangsskulpturen sind dies die wenigen gebauten Eingriffe in der Handschrift der Architekten. Hauptakteur des Parks bleibt die Ziegelmauer, die sich zwischen Park und Stadtlandschaft wie eine Leinwand aufrollt: dahinter reihen sich Fernsehturm, Charité und Hauptbahnhof, davor laufen Jogger im Kreis und schieben Mütter ihre Kinderwagen über die Kieswege. Leinwand und Reflexionsfläche: Im Nordostbereich der Mauer ist eine Zeile aus den Moabiter Sonnetten von Albrecht Haushofer als Auslassung eines umlaufenden weißen Farbstreifens eingeschrieben. Ab Juli 1944 waren die Widerstandskämpfer des 20. Juli und des Kreisauer Kreises in Moa­bit inhaftiert; wer im Frühjahr 1945 noch lebte, wurde in der Nacht des 23. April auf die andere Seite der Gleistrasse geführt und dort erschossen. So auch Haushofer. Bis zuletzt hielt er seinen Gedichtband fest in der Hand. Seine Gedanken haben nun auf der Gefängnismauer einen Platz gefunden, und der zeit­ge­nös­sische Parkbesucher muss nicht wissen, wer ihr Urheber ist, um die Leere des Parks inmitten des Berliner Verkehrstrubels genießen zu können.

Bauwelt, Fr., 2007.03.30

30. März 2007 Anne Kockelkorn

MIPIM 2007

Der Erfolg hat die seit ihrer Gründung 1990 stetig wachsende größte Gewerbe-Immobilienmesse der Welt in Cannes überrollt: Über 25.000 Besucher – 3500 mehr als im Vorjahr – aus 80 Ländern dräng­ten sich an den Ständen, auf den Yachten, in den
Hotels und auf den Gassen der Altstadt. Viel zu viele, sagte mancher dort, wo die Messe aus den Nähten zu platzen und sich selbst zu blockieren drohte. Die Organisatoren reagierten schnell. Bereits im Vorfeld der MIPIM ließen sie verkünden, dass es ab Herbst 2008 eine zusätzliche Messe, ebenfalls in Cannes, unter dem Signum „Mipim Horizons“ geben soll. Aufstrebende Immobilienregionen wie z.B. Indien, die arabischen Staaten oder Osteuropa möchte man dort präsentieren. Interessanterweise wird die „Mipim Horizons“ im September, also einen Monat vor der deutschen Konkurrenzmesse, der Münchner Expo Real, ausgerichtet.

Was diese Pläne rund um die MIPIM und das immer stärker ausufernde Schaulaufen der Immobilien- und Baubranche an der Côte d’Azur belegen, ist, dass mit Real Estate zurzeit prächtig Geld verdient wird. Trotz des europäischen Renditetiefs (momentan unter den magischen 6 Prozent) und steigender Zinsen, findet immer mehr Kapital den Weg in die Immobilie. Und die Verknüpfungen mit dem Kapitalmarkt werden immer vielfältiger. So wird die Immo­bilie als kurz- und mittelfristige Anlageoption gezielt auf ihre Performance hin analysiert. Dafür be­darf es immer mehr professioneller Berater, angefangen bei Rechtsanwälten, Investmentbankern oder Unternehmensberater, die sich alle auf der MIPIM tummel­ten. War vor einigen Jahren „Facility Management“ das Zauberwort, so ist es heute „Asset Management“. Die internationale Finanzwelt hat Einzug in die Immobilienwirtschaft gehalten. Fonds, Versorgungswerke und Beteiligungsgesellschaften aus der ganzen Welt legen ihre Erträge zu vermeintlich sicheren und besseren Konditionen (als z.B. in Aktien oder Ren­ten) in Real Estate an. Für alle Beteiligten, mitunter sogar für Architekten, stellt dies einen gewaltigen Paradigmenwechsel dar. Das geforderte Leistungsspektrum geht daher auch klar über eine technische Due Diligence (die im Finanzverkehr „erforderliche Sorgfalt“) oder das Facility Management hinaus. As­set Management bedeutet eine aktive Verwaltung und Bearbeitung von Immobilienvermögen. Darunter fällt die ständige Analyse und Optimierung des Portfolios unter primär kaufmännischen Gesichtspunkten. Für den nötigen geschäftlichen Druck sorgen die Beschaffungsmärkte, z.B. in Osteuropa und den arabischen Staaten, wo die Preise kräftig gestiegen sind. MIPIM und Expo Real sind für das weltweite Werben um Aufsehen, Know-how, politischen Willen und Kapitalströme zu unverzichtbaren Drehschreiben geworden.
Was dies für die Architektur bedeutet, ist schon seit Jahren zu beobachten. Zunächst zeigten sich die ersten Anzeichen nur an bestimmten „hot-spots“ wie Dubai, Moskau oder Shanghai. Inzwischen bemüht sich jede Region, die etwas auf sich hält, um außergewöhnliche Bauwerke. Der weltweite Bedarf an Opernhäusern, luxuriösen Wohnhochhäusern, exquisiten Einkaufspassagen oder gar In-Door-Skipa-radiesen scheint ins Unermessliche gestiegen zu sein. Der Hunger nach Luxus treibt die Objekte in schwindelerregende Ausmaße in puncto Höhe, Größe, Ausstattung und Kosten. Wohnhochhäuser mit 40 Stockwerken, ausgelegt für Suiten über ganze Geschosse, sind keine Seltenheit mehr. Zuhauf glitzerten die mo­dellhaften Impressionen dieser Neuen Welt an den Ständen in Cannes. Es ist erschreckend, derart geballt vorgeführt zu bekommen, wie mit sogenannter „Architektur“ die Welt verschandelt werden soll.

Bauwelt, Do., 2007.03.29

29. März 2007 Christian Brensing

Folgsame Architekten

(SUBTITLE) St. Petersburg und das Gazprom-Hochhaus

St. Petersburg ist eine Stadt der Horizontalen. Das an zentraler Stelle geplante Gazprom-Hochhaus würde die historische Silhouette auf obszöne Weise dominieren. Die Bevölkerung protestiert, die UNESCO spricht sich gegen den Bau aus. Welche Rolle spielen die Architekten? Die internationale Riege geladener Stars hat sich brav an zweifelhafte Vorgaben gehalten, anstatt selbst nachzudenken.

St. Petersburg sieht sich gerne als die progressivste Stadt im postsowjetischen Russland, zumindest was den Import westlicher Architektur angeht. Der kürzlich entschiedene Wettbewerb für den Hauptsitz von Gazprom war ein weiterer Schritt beim Aufbau dieses Images, zuvor machte die Stadt mit dem Marinski-Theater und der Konversion der Stadtinsel „Neu Holland“ von sich reden, mit demWohnkomplex „Baltic Pearl“ und dem Kirow-Stadion. Aus russischer Sicht könnte man das Progressive an Wettbewerbsverfahren so zusammenfassen:
1. Ein Wettbewerb garantiert, dass das beste Projekt ausgewählt wird.
2. Ein Wettbewerb bedeutet, dass die Auswahl des Projekts oder der Architekten nicht aufgrund von geheimen Absprachen erfolgt.
3. Da ausschließlich internationale „Starchitects“ teilnehmen dürfen, steht die Qualität der Projekte außer Zweifel.
Kurz: Transparenz, Offenheit und Demokratie, das sind die Werte, für die St. Petersburg als „Fenster nach Europa“ stehen möchte, ganz im Kontrast zu dem byzantinischen Geklüngel, das in Moskau und in anderen russischen Städten herrscht.

Dennoch scheint es, als würde auch der Import eines westlichen Modells der Stadt nicht helfen, eines ihrer größten Probleme zu lösen: den Umgang mit Neubauten in der Altstadt. Die öffentlichen Proteste, sowohl gegen Perraults Oper als auch gegen den Gazprom-Turm, sind nicht zu überhören. Um diese Bauprojekte überhaupt fortführen zu können, müssen die Verantwortlichen nun genau jene undemokratischen Methoden anwenden, die sie durch die Organisation von Wettbewerben eigentlich vermeiden wollten. Sie müssen die Entscheidungen durchdrücken, egal, was die Öffentlichkeit davon hält.

Seit dem Gazprom-Wettbewerb steht vor allem eine Frage im Raum: Warum hat eigentlich keiner der internationalen Teilnehmer eine Alternative zu dem bei den Einwohnern so verhassten 300-Meter-Turm vorgeschlagen? Die Petersburger Gouverneurin Valentina Matwijenko, die auch Mitglied der Jury war, hob hervor, dass die Architekten diese Möglichkeit sehr wohl gehabt hätten – da sie davon aber keinen Gebrauch gemacht haben, sei die Jury umso mehr davon überzeugt, dass ihre Vorgaben richtig waren. Tatsächlich aber wurde in der Auslobung eine Höhe von 300 Metern verlangt, und so kann ich aus der Aussage der Gouverneurin nur schließen, dass die Architekten die Vorgaben wörtlicher genommen haben, als es den Auslobern lieb war.

Mag sein, dass sich im Umgang mit Regeln unterschiedliche Mentalitäten zeigen (nach russischer Auffassung kann jede Re­gel gebrochen werden, wenn man es denn wirklich will). Hinzu kommt aber die passive Haltung westlicher Architekten gegenüber städtebaulichen Problemen, eine Haltung, die sich vor allem nach 1970 entwickelt hat. Nachdem die Öffentlichkeit den Architekten vorgeworfen hatte, Technokraten zu sein, die die Stadt unbewohnbar machen, haben sie sich aus städtebaulichen Fragen zunehmend herausgehalten und die Entscheidungen den Politikern überlassen: Ihr sagt uns, was ihr wollt ­– wir machen es. Architekten haben aufgehört, konstruktive Vor­schläge zu erarbeiten oder Programme umzuformulieren. Stattdessen haben sie gelernt, auf Städteplaner zu hören und sich innerhalb des von diesen auferlegten Regelwerkes zu bewegen. Der spielerische Umgang mit dem Katalog an bürokratischen Regeln ist heute geradezu eine Kunstform geworden: Eigentlich geht es nur noch darum, innerhalb dieser engen Grenzen überhaupt irgendetwas Interessantes zu machen.

Es wäre daher falsch, die Entwürfe für den Gazprom-Turm als einen Ausdruck des Willens der Architekten zu sehen, mit einem gigantischen Objekt den Stadtkern von St. Petersburg zwergenhaft klein erscheinen zu lassen. Die Architekten ha­ben schlichtweg das Programm befolgt, weil sie es für politi­sche Realität hielten. Hätten die Auslober eine Höhe von 50 Metern gefordert, die Architekten hätten auch diese Regel eingehalten, davon bin ich überzeugt. Und die Projektbeschreibungen hätten ebenso unkritisch die Vorzüge dieser Variante herausgestellt, wie sie es jetzt mit dem Turm getan haben. Wie dem auch sei – nach den Worten der Gouverneurin verstehen wir, dass die Architekten nicht nur bereitwillig einer vermeintlichen Realität gefolgt sind, sondern mit ihren Entwürfen geholfen haben, diese überhaupt erst zu etablieren: die Errichtung eines Symbols des bürokratischen Kapitalismus gegen den Willen der Bevölkerung.

Ob man das hören mag oder nicht: Ein Turm wie dieser an diesem Ort ist eine Frage des persönlichen Geschmacks. (Ich finde übrigens den Turm noch besser als einen von diesen pseudo-historischen Brocken mittlerer Höhe – wenn schon ein Kontrast, dann ein entschiedener.) Was die Architektur betrifft, hätte ich mir wie so viele gewünscht, die Wahl wäre auf ein anderes Projekt gefallen. Aber letztlich spielt das keine Rolle, oder wie ein österreichischer Architekt einst bemerkte: Wenn ein Gebäude nur hoch genug ist, kann es gar nicht mehr hässlich sein. Zweifelhaft bleibt allerdings, ob dieses Projekt das Ergebnis einer durchdachten städtebaulichen Strategie ist oder eine geistige Verwirrung der Mächtigen. Weder in St. Petersburg noch in anderen russischen Städten kennt man Verfah­rensweisen, die zwischen dem abstrakten Städtebau des Masterplans und dem Willen der Investoren vermitteln. Es wäre längst angebracht, die Bewohner mitreden zu lassen und die Zustimmung der lokalen Verwaltung einzuholen.

Das Fehlen einer sinnvollen Planung hätte den Gazprom-Wettbewerb eigentlich extrem interessant machen können – wären die Vorgaben anders formuliert und die Architekten weniger passiv gewesen. Hätte man es den Architekten überlassen, eine Gebäudehöhe vorzuschlagen, so wären sie gezwungen gewesen, gute Argumente für ihren Entwurf zu liefern – welche wiederum der Öffentlichkeit eine Hilfestellung bei der Bewertung unterschiedlicher Modelle hätten sein können. Der Wettbewerb hätte eine Diskussion auslösen können, wie sie etwa in Berlin in den neunziger Jahren geführt wurde. Diese Chance hat keiner genutzt, weder die Auslober noch die Architekten. Das ist wirklich schade.

Bauwelt, Do., 2007.03.29

29. März 2007 Bart Goldhoorn

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