Pläne

Details

Adresse
Sanatoriumstraße 2 (Pavillon 9), 1140 Wien, Österreich
Mitarbeit Architektur
Ruth König, Martin Junger, Marion Strasser, Smaragda Binopoulou, Christian Formann, Meritxell Lazaro
Bauherrschaft
Wiener Krankenanstaltenverbund, Stadt Wien
Tragwerksplanung
Oskar Graf
Landschaftsarchitektur
Jakob Fina
Weitere Konsulent:innen
Haustechnik, Medizintechnik: Christian Koppensteiner
Betriebsorganisation: Michael Bacher
Maßnahme
Umbau
Planung
1997
Ausführung
2000 - 2001

Preise und Auszeichnungen

2001 Würdigung zum Staatspreis für Consulting durch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Angelegenheiten

Presseschau

06. Juli 2002Ute Woltron
Der Standard

Apotheken schreinern im Wagner-Spital

Alexander Runser und Christa Prantl erheben Menschenwürde und Effizienz zum Planungsdogma.

Alexander Runser und Christa Prantl erheben Menschenwürde und Effizienz zum Planungsdogma.

Alte, riesige Linden und Kastanienbäume sind das raumbildende Mobiliar Am Steinhof in Wien, also dem riesigen Krankenhausareal, das nun zu Otto-Wagner-Spital umgetauft wurde. Hier stehen nicht die Bäume zwischen den Häusern, sondern die einzelnen Spitalspavillons liegen irgendwo versteckt zwischen den grünen Riesen. Alles ist sehr still und ruhig, auch die alten Architekturen atmen eher Frieden und Besinnlichkeit, fast schon zauberberghafte Morbidität. Jedenfalls im Vergleich zu vielen zeitgenössischen Krankenhausgebäuden mit ihren schon im Gebauten demonstrierten hochtechnologisierten Lebensrettungsmaschinerien.

Alles, fast alles hat seine Berechtigung. Im Falle des Otto-Wagner-Spitals ist es nicht ein moderner Neubau, sondern die Revitalisierung heute denkmalgeschützter alter Gemäuer, die einmal die Hüllen der modernsten Anstalt für Geistes- und Nervenkranke Europas bildeten. 1907 wurde diese gewaltige weitläufige Anlage am Rande Wiens eröffnet, an den Lageplan legte unter anderem Otto Wagner Hand an, die einzelnen Pavillons ähneln einander stark, und sie unterscheiden sich doch durch viele Details, durch Raumgrößen etwa oder die Lage und Breite von Gängen.

Fünf dieser Pavillons wurden in den vergangenen Jahren von verschiedenen Architektenteams analysiert und behutsam revitalisiert, einer davon, die Nummer 9, beherbergt das Geriatrische Zentrum und somit einen Lebens- und nicht nur Liegeraum für alt gewordene Menschen. Die Wiener Architekten Alexander Runser und Christa Prantl zeichnen für diesen erst vor kurzem fertig gestellten Umbau verantwortlich, und sie haben sich offensichtlich lange und sorgfältig in die Lebenslage der Pavillon-9-Benutzer versetzt, bevor sie den Umbau begannen. Der Begriff Benutzer bedeutet in diesem Fall natürlich zum einen die alten Patienten und Patientinnen, zum anderen aber auch das Spitalspersonal, das die oft sehr lange Zeit hier Stationierten betreut.

Runser und Prantl respektierten zwar den - ohnehin in den strengen Zwängen des Denkmalschutzes gefangenen - alten Hauscharakter, bliesen aber mit ihren sachten Adaptionen den üblichen Spitalsmief aus Zimmern und Hallen. Um von außen zu beginnen: Hier wurde die historische Fassade nach allen Finessen der Denkmalpflege gebürstet, geputzt, geschlämmt und wiederhergestellt. Das Sichtziegelmauerwerk leuchtet trotzdem nicht zu grellrot, der Anstrich dazwischen bleibt dennoch dezent. Die einzig wirklich gravierende Änderung stellt die Verlängerung der Veranda im Erdgeschoß dar, das eigentlich das erste Geschoß ist, will man sinnvollerweise das unterste nicht als Keller- sondern als Gartengeschoß bezeichnen.

Die Veranden der Pavillons liegen vor den früher so genannten Tagesräumen, durch die Verlängerung sind sie fürderhin nicht mehr nur von diesen, sondern auch vom Gang aus zu betreten, und kommen somit allen Patienten zugute, die ein bisschen lustwandeln, frische Luft schnappen und im Freien sitzen, das Gebäude aber lieber nicht verlassen wollen. Prantner und Runser überlegten kurz, ob sie das aufwändige, lindgrün gestrichene Eisengeländer in reduzierter Form und abstrahiert neu erfinden sollten, entschieden sich aber dann dafür, die für die Verlängerung erforderlichen Teile einfach nachbauen zu lassen. Das tut weder dem alten Haus weh, noch stört es das Klima der neuen Architektur.

Die spielt sich naturgemäß vor allem im Inneren des lang gestreckten, vom Grundriss her E-förmigen Baukörpers ab und empfängt den Besucher bereits vor dem Eintreten: Direkt neben dem alten Haupteingang fräst sich vorsichtig ein nicht allzu großer Glaskubus in die alte Fassade, ein transparenter Warteraum im Grünen, an das Alte geduckt, vom Hausinneren zu betreten, ein Zimmer mit guter Aussicht. Was sofort auffällt: Auch drinnen riecht es überall nach Park und nicht nach Medizin, und es gibt viel Holz. Sehr schönes und sehr schön verarbeitetes Ulmenholz. Tatsächlich ist es enorm schwierig, die komplizierten, für jedes Haus strapaziösen Abläufe einer Krankenhausstation in eine zum einen gut benutzbare und zum anderen auch fesch anzuschauende Gestaltung zu gießen. Runser und Prantl haben hier wie für eine überdimensionierte Apotheke mit angeschlossenen Wohnungen gearbeitet und diese ungeheuer planungsintensive Feinschreinerei in ein stimmiges, klares Gesamtkonzept eingepasst.

Lichtbänder hellen die alte Substanz freundlich auf, die Liftanlage öffnet sich nicht zum Seiten-, sondern zum Hauptgang hin, wo das Personal den Überblick behält, hinter Holzpaneelen liegen Schächte gekonnt verborgen. Was an Installation außen geführt werden muss, wurde hinter einer der Lichttechnik entliehenen Kabeltasse versteckt. Zu den Seiten des Gebäudes hin wird der Charakter dieser Architektur immer familiärer: Man betritt das Haus in der Mitte, dort befinden sich auch sofort, wie üblich, die Stationen für Schwestern, Pfleger, Ärzte, nach links und rechts führt der Gang zu den Krankenzimmern, ganz außen liegen, von unnötigen Mauern und anderen Hindernissen befreit, die Aufenthaltsräume für die mobilere Patientenklientel. Sehr freundlich gemacht, man darf sogar sagen, liebevoll durchkomponiert, mit größeren freistehenden maßgefertigten Tischen für kommunikative Grüppchen und mit kleineren, klappbaren Tischlein an den Außenwänden für Leute, die ihre Ruhe haben, lesen, nachdenken wollen.

Die einzelnen Patientenzimmer sind geschickt und natürlich stets rollstuhltauglich möbliert. Und überall regiert das Ulmenholz. Die Bäder: reduziert, fein, platingrau, funktional. Zum Beispiel ein von den Architekten entworfenes, standardisiertes Spiegel-Leuchte-Waschtisch-Element macht fein was her, es half andererseits aber, das Kostenlimit einzuhalten.

Apropos Geld: Die Baukosten betrugen 5,2 Millionen Euro, die Bauzeit knapp eineinhalb Jahre. Was an Substanz erhalten werden konnte, blieb, wie etwa die Fußbodenfliesen oder die Terrazzoabschlüsse zwischen Wand und Boden. Erstere wurden vor dem eigentlichen Umbau vorsichtig herausgehoben, ausgebessert und wieder verlegt. Zweitere wurden ebenfalls restauriert und dort ergänzt, wo Mauern versetzt oder neue Wände eingezogen wurden. Runser und Prantl über ihr Konzept: „Was vorher finster, dunkel, wie ein Gefängnis war, wurde hell und freundlich. Wir wollten nicht nur die Räume, sondern das gesamte Milieu des Krankenhauses verändern.“

01. Dezember 2001Christian Kühn
Spectrum

Denkmalschutz mit Brechstange

Nur noch dort investieren, wo es dem Patienten direkt zugute kommt, heißt die Sparmaxime im Krankenhauswesen. Daß es sich dabei lohnt, das Geld in guter Architektur anzulegen, zeigt der Umbau eines Pavillons im „Otto-Wagner-Spital“ durch Runser/Prantl.

Nur noch dort investieren, wo es dem Patienten direkt zugute kommt, heißt die Sparmaxime im Krankenhauswesen. Daß es sich dabei lohnt, das Geld in guter Architektur anzulegen, zeigt der Umbau eines Pavillons im „Otto-Wagner-Spital“ durch Runser/Prantl.

Die Landes-Heil- und Pflege-Anstalten für Geistes- und Nervenkranke „Am Steinhof“ in Wien waren zu ihrer Zeit die größte derartige Anlage der Welt. Auf einem Areal von fast einer Million Quadratmetern entstanden zwischen 1905 und 1907 Pavillons mit rund 2000 Betten, gegliedert in ein Sanatorium für Adel und Großbürgertum und einen doppelt so großen Teil für die weniger begüterten Kranken. Der Lageplan für die Anlage stammt von Otto Wagner, der auch die Anstaltskirche „Am Steinhof“ entwarf, eines der bedeutendsten Bauwerke des Wiener Jugendstils.

In seinem Lageplan versinnbildlicht Wagner, was seine Zeit unter einer vernünftigen Ordnung versteht. Die Anlage ist streng symmetrisch beiderseits einer Hauptachse, die vom schloßartigen Verwaltungsbau am Eingang bis zur Kirche führt, angeordnet, eine „weiße Stadt, überragt von der goldenen Kuppel einer weißmarmornen Kirche“, wie es in einem zeitgenössischen Bericht heißt. Die Rationalität der Anlage verfolgt therapeutische Absichten, ähnlich wie das auf ein Minimum reduzierte Ornament in Josef Hoffmanns Sanatorium Purkersdorf zur Heilung der dort behandelten Hysteriker beitragen sollte.

Wagner hat stets das „peinlich genaue Erfüllen des Zwecks“ als eine Hauptaufgabe der Architektur dargestellt. „Sola artis domina necessitas“ - nur einen Herrn kennt die Kunst, das Bedürfnis - lautete das auf Gottfried Semper zurückgehende Motto, das er auf seinem Wohnhaus anbringen ließ. Daß er die Forderung nach maximaler Vernunft gerade in einer Irrenanstalt exemplarisch umsetzen durfte, ist weniger irritierend als die Tatsache, wie viele seiner Überlegungen zur Disziplinierung jeder Unordnung sich auch in den „normalen“ städtebaulichen Konzepten Wagners wiederfinden - etwa im Entwurf für den 22. Wiener Gemeindebezirk als Teil einer unbegrenzten Großstadt - und von dort ihren Weg in die klassische Moderne gefunden haben, die dazu tendiert, alles Dunkle und Irrationale zu verdrängen. Ähnliches gilt für manche Details in den (nicht von Wagner entworfenen) Pavillons am Steinhof, etwa die abgeschrägten Fensterbänke, die das „unordentliche“ Abstellen von Gegenständen verhindern sollten und sich heute etwa in Werkstätten und Schulen wiederfinden.

Etwas überspitzt ließe sich behaupten, daß die weiße Stadt „Am Steinhof“ den Charakter eines Irrenhauses deshalb nie ganz abschütteln kann, weil sie durch und durch vernünftig angelegt ist. Nachdem die Psychiatrie zu großen Teilen abgesiedelt und durch geriatrische und neurologische Stationen ersetzt worden war, konnte das Spital immerhin seinen Namen ändern und wird derzeit als „Sozialmedizinisches Zentrum Baumgartner Höhe - Otto-Wagner-Spital“ saniert. Für den Umbau der großteils unter Denkmalschutz stehenden Pavillons wurde 1997 ein Wettbewerb veranstaltet, aus dem drei Büros - Beneder/Fischer, Runser/Prantl und Sarnitz/Silber/Soyka - als Sieger hervorgingen. Sie sollten an ausgewählten Pavillons unterschied- liche Konzepte erproben, die alte Substanz auf zeitgemäßen Stand zu bringen.

Als erster Pavillon wurde nun jener von Christa Prantl und Alexander Runser fertiggestellt. Die Architekten haben sich der Aufgabe mit einem Rationalismus genähert, der dem Wagnerschen nicht nachsteht. Die Grundidee ihres Entwurfs besteht im wesentlichen darin, dem Gebäude Masse zu entziehen, indem die Mittelmauern entfernt werden. Rational argumentiert, bedeutet diese Maßnahme einen Flächengewinn, der es erleichtert, den Zimmern die notwendigen Bäder zuzuordnen. Viel wesentlicher ist jedoch der Gewinn an Transparenz durch Lichtbänder über den Bädern, die Licht von der Südseite in den Gang bringen und diesen größer erscheinen lassen. An den Enden des langgestreckten Pavillons weitet sich der Gang zu je einem Tagraum, was ebenfalls erst durch die Entfernung der Mittelmauern in den Quertrakten möglich wird. Da es sich um eine geriatrische Station handelt, ist die Qualität dieser inneren Straße, die zwischen den Tagräumen hin und her führt, von großer Bedeutung für das Wohlbefinden der Patienten.

Das alles klingt wenig spektakulär. Aber wie so oft, wenn das Ergebnis besonders schlüssig und selbstverständlich aussieht, stehen dahinter eiserne Konsequenz in der Planung und die Bereitschaft, eine Idee gegen jeden Widerstand zu verteidigen. Das Denkmalamt ließ sich erst durch Sachargumente wie die Wendekreise von Rollstühlen davon überzeugen, dem Abriß der Mittelmauern zuzustimmen. Und als die Bewilligung von dieser Seite vorlag, war der Tragwerksplaner gefordert, eine konstruktive Lösung für die Unterfangungen zu finden, die auch ästhetisch Sinn hat. Oskar Graf schlug dafür eine Mischbauweise aus schlanken Ortbetonstützen und Stahlträgern vor. Während diese Konstruktion eingebracht und das Mauerwerk entfernt wurde, mußten alle Deckenlasten über eine Stützkonstruktion in die Fundamente abgetragen werden - ein sehr labiler Zustand, der aber sogar ein leichtes Erdbeben überstand, das sich genau in dieser kritischen Phase ereignete.

Der Aufwand hat sich gelohnt. Trotz geringer Gesamt-errichtungskosten von 20.500 Schilling (1490 Euro) pro Quadratmeter Bruttogeschoßfläche haben die Stationen eine Detailqualität, die für das Wohlbefinden älterer, in ihrer Wahrnehmung teilweise eingeschränkter Patienten entscheidend ist. Die scheinbar luxuriöse Ausführung von Mobiliar, Licht und Oberflächen - etwa die durchgängigen Ulmenholzfurniere - ist deshalb kein Luxus, sondern Zeichen von Respekt vor den Patienten. Dasselbe gilt für das kleine Glashaus, das die Architekten als Eingangsfoyer an den Pavillon gesetzt haben. Auch hier ist ein Detail symptomatisch: Um den wuchtigen Ramm- schutz zu vermeiden, der in ähnlichen Situationen zum Schutz gegen Transportwagen eingesetzt wird, verwenden die Architekten vorgespannte Stahlseile.

Zu Recht hat das Projekt beim jüngsten Staatspreis für Consulting eine lobende Erwähnung erhalten: So viel unspektakuläre Intelligenz dürfte nicht nur im Wiener Krankenhausbau eine Seltenheit sein.

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