Pläne

Details

Adresse
Wulkalände 2, 7210 Mattersburg, Österreich
Mitarbeit Architektur
Marc Werner, Lars Oberländer, Iva Olujic, Simon Pranter, Marc Busquets, Johannes Müller, Alexander Garber, Richard Szilvassy, Mija Mikuz
Planungsvorgänger
Herwig Udo Graf
Bauherrschaft
LIB - Landesimmobilien Burgenland GmbH
örtliche Bauaufsicht
Woschitz Engineering
Kunst am Bau
Paul Muehlbauer
Fotografie
Wolfgang Thaler
Weitere Konsulent:innen
Haustechnik: KWI Engineers GmbH
Raumakustik: Dr. Pfeiler GmbH
Restaurator: Mag. Klaus Wedenig Denkmalpflege GmbH
Küchenplanung: Ingenieurbüro Fritsch GmbH
Ausschreibung: Native Creative Schober
Wettbewerb
07/2015 - 04/2016
Planung
05/2017 - 03/2022
Ausführung
02/2020 - 10/2022
Grundstücksfläche
7.527 m²
Bruttogeschossfläche
5.769 m²
Nutzfläche
4.736 m²
Bebaute Fläche
1.921 m²
Baukosten
21,8 Mio EUR

Nachhaltigkeit

Sichtbetonsanierung; Lehmputz

Heizwärmebedarf
53,09 kWh/m²a (Energieausweis)
Außeninduzierter Kühlbedarf
< 1,0 kWh/m²a (Energieausweis)
Energiesysteme
Heizungsanlage aus biogenen Brennstoffen, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung
Materialwahl
Stahl-Glaskonstruktion, Stahlbeton, Vermeidung von PVC für Fenster, Türen, Vermeidung von PVC im Innenausbau, Überwiegende Verwendung von HFKW-freien Dämmstoffen

Raumprogramm

Kulturzentrum
Landesarchiv
Landesbibliothek
Literaturhaus
Volkshochschule
Gastronomie

Ausführende Firmen

Bauunternehmung Granit Ges.m.b.H.; Betonfertigteile Kolbl-Bau Ges.m.b.H. ; Konstruktiver Stahlbau Unger Ges.m.b.H.; Elektro Landsteiner GMBH; HKLS Ing. August Lengauer GmbH&CoKG; MSR Limosa Regeltechnik; Bühnen- und Medientechnik PKE Electronics GmbH; Schwarzdecker / Spengler DFT Dach- und Fassadentechnik GmbH; BDA Betonsanierung Restauration Company GmbH; Betoninstandsetzung Sparta Bautenschutz GmbH; Fassadenbauer Allmetall Alu-und Stahlbau GesmbH; Lehmputz PRO LEHM Frauwallner GmbH&CoKG; Trockenbau LICO Isolierbau GmbH; Glaser Glaserei Hirmann; Estrich Nussmüller und Partner GmbH; Metallportale Tortec; Maler Polleres; Betonoberflächenbearbeitung Posch Naturstein GmbH; Bautischler/Wandverkleidung Hochrieser GmbH; Möbeltischler Hoffmann und Söhne; Schlosser Payrer - Ideen aus Metall

Preise und Auszeichnungen

International Architecture Award 2023 Monument
Heinze Architektur Award 23 Shortlist
Dorferneuerungspreis Burgenland 2023 Anerkennung
Österreichischer Betonpreis 2025, Preisträger

Architekturwettbewerb

Das Projekt ist aus dem Verfahren Kulturzentrum Mattersburg hervorgegangen

1. Rang, Bestbieter

Publikationen

Jahrbuch der Architektur 24/25; Deutscher Architektur Verlag Münster 2024; ISBN 978-3-946154-82-2
Architektur Aktuell 11/2023 Politik; Medecco Holding GmbH Wien 2023;
HOLODECK architects works; Birkhäuser Verlag GmbH Basel 2023; ISBN 978-3-0356-2698-8

Presseschau

29. Mai 2022Maik Novotny
Der Standard

Kulturzentrum Mattersburg: Dialog mit Untertönen

Nach der Auseinandersetzung über den Umgang mit dem Erbe des Brutalismus wurde das Kulturzentrum Mattersburg eröffnet. Eine Mischung von Mit-, Neben- und Gegeneinander

Nach der Auseinandersetzung über den Umgang mit dem Erbe des Brutalismus wurde das Kulturzentrum Mattersburg eröffnet. Eine Mischung von Mit-, Neben- und Gegeneinander

Am Tag nach der Eröffnung habe niemand angerufen, sagt Sandra Ferstl. Das sei ein gutes Zeichen, denn die Leute riefen nur an, wenn sie sich beschweren wollten. Sandra Ferstl ist Leiterin der Veranstaltungsorganisation des Kulturzentrums (KUZ) Mattersburg, das am vorigen Sonntag wiedereröffnet wurde, auf den Tag genau 46 Jahre nach seiner ersten Eröffnung. Ein sehr schönes Haus sei das, freut sich auch Bürgermeisterin Claudia Schlager (SPÖ), die gerade das große Foyer durchquert. „Die Verbindung von Alt und Neu ist sehr gelungen!“

Fels und Quader

Auch am 22. Mai 1976 war hier Feiern und Freude angesagt. Das Kulturzentrum war schließlich der erste Teil der großen Burgenland bildungsoffensive von Unterrichtsminister Fred Sinowatz und Landesrat Gerald Mader. Die Kulturzentren sollten niederschwelligen Zugang zu Hoch- und Volkskultur bieten und der „freien Meinungs äußerung“ dienen. Jetzt stehen Sinowatz und Mader (mit dicker Seventies-Brille) als bronzefarbene Büsten im Gras vor der Waschbetonfassade des neuen Saals. Marlies Breuss und Michael Ogertschnig vom Wiener Büro Holodeck Architects stehen daneben. Die Fassade aus dezent unterschiedlich eingefärbten Betonplatten, sagen sie, ist eine Hommage an den Altbau, den Architekt Herwig Udo Graf 1976 im Stil des Brutalismus entworfen hatte: ein Ensemble aus expressiv geformtem Sichtbeton.

Jetzt stehen sich der alte und der neue Veranstaltungssaal gegenüber, verbunden durch ein neues Foyer mit einer etwas an die 1990er Jahre erinnernden Glasfront. Wo Grafs bildhauerischer Beton wirkt wie ein massiver Fels, ist der neue Saal ein schlichter Quader, hineingerückt in den Hang. „Wir wollten den alten Saal für sich stehenlassen und ihm ein ruhiges Pendant zur Seite stellen, mit einem transparenten Gelenk dazwischen“, erklärt Marlies Breuss.

Drei Teile, das klingt einfach, doch das darin unterzubringende Programm war komplex. Der bisherige Mix aus Veranstaltungssaal, Ausstellungsbereich, Literaturhaus und Volkshochschule wurde ergänzt um einen Teil des Landesarchivs und alle 140.000 Bände der Landesbibliothek. Dafür organisierten Holodeck die Gesamtanlage neu: Das Eingangsniveau wurde abgesenkt, um barrierefrei zu werden, Eingang und Vorplatz deutlich zur benachbarten Schule hin orientiert, um einen gemeinsamen Platz zu schaffen. Der Verbindungstrakt zur Schule wurde abgebrochen. Zugunsten einer neuen Verbindung zum Bahnhof, aber auch als architektonische Distanzierung. „Die Schule wurde 2003 saniert mit Wärmedämmung und weißem Putz. Ein Umgang mit der Substanz, der heute nicht mehr zeitgemäß ist – hier wurde der Brutalismus zerstört“, sagt Ogertschnig.

Über den Umgang mit der Substanz und dem Brutalismus wurde in Mattersburg lange debattiert; die Geschichte des Kulturzentrums war eine konfliktreiche. Ein Rückblick im Schnelldurchlauf: Bis auf den Einbau einer „Artbox“ 1998 war der Bau weitgehend im Originalzustand erhalten, bis er im September 2014 plötzlich vom Land Burgenland geschlossen wurde, es bestehe Gefahr im Verzug. In Reaktion darauf formierte sich die Plattform „Rettet das Kulturzentrum Mattersburg“, deren Petition für den Erhalt schnell 2000 Unterzeichner und ein breites mediales Echo fand.
Konfliktreiche Geschichte

Nach einem gemeinsamen Workshop kam vom Land Burgenland die Zusage, das KUZ „in seinen wesentlichen architektonischen Merkmalen“ zu erhalten, man benötige aber unbedingt einen Saal für 600 Personen. Das waren genau rund 51 Sitze mehr als vorhanden (der jetzt eröffnete Saal hat, nebenbei bemerkt, 410 Plätze). Im Juni wurde ein Architekturwettbewerb ausgelobt, im Mai 2016 Holodeck als Gewinner gekürt, doch die Wettbewerbsbeiträge nicht öffentlich präsentiert, man wollte die Diskussion nicht weiter anfachen, so der damalige Kulturlandesrat Helmut Bieler (SPÖ).

Doch genau das passierte, denn ein Bescheid des Bundesdenkmalamts (BDA) verkündete im November 2016 mithilfe einer dürren Filzstiftskizze die Teilunterschutzstellung der „Außenerscheinung des Nordtraktes“. Ein nicht ganz nachvollziehbarer Kompromiss, der eine Welle von Kritik in der Architekturwelt hervorrief. Es war eine kleine Skizze mit großen Folgen, denn sie bestimmte maßgeblich, was ab 2019 schließlich gebaut wurde.

Für den Umgang mit der Ära der Spätmoderne, deren Bauten jetzt ins Sanierungsalter kommen, gibt es hierzulande noch wenige Präzedenzfälle, in jüngster Zeit haben Ernst Beneder mit seiner behutsamen Sanierung des Rathauses Prinzersdorf von 1973 und Riccione Architekten mit der Erweiterung der Pädagogischen Hochschule Salzburg aus den 1960er-Jahren Highlights gesetzt. Auch die Mattersburger Lösung eines Gegenübers von Alt- und Neubeton mit einem Verbindungselement dazwischen klingt wertschätzend, und in der Tat darf der sorgfältig sanierte Sichtbeton des Saals von 1976 jetzt fast so rein wie damals strahlen.

Verräumte Räume

Und doch mischen sich im Detail immer wieder Untertöne in diesen Dialog. Der Bestand wurde genau so weit erhalten, wie vom BDA vorgeschrieben, aber keinen Zentimeter weiter. Die Freiluftarena, früher beliebter Treffpunkt im Freien, ist jetzt nur über den kleinen Lesesaal erreichbar, um dem neuen Vorplatz keine Konkurrenz zu machen. Dabei wäre eine Kombination von beiden über das Foyer hinweg durchaus reizvoll gewesen. Eine denkmalgeschützte Tür bekam im Inneren eine Stahlstiege quer vors Glas gestellt und wird unbenutzbar. Die Büroräume hinter der sanierten Fassade wurden niedriger, weil die neue Gastronomie darunter mehr Höhe brauchte. Sprich: Wenn hier im Dialog jemand nachgeben muss, ist es immer der Altbau.

Besonders deutlich im Inneren: Die Kontur des alten Saals, nach außen noch voll präsent, ist im Inneren nicht mehr wahrnehmbar, sondern angefüllt mit sich überlagernden Räumen, Wegen, Materialien, Oberflächen, verräumt in die Kubatur, die man zur Verfügung hatte. Fast hat man den Eindruck, dass sich die Architekten eigentlich lieber frei auf einer Tabula rasa entfaltet hätten, als sich an eine Filzstiftskizze zu halten und mit einem Felsbrocken von brutalistischer Kraft auseinanderzusetzen.

Herwig Udo Graf, der zur Eröffnung nicht eingeladen war, sagte schon 2016, man könne seinen Bau jetzt auch gleich ganz abreißen. Das allerdings wäre ein großer Verlust gewesen. Denn ein konfliktreicher Dialog ist immer noch besser als eine Tabula rasa. Im günstigsten Fall entsteht durch diese Reibungsflächen tatsächlich: Kultur.

20. Juli 2019Maik Novotny
Der Standard

Ein Land auf der roten Liste

Das Kulturzentrum Mattersburg, eine Ikone des Brutalismus, ist Geschichte. Auch andere Bauten der Moderne im Burgenland werden dem Erdboden gleichgemacht. Warum tut sich das Bundesland mit der Baukultur so schwer?

Das Kulturzentrum Mattersburg, eine Ikone des Brutalismus, ist Geschichte. Auch andere Bauten der Moderne im Burgenland werden dem Erdboden gleichgemacht. Warum tut sich das Bundesland mit der Baukultur so schwer?

Alle Hilferufe und Appelle haben nichts geholfen: Letzte Woche begannen die Bohrer, sich in den dicken Stahlbeton des Kulturzentrums (KUZ) Mattersburg zu fräsen. Bis auf ein kleines Stück Fassade wird der im Mai 1976 eröffnete Bau des Architekten Herwig Udo Graf Geschichte sein, und mit ihm ein Zeugnis der burgenländischen Kultur- und Bildungsoffensive der Nachkriegszeit.

Seit 2014 stand der Bau leer, unter nicht gänzlich transparenten Umständen wurde von der BELIG (Beteiligungs- und Liegenschafts GmbH), die die landeseigenen Immobilien verwaltet, und vom damaligen Kulturlandesrat Helmut Bieler (SPÖ) auf Neubau anstatt Sanierung entschieden. Eine engagierte Plattform wurde gegründet, die sich für den Erhalt aussprach. Nationale und internationale Experten setzten sich für den Erhalt des wuchtigen Ensembles ein.

Im November 2016 verordnete der Bescheid des Bundesdenkmalamts eine Teilunterschutzstellung der Nordfassade. Warum ausgerechnet eine dünne Fassade geschützt wurde, wo doch das zugrundeliegende Gutachten die für den Brutalismus typischen skulpturalen Gesamtqualitäten explizit gewürdigt hatte, blieb offen. „Den Mauerzug eines Bauwerks als potemkinsches „Denkmal“ stehen zu lassen hat sich schon in den 1970er- und 1980er-Jahren als fachliches No-Go erwiesen, ist sachlich verpönt und nicht State of the Art“, so die fachliche Stellungnahme von Docomomo Austria.

Einsturz, Brand, Gefahr

Es folgten zahlreiche Schreiben der Plattform, der Initiative Bauten in Not und von Privatpersonen an den Bieler-Nachfolger und heutigen Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil, die alle unbeantwortet blieben. Noch im Mai 2019 wandte sich der 79-jährige KUZ-Architekt Herwig Udo Graf mit Alternativvorschlägen an Doskozil, vergeblich. Jetzt könne man den Bau auch gleich ganz wegreißen, anstatt ein „Feigenblatt“ stehen zu lassen, urteilte er resigniert.

Es ist nicht das einzige seiner Werke, von dem er sich verabschieden musste. 2018 wurde sein Kindergarten in Mattersburg zum Abbruch freigegeben, eine missglückte Feuerwehrübung am 22. September ließ den leerstehenden Bau in Flammen aufgehen. Sein Seerestaurant Breitenbrunn, eine einfache, rustikal-elegante, in die Schilflandschaft gesetzte Holzkonstruktion, quasi ein Dach als Haus, wurde von den Eigentümern Esterhazy Immobilien aufgrund angeblicher Einsturzgefährdung im Frühjahr 2019 abgebrochen. Ein Gegengutachten der Gemeinde und die Tatsache, dass kaum eine Geometrie einsturzsicherer ist als ein auf dem Boden stehendes Dreieck, änderten nichts daran.

Baufällig, sanierungsanfällig, thermisch unzureichend: Das sind die Standardargumente, mit denen den Bauten der 1970er-Jahre gerne zu Leibe gerückt wird. Argumente, die oberflächlich besehen glaubwürdig wirken und daher selten genaueres Nachfragen zeitigen. Die Zukunft des Krankenhauses in Oberwart, 1976–82 von Matthias Szauer und Gottfried Fickl erbaut, mit seiner Kombination aus Sichtbeton und zeittypisch poppigen grün-orangenen Leitfarben, ist offen. Mit dem Neubau unmittelbar daneben soll nach jahrelangem Hin und Her 2020 begonnen werden. Für den Altbau sieht es düster aus.

So auch beim Hallenbad Neusiedl am See (Architekten Rüdiger Stelzer und Walter Hutter, 1977), das die Zeit fast unbeschadet überstanden hat. Dieses befand ein Gutachten des BDA im September 2018 als schutzwürdig, ein Bescheid ging Anfang Juli an die Gemeinde. Diese hat aber kein Interesse an dem Schutz und erhob einstimmig Einspruch. Man befürchtet Mehrkosten bei der Sanierung und stellte infrage, ob der Brutalismus ein schützenswerter Baustil sei. Gesunder Menschenverstand gegen Expertise.

Die Baukultur eines Landes hat viele Maßeinheiten. Eine ist der Respekt vor Experten (die natürlich kritisiert werden dürfen). Die Transparenz ist eine weitere. Ein Architekturwettbewerb wie der für das KUZ Mattersburg, dem die Architektenkammer die Unterstützung verweigerte und dessen Ergebnisse weder öffentlich ausgestellt noch bekanntgemacht wurden, stellt dem Burgenland auch hier kein gutes Zeugnis aus. Man wolle die Diskussion nicht noch weiter befeuern, hieß es damals.

Mangelnde Transparenz

Drittens: Baukultur ist eine politische Kultur. Im Burgenland scheint vonseiten der Politik eine Haltung vorzuherrschen, die man als „offensives Desinteresse“ bezeichnen könnte. Ende April lud die Österreichische Gesellschaft für Architektur (ÖGFA) in Eisenstadt Experten zur (vom ORF aufgezeichneten) Podiumsdiskussion „Anlassfall Nachkriegsmoderne“. Also vor der Haustür der Landesregierung, die es trotz Einladung nicht für nötig befand, einen Vertreter zu schicken.

Eine Podiumsdiskussion, bei der Klaus-Jürgen Bauer, Kurator des Architekturhauses Architektur Raum Burgenland, seinen mangelnden Einsatz für die Nachkriegsarchitektur damit begründete, man habe sich zum einen 1993 als Gegenpol zu den dominanten Persönlichkeiten der Architektengeneration der 1970er-Jahre gegründet, und zum anderen wolle man sich öffentlich nicht zu kontrovers äußern, da sonst eventuell eine Kürzung der Fördergelder durch die Landesregierung drohe. Ein fachliches und ethisches Selbstverständnis, zu dem man vieles sagen könnte, zu dem man aber eigentlich nichts mehr sagen muss.

Denn es geht hier nicht darum, ob man den Brutalismus nun gut findet oder nicht. Nicht alles, was in den 1960er- und 1970er-Jahren entstand, hat dieselbe Qualität. Doch wenn man das Gespräch darüber verweigert, verhindert man auch den Konsens darüber, was schützenswert ist und was nicht. Der Umgang mit den Bauten dieser Ära ist ein Indiz für den Umgang mit Architektur an sich. In der Schweiz, zweifellos ein Land mit hochentwickelter Baukultur, werden Betonbauten ebenso gepflegt wie alte Bauernhöfe oder Kirchen. Wer die Nachkriegsmoderne zerstört, ohne sich der gesellschaftlichen Debatte zu stellen, dem ist jegliche Architektur wurscht.

01. Mai 2019Claudia Koglbauer-Schöll
Kurier

Leichenhalle unter Denkmalschutz: Brutalismus scheidet Geister

Immer mehr Sichtbetonbauten werden unter Denkmalschutz gestellt – das löst Diskussionen aus.

Immer mehr Sichtbetonbauten werden unter Denkmalschutz gestellt – das löst Diskussionen aus.

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24. September 2018Anna Soucek
ORF.at

Kulturzentrum Mattersburg, Burgenland

Das Kulturzentrum Mattersburg ist im Stil des Brutalismus gebaut, der nach "beton brut", also nach dem rohen Beton als Baumaterial benannt ist und in den 1960er Jahren Verbreitung gefunden hat. Es gilt als herausragendes Beispiel des Brutalismus im Burgenland und in Österreich.

Das Kulturzentrum Mattersburg ist im Stil des Brutalismus gebaut, der nach "beton brut", also nach dem rohen Beton als Baumaterial benannt ist und in den 1960er Jahren Verbreitung gefunden hat. Es gilt als herausragendes Beispiel des Brutalismus im Burgenland und in Österreich.

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05. Mai 2018Maik Novotny
Der Standard

Mehr Gerechtigkeit für Betonmonster!

Das Architekturzentrum Wien rettet mit einer Schau die Ehre des Brutalismus der 1950er- bis 1970er-Jahre und liefert eine historische Einordnung. Mit dabei: bekannte und neu entdeckte Bauten aus Österreich.

Das Architekturzentrum Wien rettet mit einer Schau die Ehre des Brutalismus der 1950er- bis 1970er-Jahre und liefert eine historische Einordnung. Mit dabei: bekannte und neu entdeckte Bauten aus Österreich.

Sie werden geliebt und gehasst wie kaum eine andere Architekturgattung. Bauten aus der Zeit des Brutalismus von 1953 bis 1979 stehen für viele exemplarisch dafür, was sie an Architektur nicht mögen: die „Selbstverwirklichung“ (was immer das sein mag), die Maßstabslosigkeit, die Menschenfeindlichkeit. Für manche sind sie in ihrer konsequenten Sichtbetonoptik schlicht und einfach hässlich.

Gleichzeitig hat diese Ära, die man jahrzehntelang nicht mit spitzen Fingern anfasste, in jüngster Zeit eine erstaunliche Wertschätzung erfahren. Nun wird jeder Stil nach etwa 40 Jahren aus Nostalgie, Neugier und Neutralität wiederentdeckt, und man kann die Uhr danach stellen, wann es bei der Postmoderne der 80er so weit sein wird. Vor allem aber sind brutalistische Bauten in ihrer fotogenen Ikonenhaftigkeit ideal für den schnellen Konsum auf Durchklick-Bilderhalden wie Instagram oder Tumblr. Sie springen einem mit mehr Wucht entgegen, als es eine Rasterfassade je könnte. Mal ähneln sie Maschinen, mal außerirdischen Wesen, evozieren archaische Tempel oder embryonale Höhlen. Rational und kühl sind sie selten.

Gegner beschimpfen sie als Monsterbauten und Betonklötze, aber dieses Vorurteil ist plumper als die Bauten selbst. Menschenfeindlichkeit ist materialunabhängig. Die globalen Guantanamos sind gesichtslos, die Türme der Profitmaximierung glasverspiegelt, der Neofeudalismus liebt den Naturstein. Weder das Glas noch der Stein noch der Beton können etwas dafür. Es kommt, wie der populäre Werbeslogan richtig sagt, darauf an, was man draus macht.

Was weltweit daraus gemacht wurde, ist jetzt in der Ausstellung SOS Brutalismus im Architekturzentrum Wien zu sehen, die Ende 2017 im Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt gezeigt wurde und jetzt vom AzW um zehn österreichische Beispiele ergänzt wurde. Was hier bei allem bildverliebten „Wow“ deutlich wird: Der Brutalismus war nicht nur mit höheren künstlerischen Ambitionen ausgestattet als mancher Bau von der Stange, sondern hatte auch mehr ehrenwerte Ideale im Gepäck.

Denn es waren vor allem öffentliche Bauten wie Schulen, Universitäten, Krankenhäuser und Verwaltungsbauten, die in diesem Stil entstanden. Eine globale Ära des Zukunftsoptimismus und der Gemeinschaftsbildung traf auf Architekten, die nach der rein rationalen Industriemoderne die Baugeschichte und den künstlerischen Gestus wiederentdeckten. So rollte der Brutalismus schon den monochromen Teppich für die farbenfrohe Postmoderne aus, die ihre historischen Bezüge offensichtlicher und bisweilen karikaturenhafter ausspielte.

Brutal global

Die Ausstellung liefert eine weitere Erklärung für die Faszination des Brutalismus: Es gibt einfach so viel davon, dass sich immer wieder Neues entdecken lässt. Er war ein durch und durch globales Phänomen, das sich um ideologische Grenzen nicht scherte. Westliche Wohlfahrtsstaatdemokratien, die kommunistische Sowjetmoderne, in die Unabhängigkeit startende afrikanische Staaten: Jede Haltung fand in der modellierbaren Masse des Betons ihre Form. Nicht selten wurden dem Beton lokale Besonderheiten beigemischt. In Zentralasien kamen Ornamente aus der islamischen Architektur dazu, in Japan wurde der Beton erdig-rau und sinnlich, in Taiwan feingliedrig wie Holz.

Auch unter den österreichischen Beispielen lässt sich einiges entdecken. Die Wiener Wotrubakirche (1976) ist hier als bekanntester Bau ein Fixstarter und gemeinsam mit der grandiosen Pfarrkirche in Oberwart von Eilfried Huth und Günther Domenig (1969) ein Beispiel dafür, wie sich bei sakralen Bauten das bildhauerische Element des Brutalismus besonders frei entfalten konnte.

Das Kongresshaus in Bad Gastein von Gerhard Garstenauer (1974) kann sich in seinem topografischen Wagemut ebenso mit den Großen messen wie Karl Schwanzers horizontal und vertikal perfekt austariertes Ensemble des Wifi St. Pölten (1972). Das Kulturzentrum Mattersburg von Herwig Udo Graf (1976) wiederum ist Ergebnis und Sinnbild einer sozialdemokratischen Kultur- und Bildungspolitik, die betont niederschwellig war. Programmatische Offenheit und geschlossene Betonwände waren nur ein scheinbarer Widerspruch.

„Die heutige Popularität des Brutalismus rührt sicher auch aus einer Nostalgie gegenüber dem starken Staat, der damals qualitätsvolle Architektur ermöglicht und Social Engineering betrieben hat“, vermutet Oliver Elser, Kurator am Deutschen Architekturmuseum. Sonja Pisarik, Kuratorin am AzW, ergänzt: „Uns ist es wichtig, diese Bauten auch als kulturelles Erbe zu begreifen. Wenn die Architektur verschwindet, verschwinden auch die gesellschaftlichen Bezüge.“

Die Monster verschwinden

Dass die Gefahr des Verschwindens höchst akut ist, davon kündet der Hilferuf im Ausstellungstitel. SOS Brutalismus ist auch der Titel einer Onlinedatenbank, in der die Bauten wie Tierarten nach ihrem Gefährdungsstatus geordnet sind. Viele davon sind bereits abgerissen, wie das raumschiffartige Prentice Women’s Hospital in Chicago oder die Wohnanlage Robin Hood Gardens in London von den Brutalismus-Miterfindern Alison und Peter Smithson. Andere fallen der Geistlosigkeit der Wärmeschutzdogmatik zum Opfer und verschwinden mitsamt ihren bildhauerischen Fein- und Grobheiten unter totem Styropor oder werden, wie im mazedonischen Skopje, mit pseudohellenistischem Prunk verkleidet.

Auch in Österreich besteht Grund, SOS zu funken. Norbert Heltschls Internat Mariannhill in Landeck (1967), eine der überraschendsten Entdeckungen unter den zehn Österreich-Beispielen in der Ausstellung, wurde zu einer grotesk plumpen Kiste verunstaltet. Auch behübschende Pastellfarben können brutal sein. Gerhard Garstenauers Kongresszentrum steht seit 2007 leer. Die Zukunft des Kulturzentrums Mattersburg ist seit Jahren ungewiss, zurzeit wird der bereits beschlossene Radikalumbau nochmals geprüft. Hier hat sich eine Bürgerplattform für den Erhalt ausgesprochen. Karl Schwanzers Internatsturm in St. Pölten wiederum wurde Anfang dieses Jahrtausends ohne Aufsehen und Proteste abgerissen.

Für manche mag die Rettung zu spät kommen, doch die Anerkennung und historische Einordnung, um die sich die Ausstellung bemüht, kommt zur rechten Zeit. Sie lässt den Brutalismus mit riesigen Kartonmodellen und kleinen Betonmodellen berührbar werden und bringt ihn auf Augenhöhe. Es mögen Betonmonster sein, aber hinter der rauen Schale steckt ein guter Geist.

30. April 2018Ute Woltron
Die Presse

Wie Beton Monster schuf und zum Tanzen anfing

Eine großartige Erfindung der Menschheit ist zu Unrecht in Verruf: der Beton und die Architekturexperimente, die er ermöglicht. Über die Beduinen als Pioniere, ein Monster im alten Rom – und warum hauchzarte Betonbauten eine Sache des Klimas sind.

Eine großartige Erfindung der Menschheit ist zu Unrecht in Verruf: der Beton und die Architekturexperimente, die er ermöglicht. Über die Beduinen als Pioniere, ein Monster im alten Rom – und warum hauchzarte Betonbauten eine Sache des Klimas sind.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Die Presse“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

14. November 2015Maik Novotny
Der Standard

Brutalismus: Monster funken SOS

Das Deutsche Architekturmuseum Frankfurt startet eine Kampagne zur Rettung des vielgeschmähten Brutalismus der 1970er-Jahre. Denn dieser erfährt gerade neue Wertschätzung. So auch das akut vom Abriss bedrohte Kulturzentrum in Mattersburg

Das Deutsche Architekturmuseum Frankfurt startet eine Kampagne zur Rettung des vielgeschmähten Brutalismus der 1970er-Jahre. Denn dieser erfährt gerade neue Wertschätzung. So auch das akut vom Abriss bedrohte Kulturzentrum in Mattersburg

40 Jahre: Das Alter, in dem Humanoide gerade ihren ersten Lamborghini kaufen, berufsjugendlich aufs Longboard klettern, den Agenturjob hinwerfen und sich Jungwinzer-Visitenkarten drucken lassen, ist für Gebäude des gefährlichste überhaupt. Wenn sich die ersten Zipperlein zeigen, stehen Bauwerke am Scheideweg zwischen Abriss, Neuentdeckung und Denkmalwürdigkeit. Besonders gefährdet sind diejenigen, die ihr kritisches Alter zum Höhepunkt der Vollwärmeschutz-Euphorie erleben (nämlich genau jetzt) und entweder im bauphysikalischen Rausch komplett abgerissen werden oder unter einem Einheitsplastikpullover verschwinden.

Genau dieses Schicksal erleiden zurzeit die hassgeliebten Bauten aus der Zeit des Brutalismus: die wuchtigen, aus Sichtbeton zu skulpturalen Gebirgen geformten Kirchen, Schulen, Krankenhäuser und Universitätsbauten, die in den 60er- und 70er-Jahren vor allem in der Schweiz, den USA und Großbritannien entstanden. Oft als „Betonmonster“ geschmäht, waren sie nicht selten progressive baukünstlerische Statements, bautechnisch solide ausgeführt, und funktionell durchdacht. Andere waren als Teil des technokratischen „Bauwirtschaftsfunktionalismus“ vor der Ölkrise 1973 tatsächlich vor allem auf maximale Masse aus.

Trotzdem werden auch die Besten unter ihnen nicht von der Abrissbirne verschont. Gleichzeitig wächst das Interesse an dieser rauen, charakterstarken Architektur. Handeln ist also geboten, solange die „Monster“ noch zu retten sind.

Aus diesem Grunde startete das Deutsche Architekturmuseum (DAM) Frankfurt Anfang November gemeinsam mit der Wüstenrot-Stiftung und dem Online-Architekturmagazin uncube die Kampagne SOS Brutalism. Auf der gleichnamigen Website werden herausragende Bauten aus aller Welt gesammelt, wie Tierarten katalogisiert als gerettet, gefährdet, oder ausgestorben.

Warum genau jetzt diese Rettungsaktion? „Neben dem kritischen Alter gibt es auch andere Gründe“, sagt Oliver Elser, Kurator am DAM. „Etwa einen Generationswechsel in der Denkmalpflege: Die leidenschaftlichen Gegner vieler Betonmonster erleben heute, dass ihre Nachfolger die Dinge mit unverstelltem Blick sehen. Und schließlich leben wir in populistischen Retrozeiten: Wenn allerorts Schlösser wiederaufgebaut werden, sehnt man sich doch nach Bauten mit einer gewissen Härte, die für eine andere gesellschaftliche Vision standen!“

Eine große Ausstellung zum Thema ist für Anfang 2017 am DAM geplant. Bis dahin können von Fachleuten und Laien unbekannte Schätze gehoben und veröffentlicht werden. So sind unter anderem betonraue Prachtstücke aus Argentinien und Costa Rica, Futuristisches aus Israel, Monströses aus Moskau und Riesenmaschinen aus Japan zu entdecken.

Doch auch direkt unter der eigenen Nase schlummern bauhistorische Schätze. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet das Burgenland ein Reservat des Brutalismus ist? Einer der jüngsten Einträge bei SOS Brutalism ist das 1976 eröffnete Kulturzentrum (KUZ) in Mattersburg. Der von Architekt Herwig Graf entworfene Bau ist mit Rot wie „gefährdet“ gekennzeichnet.
Paradebeispiel für die Ära

Er ist in jeder Hinsicht ein Paradebeispiel für diese Ära. Als Teil eines sozialdemokratisch volksbildenden Programms des damaligen Unterrichtsministers Fred Sinowatz und des Kulturlandesrats Gerald Mader war es das erste von fünf Kulturzentren im damals noch vorm Eisernen Vorhang dahindämmernden Burgenland und somit wie viele seiner internationalen Geschwister Resultat einer aufgeklärten Beamtenschaft. „Kultur für alle“ hieß das Motto. Vom Literaturhaus über die Volkshochschule bis hin zu Jugendklub und Ballsaison fand alles unter einem Dach statt. Sinowatz sprach damals von einem „Modell für ganz Österreich“. Die architektonischen Definitionen des Brutalismus erfüllt es spielend: Der Sichtbeton formt meterhohe, doppelwulstige Dachkränze, runde Ausbuchtungen und prachtvoll überdimensionierte Wasserspeier; ein Entlüftungskamin wird zum gedrungenen Campanile. Junge burgenländische Architekten wie Graf und vor allem Matthias Szauer durften damals in der Folge den internationalen Stil in die pannonischen Kleinstädte importieren. Einige dieser Bauten wurden in den letzten Jahren abgerissen oder verschwanden unter Styropor.

Pünktlich zum kritischen 40. Geburtstag wurde auch dem KUZ die Rute ins Fenster gestellt: Eine Sanierung käme teurer als ein Neubau, befand das Land im Mai 2014 und verwies auf die schlechte Energiebilanz. Doch dann regte sich überraschender Widerstand. Die Plattform „Rettet das Kulturzentrum Mattersburg“ wurde gegründet, über 2000 Unterschriften gesammelt – bei einer Stadt mit 7000 Einwohnern eine beachtliche Zahl. Ein Zeichen, dass die vielgeschmähten „Betonmonster“ doch gar nicht so unbeliebt sind?

Also lenkte das Land ein bisschen ein, in einem Positionspapier wurde 2015 festgelegt, dass „wesentliche Merkmale“ des Baus erhalten bleiben sollten. Zurzeit läuft ein zweistufiger (von der Architektenkammer nicht anerkannter) Wettbewerb. Was die „wesentlichen Merkmale“ sind, bleibt den beteiligten Architekten überlassen.

Wenig verwunderlich, dass der Architekt selbst dies kritisch sieht: „Das Gebäude muss erhalten bleiben, weil es ein Zeitzeuge der burgenländischen Kulturoffensive ist!“, sagt der heute 75-jährige Herwig Graf zum Standard. Bautechnische Einwände will er nicht gelten lassen. „Das Gebäude hat 40 Jahre bestens funktioniert und wurde mehrmals auf Stand gebracht. Der Beton ist hervorragend ausgeführt. Außerdem bringt es bauphysikalisch nichts, einen Veranstaltungsaal, der einmal pro Woche genutzt wird, in Styropor einzupacken. Man kann ein Gebäude doch nicht nur nach dem Dämmwert beurteilen!“

Vom Zuspruch der Rettungskampagne ist Graf selbst überrascht. Vielleicht verhilft die Zuneigung, die die „Betonmonster“ jetzt vielerorts erfahren, auch dem Kulturzentrum Mattersburg zu einem zweiten Frühling.

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