Details

Mitarbeit Architektur
Michael Rauscher, Michael Obermeier, Caroline Waglhuber, Christina Zachl
Tragwerksplanung
Gemeinhardt
örtliche Bauaufsicht
Heimo Grusch
Funktion
Bildung
Planung
1996 - 2001
Ausführung
2001 - 2002

Presseschau

13. März 2003Romana Ring
OÖNachrichten

Leibhaftige Aus- und Einblicke, Referenz an die Musik

Die Architekten sind weitergezogen, ebenso die Vertreter aus Beamtenschaft und Politik. Neukirchen an der Enknach ist nach seinem Symposion wieder zur...

Die Architekten sind weitergezogen, ebenso die Vertreter aus Beamtenschaft und Politik. Neukirchen an der Enknach ist nach seinem Symposion wieder zur...

Die Architekten sind weitergezogen, ebenso die Vertreter aus Beamtenschaft und Politik. Neukirchen an der Enknach ist nach seinem Symposion wieder zur Tagesordnung übergegangen. Geblieben ist, was schon vorher da war: der Neubau der Musikschule von Karin und Hermann Proyer aus Steyr, mit dem sich Neukirchen als eine jener Gemeinden positioniert hat, die den kulturellen Aspekt ihres Bauens ernst nehmen und daher auch die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Architektur nicht scheuen.

Bereits die Entscheidung, die Musikschule nicht „auf der grünen Wiese“ sondern zur Belebung des Ortskernes als Anbau des sanierungsbedürftigen Gemeindeamtes auszuführen, hat Mut und Diskussionsbereitschaft der Verantwortlichen erfordert. Wie notwendig der mit der Vorbildwirkung eines öffentlichen Gebäudes vielleicht zu erzielende Sinneswandel ist, zeigt ein Blick auf Bauten in den Zentren unserer Ortschaften, die zu Gunsten heillos zersiedelter Ränder aufgegeben worden sind.

Karin und Hermann Proyer haben das Neukirchner Gemeindeamt schon als Ergebnis eines Umbaus vorgefunden. Doch das mächtige Mansarddach des damaligen Neubaus wollte mit jenem des alten Westflügels nicht harmonieren. Proyer/Proyer haben Letzteren daher vom verschnittenen Dach befreit und sein Volumen um etwa ein Drittel erweitert. Eine massive Attika in der Höhe des Gesimses umfasst den gesamten Bau, ohne die Ablesbarkeit der Baustufen zu verschleiern.

Hinter dem Zubau markiert ein Glasdach das Entrée der Musikschule. Diese flankiert als langer, schmaler Körper den Altbau, ist jedoch aus dessen Orthogonalität gedreht, um dem Fußweg zur Kirche im Norden und seinem begleitenden Grünraum entsprechende Großzügigkeit zu verleihen.

Die Entwicklung der aus unterschiedlich großen dunkelgrauen Eternittafeln gefertigten Fassade der Musikschule hat Proyer/Proyer wohl ebenso viel Energie gekostet, wie in die daran geknüpfte Diskussion mit den Gemeindebürgern. Die Plattenteilung, die kleinen Vor- und Rücksprünge der Flächen und die darin scheinbar frei verteilten Fensteröffnungen sind eine Referenz an die Musik, eine Metapher über den Sinn des Hauses, während die Fenster für leibhaftigen Aus- und Einblick stehen.

Das Gemeindeamt selbst wurde in seiner Grundstruktur mit dem Nord-Süd-gerichteten Durchgang im Erdgeschoß erhalten. Auch hier haben Proyer/Proyer mit Sichtbezügen und Ausblicken die Düsternis vertrieben und für eine zeitgemäße Nutzbarkeit des Hauses gesorgt. Dieses enthält neben den Büros und Sitzungszimmern zahlreiche Räume, die das regen Vereins- und Kulturleben des Ortes beheimaten. Wie etwa den großen Veranstaltungssaal im Obergeschoß, der auch Gesprächen über zeitgenössische Architektur einen würdigen Rahmen bietet.

11. Dezember 2002Romana Ring
ORF.at

Impuls für die Mitte

Neukirchen an der Enknach kann gut und gerne als Prototyp der kleinen oberösterreichischen Landgemeinde dienen

Neukirchen an der Enknach kann gut und gerne als Prototyp der kleinen oberösterreichischen Landgemeinde dienen

Neukirchen an der Enknach kann gut und gerne als Prototyp der kleinen oberösterreichischen Landgemeinde dienen: mit einem kompakten, um die Kirche gedrängten Ortskern, den in die Landschaft gewürfelten Siedlungshäusern samt Kaufhaus aus der Verkleidungskiste des Baustoffhandels und - zwei Musikkapellen mit jeweils mehr als fünfzig Mitgliedern! Wer wüsste nicht um das politische Gewicht dörflichen Vereinslebens: der Bau einer eigenen Musikschule war nur eine Frage der Zeit.

Bereits die erste mit den Planern Karin und Hermann Proyer getroffene Entscheidung, die Musikschule als Anbau des sanierungsbedürftigen Gemeindeamtes auszuführen und so das Zentrum des Ortes zu beleben, stieß bei einigen Bürgern auf beträchtlichen Widerstand.


Plausible Verbindung

Die grüne Wiese, „wo man sich rühren kann“, ist durch Jahrzehnte währende Übung die erste Wahl für jegliche Bauaufgabe und es wird wohl noch eine Weile dauern, bis der Aufruf zur Nachhaltigkeit beim Bauen mehr nach sich zieht als Sonnenkollektoren auf den Dächern der Einfamilienhäuser.

Proyer & Proyer haben das Neukirchener Gemeindeamt bereits als Ergebnis eines Umbaus vorgefunden. Ein kleines, über rechteckigem Grundriss zweigeschossiges Gebäude mittelalterlichen Ursprunges war im 19. Jahrhundert zu einer imposanten U-förmigen Anlage mit einem schwungvollen Mansardedach ergänzt worden. Die unterschiedlichen Geschoßhöhen der beiden Gebäudeteile und der missglückte Verschnitt der beiden Dächer gaben Zeugnis des seinerzeit recht bedenkenlosen Umganges mit historischer Bausubstanz. Umso mehr Fingerspitzengefühl haben „Proyer & Proyer“ diesmal aufgewendet, um eine plausible Verbindung der verschiedenen Baustufen zu erreichen.


Sequenzen und Harmonien

„Proyer & Proyer“ haben die beiden Altbauten originalgetreu restauriert und die Räume - präzise aber unaufdringlich detailliert - den Erfordernissen unserer Zeit angepasst. Ähnlich in Dekor und Farbigkeit der Fassade hebt sich der ältere Westflügel nun wieder deutlicher von seinem jüngeren Anbau ab, denn die Architekten haben ihn von seinem missglückten Dach befreit und sein Volumen um etwa ein Drittel erweitert. Dank der umfassenden Geste einer massiven Attika in der Höhe des Gesimses gelingt diese Maßnahme bruchlos, ohne ihre Ablesbarkeit zu verschleiern.

Hinter dem Zubau wird das Glasdach sichtbar, welches das Entree der Musikschule kennzeichnet. Diese flankiert als langer, schmaler Körper den Altbau, ist jedoch deutlich aus dem rechten Winkel gedreht. Damit öffnet sich der verbleibende Raum zur Grundgrenze vom Vorplatz des Gemeindeamtes im Süden zur Kirche im Norden. Gleichzeitig bleibt die Distanz zwischen den Gebäuden genügend weit, um mit einfachsten Mitteln - Grünfläche, Fußweg und Sitzplatz - einen angenehmen öffentlichen Außenraum zu bauen.


Eine Metapher für Sinnhaftigkeit

In die Entwicklung der aus unterschiedlich großen dunkelgrauen Eternittafeln gefertigten Fassade der Musikschule haben „Proyer & Proyer“ wohl ebenso viel Energie investiert, wie in die daran geknüpfte Diskussion mit den Gemeindebürgern. Die Plattenteilung, die kleinen Vor- und Rücksprünge der Flächen und die darin scheinbar frei verteilten Fensteröffnungen sind eine Referenz an die Intervalle, Sequenzen und Harmonien der Musik, eine Metapher über den Sinn des Hauses, während die Fenster für leibhaftigen Aus- und Einblick stehen.

Das Gemeindeamt selbst wurde in seiner Grundstruktur mit dem Nord-Süd-gerichteten Durchgang im Erdgeschoss erhalten. Auch der ehemals düstere Stichgang in den Westflügel und die parallel dazu verlaufende Stiege zu den Veranstaltungsräumen im Obergeschoss wurden in ihrer Lage nicht verändert. Doch führt der Weg jetzt auf beiden Ebenen in die Halle, welche „Proyer & Proyer“ in die Mitte des Neubaues gelegt haben. Im Bereich der beiden skulptural in den Raum gestellten Treppenläufe gläsern nach Westen geöffnet, erschließt sie im Erdgeschoß neben dem Seniorentreffpunkt im alten Gewölbe des Westflügels einen Fraktionsraum im Süden und Lehrerzimmer im Norden sowie einige Nebenräume.


Verknüpfung der Zentren

Im ersten Obergeschoss wird die gesamte Südseite vom großen Proberaum der Musikkapellen eingenommen. Die schmälere Nordseite der Musikschule birgt einen weiteren Unterrichtsraum, während die Mitte als östliche Erweiterung der Halle und Endpunkt der Stiege, welche hier aus den Tiefen des Gemeindeamtes taucht, mit Glas gedeckt ist und so eine weitere Lichtschneise in das Haus schlägt.

Der mit einer effektvoll hinterleuchteten Bar aus dunklem Holz und milchigem Glas ausgestattete Raum fasst die Wege aus Neubau und Altbestand zusammen, indem er die Möglichkeit zum Verweilen bietet. Durch das Glasdach fällt der Blick auf den greifbar nahen Kirchturm, das Symbol für die Mitte des Ortes. Weiter im Osten gelangt man über das großzügige, als Saalerweiterung dienende Foyer in den Veranstaltungssaal, dem „Proyer & Proyer“ seinen verstaubten Charme liebevoll bewahrt haben. Hinter der schwungvoll gewolkten Decke - von keuschen Plüschbespannungen verborgen und dem Samtvorhang effektvoll kaschiert - verbergen sich die penibel berechnete Raumakustik und eine Bühnentechnik, die noch lange alle Stückeln spielen wird.


Sicht-Beziehungen

Das wesentliche Anliegen, die enge Verknüpfung des geistig-kulturellen Mittelpunktes eines Ortes mit seinem physischen Zentrum, manifestiert sich in den Sicht-Beziehungen zwischen Gebäude und Umfeld, die „Proyer & Proyer“ in großer Vielfalt und Präzision geschaffen haben. Und der Blick auf wertvolle, zum Teil traurig vernachlässigte Bausubstanz rundum stellt klar, dass der Impuls für den Ortskern nicht zu früh gekommen ist. Auch damit steht Neukirchen an der Enknach für viele Orte Oberösterreichs.


[Den Originalbeitrag von Romana Ring finden Sie in architektur aktuell, Österreichs größter Architekturzeitschrift.]

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