Details

Adresse
Wienerstraße 64, Purkersdorf, Österreich
Architektur
Wolfgang Rainer
Bauherrschaft
BUWOG
Maßnahme
Umbau
Fertigstellung
2002

Presseschau

15. November 2003Gabriele Reiterer
Der Standard

Hoffmanns Totentanz

Das Sanatorium Purkersdorf, bahnbrechender Bau der Wiener Jahrhundertwende, hat eine wechselvolle Geschichte. Nun aber es ist architektonisch heruntergewirtschaftet worden und geht als misslungenes Revitalisierungsprojekt in die Annalen ein.

Das Sanatorium Purkersdorf, bahnbrechender Bau der Wiener Jahrhundertwende, hat eine wechselvolle Geschichte. Nun aber es ist architektonisch heruntergewirtschaftet worden und geht als misslungenes Revitalisierungsprojekt in die Annalen ein.

An der stark befahrenen Bundesstraße gleich beim Ortsschild von Purkersdorf ist es nicht zu verfehlen. Bitte, treten Sie näher: „Wohnen mit Stil, Wohnen im Jugendstil“, prangt auf der großen Tafel. Damit sich auch niemand historisch vertut: Wir sind im „Hoffmannpark“. Allerdings in keiner Jahrhundertwende-Themenwelt, sondern in der neuen Zweigstelle der Senioren GmbH „Kräutergruppe“, genau genommen in der Filiale mit dem höchst belebenden Namen „Rosmarin“.

In den letzten Jahren war es verdächtig still um den berühmten Bau des Architekten Josef Hoffmann aus dem Jahre 1904, nachdem vorher eine intensive und viel versprechende Renovierungs- und Nutzungsdiskussion geführt worden war. Das nun vorliegende Ergebnis zählt wahrscheinlich zu den erschütterndsten Beispielen der letzten Jahrzehnte im Umgang mit architektonischen Denkmälern. Die Posse um die Inkunabel des „Quadratl-Hoffmann“ - wie er im Volksmund liebevoll genannt wurde - ist kaum zu glauben, wäre sie nicht wahr.

Das Sanatorium Purkersdorf hat eine mehr als glanzvolle Geschichte. Berta Zuckerkandl, Grande Dame des kulturellen Lebens des Wiener Fin de Siècle und leidenschaftliche Kämpferin für die „Sache der Secession“, gängelte ihren Schwager und Bauherrn Viktor im positiven Sinne. Das Ergebnis war seine Zustimmung zu einem Bau, der für die Zeit absolut wegweisend war. Den vor allem in konstruktiver Hinsicht höchst avancierten Bau in Stahlbeton nennt Eduard Sekler in seiner Monografie über Hoffmann in einer Reihe mit Frank Lloyd Wrights Larkin Building und Otto Wagners Postsparkasse. Der dreigeschoßige Kubus mit Flachdach war in der Einfachheit seiner Formen „bahnbrechend“.

Auch die Innenausstattung stammte zur Gänze von Josef Hoffmann in Zusammenarbeit mit der Wiener Werkstätte. Das alles hatte seinen Preis. Die explodierenden Errichtungskosten führten angeblich zum Krach mit dem Bauherrn Viktor Zuckerkandl. Der Architekt Leopold Bauer stockte den Bau im Jahr 1926 - gegen den Willen Hoffmanns - um ein Geschoß auf. Die Gästeschar des Sanatoriums war mondän. Hier begaben sich unter anderem Arthur Schnitzler und Gustav Mahler zum „Workout“ und zur Badekur.

1930 wechselte die Anlage den Besitzer und wurde zum Sanatorium Westend. 1938 folgte die Enteignung durch die Nationalsozialisten. Zu dieser Zeit begannen die ersten Plünderungen, die bis in die jüngste Vergangenheit dauerten. Von der ehemaligen Inneneinrichtung verschwanden nach und nach fast alle Stücke und fanden sich vielfach kurze Zeit später in Auktionshäusern und Galerien wieder. In der Nachkriegszeit diente die Anlage als Krankenhaus und Pflegeheim, danach stand sie lange leer. Seinen letzten und fragwürdigen Höhepunkt hatte der Hoffmann-Bau als Bühne einer Seifenoper von Paulus Manker.

1991 erwarb die Walter Klaus KG die Anlage. In den folgenden Jahren wurde das ehemalige Sanatorium durch den Architekten Sepp Müller außen renoviert sowie die Aufstockung von Leopold Bauer abgetragen. Eine eigens gegründete Gesellschaft befasste sich mit Nutzungsüberlegungen für den geschichtsträchtigen Bau. Dem Vorhaben einer musealen Verwendung folgte im Jahr 2000 ein Vorentwurf des Wiener Architektenteams Querkraft. Der Entwurf sah die zurückhaltende Adaptierung für verschiedene Sammlungen aus dem Architekturbereich, Räumlichkeiten für Wechselausstellungen und einen Shop vor.

Mit dem Erwerb der Anlage durch die Buwog im Jahr 2001 wurden unter anderem auch die Pläne einer zukünftigen kulturellen Nutzung des historischen Ensembles hinfällig. Die bis dato geführten Überlegungen wichen der Entscheidung einer kommerziellen Nutzung als Seniorenresidenz.

So weit, so gut. Für diese Nutzung sprach unter anderem auch die ursprüngliche Bestimmung des Baues als Sanatorium. Die Buwog, Bauen und Wohnen GmbH, fungierte in der Folge mit eigenen, euphemistischen Worten als „Vermittler“ zwischen den Betreibern und dem Bundesdenkmalamt. Als „Mieter“ hatte sich - unter nicht unumstrittenen politischen Umständen - die Rosmarin Senioren-Betreuungs GmbH, Mitglied der „Kräutergruppe“ eingefunden. Schließlich wurde der Wiener Architekt Wolfgang Rainer mit der Renovierung und Revitalisierung des ehemaligen Sanatoriums direkt beauftragt.

Laut Buwog bildeten Rainers Lokalkenntnisse - was immer darunter zu verstehen ist - das Entscheidungskriterium für die Vergabe. So weit, nicht gut. Mit dem Bundesdenkmalamt waren bereits in den 90er-Jahren erste Vereinbarungen getroffen worden. Für den Abriss der Nebenhäuser aus dem 19. Jahrhundert hatten die Eigentümer die originalgetreue Renovierung des Hoffmann-Baus in Aussicht gestellt. Allerdings hatte Hoffmann seinerzeit architektonisch auf die „alten Häuser“ reagiert. Ein ungemein reizvoller Wandelgang verband den Hauptbau mit dem älteren Teil.

Das Bundesdenkmalamt legte nun, in Hinblick auf die neue, kommerzielle Nutzung, drei Kategorien von Denkmalschutz für die Anlage fest. Absolut zu erhalten bzw. originalgetreu zu renovieren war der Eingangsbereich, das Stiegenhaus sowie der Speisesaal im Obergeschoß. Die weiteren Bereiche konnten flexibler behandelt werden.

Grundsätzlich kann einer derartigen Vorgehensweise auch zugestimmt werden. Die Ergebnisse dieses Dreiphasenkonzeptes und die Interpretation des Denkmalgedankens präsentieren sich in Purkersdorf allerdings befremdlich. Gleich im Eingangsbereich des ehemaligen Sanatoriums verkünden Wiener-Werkstätte-Täschchen in Schauvitrinen eine vermeintlich wieder gewonnene Identität. Zwei Bilder von Gustav Klimt als Reproduktionen grüßen von den Wänden. Das originalgetreu renovierte Stiegenhaus lässt die ehemalige Hoffmannsche Noblesse erahnen, heute ist es nicht viel mehr als ein Zitat, dem die Künstlichkeit des Eingriffs ins Gesicht geschrieben steht.

Im ersten Obergeschoß befindet sich der ehemalige Speisesaal mit riesiger Loggia, einst das Juwel des Hauses. Spätestens bei diesem Anblick hätte Josef Hoffmann verzweifelt über die Schwelle erbrochen. Aus dem großzügigen und eleganten Saal ist eine beklemmende Mischkulanz aus konservierter Grundsubstanz und kaufhausmäßiger Couture-Tristesse geworden. Inmitten der Jugendstilscheiben und originalgetreu nachgestellten Details findet sich eine Inneneinrichtung, wie sie unpassender nicht sein könnte. Stühle und Tische in fahl verbeiztem Braun verbreiten den depressiven Charme eines Landcafés, das modern sein möchte. Bizarre Details dieser Melange sind einige neu aufgelegte Hoffmann-Möbel, die verloren im ehemaligen Musikzimmer herumstehen. Der Boden präsentiert sich in gepunktetem Linoleum: subtile Hommage an die zarten Hoffmannschen Geometrien?

Beim Anblick des Wandelganges trifft die Faust vollends ins Auge - ein Knockout. Den einst elegant geschwungenen und durchgängig verglasten Gang behandelte Rainer in reichlich absurder kontrapunktischer Manier. Der ehemals atmosphärisch reizvolle Verbindungstrakt wurde zuerst abgeschnitten, erweitert und ein Café angedockt. Wie eine billige kleine Brosche sitzt es da und harrt vergebens.

Am Ende des Wandelganges befindet sich ein neuer Zubau. Das dreigeschoßige Gebäude beherbergt 79 der insgesamt 111 Betten. Der Versuch, im Entwurf ein „Idealkonzept der kurzen Wege“ zu realisieren, ist für eine Seniorenresidenz eine durchaus sinnvolle Grundüberlegung. Hier jedoch fehlt der rationalen Idee die architektonische Eloquenz der Umsetzung. Denn die „Dramaturgie“ der Wegführung besteht nur aus einer unsensiblen Aneinanderreihungen von Räumen. Zu wünschen übrig lässt vor allem die Detailausführung, ein Zeichen mangelnder Konsequenz in der Ausführung des Entwurfs.

Fazit - das Sanatorium Purkersdorf wird als misslungenes Projekt in die Annalen eingehen. Die Verantwortung dafür ist allerdings an mehreren Stellen zu suchen.

Zu allererst beim Auftraggeber, der ein epochales, kulturell bedeutendes Projekt klammheimlich im Direktauftrag vergeben und einem Architekten überantwortet hat, der dieser Aufgabe offensichtlich nicht gewachsen war. Ein fähigerer Architekt hätte sie besser bewältigt und überzeugendere Lösungen gefunden. Ein qualifiziertes Wettbewerbsverfahren mit kompetenter Jury hätte dafür eine mögliche Grundlage geboten.

Die Verantwortung jedoch jetzt alleine beim handelnden Architekten zu suchen wäre verfehlt. Die Zusammenhänge der vorliegenden Problematik sind komplexer und gehen über das beschriebene Projekt hinaus. Denn der Umgang mit historischen Bauwerken, wie er derzeit von den gesetzlichen Institutionen in diesem Land betrieben wird, muss ebenfalls hinterfragt werden. Denkmalschutz bedeutet auch die eigenständige Weiterentwicklung eines architektonischen Gedankens, eine neue Interpretation, das Weiterdenken eines historischen Konzeptes in einer zeitgemäßen und vor allem niveauvollen Sprache. Historisches Bewusstsein darf nicht in falsche und missverstandene Ehrfurcht vor Vergangenem münden und die Frage nach der Qualität der gestalterischen Intervention unbeantwortet lassen. Architektur ist ein lebendiges und sinnliches Unterfangen, eine Syntax der Seele.

Eine Summe von Unbedachtheiten und verantwortungslosen Handlungen hat diesen seltsamen, toten Hybriden geriert. Josef Hoffmanns Sanatorium, einer der wichtigsten Bauten der Jahrhundertwende und Inkunabel der frühen Moderne, ist misshandelt und letztendlich zerstört worden. Schönes Schlamassel.

07. Juni 2003Franziska Leeb
Der Standard

Alter Glanz und neuer Nutzen

Das Sanatorium Purkersdorf wurde als Seniorenresidenz wieder eröffnet und erhielt neue Annexbauten.

Das Sanatorium Purkersdorf wurde als Seniorenresidenz wieder eröffnet und erhielt neue Annexbauten.

Es zählt zu den bekanntesten Pionierwerken der Moderne, aber auch zu den am nachlässig behandeltsten. Radikal klar in der Formensprache und zusammen mit den eigens entworfenen Wiener-Werkstätte-Möbeln als Gesamtkunstwerk konzipiert, hat es Josef Hoffmann 1904-1906 im Auftrag des Industriellen Victor Zuckerkandl als moderne Kuranstalt von großer Noblesse realisiert. Schon zwei Jahre danach begann die unrühmliche Geschichte der Verschandelung und Vernachlässigung des „Sanatorium Westend“ in Form einer Aufstockung, die das Gesamtbild empfindlich störte. Es folgten die Enteignung durch die Nationalsozialisten, Plünderungen und Zerstörung. Es diente als Kriegslazarett, später als Krankenhaus und Altersheim und stand ab 1984 leer.

Vor drei Jahren hat der Wohnbauträger BUWOG den Hoffmann-Bau und das dazugehörige Areal erworben und eine Verwendung gefunden, die den geschundenen Bau in Würde weiterbestehen lässt. Er dient nun als Seniorenpflegeresidenz, eine Nutzung die dem ursprünglichen Zweck verwandt ist. Wirtschaftliche Tragfähigkeit und denkmalpflegerische Tragbarkeit galt es unter einen Hut zu bringen, und so erhielt der außen und innen picobello restaurierte Hoffmann-Bau einen neuen Nachbarn. Insgesamt verantwortlicher Architekt ist Wolfgang Rainer, der bereits in den Neunzigerjahren für den damaligen Eigentümer das Areal beplante. Damals erfolgte auch die Wiederherstellung der äußeren Hülle durch Architekt Sepp Müller, der auch jetzt eingebunden war.

Der Zubau ist über den historischen Wandelgang mit dem Hoffmann-Bau verbunden und beeinträchtigt diesen überraschend wenig. Zu deutlich hebt er sich ab, zu wenig dick trägt er auf, um den bedeutenden Nachbarn zu stören. Mit drei Vollgeschoßen und einem zurückspringenden Dachgeschoß ordnet er sich in seiner Ausdehnung unter. Die Mittelachse betonen gläserne Anbauten, in denen sich Gemeinschaftsräume (vorne) und das Stiegenhaus (hinten) befinden. Die Zimmer öffnen sich auf barrierefrei zugängliche Loggien. Glasbrüstungen sorgen dafür, dass auch bettlägrige Bewohner Ausblick haben. Auch der rückwärts an den Wandelgang angebaute Cafépavillon fügt sich als Teil des neu geschaffenen Ensembles gut ein. Kurz- um handelt es sich bei den Zubauten um eine solide Gegenwartsarchitektur, der man das Bemühen um funktionelle Qualität - wie kurze Wege und Übersichtlichkeit - und proportionale Ausgewogenheit ablesen kann.

Ein einzigartiger, eleganter Pionierbau, ein moderner Zubau, ein schöner Park - könnten sich betagte Menschen, die es sich leisten können, mehr wünschen, als den Lebensabend in solch einem Ambiente zu verbringen? Könnten sie. Zum Beispiel eine Zimmereinrichtung, die der Hochwertigkeit und Eleganz des Hoffmannschen Gesamtkunstwerks gerecht wird. Für die gesamte Innengestaltung der neuen Zubauten sowie der Zimmer im Hoffmann-Bau zeichnen weder Architekt Wolfgang Rainer noch die BUWOG verantwortlich. Sie oblag ganz den Wünschen des Betreibers namens „Kräutergarten Seniorenresidenz“. Das Denkmalamt pochte zwar bei den öffentlich sichtbaren und zugänglichen Bereichen auf möglichst originalgetreue Wiederherstellung, nahm aber ansonsten noch auf die Ausstattung keinen Einfluss. Nicht dass Sie mich falsch verstehen: Billig ist die Einrichtung nicht, und es stört grundsätzlich auch nicht, dass sie heutigen Erfordernissen entspricht. Was schmerzt, ist, dass sie keinen Funken von der Stilsicherheit und Klasse des noblen Sanatoriums Westend hat. Jugendstilig gemusterte Vorhänge, quadratische Wandpaneele und unmotiviert verteilte Intarsien im Linoleumboden sind eher Zeugen eines groben Missverständnisses denn von großem Einfühlungsvermögen. Trotz dieses Wermutstropfens: Gut, dass gerettet wurde, was zu retten war, dass eine sinnvolle Nutzung gefunden wurde und dass Architekturtouristen nicht mehr fassungslos kopfschüttelnd davor stehen und fragen, warum ein reiches Land, eine angeblichen Kulturnation, mit ihren Perlen der Baukunst nichts anzufangen weiß.

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