Pläne

Details

Adresse
Universitätsstrasse 15b, 6020 Innsbruck, Österreich
Bauherrschaft
Giovanni Guiseppe Conte
Maßnahme
Neubau
Ausführung
2000 - 2002
Abbruch
2020

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

Presseschau

19. Januar 2003Walter Chramosta
Spectrum

Südleuchte an der Nordkette

Der Weinbau kultiviert sich und ist zum Thema der Architektur aufgestiegen, Weinhandel und Gastronomie ziehen mit. Die Vinothek „solo vino“ in Innsbruck von Giner & Wucherer ist eine erste Adresse für Freunde italienischen Weins. Blicke auf einen urbanen Treffpunkt.

Der Weinbau kultiviert sich und ist zum Thema der Architektur aufgestiegen, Weinhandel und Gastronomie ziehen mit. Die Vinothek „solo vino“ in Innsbruck von Giner & Wucherer ist eine erste Adresse für Freunde italienischen Weins. Blicke auf einen urbanen Treffpunkt.

Eine Ära partieller architektonischer Subtilität ist angebrochen: Feinheit und Finesse von Genußmitteln wirken auf einmal auf die Orte, an denen sie feilgeboten werden, zurück. Hersteller und Händ-ler landwirtschaftlicher Produkte trauen sich endlich zu, ein Ambiente bereitzustellen, das auf deren Machart und Ursprung, viel mehr aber auf die Kultur der Kundschaft aus der Stadt Bezug nimmt. Deftige Zeichen des Mediterranen und Rustikalen wie Fischernetze oder Cotto-Böden, gar Anklänge nationaler Behauptung mit wehenden Flaggen und Heldendevotionalien aus Film, Politik oder Sport sind als Hinweise auf italienische Kost und Küche nicht mehr letzter Schrei.

Giovanni Giuseppe Conte ist als Patron eine bekannte Innsbrucker Person, seine Lokale sind Innsbrucker Institutionen. Mit dem mittlerweile an vertraute Kräfte abgegebenen Restaurant „Da Peppino“ hat er weit über die Stadt hinaus einen gut behaubten Standard für italophile Kulinarik etabliert, aber dabei den üblichen „Tiroler Stil“ der Gaststube noch nicht überwunden. Das war einem ergänzenden Restaurantprojekt zum gut laufenden, nicht in der Stadtmitte gelegenen „Da Peppino“ vorbehalten. Conte wollte ein zwei-tes, zentraleres unternehmerisches und wohl auch kommunikatives Standbein, „mit modernem Gepräge, aber nicht steril“. Es sollte durch besondere Wärme der Materialien und des Lichts charakterisiert sein, ein kommunizierendes Gefäß in sich und mit der Stadt.

Knapp außerhalb der Altstadt bietet sich Conte im Jahr 2000 eine einmalige räumliche Chance für ein Speiselokal: Im Erdgeschoß des MCI, eines Nebentraktes der von den Architekten Henke und Schreieck überzeugend errichteten Sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fa- kultät (1988 bis 1999) der Universität Innsbruck, wird ihm ein Teilbereich angetragen. Die anderen Zonen dienen einer Bank, einer Buchhandlung, einigen Büros und weiterer Gastronomie. Die besondere Lage des Gebäudes zwischen Universitätsstraße und Campus läßt ein passagenartiges Lokal mit zwei Eingängen zu: einerseits von der dichten, verkehrsdurchströmten Kernstadt, andererseits von der ruhigeren Sphäre der Universität mit dem angrenzenden Hofgarten. Die „Sowi“ definiert eine Grenze zweier städtebaulicher Einheiten und ist nach einer Phase der Skepsis und vorsichtiger Aneignung nun ein integrativer Stadtteil, zu allen Tageszeiten belebt. Die Benutzer sind großteils jung oder etabliert, jedenfalls Neuem aufgeschlossen.

Dementsprechend ist der erste Bauabschnitt, das Lokal „solo pasta“, positioniert: urban, unprätentiös, sichtoffen zu Park und Straße, nicht zuletzt spezialisiert auf beste Nudelgerichte. Die Atmosphäre ist zum Produkt stimmig: Italiens Reize sind verklausuliert präsent durch eine schlichte, betont sauber gearbeitete Ausstattung in Massivholz, eine starke Farbe und viele Lichtakzente. Dem rasch einsetzenden und andauernden Erfolg des „solo pasta“ Rechnung tragend, haben nach einer Verdichtung nun etwa hundert Personen Platz, ohne den einen langgestreckten, übersichtlichen Raum zu überfordern. Die beiden Portale sind im System der Fassade zur Gänze verglast und sprechen eine Einladung aus. Das Senfgelb der Wände, geschwärzte mitteldichte Faserplatten als Deckenuntersicht, die schlichten Sitzbänke und die skulptural wie ergonomisch überzeugenden, braun lackierten Holzsessel des Schweizer Modernisten Max E. Häfeli und vor allem die unbehandelte, graubraun-wild gemaserte Kupfereiche als dominantes Material für den Schiffboden, für die Tischflächen und das Gehäuse für die Bar ergeben einen karg instrumentierten, in seiner Homogenität informellen, nichtsdestoweniger aber durch die Vielzahl interessanter Details sinnlichen Raum.

Aufwand und Erfolg des im Oktober 2000 eröffneten „solo pasta“ lassen den Bauherrn bald an Erweiterung denken. Möglich wird die fast modular konzipiert erscheinende Fortschreibung des Erfolgsrezepts aus Lage, Ware und Service durch glückliche Fügungen: Die Küche liegt an der einen, gewissermaßen „äußeren“ Längsseite des „solo pasta“, sich im Speiseraum nur durch ein Edelstahlfeld abzeichnend; an der anderen erschließen neben der Bar zwei Stichgänge die Sanitär-gruppen. Diese Entwurfsentscheidung der Architekten bildet intuitiv die Voraussetzung für die erste sinnfällige Erweiterung: Aus Stich- werden Durchgänge, an der Rückseite der Bar entsteht eine Schank samt Antipasti-Vitrine. Die Küche kann seit Dezember 2001 auch die nächste Raumschicht, die Vinothek „solo vino“, bedienen.

Giovanni Giuseppe Conte hat zu seiner Ambition für die italienische Eß- und Trinkkultur während der von wachsendem Vertrauen gekennzeichneten Arbeit mit seinen zuvor noch nicht mit Gastronomieräumen hervorgetretenen Architekten Thomas Giner und Erich Wucherer aus Innsbruck auch noch architektonisch Feuer gefangen: „Beim Wein ist es so wie bei der Architektur: Das Leben ist zu kurz, um sich mit Schlechtem abzugeben. Ich habe immer von einer Vinothek geträumt, und hier erfüllen sich nun meine Träume.“ Das „solo vino“ ist ein dichter Verkaufsraum für etwa 500 erlesene Weine und delikate, typisch italienische Vorspeisen für Laufkundschaft, vor allem aber ein Raumangebot, die Weine und Antipasti in anregender Gesellschaft zu verkosten. Das bestens verkäufliche Produkt ist letztlich eine hintergründig kondensierte Italianitá, die man in Nordtirol, besser als irgendwo anders,
diffus als permanentes Südleuchten über dem Brenner spürt.

Im „solo vino“ kann man beim Eichenanfassen, beim physischen Kontakt mit einer selten eingesetzten, weil in der flächigen Wirkung meist für zu lebendig gehaltenen Holzsorte, der im Waldviertel heimischen Kupfer- eiche, Substanz und Qualität der Natur spüren; und diese Erfahrung mit den im Glas kredenzten Säften, den typischen Speisen und den in der Dichte der gastlichen Menschenpackung fast unumgänglichen Gesprächskontakten zur Wechselwirkung bringen. An sieben Eichentafeln haben siebzig Gäste Platz. Abends reicht das oft nicht aus, denn das „solo vino“ hat sich als der angesagte Treffpunkt für jene etabliert, die gutes Essen und Trinken nicht mehr von der Erfahrung eines adäquat gestalteten Raumes trennen wollen.

Giner und Wucherer schaffen mit ihrer famosen Auslegung der schon da und dort gesehenen Kombination von Weinverkauf und Speiselokal sowohl besonders lukrative als auch besonders ansprechende Wechselwirkungen. Die wiederum aus unbehandelter Kupfereiche und unterstützenden Stahl- und Glasteilen strikt regulär geformten Regalwände voller Weinflaschen sind Auslage, Lager und animierende Kulisse zugleich. Der
eigentlich auf eine etablierte Klientel ausgerichtete Weinhandel bildet mit dem auch einem jugendlichen Publikum angemessenen Nudellokal eine stark synergetische Doppelmarke. Die kleinteilige Präsenz des Weins, des Pflanzlichen, mit Hunderten Etiketten und Tausenden Flaschen, und die Präsenz großer „tierischer“ Körper, die Darbietung von Prosciutto und Parmesan im verglasten Schaulager, einem oberirdischen Keller und somit visuell direkt am Tisch, schafft maximale Sinnlichkeit.

Bemerkenswert auch die von der einschlägig bekannten Firma Halotech instrumentierte, mit gängigen Vorstellungen des grunderhellten Gastraumes brechende Lichtregie. Über den Tischen sind in kleinen, künstlich angerosteten Stahlkästen untergebrachte Halogenquellen abgehängt, die präzis zentriertes, warmes Licht auf die Speisen und Getränke, aber nicht auf die Gäste lenken. An der naturbelassenen MDF-Decke knapp angesetzte Strahler in analoger Ausführung setzen die umlaufenden, raumhohen Regalwände, somit die Flaschen, in das richtige Licht. Gerade daß der Großraum dunkel und die sieben Tische mit Licht ausgezeichnet sind, beschert dem Gastraum in jeder Besetzung
Eigenart und Intimität - die man schon von der Straße erahnen kann.

Seit September letzten Jahres ist das einseitig durch ein
anliegendes Büro gefangene „solo vino“ durch den sogenannten „Magnum-Raum“, ein 11.000 Flaschen, davon unzählige Magnumformate beinhaltendes Weinlager, in je zwei die Längsseiten begleitenden Regalen abgeschlossen. In der Mitte steht eine Tafel für 48 Personen, die für festliche Anlässe zu mieten ist. Auch hier möchte man das stimmige Ambiente unter dem Titel „solo qualitá“ zusammenfassen: Es sind die Warmschlaglichter, die Häfelisitzkörper, die Eichentische und -regale aus der sicheren Hand des Innsbrucker Tischlers Gerhard Höckner - alle auf geflammtem Eichenboden mit der Ware und den Gästen zusammenwirkend.

Wenn Conte anfangs sagte: „Ich bin ein romantischer Mensch“, dann ist den Architekten zu danken, daß sie ihm so viel „Unromantisches“, ohne jede Lieblichkeit, aber voller Feuer, abgerungen haben. Die hohe architektonische Mühewaltung ist nicht nur zu erahnen: Überzeugungskraft von Architekten und Vertrauensfähigkeit eines Bauherrn verschmelzen hier trefflich. [*]

15. März 2002Gabriele Reiterer
zuschnitt

La leggerezza del benessere

Als räumliche und delikate Ergänzung des bereits bestehenden italienischen Esslokals »solo pasta« wurde letztes Jahr das »solo vino« in Innsbruck eröffnet. Zwei Zugänge verbinden die beiden gastlichen Lokale. Der lange schmale Raum des »solo vino« ist mit Regalwänden umgeben, die das große Weinsortiment zur Geltung bringen. Boden, Tische und Regale sind aus dem unbehandelten Holz der Kupfereiche gefertigt. Der Faktor Zeit wird die rohen Oberflächen bald mit einer Patina überziehen. Einzig an der Decke wurden MDF Platten verwendet. Die Stühle sind nach dem Entwurf (1926) des Schweizer Architekten Max E. Häfeli ausgeführt.

Als räumliche und delikate Ergänzung des bereits bestehenden italienischen Esslokals »solo pasta« wurde letztes Jahr das »solo vino« in Innsbruck eröffnet. Zwei Zugänge verbinden die beiden gastlichen Lokale. Der lange schmale Raum des »solo vino« ist mit Regalwänden umgeben, die das große Weinsortiment zur Geltung bringen. Boden, Tische und Regale sind aus dem unbehandelten Holz der Kupfereiche gefertigt. Der Faktor Zeit wird die rohen Oberflächen bald mit einer Patina überziehen. Einzig an der Decke wurden MDF Platten verwendet. Die Stühle sind nach dem Entwurf (1926) des Schweizer Architekten Max E. Häfeli ausgeführt.

Innsbruck hat ein außergewöhnliches Lokal erhalten. Kürzlich hat hier eine Ergänzung des ein Jahr jungen italienischen Esslokals solo pasta eröffnet. Die Genese des neuen, anliegenden solo vino vollzog sich sozusagen unter den allerbesten Voraussetzungen. Ein gereifter architekturkonvertierter Bauherr, dessen erstes Lokal von sofortigem und anhaltendem Erfolg gekrönt war, sowie die kongeniale Zusammenarbeit mit einem Architektenteam mit ausgeprägten italophilen Affinitäten haben ein gastronomisch-architektonisches Gesamtkunstwerk entstehen lassen. Lag dem älteren solo pasta noch manch gastronomisch bedingter Vernunftgedanke zugrunde, entstand das danebenliegende kleine Weinlokal mit viel Lust und Freude. Das ist mehr als spürbar.

Die Architekten Thomas Giner und Erich Wucherer reüssierten bereits beim Speiselokal - einem schmalen durch die ganze Gebäudetiefe laufenden Raum mit zwei gegenüber liegenden Eingängen. Der Schankbereich liegt in der Mitte, er bildet das Gelenk für beide Lokalräume. Das solo vino verfügt zwar über einen eigenen Eingang, ist jedoch mit dem Esslokal über zwei Zugänge räumlich verbunden.

Auch im solo vino fand das graubraune, schlammfarbige Holz der seltenen Kupfereiche Verwendung, es bestimmt die Atmosphäre in hohem Ausmaß. Der schmale Raum ist mit Regalwänden förmlich ausgekleidet. Hier lagert die Essenz des Lokals, Weine aus sämtlichen Regionen Italiens, deren Angebot studiert und im Sortiments- und Preisvergleich auf kleinen Täfelchen selbst ausgesucht werden kann. Ebenfalls aus unbehandeltem Holz sind die langen Tische und der Boden. Die rohe, unbehandelte, edel-asketische Kupfereiche erweckt gleichzeitig die Empfindung von Dichte und Leichtigkeit, von Masse und Zurückhaltung. Dem unbehandelten Holz werden die Jahrewie vielen Weinen im solo vino- ausgezeichnet bekommen. Die Patina wird es noch verschönern. Als Kontrast wurde die Decke aus dem industriellen Produkt MDF gefertigt. Für die Holzarbeiten verantwortlich zeichnet der Innsbrucker Tischler Gerhard Höckner. Die Stühle sind Entwürfe aus 1926 von Max E. Häfeli, einem Schweizer Architekten der Klassischen Moderne. Das Licht, darunter Pendelleuchten aus gerostetem Stahl, wurde speziell für dieses Lokal in Zusammenarbeit mit Halotech entwickelt.

Der unprätentiöse Umgang mit dem Raum und das feine Gespür für Form und Material verbindet sich hier mit viel passione, eben jener ganz einfachen und gleichzeitig so schwer beschreibbaren irdischen Sinnlichkeit. Diese gelungene Symbiose ist dem solo vino ebenso eigen wie dem solo pasta. Hier trifft in Abwandlung zu: Auf alles ist Bedacht genommen und die Selbstverständlichkeit wirkt befreiend.



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