04. November 2011 - afo architekturforum oberösterreich
Am Beginn unserer Auseinandersetzung mit der Bauaufgabe stand die Untersuchung der Dualität von Mensch & Arbeit bzw. Seelsorge & voestalpine. Da die Arbeitswelt der voestalpine durch alle nur erdenklichen Hochbauformen in den verschiedensten Größen in unmittelbarer Nachbarschaft besetzt ist, war es eine logische Schlussfolgerung, keinen weiteren klassischen Hochbau hinzuzufügen. Vielmehr erschien es uns erstrebenswert, die vorgefundene kleine „Bastion der Natur“ aufzugreifen und als Kontrapunkt zur tektonischen Arbeitswelt zu einer „Oase für die Menschen“ weiter zu kultivieren. Der Bauplatz als grüner, aufgeschütteter Hügel bildete den Ausgangspunkt des Projektes, welcher in weiterer Folge durch Einschnitte und Aushöhlungen das geforderte Raumprogramm aufnimmt.
Über eine sich rampengleich nach unten entwickelnde Furche schält sich das Gebäude frei und öffnet sich mit einer einladenden Geste für die Ankommenden. Die dadurch entstandenen Böschungsflächen legen das ursprüngliche Aufschüttmaterial frei – die Hochofenschlacke der voestalpine – auf der einen Seite als lose geschüttetes Gestein und auf der anderen Seite als Betonfertigteil-Fassadenplatten mit einer Oberfläche aus ausgewaschenen Schlackesteinen für das dahinterliegende Seelsorgezentrum.
Der Vorplatz ist um zwei Meter gegenüber dem bestehenden Straßenniveau abgesenkt und bietet eine ideale Anbindung der auf der selben Ebene liegenden Feier- und Veranstaltungsräume. Diese Absenkung erfüllt darüber hinaus drei weitere essentielle Anforderungen: 1. einen möglichst hohen Grad an Intimität bzw. Schutz vor Einblicken für die im Zentrum Verweilenden bei maximaler Öffnung des Innenraumes zur Natur, 2. das Hinwegstreichen des teilweise sehr intensiven Lärmes über das abgesenkte Zentrum und 3. das Umgehen der Mehrkosten für den erhöhten Gründungsaufwand aufgrund der schlechten Bodenbeschaffenheit.
Die Auseinandersetzung mit Absenken und Aushöhlen zieht sich, auch in Anlehnung an den für die Erzgewinnung nötigen Bergbau und dessen Schutzheilige der Hl. Barbara (sie ist auch die Patronin des neuen Seelsorgezentrums) im Inneren des Gebäudes weiter. Eine über beide Geschosse durchschneidende, sich nach hinten verjüngende Erschließungsschlucht, die mit dem Eingangsbereich beginnt und in einer Treppe ins Gartenniveau des Obergeschosses mündet, leitet den Besucher ins Gebäudeinnere. Die Schlucht gliedert den Bau in zwei Teile: Rechter Hand befindet sich der „gesellschaftlich/sakrale Bereich“ – angefangen mit der Garderobe, über die Bar, den Veranstaltungssaal, bis hin zur Kapelle, linker Hand der um den eingeschnittenen Lichthof angeordnete „dienende, interne Bereich“ mit Büros, Sozialraum, WC, Werkstatt, Technik- und Nebenräumen.
Im Obergeschoss befinden sich zwei Besprechungsräume, eine Einliegerwohnung und der Jugendraum – beide mit eigener Gartenanbindung an den ostseitigen, höhergelegenen Garten – sowie das Gästezimmer. Gerhard Brandl bespielte im Rahmen eines Kunst am Bau-Projektes die Wände der Schlucht mit einer Schriftinstallation („Jeder Arbeiter, jede Arbeiterin ist mehr wert als alles Gold der Erde“) – aufgeteilt in mehrere ca. einen Meter hohe Schriftblöcke in Altrosa. Kapelle, Veranstaltungssaal und Barbereich wurden in Analogie zum Aushöhlen des Erdreiches durch eine polygonale, in Dreiecksflächen aufgelöste Raumschale zu einem kontinuierlichen Raumerlebnis zusammengefasst. Weiß lackierte, unterschiedlich breite Fichtenbretter strahlen, ausgehend von der Wandverkleidung des Bar- und Küchenblocks über die Decke des Barraumes rundum in den Empfangsbereich und weiter in den Veranstaltungssaal aus. Die verschiedenen Feiersituationen und deren Anforderungen führten zu einer fünfeckigen Grundrisskonfiguration. Mithilfe von zwei großen Schiebewänden lässt sich der Gesamtraum in mehrere verschiedene Raumvarianten umbauen. Beide Schiebetüren geschlossen erzeugen drei Einzelraumsituationen – Kapelle, Veranstaltungssaal und Bar. Der Veranstaltungssaal kann durch Aufschieben einer der beiden Schiebewände entweder der Bar (größere Feste, Pensionsfeiern, Hochzeiten) oder der Kapelle (größere liturgische Feiern) zugeschlagen werden. Durch Öffnen beider Schiebewände wird die gesamte Haushälfte zu einem gemeinsamen Feierraum. (Gekürzter Text der Architekten)