Pläne

Details

Adresse
Gritsch Mühle 1, 7092 Winden am See, Österreich
Mitarbeit Architektur
Anja Löffler
Bauherrschaft
Waltraud Bertoni, Wander Bertoni
Tragwerksplanung
Werkraum Ingenieure
Planung
2008 - 2009
Ausführung
2009 - 2010
Grundstücksfläche
13.600 m²
Nutzfläche
180 m²
Bebaute Fläche
100 m²
Umbauter Raum
590 m³

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

Presseschau

04. Oktober 2011Wojciech Czaja
db

Federvieh auf drei Beinen

(SUBTITLE) Eiermuseum in Winden am See

Wie baut man eiergerecht? Diese Frage hatten sich anfangs nicht nur die Architekten in Bezug auf die Form des Eiermuseums gestellt, sondern auch die Bauingenieure, die ein schwingungsfreies Gebäude errichten sollten. Durch die enge Zusammenarbeit der Planer entstand im Burgenland ein Stück Architektur, das in konstruktiver Hinsicht und aufgrund seiner beeindruckenden Gestalt selbst schon ein Kunstwerk ist.

Wie baut man eiergerecht? Diese Frage hatten sich anfangs nicht nur die Architekten in Bezug auf die Form des Eiermuseums gestellt, sondern auch die Bauingenieure, die ein schwingungsfreies Gebäude errichten sollten. Durch die enge Zusammenarbeit der Planer entstand im Burgenland ein Stück Architektur, das in konstruktiver Hinsicht und aufgrund seiner beeindruckenden Gestalt selbst schon ein Kunstwerk ist.

Die meisten schlagen sie sich in die Pfanne und machen daraus ein schmackhaftes Gericht. Der österreichische Bildhauer Wander Bertoni will sie nicht essen, er sammelt sie viel lieber: Eier. »Das Ei ist eine faszinierende Skulptur«, erklärt er. »Die geometrisch einfachste und perfekteste Form, die in der Natur vorkommt, ist die Kugel. Sobald man eine gewisse Kraft ausübt und sie einmal verformt, erhält man ein Ei.«

Rund 4 500 dieser Urskulpturen hat Bertoni in den letzten Jahrzehnten angesammelt. Hühnereier, Enteneier, Straußeneier, ja sogar Dinosauriereier, manche perlenbesetzt, manche handbemalt, manche mit ruhiger Feile millimetergenau geschnitzt. Doch nur die wenigsten Eier sind echt. Die meisten sind aufwendig hergestellte Artefakte aus vielen unterschiedlichen Kulturkreisen, sie sind aus Stoff, aus Stein oder aus Porzellan, sie kommen aus dem Nachbardorf oder von weit her. Die längste Zeit wurden sie in irgendwelchen Kartons gehortet, aufgeteilt auf mehrere Ateliers, verstreut in ganz Österreich. Vor ein paar Jahren wurde es Bertoni zu viel: Er beschloss, für seine ungewöhnliche Sammlung ein Eiermuseum zu errichten.

Kanten als Kontrast zum Ei

Der Architekt Johannes Spalt (1920-2010), der auf dem friedvollen Anwesen in Winden am See, nur einen Steinwurf vom Neusiedler See und damit von einem der begehrtesten Ausflugsziele der Wiener entfernt, schon eine Werkstätte und ein Ateliergebäude für Bertoni geplant hatte, war für diese Bauaufgabe damals schon zu alt. Er empfahl den Bauherrn daher an seine ehemaligen Schüler Alexander Hagner und Ulrike Schartner vom Wiener Architekturbüro gaupenraub. Prompt machten sich die beiden Eierdebütanten an die Arbeit, studierten Spalts bisherige Bauten auf dem Gelände, recherchierten sich durch die Welt der Eier und kamen schließlich zu dem Schluss, dass 4 500 Eier bereits genug sind. Da muss nicht noch ein weiteres in Funktion eines Gebäudes her: »Natürlich liegt der Gedanke nahe, dass man ein Eiermuseum in Eierform macht«, so Hagner. »Aber so ein Bau wäre nicht nur ziemlich einfallslos und plump gewesen, sondern würde auch in Konkurrenz zur Eiersammlung und zu den vielen organischen Arbeiten in Bertonis Skulpturengarten stehen. Für uns war bald klar, dass wir nicht amorph, sondern eckig arbeiten müssen.« ›

Form folgt Tageslicht

Das Resultat dieser Überlegungen ist ein quadratischer Pavillon mit einer Grundfläche von 10 x 10 m. Wer glaubt, es handle sich dabei um einen schnöden Eierkarton, der irrt. Über einem voll verglasten EG schwebt ein kupferbekleideter Baukörper mit im Bodenbereich abgeschrägtem Fensterband und steil geböschten Wänden. Die eigenwillige Form folgt nicht nur der Funktion, sondern auch der Belichtung: Während von unten indirektes Tageslicht ins OG dringt, können auf Augenhöhe die Eier bestaunt werden.

»Die Aufteilung der 4 500 Ausstellungsstücke folgt einem klaren Prinzip«, erklärt Hagner. Im transparenten EG – man steht quasi mitten in der Natur – sind die etwas robusteren Ausstellungsstücke zu sehen. Ei vor landschaftlichem Hintergrund. Die von der Decke abgehängten Vitrinen tricksen einmal mehr die Schwerkraft aus. Im lichtgeschützten OG hingegen kann Bertoni die etwas lichtempfindlicheren, großteils historischen oder handbemalten Eier zur Schau stellen. Eigens entwickelte Holzvitrinen, die mal wie ein Bauchladen in den Raum ragen, mal kopfüber in die schräge Außenwand eingebaut sind, bergen einen Großteil der Unikate. »Eigentlich ist die Aufteilung ganz logisch«, meint Hagner. »Schwierig war nur die Berechnung der tatsächlich benötigten Fläche. Kein Mensch kann einem sagen, wie viel Platz man für 4 500 Eier braucht. Das steht auch in keiner Neufert Bauentwurfslehre.«

Das eierlegende Haus

Doch der tatsächliche Clou dieses Gebäudes ist sein Tragwerk. Wie ein Federtier auf zwei Beinen balanciert das Museum auf zwei geneigten Stahlsäulen, einzig gestützt durch den ebenfalls tragfähigen Treppenlauf. »Ein übliches Traggerüst mit Stützen und Platte kam für uns nicht in Frage«, so gaupenraub. »Wir haben uns von der Natur inspirieren lassen und gesehen, dass die meisten eierlegenden Tiere auf zwei Beinen durchs Leben gehen. In der Natur ist das ganz einfach. In der Architektur aber ist das eine ziemliche Challenge.« Und das sieht man auch. Beim Besichtigungstermin vor Ort streift ein burgenländischer Bauingenieur durch das Museum. »Haben Sie das etwa geplant? Wahnsinn! So eine schlanke Konstruktion habe ich ja noch nie gesehen!« Ein Schulterklopfen unter Kollegen. Hagner grinst.

Doch ohne das Statikbüro werkraum wien, das im Hintergrund die diffizilen Berechnungen anstellte, wäre das Projekt niemals realisierbar gewesen. »Es ist ein kleines, aber sehr komplexes Bauwerk«, erklärt der zuständige Tragwerksplaner Peter Bauer. »Unsere Computer waren oft einen halben Tag lang ausgelastet. Das passiert uns sonst nur bei Großprojekten.« Durch die dreibeinige Konstruktion wäre das Gebäude zwar stabil gewesen, nicht aber resistent gegen Schwingungen durch Windkräfte und trampelnde Besuchergruppen. »Der Bauherr wünschte sich für seine Eier ein komplett schwingungsfreies Gebäude, also mussten wir sämtliche Nutzlastverteilungen in die Berechnung miteinbeziehen und die Konstruktion so weit vorspannen, dass im Alltag keinerlei Schwingungen auftreten.«

Konkret sieht das so aus: Die beiden geneigten Stahlstützen haben einen Durchmesser von 400 mm, ihre Wanddicke beträgt je nach Belastung 20 bzw. 50 mm. Gemeinsam mit der diagonal in den Raum gestellten, einläufigen Treppe, die als Kastenträger ausgebildet ist (zusammengeschweißt aus einzelnen Blechen), entsteht ein stabiles Dreibein. Darüber befindet sich, gleich einer gigantischen Obstschale, ein Rahmenwerk aus Stahlträgern, das an den Rändern aufgekantet ist und auf diese Weise gleichzeitig als Unterkonstruktion für die »Nurverglasung« im Bodenbereich dient. Der Rest des Gebäudes besteht aus einer hinterlüfteten Holzkonstruktion aus Kreuzlagenholz (KLH), eingepackt in ein abschließendes Kleid aus Kupferblech.

Torsion und Schüsselung

Im Rohbau musste die gesamte Konstruktion leicht gewölbt und mit einer Überhöhung von 60 mm ausgeführt werden. Der Stahlbau hat sich, wie man in Österreich so schön sagt, nach oben »geschüsselt«. Das war Absicht. Erst durch die insgesamt 27 Zugstangen im EG, die im Innenraum ein paar Zentimeter vor der Glasebene schweben, wird das OG nach unten gezogen. In jeder einzelnen Zugstange stecken 5 t Zugkraft. Durch die asymmetrische Positionierung des Dreibeins hat sich das Gebäude während des Spannvorgangs um 5 cm um die eigene Achse gedreht. Auch diese Torsion musste von Anfang an berücksichtigt werden.

»Das Ganze ist ein gewaltiger Kraftakt, doch dank dieser Vorspannung ist das gesamte Eiermuseum nun erschütterungsfreie Zone«, erklärt Peter Bauer. Der letzte Trick liegt in der 30 cm dicken Fundamentplatte. »Normalerweise müsste man die Zugkraft in entsprechend großen Punkt- oder Streifenfundamenten aufnehmen. Wir haben stattdessen die Fundamentplatte entsprechend stark bewehrt, und zwar nicht oben, wo sich die Zugzone üblicherweise befindet, sondern an der Untersohle. Der Kräfteverlauf ist in diesem Projekt eben komplett auf den Kopf gestellt.«

Das Unmögliche möglich

Ungewöhnlich in diesem durch und durch eierspezifischem Projekt – sogar die selbstverständlich weiß lackierten Scheinwerfer weisen eine ovoide Form auf – ist nicht zuletzt das Haustechnik-Konzept. Die Verglasung ist einfach, es gibt weder Wärmedämmung noch Kühlung und Beheizung. Horizontale Fugen im EG sorgen für Frischluft, abgesaugt wird die verbrauchte Luft schließlich im höchsten Punkt unter Dach. Das war’s. »Die Eier sind ziemlich resistent, also herrscht im Museum das ganze Jahr über mehr oder weniger Außentemperatur«, erklärt Hagner. Und verweist auf einen Bonuspunkt dieses minimalistischen Konzepts: »In den meisten Projekten muss man sich mit komplizierten Details herumschlagen und mühsam Wärmebrücken vermeiden. Hier konnten wir archaische und ganz simple Stahldetails verwenden, wie man sie heute kaum noch sieht. Das war ein seltener Genuss.«

Keine Frage, das Eiermuseum in Winden am See ist eine konzeptionelle Hirngeburt. Es gibt kein einziges nachvollziehbares Argument, das den Einsatz von 18 t Stahl rechtfertigt, nur um ein paar Eier in den Himmel zu heben. Und billig dürfte das Haus auch nicht gewesen sein. Die Bausumme wird geheim gehalten. Fragile Angelegenheit. Letztlich aber fügt sich Bertonis ungewöhnlicher Eierpalast perfekt in das gesamtkünstlerische Konzept seines Wohn- und Arbeitsreichs und beweist, dass das Unmögliche möglich ist, wenn man es nur will. So gesehen ist das Museum mehr Kunst als Architektur. Und zwar Kunst sowohl im Sinne konzeptionellen Arbeitens als auch im Sinne handwerklichen Talents.



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15. Dezember 2010Anne Isopp
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Immer unter Spannung

(SUBTITLE) Eiermuseum am Neusiedlersee

Ein Ei ist rund. Zumindest, wenn man es von oben betrachtet. Das heißt aber noch lange nicht, dass ein Eiermuseum auch auf einem runden Grundriss beruhen muss. Das Museum für die Eiersammlung des Wander Bertoni jedenfalls ist quadratisch. Und das ist gut so.

Ein Ei ist rund. Zumindest, wenn man es von oben betrachtet. Das heißt aber noch lange nicht, dass ein Eiermuseum auch auf einem runden Grundriss beruhen muss. Das Museum für die Eiersammlung des Wander Bertoni jedenfalls ist quadratisch. Und das ist gut so.

Seit seinem zwanzigsten Lebensjahr sammelt der österreichische Künstler Eier. An die 4.000 Stück hat er inzwischen beisammen: große und kleine, steinerne, gläserne, metallene und solche aus Porzellan. Nicht in Kartons wollten er und seine Frau Waltraud die Sammlung ihren Nachkommen überlassen, sondern in einem würdigen Rahmen. So entstand die Idee zum Eiermuseum.

Die Architekten gaupenraub haben viel Zeit investiert, um dem Ort, den Wünschen des Bauherrn sowie den Ausstellungsobjekten gerecht zu werden. Allein der Ort, an dem das Eiermuseum steht, ist etwas Besonderes: 1965 erwarb Wander Bertoni inmitten von Weingärten in Winden am Neusiedlersee eine leer stehende Wassermühle mit angrenzendem Wohnhaus und Scheune. Nach und nach restaurierte und adaptierte er liebevoll alle Gebäude. 2001 ließ er sich von dem befreundeten Architekten Johannes Spalt einen Ausstellungspavillon gleich neben seiner Werkstatt errichten. Kurz darauf entstand die Idee, auch für die Eiersammlung ein Gebäude zu schaffen. Der inzwischen verstorbene Johannes Spalt zeichnete damals auf einer Papierserviette auf, welche Art von Gebäude er sich vorstellte: einen runden, zweigeschossigen Pavillon.

Er schlug Wander Bertoni vor, die Aufgabe seinen ehemaligen Schülern Alexander Hagner und Ulrike Schartner vom Wiener Büro gaupenraub zu übertragen. Diese befreiten sich ziemlich schnell von der Skizze ihres Lehrers und konnten den Bauherrn von einer eigenständigen, für den Ort und die Aufgabe adäquaten architektonischen Lösung überzeugen. Der Neubau ist nun quadratisch und zweigeschossig. Das Erdgeschoss ist vollkommen verglast und fungiert als Vitrine. Zwei schräg gestellte Stahlstützen und eine Stahltreppe sowie in der Fassadenebene angeordnete Zugstangen tragen das Obergeschoss samt Dach. Dieses ist fensterlos, in den oberen Ausstellungsraum dringt indirektes Licht lediglich über die Schrägverglasung, die die Erdgeschossfassade mit dem weit auskragenden Dachaufsatz verbindet.

Wo sonst Schwingungen in einer Deckenkonstruktion normal sind, waren diese hier aufgrund der fragilen Ausstellungsobjekte absolut unerwünscht. Wenn man aber eine quadratische Decke auf drei Stützen oder eben wie hier auf zwei Stützen und eine Treppe stellt, dann gibt es immer mindestens eine Ecke, die weit auskragt. Um auch diese nun frei von Schwingungen zu bekommen, hätte man die tragende Konstruktion um einiges dicker machen oder doch auf Außenstützen zurückgreifen müssen. Beides aber wollten die Architekten auf keinen Fall. Die Lösung, die sie mit Peter Bauer vom Statikbüro werkraum wien entwickelten, erscheint im Nachhinein simpel, doch steckt ein intensiver Planungsprozess dahinter: Die gesamte Stahlkonstruktion ist vorverformt und wird erst mithilfe von Zugstangen in der Fassadenebene in die horizontale Lage gebracht. Die Konstruktion steht damit immer unter der zu erwartenden Maximallast, und wer darauf geht, entlastet das Gebäude. Auf der Suche nach einer materialgerechten Konstruktion mit zugleich schlanken Querschnitten führte der Weg die beteiligten Planer nicht nur zu einer Mischkonstruktion aus Holz und Stahl, sondern auch zur Vorspannung: Deren Vorteil ist, so Bauer, dass man die Materialquerschnitte ausnutzen kann und eine hundertprozentige Materialminimierung bei gleichzeitig geringstmöglichen Verformungen hat. Doch Vorspannung bedeutet eben auch immer einen großen Planungsaufwand.

Die Stahlkonstruktion wurde an jedem Punkt etwas überhöht errichtet und mithilfe der Stahlstangen in die richtige Position gebracht. Die Dachkonstruktion aus Holz bringt bei gleichzeitig geringem Gewicht die nötige Randaussteifung der Plattform in das System. Die Architekten und der Statiker wollten diese zuerst als Fachwerk errichten, doch dem hinzugezogenen Zimmermann war die Vorstellung, eine Fachwerkkonstruktion vorzuverformen, nicht geheuer. Denn diese hätte nicht nur vertikal entsprechend der Stahlplattform vorverformt, son- dern auch leicht versetzt aufgestellt werden müssen, da sich die Decke unter Vorspannung auch horizontal verdreht. Deshalb schlug er eine Brettsperrholzkonstruktion für die Dachschrägen vor und eine klassische Sparrenkonstruktion als Abschluss.

„Wenn man einem Gebäude zuhören und darauf eingehen will, was es braucht, dann heißt das auch, dass man bereit ist, sehr viel mehr Planungszeit hineinzustecken“, sagt Peter Bauer. „Das unterscheidet dieses Konzept von einem traditionellen Weg, bei dem man Abkürzungen gehen kann, weil man es schon öfters gemacht hat.“ Der Aufwand hat sich gelohnt: Einen besseren Aufbewahrungsort für seine Objekte als dieses präzise geformte Schmuckkästchen kann man sich als Sammler gar nicht wünschen.



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25. September 2010Maik Novotny
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Die Quadratur des Eies

Mit dem Eiermuseum in Winden am See, errichtet vom Architekturbüro gaupenraub, machte sich Bildhauer Wander Bertoni das schönste Geschenk zum 85. Geburtstag.

Mit dem Eiermuseum in Winden am See, errichtet vom Architekturbüro gaupenraub, machte sich Bildhauer Wander Bertoni das schönste Geschenk zum 85. Geburtstag.

Der neueste Eintrag im Katalog trägt die Nummer 3627. Material Holz, Farbe Rot, Herkunft Moskau. Ein Ei. Wander Bertoni hat es vor wenigen Tagen von einer Russlandreise mitgebracht und wie alle anderen Eier in akkurater Handschrift in seinem karierten Heft archiviert.

Unter den tausenden Eiern - die meisten sind aus Holz, Keramik oder Glas - finden sich auch kultische Phallusobjekte aus indischen Tempeln, perlenbesetzte Hühnereier aus Rumänien, Dinosauriereier (sowohl echte als auch Kitschobjekte aus Porzellan) und sogar eierförmige Handgranaten. Der italienische Bildhauer - demnächst feiert er seinen 85. Geburtstag - sammelt schon seit den Fünfzigerjahren. Die Faszination hält nach wie vor an: „Die geometrisch einfachste Form ist die Kugel“, meint er, „einmal verformt erhält man ein Ei.“

Nachdem die Eier Jahrzehnte lang in verschiedenen Lagern vor sich hin geschlummert hatten, beschloss Bertoni, dass etwas geschehen musste. Und zwar noch zu seinen Lebzeiten. Der Plan, die Sammlung der Stadt Wien zu schenken, wurde wieder verworfen. Stattdessen schenkte sich Bertoni zum bevorstehenden Geburtstag einfach selbst ein Museum.

Architekt Johannes Spalt, der die alte Scheune zur Werkstatt adaptiert und später um ein Museum für Bertonis Großskulpturen ergänzt hatte, skizzierte einen ersten Entwurf, konnte ihn aufgrund seines hohen Alters aber nicht ausführen. „Daraufhin hat er mir zwei seiner ehemaligen Schüler empfohlen“, erinnert sich Bertoni, „ein Mädchen und einen Burschen.“ Die so jugendlich Titulierten, Ulrike Schartner und Alexander Hagner vom Wiener Architekturbüro gaupenraub, begannen sofort, sich in die Materie Ei zu vertiefen.

Es stellte sich bald heraus, dass fast alle Eiermuseen, die es weltweit gibt, naheliegenderweise eiförmig sind. Auch Spalts Skizze wies - anders als seine sonstigen orthogonal gerasterten Bauten - eine deutlich runde Form auf. „Die Konkurrenz zu den Skulpturen Bertonis wäre viel zu stark gewesen“, erklärt Hagner. Und so löste man sich von den Vorgaben des Lehrers und stieß im Zuge neuerlicher Eierrecherchen bald auf die Grundform eines ebenso spiegelsymmetrischen Quadrats.

Der Entwurf der beiden Architekten sah ein transparentes, verglastes Erdgeschoß mit einer geschlossenen Haube aus Kupferblech vor. Der gewagte Clou daran: Das Museum sollte wie ein Vogel nicht auf vier, sondern auf zwei Beinen stehen. Während der Statiker zu rechnen begann, holten die Architekten - so lautete Bertonis Bedingung - die Erlaubnis von Johannes Spalt ein.

„Wir waren nervös und sind wie die Schüler zu ihm hingepilgert“, erinnern sich Hagner und Schartner. Die Nervosität erwies sich als unbegründet. Ihr ehemaliger Lehrer war begeistert und ebnete damit den Weg für das Museum im Calimero-Look. Immerhin handelt es sich dabei um den ersten freistehenden Bau für die Architekten.

Die zweibeinige Statik des Gebäudes erwies sich als Herausforderung der Güteklasse A. In Kombination mit der elegant kantigen Stiege balancieren die zwei schräg in den Raum gestellten Stützen das gesamte Obergeschoß. 27 dünne Zugstäbe verankern die Konstruktion im Boden und hindern das Bauwerk auf diese Weise am Abheben.

„Unglaublich“, sagt Bertoni, „30 Tonnen Stahl für 300 Kilo Eier!“ Während des neunmonatigen Bauprozesses hatte der Bildhauer jede Menge Albträume, in denen die gewagte Konstruktion in sich zusammenfiel.

Pavillon unter Spannung

Alles lief nach Plan. Die präzise vorverformten Bauteile schnurrten zentimetergenau in ihre vorgesehene Position. Ganz selbstverständlich, als wäre es schon immer Teil des Ensembles gewesen, ruht das fertige Haus in seinem grünen Nest, zwischen zahlreichen Obstbäumen und einem von Bertoni in langjährigem Hemingway'schen Kampf zum Baum verformten Hollerstrauch. Wenn auch nicht in der Form, so ähnelt es doch im Charakter einem Ei: zart und fragil, stets unter Spannung stehend und doch in sich ruhend.

Die Zweiteilung der Ausstellungsräume auf dem Grundraster von zehn mal zehn Metern ergab sich aus den Besonderheiten der Sammlung. Fein säuberlich lassen sich die Exponate in weitestgehend unempfindliche und besonders lichtscheue Stücke teilen. Erstere stehen und liegen nun im vollverglasten Erdgeschoß in abgehängten Vitrinen.

Die wahre Raffinesse erwartet einen im ersten Stock: Für die empfindlichen und liegend zu lagernden ovoiden Schmuckstücke wurden handliche Passformen entwickelt, die sich wie in einem Setzkasten flexibel gruppieren lassen. Und da man Eier nicht wie Bilder einfach an die Wand nageln kann, wurden Metallstäbe in die hohlen Exponate gesteckt, die dann per Magnet direkt an Ort und Stelle gehalten werden.

In benutzerfreundlicher Augenhöhe sind die Schaukästen an der Innenseite des herausgeklappten Daches aneinandergereiht. Darunter lässt eine umlaufende Glasfuge Tageslicht von unten herein, ohne die lichtempfindlichen Eier zu blenden. Durch dieses Aufweiten und Erhellen wirkt der weiß gehaltene Raum - ganz so wie die Innenseite einer Eierschale - trotz gleicher Grundfläche erheblich größer als das gläserne Erdgeschoß.

Zwei Wochen vor dem Geburtstagsfest sind zwar noch nicht alle Eier einsortiert, aber der Bildhauer und seine Frau Waltraudt Bertoni, die die Sammlung kuratiert, sind von ihrem Museum längst begeistert. Und auch die Windener haben schon die ersten wohlwollenden Blicke darauf geworfen. „Besonders freut mich, dass das Eiermuseum auch den einfachen Leuten aus dem Ort gefällt“, so Bertoni. „Das ist für mich das Allerwichtigste.“

Dass das Museum bereits mit dem Architekturpreis des Landes Burgenland ausgezeichnet wurde, ist ein besonderes Zuckerl. Für die Wettbewerbseinreichung hatten die Architekten eigens ein in perfekte Quadratform hineingebratenes Spiegelei zubereitet. „Die Eier, die wir beim Experimentieren verwendet haben, wollte niemand essen“, sagt Alexander Hagner, „mit der Folge, dass ich jetzt vorerst keine Lust mehr auf Spiegeleier habe.“ - Ein verkraftbarer Wermutstropfen angesichts der rundum gelungenen Quadratur.

14. August 2010Iris Meder
Spectrum

Gläsernes Nest für 4000 Eier

Wie eine riesige Vitrine, die über dem Boden schwebt, sieht es aus, das neue Eiermuseum im burgenländischen Winden am See. Sehenswert!

Wie eine riesige Vitrine, die über dem Boden schwebt, sieht es aus, das neue Eiermuseum im burgenländischen Winden am See. Sehenswert!

Ein Bauherr, der durch sukzessives Ankaufen schmaler „Hosenträgergrundstücke“ Besitzer eines von einem Quellbächlein idyllisch durchzogenen Mühlengrundstücks in Winden am See im Nordburgenland geworden ist. Der in seinem Leben schon mit einigen Größen der österreichischen Architektur zusammengearbeitet hat. Der aus einer anhaltenden Faszination heraus in 50 Jahren rund 4000 eiförmige Objekte aus aller Welt und allen Epochen zusammengetragen hat. Und der das motorisierte Rasenmähen als meditative Tätigkeit und Inspiration seines eigenen künstlerischen Schaffens nicht missen möchte.

Alle diese Faktoren, neben anderen, prägten die Ausformung eines Baus, bei dem Bauherren und Architekten schlussendlich in kongenialer Weise zusammengefunden haben. Vor mehr als 50 Jahren, 1955, baute Roland Rainer das Grinzinger Atelierhaus des Bildhauers Wander Bertoni. Der Wunsch nach einem geräumigeren Atelier für großformatige Arbeiten führte zum Erwerb jener Mühle aus dem 19. Jahrhundert, die sich nach jahrzehntelanger Restaurierung heute als Teil eines ziemlich singulären Freilicht-Museums-Arbeits-Wohn-Ensembles präsentiert.

Der Adaptierung der großen Steinscheune zum Atelier folgte 1991 ein Galeriezubau durch Johannes Spalt. Der 2000 ebenfalls von Spalt entworfene frei stehende Museumsbau, eine leichte ebenerdige Holzkonstruktion mit verglastem Atriumhof, machte das Mühlen-Areal zu einem spannungsreichen Ensemble miteinander korrespondierender Einzelbauten, zu dem auch die spiegelnde Wasserfläche des kleinen Quellteichs gehört. Über niedrige Steinmäuerchen geht der Blick in die Weinberge. Museumsbesucher bleiben am Weg stehen, betreten zögernd den Hof und werden vom in der Galerie mittagessenden Ehepaar Bertoni freundlich eingeladen, doch nur hereinzukommen.

Seit Kurzem ist das Areal um einen das Ensemble komplettierenden Neubau bereichert. Gefragt war eine Herberge für die von Waltraudt Bertoni kuratorisch betreute Eiersammlung. Auf der planerischen Seite des Neubauvorhabens, das Wander Bertoni sich selbst (nach dem Museum zum 75.) zum demnächst anstehenden 85. Geburtstag schenkt, stand das Wiener Büro gaupenraub. Der ursprüngliche Gedanke, die beiden Spalt-Schüler Alexander Hagner und Ulrike Schartner Spalts Skizze eines Rundbaus ausarbeiten zu lassen, wurde während des Planungsprozesses aufgegeben. Eine Änderung des vorgesehenen Standortes ging mit einer architektonischen Neukonzeption einher, die am Ende auch Johannes Spalts Zustimmung fand.

Der Bau, ein Quadrat von zehn mal zehn Quadratmetern, präsentiert sich als im Erdgeschoß vollständig verglaste Vitrine, die es erlaubt, die Objekte in von der Decke abgehängten Regalen auch von außen zu betrachten, ohne das Innere des Gebäudes zu betreten. Darüber sitzt ein auskragendes Obergeschoß in Form einer Empore, auf der in speziellen Display-Modulen lichtempflindlichere bemalte Eier ausgestellt sind. Andere werden schon bald, mit Magneten unsichtbar befestigt, kopfüber an überhängenden Ausstellungsflächen schweben. Eine Leseecke mit Bücherregal ergänzt die intime Emporenzone, die ihre spezielle Lichtsituation durch ein schräg nach außen gekipptes Fensterband über dem Fußboden erhält. Der Blick geht so auch immer wieder zum Grün rundum.

Trotz der optischen Massivität des kupferblechverkleideten Holzdaches scheint der gesamte, in mattem Weiß gehaltene Raum schwerelos in seiner Umgebung zu balancieren. Auch das Mobiliar berührt den Fußboden nicht, mit Ausnahme zweier Vitrinen, die in den Dreißigerjahren vom Architekten Walter Loos entworfen wurden.

Konstruktiv ist das Gebäude – kongeniale Leistung des Statikbüros Werkraum Wien – hinter seinen Glasflächen durch dünne Edelstahl-Zugstangen in seiner Stahlbeton-Bodenplatte verankert. Man möchte glauben, es würde sonst abheben wie eine Montgolfière. Grundgedanke war der Wunsch der Architekten, einerseits im Erdgeschoß den grandiosen Blick in die Weinberge nicht aufzuhalten und andererseits mit dem schützenden Obergeschoß auf die Wuchsform der umgebenden knorrigen Baumkronen zu antworten.

Wichtig war dabei, den Bau eindeutig architektonisch und nicht bauplastisch zu definieren, um nicht mit Bertonis im Gelände verteilten stelenartigen Skulpturen zu konkurrieren. Nicht zuletzt deshalb entschied man sich für die per se introvertierte, statische Form des Quadrats. Das „Spalt-Dach“ mit weit heruntergezogenen Rändern ist dabei ebenso eine Hommage an den Lehrer wie das – durch die Schräge neu interpretierte – Lichtband über der Traufe, das entscheidend zur angestrebten Großzügigkeit und Leichtigkeit beiträgt.

Einziger augenzwinkernder Bezugspunkt zum Thema Ei (beziehungsweise Vogel) ist die „Zweibeinigkeit“ der Konstruktion, die auf zwei – in Analogie zu den windgeformten Bäumen des Ortes Winden – schräg stehenden Stahlstützen ruht. Sie werden ergänzt durch die dritte Stütze der diagonal auf die Empore führenden Stiege – mit ihren weiß gebürsteten Lärchenschichtholz-Stufen gemäß dem Wunsch des Bauherrn eine bequeme, einladende Treppe, die man gern beschreitet. Wie das von Friedrich Kurrent, einem alten Freund der Bertonis, im Nachbarort Sommerein gebaute Maria-Biljan-Bilger-Museum ist die Bertoni'sche Eiersammlung ein Low-Tech-Bau, ohne Heizung oder gar Klimaanlage, ohne fließendes Wasser; die Haustechnik beschränkt sich auf einen Stromanschluss für die Beleuchtung der Vitrinen auf der Empore.

Das Bauen buchstäblich „auf grüner Wiese“ schien Alexander Hagner – auch hier liegt ein Bezugspunkt zur Wiener Tradition der kritischen Moderne – eigentlich weniger interessant als das Sich-Reiben am Bestand. Der – nach mehreren Um- und Zubauten – erste frei stehende Bau des Büros gaupenraub wurde indessen kurz nach seiner Fertigstellung bereits mit dem Architekturpreis Burgenland ausgezeichnet. Das Projekt wäre nicht denkbar ohne seine ebenso gastfreundlichen und aufgeschlossenen wie auch kritischen Auftraggeber. „Normaler könnte ich mir das Verhältnis zwischen Architekten und Bauherren nicht vorstellen“, resumiert Architekt Alexander Hagner.

Entlang der von innen nach außen durchgehenden runden Stahlbeton-Bodenplatte des Eiermuseums zieht derweil Wander Bertoni ungehindert seine Rasenmähtraktor-Kreise um den Bau. Es ist, als wäre es schon immer so gewesen.

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