Pläne

Details

Adresse
Untere Hauptstrasse 26, 3495 Rohrendorf bei Krems, Österreich
Bauherrschaft
Gemeinde Rohrendorf
Fotografie
Lisa Rastl
Funktion
Bildung
Wettbewerb
2007
Ausführung
2007 - 2008

Publikationen

Die Presse, Spectrum, 25.04.2009, Franziska Leeb
Schule & Sportstätte/ÖISS, Nr. 03/09, Brigitte Rabl
Architektur & Bauforum, 15.09.2009, Elke Krasny

In nextroom dokumentiert:
Zuschnitt, Im Kindergarten, proHolz Austria, Wien 2010.

Presseschau

16. März 2010Franziska Leeb
zuschnitt

Welche Räume sind uns die Kinder wert?

Wohl kaum zuvor war das Thema der Kinderbetreuung im Vorschulalter auf der politischen Agenda Österreichs so präsent wie in den vergangenen anderthalb...

Wohl kaum zuvor war das Thema der Kinderbetreuung im Vorschulalter auf der politischen Agenda Österreichs so präsent wie in den vergangenen anderthalb...

Wohl kaum zuvor war das Thema der Kinderbetreuung im Vorschulalter auf der politischen Agenda Österreichs so präsent wie in den vergangenen anderthalb Jahren. Ab 2009 bzw. 2010 ist der Kindergartenbesuch in Österreich für alle Fünfjährigen verpflichtend 1 und halbtags gratis, wobei der Föderalismus eifrig gepflegt wird und in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen gelten, ab welchem Alter und in welchem Ausmaß Kostenfreiheit gewährt wird. Allein in Niederösterreich sind bereits 400 neue Kindergartengruppen in Betrieb gegangen, stolze 250 Millionen Euro wurden investiert.

Im Zuge der stark ideologisch geführten Debatte um die Rahmenbedingungen der Betreuung von Kindern im Vorschulalter trat die Frage nach adäquaten Räumen bloß am Rande in Erscheinung und wurde im Wesentlichen nur in der Architekturpresse 2 thematisiert. Nüchtern betrachtet sollten sich aus den politischen Initiativen für einen raschen Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen zwei Annahmen ableiten lassen:

Annahme eins: Wenn die Beteuerungen, der Kindergarten sei keine Aufbewahrungsanstalt, sondern eine pädagogisch hochwertige Bildungseinrichtung, ernst gemeint sind, dann muss dies auch in baukultureller Hinsicht gelten.

Annahme zwei: Die flotte Umsetzung neuer gesetzlicher Rahmenbedingungen führt zu einer raschen Umsetzung der Bauten. Effiziente Bauweisen, mit denen sich auch in ästhetisch anspruchsvoller Weise und den Kriterien der Humanökologie und Nachhaltigkeit entsprechend arbeiten lässt, müssten demzufolge Hochkonjunktur haben. Eine tolle Chance für Holzbauweisen!

Ernüchterung macht sich breit Die Suche nach ambitionierten Kindergartenbauten aus der jüngsten Zeit endet aber rasch in Ernüchterung. Jene Bauten, die unter dem Siegel „architektonisch wertvoll“ subsumiert werden können, kann selbst ein Vorschulkind an seinen zehn Fingern leicht abzählen. Österreich unternimmt endlich eine Nachjustierung an seinem Bildungssystem und löst damit ein so enormes Bauvolumen aus, wie man es eher in einem Katastrophengebiet als in einem der reichsten Länder der Welt vermuten würde. Ungefähr hundert Kindergartengruppen sollen allein in Niederösterreich bereits in adaptierten Metallcontainern untergebracht sein.

Mobile Kindergärten, kurz „Mobiki“, nennen sich diese auf den ersten Blick attraktiven Lösungen: Die Baukosten sind niedriger als jene fixer Bauten (wobei manche Fachleute daran zweifeln), die Errichtungszeit ist kürzer. Später kann die Gemeinde den vom Land bis zu hundert Prozent geförderten Container anderweitig einsetzen und kommt so kostenlos zu Sportplatzumkleiden oder anderen kommunalen Infrastrukturen. Auf einer Serviceseite der Oberösterreichischen Landesregierung findet sich sogar eine Liste mit dem Titel „Auswahl Container-Firmen die Kindergärten-Lösungen anbieten“ (sic!) 3. Diese erleichtern mit einer Reihe von Serviceangeboten zur einfacheren Abwicklung den Kindergartenerrichtern die Entscheidung. Die Pädagoginnen bemühen sich redlich, das unwirtliche Ambiente dieser Container freundlich zu gestalten. Grundsätzliche Mängel lassen sich damit aber nicht beheben, wie z. B. nicht kindgerechte Parapethöhen, suboptimale klimatische, akustische und atmosphärische Bedingungen.

Lösungen sind vorhanden – aber in Vergessenheit geraten

Beispielhafte Lösungen in Holz, die man allenfalls adaptieren müsste, wären vorhanden. In Wien hat, ermuntert von den Behörden, die sich statt eines Provisoriums ein rasch errichtbares System in Holzbauweise wünschten, das Architekturbüro Schluder/Kastner ein solches entwickelt. Diese Kindertagesheime in der Anton-Schall-Gasse (1992, in Kooperation mit Dietrich/Untertrifaller), in der Schrebergasse (1999) und der Andersengasse (2000) haben bewiesen, dass die Bauweise für die Bauaufgabe ohne qualitative Einbußen funktioniert. Aus derselben Zeit stammt auch das in Holzleimbinder-Konstruktion errichtete Kindertages heim in der Gschweidlgasse (1995) von Geiswinkler & Geiswinkler Architekten. Es wehte in Wien also bereits einmal ein für Holzbauweisen günstiger Wind. Nachfolgeprojekte sind dennoch nicht in Sicht. Es mag an der Uninformiertheit der Zuständigen liegen, dass man an diese Erfahrungen nicht anknüpft. Man kann sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass es die Holzbaubranche verabsäumt hat, das Thema für sich zu besetzen. Immerhin wird das aus einem offenen Wettbewerb hervorgegangene Kindertagesheim in der Schukowitzgasse von Clemens Kirsch in Holzbauweise errichtet; prototypisches Potenzial hat dieses Projekt allerdings wenig. Das vorrangige Argument für den Holzbau war der Zeitdruck. Auch in Niederösterreich sind offene Wettbewerbe dünn gesät. Immer wieder stößt man auf Planungsauswahlverfahren, die nicht dazu angetan sind, Qualität hervorzubringen. Trotzdem kommt es singulär zu herzeigbaren und sogar vorzüglichen Ergebnissen.

Kindergarten mit Vorbildfunktion Eines der herausragenden ist der von Gabu Heindl geplante Kindergartenzubau in Rohrendorf bei Krems. Mit puren, ungekünstelten Materialien schuf sie ein anregendes Umfeld. Dass es kein reiner Holzbau wurde, ist dem Umstand zu schulden, dass die Planungszeit extrem kurz war und aufgrund des angrenzenden Bestandes sehr kontextspezifisch, also wohl auch mit einigem Improvisationstalent zu agieren war. Planung und Bau liefen zum Teil parallel und boten keine Chance für einen Holzsystembau. Die Sheddächer bestehen aus einer Leimbinderkonstruktion. Der Ziegelbau ist in eine Lärchenholzfassade gehüllt. Heindl machte sich die leichte Manipulierbarkeit des Holzes zunutze und integrierte nicht nur Abstellräume in die Fassade. Sie bildete daraus Nischen, Bänke und Sitzgelegenheiten. Hier können die Kinder unter dem auskragenden Dach witterungsgeschützt die Jahreszeiten erleben und haben Gelegenheit, taktile Erfahrungen zu machen und Prozesse der Alterung nachzuvollziehen. Tiefe, breite Fensternischen stehen auch im Inneren als Rückzugsorte mit Gartenblick zur Verfügung. Zusätzliches Licht kommt von oben durch die Sheds oder durch „Lichtkamine“ in den Nebenräumen, die zu beliebten Räumen für das In-den-Himmel-Schauen wurden. Auch bei der Ausstattung wurde Wert auf Qualität gelegt: Geöltes Eichenparkett und – zwar nicht von der Architektin geplante, aber von der Tischlerei Lechner aus Gföhl eigens angefertigte – Vollholzmöbel und Aufbewahrungsboxen aus verschiedenen Holzarten zeugen von Respekt vor den Bedürfnissen der Kinder und der Pädagoginnen. Viel gestalterische Energie floss in das Bemühen, sinnliche Erlebnisse zu stimulieren und dem Kindergartenalltag eine robuste Struktur zur Verfügung zu stellen.

Der Kindergarten ist ein öffentliches Gebäude und hat Vorbildfunktion. Wenn die Kindergartenoffensive auch einen bildungs- und kulturpolitischen Auftrag erfüllen will, darf die gestalterische Qualität der Kindergärten nicht ignoriert werden – egal in welchem Baustoff. Für Holz sind jedenfalls die Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft.

(1) in Kärnten, Niederösterreich und Oberöster-
reich ab September 2009, in allen anderen
Bundesländern ab 2010
(2) Christian Kühn: Ja nur kein Licht ins All, in:
Die Presse, Spectrum, 28.12.2009; Franziska
Leeb: Dem Kind gerecht, nicht kindlich, in:
Die Presse, Spectrum, 24.04.2009;
Elke Krasny: Aufbauend!, www.architektur-bauforum.at/ireds-91723.html
(3) www.ooe-kindernet.at



verknüpfte Zeitschriften
zuschnitt 37 Im Kindergarten

25. April 2009Franziska Leeb
Spectrum

Dem Kind gerecht, nicht kindlich

Viel Husch und Pfusch beim Bau von Kindergärten, doch hin und wieder ein Lichtblick. Zum Beispiel in Rohrendorf bei Krems: ein Bau mit ungekünstelten Materialien und Raum zum In-den-Himmel-Schauen.

Viel Husch und Pfusch beim Bau von Kindergärten, doch hin und wieder ein Lichtblick. Zum Beispiel in Rohrendorf bei Krems: ein Bau mit ungekünstelten Materialien und Raum zum In-den-Himmel-Schauen.

Am Nachmittag gehe sie gern in den neuen Trakt des Kindergartens, um einen Kaffee zu trinken und die Stimmung zu genießen, erzählt Karin Zorn, Leiterin des Kindergartens in Rohrendorf bei Krems mit sichtlichem Stolz auf die Räumlichkeiten. Zu verdanken hat sie diese der Architektin Gabu Heindl, die sich mit ihrem Beitrag in einem geladenen Wettbewerb gegen die Lokalmatadore durchsetzen konnte. Mit puren, ungekünstelten Materialien schuf sie ein Umfeld, das die Bedürfnisse der kleinen Nutzer und ihrer Betreuerinnen perfekt erfüllt, auch wenn die Formensprache auf den ersten Blick nichts Kindliches hat. Kindgerecht ist er dennoch – und wie. Heindl hat großen Wert darauf gelegt, den größten Standortvorteil, den Garten, so zu berücksichtigen, dass er das ganze Jahr über erlebbar ist.

Die neuen Gruppen wurden mittels eines neuen Zugangs im Bauwich zwischen Bestand und benachbarter Feuerwehr angedockt. Dem leicht abfallenden Gelände folgend, leitet ein langer, sich verjüngender Gang als Promenade mit Sogwirkung ins Innere, der auch als Abstandhalter zwischen den „privaten“ Gruppenräumen und dem „öffentlichen“ Foyer wirksam wird. Kein Anstrich, keine Farbe, keine formalen Spielereien treten in Konkurrenz zu den naturgemäß omnipräsenten Spielsachen und Basteleien. Die gestalterische Energie floss vor allem in das Bemühen, sinnliche Erlebnisse zu stimulieren und dem Kindergartenalltag eine robuste Struktur zur Verfügung zu stellen.

Besonders die zum Garten hin orientierten Wände der Gruppenräume haben es in sich. Tiefe Fensternischen stehen als Rückzugsorte zum Basteln und Träumen oder als Mini-Bühnen zur Verfügung. Zusätzliches Licht kommt von oben, einerseits durch die Oberlichten der Scheddächer über den Gruppenräumen, andererseits durch „Lichtkamine“ in den Nebenräumen, die dadurch zu beliebten kontemplativen Räumen zum In-den-Himmel-Schauen wurden.

Die das Gebäude säumende Holzterrasse stellt auch bei matschigem Gartenboden eine brauchbare Aktionsfläche im Freien bereit, und in die Fassade integrierte Abstellräume schlucken alle Gerätschaften, die zum Spielen im Garten benötigt werden. Die Kinder nehmen das Angebot, das auf unaufdringliche Weise da ist, mit großer Selbstverständlichkeit an.

Auch Kindergarteninspektorin Martha Denk ist erfreut über den Zubau und zeigt ihn gerne her. Oft beobachte sie, dass die Sichtweisen der Kinderpädagoginnen und jene der Architekten nicht in Einklang stehen und mehr Vertrauen der einen in die fachliche Kompetenz der anderen wünschenswert wäre. In Rohrendorf hingegen sei das Zusammenspiel zwischen den Akteuren von hohem gegenseitigem Respekt getragen gewesen.

Fast 600 Kindergartengruppen sollen laut Auskunft der Abteilung Kindergarten der Landesregierung bis zum Jahr 2010 in Niederösterreich errichtet werden. 180 Millionen Euro werden investiert, um flächendeckend den Raumbedarf für die Betreuung von Kindern ab zweieinhalb Jahren zu decken. Meist handelt es sich um Zubauten und Adaptierungen, aber auch rund 60 Neubauten werden errichtet. Ob sich die 1000 zusätzlich angeworbenen Betreuerinnen auf ihren neuen Arbeitsplätzen so wohlfühlen werden wie Frau Zorn, ist hingegen nicht garantiert.

Denn obwohl das Land im Rahmen der Kindergartenoffensive tüchtig fördert – zwei Drittel statt des üblichen einen Drittels der Baukosten werden übernommen –, erweisen sich die Gemeinden als knickrige Auftraggeber. Architekten erzählen von geladenen Wettbewerben, bei denen den Teilnehmern für die Ablieferung aufwendiger Beiträge keine oder lächerlich geringe Entschädigungen angeboten werden. In Jurygremien fehlen oft die Fachpreisrichter, und transparente Dokumentationen der Entscheidungsfindungen sind ohnehin rar. Es kommt auch vor, dass zwecks Planerfindung mittels einseitiger „Ausschreibung“ bei einem halben Dutzend Architekten und Baumeistern die Honorarvorstellungen abgefragt werden und dann kurzum der Billigste beauftragt wird. Öffentlich anprangern wollen die meisten Architekten diese Gepflogenheiten nicht, denn für viele kleine und junge Büros sind diese Aufträge aus den Gemeinden die einzige Möglichkeit, zu Referenzprojekten zu kommen. Diese erhöhen wiederum die Chance, zu Wettbewerben für größere öffentliche Projekte geladen zu werden. Sie sehen sich also gezwungen, auch zu nicht kostendeckenden Bedingungen zu arbeiten.

Das Auskommen der Planer soll nicht unsere Sorge sein. Ihre Misere haben sie sich durch die Bereitschaft zu Honorardumping und fehlende Solidarität untereinander im Wesentlichen selbst zuzuschreiben. Es kann auch nicht erwartet werden, dass in Orten, in denen bis dato die Bau- und Vergabekultur aufgrund schlichter Unbedarftheit der Entscheidungsträger kein Thema war, die Kindergartenoffensive zu baukünstlerischenMeilensteinen führen wird. Und es ist umgekehrt auch nicht immer so, dass mangelhaft vorbereitete Wettbewerbe oder Direktbeauftragungen zwangsläufig zu schlechten Resultaten führen. Die interessanteren und zweifellos besseren Ergebnisse gibt es aber bestimmt in jenen wenigen Gemeinden, die ordentlich vorbereitete Verfahren abhalten, zu denen sie der Aufgabe gewachsene Planer einladen. Zumindest sollte man verlangen dürfen, dass öffentliche Gelder für gute Gebäude, die tatsächlich die vollmundig angekündigten Qualitätsverbesserungen erfüllen, eingesetzt werden und nicht zur Förderung der Freunderlwirtschaft. Klar, es ist Eile geboten, und die Gemeinden wollen sich nicht mit umständlichen Verfahren aufhalten. Damit sind aber keine unsauberen Vergabepraktiken und schnell hingepfuschte Bauten zu entschuldigen.

Gabu Heindl wurde dank des gelungenen Zubaus zur Teilnahme an weiteren Wettbewerben gebeten. Eigentlich ein schöner Erfolg für die international tätige Architektin und Theoretikerin, deren Architekturbüro gerade in Schwung kommt. Der eine oder andere Folgeauftrag aus Niederösterreich hätte gut in das Konzept gepasst. Dennoch hat sie zwei Einladungen ausgeschlagen. Nicht ohne sich vorher einerseits gründlich zu überlegen, ob sie sich damit nicht die Aussicht auf weitere Aufträge schon am Beginn verbaue und ob sich die Gemeinden, die sich immerhin dazu durchringen, an eine ihnen noch unbekannte Architektin heranzutreten, vor den Kopf gestoßen fühlen könnten. Ein gewisser Stolz, das Wissen um den Wert der eigenen Arbeit und kollegiale Solidarität haben schließlich gesiegt. Warten wir also ab, wie schädlich es ist, ein starkes Rückgrat zu haben.

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