Pläne

Details

Adresse
Wenzgasse 12, 1130 Wien, Österreich
Bauherrschaft
Julius Beer
Ausführung
1929 - 1931

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Presseschau

01. Februar 2006Ute Woltron
Der Standard

Rettungschance für Juwele moderner Architektur

Die Bedeutung von Baudenkmälern der jüngeren Vergangenheit sickert ins öffentliche Bewusstsein: Wien überlegt den Ankauf einer Josef-Frank-Villa. Und eine Ausstellung zeigt, wie das 20er Haus gerettet werden könnte.

Die Bedeutung von Baudenkmälern der jüngeren Vergangenheit sickert ins öffentliche Bewusstsein: Wien überlegt den Ankauf einer Josef-Frank-Villa. Und eine Ausstellung zeigt, wie das 20er Haus gerettet werden könnte.

Eine der interessantesten und architekturhistorisch wertvollsten Villen der europäischen Moderne steht derzeit in Wien zum Verkauf - und diesmal sieht es so aus, als ob die öffentliche Hand zugreifen und das Objekt in jenen Rang heben wolle, der ihm zusteht.

Die Villa Beer von Josef Frank aus dem Jahr 1930 könnte als - auch im internationalen Vergleich - außergewöhnliches Zentrum für Architekturforschung und Architekturtourismus genutzt werden, sobald sie sich in öffentlichem Besitz befindet.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat den Kauf des derzeit noch in Privatbesitz befindlichen Wohnhauses bereits vergangenen Sommer zur Chefsache erklärt und persönlich die MA 69 mit den Kaufverhandlungen beauftragt.

Unruhe über Verkauf

Das denkmalgeschützte Objekt im 13. Wiener Gemeindebezirk ist laut Schätzgutachten der Gemeinde rund 2,5 Millionen Euro wert, die Differenz zu den von den Besitzern geforderten 3,5 Millionen wird, so Planungsstadtrat Rudolf Schicker zum STANDARD, derzeit ausverhandelt. Schicker ist zuversichtlich: „Ich denke, dass wir klar kommen werden.“ An die Öffentlichkeit sei man vor Kurzem deshalb gegangen, „weil Unruhe im Bezirk über den Verkauf entstanden war“. Schickers MA 19 hat gemeinsam mit dem Architekturzentrum Wien und dessen Chef Dietmar Steiner einen detaillierten Bespielungsplan für das Gebäude ausgearbeitet, denn der Ankauf macht nur dann Sinn, wenn die weitere Nutzung auf betriebswirtschaftlich fundierten Grundfesten ruht und das Verhältnis der Betriebskosten zu den Einnahmen in einem für die Stadt akzeptablen Verhältnis steht.

Die mit 800 m² Wohnfläche großzügig auf vier Ebenen dimensionierte Villa ist laut Friedrich Achleitner die bemerkenswerteste Wohn-Architektur der Zwischenkriegszeit in Wien, sie wird von der internationalen Fachwelt zu den wichtigsten Bauten des 20. Jahrhunderts in Europa gezählt - und sie ist nicht zuletzt auch zeitgeschichtlich von Brisanz.

Der jüdische Architekt Josef Frank plante das Haus 1930 „wie eine Stadt, mit Straßen und Wegen, die zwangsläufig zu Plätzen führen“. Frank emigrierte 1934 nach Schweden, wo er 1967 starb. Seine Auftraggeber Margarethe und Julius Beer, ebenfalls jüdischer Herkunft, flüchteten bereits ein Jahr zuvor in die USA.

Die Eltern der derzeitigen Besitzer erwarben das Anwesen rechtmäßig 1941, und es kann als außerordentlicher Glücksfall gewertet werden, dass sie die Qualitäten der Villa erkannten und bis ins Detail erhielten. Das Haus befindet sich also in tadelloser baulicher Verfassung und so gut wie in seinem Originalzustand, was allein Seltenheitswert hat.

Europaweit sind tatsächlich nur eine Hand voll ähnlicher Objekte erhalten: Tschechien hat die Villa Tugendhat von Ludwig Mies van der Rohe in Brünn für die Öffentlichkeit geöffnet. Die Stadt Prag hat Adolf Loos' Villa Müller restauriert und mit einer Dauerausstellung über den Wiener Architekten bestückt. In Paris steht die Villa la Roche von Le Corbusier zur Besichtigung offen, und das Rietveld-Schröder-Haus in Utrecht von Gerrit Rietveld wird ebenfalls als Architekturmuseum genutzt.

Als möglicher Betreiber der Villa Beer bietet sich das Architekturzentrum Wien an, da man über langjähriges Know-how sowie die nötigen internationalen Kontakte verfügt, um das Baujuwel professionell nutzen und auch vermarkten zu können, denn der europäische Architekturtourismus boomt.

Frank hatte im Exil nicht nur als Architekt, sondern auch als Stoff- und Möbeldesigner für das Stockholmer Einrichtungshaus Svenskt Tenn großen Erfolg. Das Unternehmen produziert seine Entwürfe nach wie vor und wäre - laut ersten Kontakten - an einem Standbein in Wien höchst interessiert. Derzeit ist der Frank-Nachlass zerstreut, einzig die hervorragende Monografie der Kunsthistorikerin Maria Welzig gibt einen Überblick über das Werk des hier zu Lande lange Zeit fast vergessenen Architekten.

[ Maria Welzig, Josef Frank 1885-1967, Verlag Böhlau, Wien ]

24. Dezember 2004Maria Welzig
Spectrum

Die Chance von Hietzing

Einfamilienhäuser der Moderne als Touristenattraktion: in Brünn, in Prag, bei Paris - warum nicht in Wien? Josef Franks „Haus Beer“ wird verkauft. Für einen Erwerb durch die öffentliche Hand: ein Plädoyer.

Einfamilienhäuser der Moderne als Touristenattraktion: in Brünn, in Prag, bei Paris - warum nicht in Wien? Josef Franks „Haus Beer“ wird verkauft. Für einen Erwerb durch die öffentliche Hand: ein Plädoyer.

Eines der bedeutendsten Häuser der Moderne wird derzeit in Wien zum Verkauf angeboten: das Haus Beer von Josef Frank. Hier fanden um 1930 neue Gedanken zur Architektur, zum Raum und zum Leben ihre bauliche Umsetzung. Franks Hauptwerk steht in einer Reihe mit den zeitgleich entstandenen Häusern Tugendhat von Ludwig Mies van der Rohe, Savoye von Le Corbusier und Müller von Adolf Loos. Diese drei Bauten haben der Villa Beer jedoch eines voraus: Die öffentliche Hand erkannte ihren Wert, kaufte sie, setzte sie instand und machte sie der Öffentlichkeit zugänglich. Jetzt besteht durch den Verkauf des Privathauses in der Hietzinger Wenzgasse diese Chance auch für Wien.

Josef Frank realisierte hier sein offenes Raumkonzept, das über konventionelle Geschoß- und Zimmerteilungen hinausgeht. Das Haus Beer entfaltet seinen Reichtum im Inneren und zum Garten hin - wie das japanische Haus, das „mit seinen verschiebbaren Wänden, vergänglich und leicht, beweglich und transparent“ für Frank Vorbild moderner Architektur war. Haus und Garten bilden eine Einheit. Die alten Bäume des parkähnlichen Grundstücks bezog der Architekt beim Bau mit ein. Über bis zu fünf Meter hohe Verglasungen tritt die Natur unmittelbar ins Haus.

Mit der Villa Beer formulierte Josef Frank eine eigene Facette der Moderne. Damals außerhalb des „Bauhaus-Mainstreams“ stehend, scheint dieser Ansatz heute interessanter denn je. „Modern ist nur, was uns vollkommene Freiheit gibt“, sagt Frank 1927. Derzeit laufende internationale Forschungen werden ein vielfältigeres, neues Bild der Moderne ergeben. Mit einer entsprechenden öffentlichen Nutzung des Hauses Beer sollte diese eigenständige Leistung eines jüdisch geprägten Wiener Kulturlebens endlich ihrem Stellenwert entsprechend gewürdigt werden. Das Interesse an Josef Frank ist jedenfalls da, wie jüngst Ausstellungen in New York und Stockholm zeigten. Die moderne Architekturbewegung war ein grenzüberschreitendes, europäisches Projekt - das gibt ihr heute zusätzliche Bedeutung.

Franks Einrichtungskonzept, das er mit einer Gruppe von Architekten in den Zwanzigerjahren zu einem „Neuen Wiener Wohnen“ entwickelte, sah eine individuelle Gestaltung der eigenen Umgebung vor, eine Mischung der Einrichtung aus unterschiedlichen Zeiten und Quellen, eine Berücksichtigung der wechselnden Stimmungen eines Menschen. Den großen Nutzen aus diesen Erkenntnissen zog in der Folge jedoch nicht Österreich, sondern Schweden. Nachdem die Situation für Frank als Juden bereits in den frühen Dreißigerjahren in Österreich untragbar geworden war, emigrierte er nach Stockholm. Er wurde dort mit seinen Designentwürfen begeistert aufgenommen und zum Vater des weltweiten Erfolges schwedischer Einrichtungsweise. Die Emigration - und die nachfolgende Gleichgültigkeit der ehemaligen Heimat - bedeuteten jedoch das Ende von Franks Architektenlaufbahn, seines Lebensplanes.

Was Josef Frank auch heute noch so ergiebig macht, ist die Tiefe seiner Arbeit, die sich, abseits jeglicher Formalismen, aus einer umfassenden kulturellen Sicht speist. So stand der Architekt als Mitglied des „Wiener Kreises“ in engem Austausch mit Spitzenvertretern aus Naturwissenschaft, Nationalökonomie und Philosophie. Lehrreich scheint eine Beschäftigung mit Frank auch durch seine gesellschaftspolitische Auslegung des Berufes, die er als Architekt der Siedlerbewegung ebenso praktizierte wie als Initiator und Leiter der Internationalen Werkbundsiedlung in Wien.

Jede Stadt, jedes Land trachtet danach, bedeutende Bauten der Moderne anzukaufen und öffentlich zu nutzen. Einfamilienhäuser sind dabei die anschaulichsten Beispiele. Denn in dieser Bauaufgabe gelangten die experimentellen Ideen der Moderne am direktesten zur Umsetzung. Und nirgendwo lässt sich das Lebensgefühl einer Zeit besser erfahren.

Selbstverständlich sind die Häuser von Gerrit Rietveld, Mies van der Rohe und Le Corbusier in Utrecht, Brünn und bei Paris öffentlich zugänglich - mit bis zu 15.000 jährlichen Besuchern. Das Fallingwater House von Frank Lloyd Wright (zu dessen Ausstattung ein Sessel nach Entwurf von Josef Frank gehört) zählt zu den größten Touristenattraktionen der USA. Das Wohnhaus von Rudolph M. Schindler in Los Angeles ist als MAK Center for Art and Architecture mittlerweile ein kultureller Brennpunkt. Der Stadt Prag war es in den Neunzigerjahren wert und möglich, Adolf Loos' Haus Müller zu kaufen, vorbildlich zu restaurieren, öffentlich zugänglich zu machen und ein Adolf-Loos-Studienzentrum einzurichten.

Das 700 Quadratmeter große, denkmalgeschützte Haus Beer ist nicht nur in seiner Substanz, sondern auch in seiner Ausstattung erhalten - bis zu den Einbaumöbeln und Beleuchtungskörpern. „Ein einzigartiges Beispiel“, meint Ewald Schedivy vom Bundesdenkmalamt und: „Würde die Villa einen spekulativen Käufer finden, der das Grundstück parzelliert und damit die Symbiose von Haus und Garten zerstört, wäre Franks Intention verloren“.

Die Option auf Erwerb dieses Hauptwerkes europäischer Baukultur darf sich die öffentliche Hand - gemeinsam mit privaten Partnern? - nicht entgehen lassen. Sie würde damit einen im internationalen Kontext bedeutenden Anziehungsort gewinnen. Das Haus sollte dabei nicht nur museale Nutzung finden, sondern zu einem wichtigen Schauplatz im Architekturgeschehen werden. Und: Für die Art der Bespielung bietet Franks eigener, breiter und kritischer Ansatz - als Designer, Gartengestalter, kulturpolitischer Aktivist, Schriftsteller, Mitglied des „Wiener Kreises“, Architekt, jüdischer Wiener Weltbürger - reiche Anregungen.

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