Details

Adresse
Burggarten, 1010 Wien, Österreich
Bauherrschaft
Barbara Böhm
Maßnahme
Umbau
Planung
1998
Fertigstellung
1998

Publikationen

Presseschau

02. November 1999Hubertus Adam
Neue Zürcher Zeitung

Im Treibhaus der Gefühle

(SUBTITLE) Das Palmenhaus am Wiener Burggarten als Restaurant

Kaiserappartement und Nationalbibliothek, Lipizzaner und Heldenplatz: zwischen Hofburg und Ringstrasse beschleicht den Besucher Wiens mitunter das Gefühl,...

Kaiserappartement und Nationalbibliothek, Lipizzaner und Heldenplatz: zwischen Hofburg und Ringstrasse beschleicht den Besucher Wiens mitunter das Gefühl,...

Kaiserappartement und Nationalbibliothek, Lipizzaner und Heldenplatz: zwischen Hofburg und Ringstrasse beschleicht den Besucher Wiens mitunter das Gefühl, als herrschten die Habsburger noch immer. Hinter Augustinerkirche und Albertina, im Windschatten der Neuen Hofburg, die erst 1913 - nach einem knappen Vierteljahrhundert Bauzeit - fertiggestellt wurde, errichtete der aus Prag stammende Friedrich Ohmann zwischen 1899 und 1906 das Palmenhaus an der Ostflanke des Burggartens. Ein Bau zwischen den Zeiten: stilistisch von Olbrichs Secession und Adolf Loos' Haus am Michaelerplatz, die als Manifestationen der Moderne den Hofburgkomplex in die Zange nehmen, gleichermassen entfernt. Und dennoch gelang dem Architekten vor der erdrückenden Folie der Neuen Hofburg eine Meisterleistung: die Einbindung eines Nutzbaus in einen dezidiert urbanen Kontext.

Folgte Franz von Segenschmids Palmenhaus im Park von Schönbrunn als reine Glas-Eisen- Konstruktion noch dem Vorbild einer ästhetisch perfektionierten Ingenieurarchitektur, wie sie Decimus Burton und Richard Turner 1848 in den Londoner Kew Gardens mustergültig vorgestellt hatten, so vermochte es Ohmann, mit Pfeilern und Pylonen aus Naturstein Zweckbau und Repräsentationsarchitektur zusammenzuführen. Ohne das Vorbild des prominenten Antipoden und Konkurrenten Otto Wagner, in dessen Bauten für die Wiener Stadtbahn sich eine ähnliche Synthese dokumentierte, wäre das kaum denkbar gewesen. Doch während Wagner nach Rationalität strebte, feierte mit Ohmanns architektonischer Fassung des Wienflusses im Stadtpark und dem Palmenhaus hinter der Residenz die verfeinerte Ästhetik des Fin de siècle ihre letzten Triumphe.


Minimale Interventionen

Jahrelang bot das Palmenhaus einen Zustand der Verwahrlosung. Nun dient der Nordflügel des restaurierten Baus als Schmetterlingsmuseum, der Südflügel als Orangerie; im Mittelpavillon jedoch ist ein Restaurant entstanden, das so heisst wie der frühere Zweck des Gebäudes: «Palmenhaus». Gregor Eichinger und Christian Knechtl, die ihr gemeinsames Wiener Architekturbüro unter dem Namen «Eichinger oder Knechtl» führen, haben gar nicht erst den Versuch unternommen, mit der historischen Bausubstanz zu konkurrieren - was sich auch auf Grund von Auflagen der Denkmalpflege verboten hätte. Statt dessen beschränkten sie sich auf minimale Interventionen, um das Treibhaus in eine gut funktionierende Gaststätte zu verwandeln, die als Café, Bar und Restaurant (mit mediterran geprägter Küche) genutzt wird.

Sieben hohe Palmen verweisen auf die einstige Nutzung des Gebäudes, markieren dessen Mittelachse und trennen somit den Sitzbereich von Bar, offener Küche und dem vorgelagerten Gang. Die Pflanzenkübel sind unter hölzernen Boxen verborgen, die als Ablageflächen für die Gäste oder Servicestationen der Kellner dienen. Das ebenfalls von den Architekten entworfene schlichte Mobiliar aus Buchenholz ist locker und grosszügig gruppiert, so dass jeder Eindruck drängender Enge vermieden wird. An den Schmalseiten des Innenraums laden intimere Zonen dazu ein, sich ungezwungen in Sesseln niederzulassen. Neben dem seitlich auf einer zweiten Ebene angeordneten Büro ist ein vor der gemauerten Rückwand über der Bar aufragender transluzenter Screen das einzige in die Höhe ragende Element; farbig beleuchtet, setzt er einen magischen Akzent in der Weite des Raumes, überdies wird er für künstlerische Projektionen genutzt.


Architekten gestalten Restaurants

Wien kann auf eine lange Tradition architektonisch ambitionierter Restaurantgestaltungen zurückblicken. Man mag dabei an das raumökonomische Meisterwerk der American Bar von Loos denken oder an Hermann Czech und seine subtilen und - im wahrsten Sinn des Wortes - hintergründigen Interieurs: vom legendären «Kleinen Café» (1970) am Franziskanerplatz bis hin zum MAK-Café (1989). Auch Eichinger oder Knechtl haben sich mehrfach der Bauaufgabe Restauranteinrichtung angenommen; auf das Café Stein im Bezirk Alsergrund (1985) folgte das puristisch-reduzierte Restaurant Wrenkh (1989) am Bauernmarkt, dann die nahegelegene Bar Ron con Soda (1994) mit ihrer extravaganten, beinahe aleatorisch anmutenden Materialkombination. Mit dem jüngsten Projekt ist es ihnen gelungen, das 15 Meter hohe Glasgewölbe des Palmenhauses in ein - für Wien durchaus nicht typisches - weltoffenes und international wirkendes Restaurant umzuwandeln.

Trotz den erstaunlichen Dimensionen des Raums fühlt man sich keineswegs wie in einem Grossrestaurant, sondern sieht sich in eine nachgerade sinnlich wirkende Atmosphäre versetzt. Kein Wunder, ist das Gewächshaus doch literarisch als Treibhaus der Gefühle konnotiert - ob in einem der von Richard Wagner vertonten Lieder Mathilde Wesendoncks oder in einer Schlüsselszene des Romans «L'Adultera» von Theodor Fontane. Und Ottilie, eine der Protagonistinnen aus Goethes «Wahlverwandtschaften», vertraut ihrem Tagebuch an: «Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen.»

30. Januar 1999Liesbeth Waechter-Böhm
Spectrum

Was auf den Teller kommt

Die Vorgaben waren rigoros, die Ansprüche hoch: Im Palmenhaus des Wiener Burggartens war ein vielseitig bespielbares Lokal auszustatten. Die Gestaltung durch Eichinger oder Knechtl setzt Maßstäbe für die Adaptierung von Räumen dieses Formats.

Die Vorgaben waren rigoros, die Ansprüche hoch: Im Palmenhaus des Wiener Burggartens war ein vielseitig bespielbares Lokal auszustatten. Die Gestaltung durch Eichinger oder Knechtl setzt Maßstäbe für die Adaptierung von Räumen dieses Formats.

Am Palmenhaus des Friedrich Ohmann (1901 bis 1907 erbaut) im Wiener Burggarten ist man jahrzehntelang vorbeigegangen und dachte sich: Was für ein wunderbares Gebäude! Und: Ein Jammer, daß nichts damit geschieht. Das hat sich nun geändert. Denn inzwischen wurde es unter den kritischen Augen des Denkmalamtes von Herbert Prehsler renoviert.

Es ist nicht alles optimal gelungen: Zum Beispiel das Design des Windfangs des neuen Lokals, dessen Standort jetzt in den Mitteltrakt verlegt ist. Als dessen Betreiber Eichinger oder Knechtl mit der Ausstattung beauftragte, war der Raum schon mit allen Einrichtungen und Installationen, die ein Restaurantbetrieb braucht, ausgestattet: Das gilt nicht nur für den Windfang, sondern auch für den hellen Natursteinboden, für die Position der Küche, den WC-Abgang und die Ausstattung der WC-Anlagen, für Lüftung und Heizung. Im Grunde hatten sich Gregor Eichinger und Christian Knechtl also auf die – nennen wir es: Benutzeroberflächen für den Gast zu konzentrieren.

Vom Programm her ist das Lokal höchst vielschichtig konzipiert. Da das Glashaus an einer touristischen „Hauptverkehrsader“ liegt – auf dem Weg von der Oper zur Hofburg –, geht es schon vormittags los. Hier kann man daher frühstücken und mittagessen, nachmittags gibt es Kaffeehausbetrieb, abends Essen – wobei besonderer Wert auf ein spezielles Weinangebot gelegt wird –, nachts Barbetrieb, gelegentlich sogar mit DJ und zeitgenössischer Musik.

Obendrein soll das Lokal als Veranstaltungsort etabliert werden: etwa für Modeschauen. Und in der warmen Jahreszeit wird zu den150 Sitzplätzen im Glashaus noch ein gewaltiger Terrassenbetrieb hinzukommen, der sich nicht nur auf dem Niveau des Ohmann-Baus, sondern auch unten, auf der Ebene des Burggartens, abspielen wird und sage und schreibe 500 Sitzplätze umfassen soll.

Eigentlich würden diese unterschiedlichen Nutzungen nach entsprechend differenzierten „Milieus“ verlangen. Ein Kaffeehaus, ein anspruchsvolles Restaurant und eine Bar unter einen Hut zu bringen ist keine Kleinigkeit. Doch Eichinger oder Knechtl sind erfahrene Lokalarchitekten. Sie haben Restaurants, Kaffeehäuser, Bars gemacht, „Szenelokale“ gewissermaßen, und daher haben sie diese Gratwanderung auch mit Bravour absolviert. Funktionen wie Bar und Küche wurden an der (massiven) Rückwand des Glashauses angelagert, der Sitzbereich für die Gäste ist zwischen Glashaut und der Mittelachse des Bauwerks situiert, und dazwischen ist soviel Platz frei, daß man auch eine Modeschau durchführen kann. Wobei der linke Seitentrakt, in den die Schmetterlinge aus Schönbrunn Einzug gehalten haben,zwar tabu bleibt, der rechte aber, wo derzeit eine Fülle von Topfpflanzen überwintert, in der wärmeren Jahreszeit leer steht und bei solchen spezifischen Veranstaltungen mitbenützt werden könnte. Übrigens kommt diese Vorgabe, so einschränkend sie auf den ersten Blick sein mag, dem gesamten Raumklima eindeutig zugute. Denn die Möblierung wirkt dadurch sparsam, man hat nirgendwo das Gefühl, daß die Raumausnutzung auf die Spitze getrieben ist.

Eichinger oder Knechtl haben die Küche selbst offen konzipiert, nur ein funktionell notwendiger Zusatzbereich ist abgeschirmt. Ihm ist eine Stiege hinauf in eine neu eingeführte Ebene vorgelagert, auf der sich das kleine Büro des Betreibers befindet – eine Art Cockpit, von dem aus man den gesamten Mitteltrakt überblickt. Das schildartige Element, hinter dem sich der Zugang zum Küchenbereich und die Treppe verbergen, ist aus mattiertem Glas.

Die Bar mißt ungefähr acht Meter. Sie hat eine Art „Handlauf“, der abgehoben ist, auf den man sich aber sehr gut stützen kann – er ist sozusagen „körpergerecht“ konzipiert–,während man die Gläser auf dem Niveau der Arbeitsfläche des Barkeepers abstellt.

Hinter der Bar gibt es offene Regale mit Flaschen, wie das so üblich ist, es gibt aber vor allem auch gekühlte Vitrinen (mit Glastüren),in denen unter anderem die edlen Weißen verwahrt werden, die die Weinkarte bietet. Außerdem findet sich an der „massiven“ Gebäuderückwand noch ein beigefarbener, teflonbeschichteter Gitterscreen, der so durchscheinend ist, daß selbst das Denkmalamt nicht bemängeln konnte, daß er den Blick auf die historische Substanz verstellt. Er ist andererseits so funktionstauglich, daß man darauf projizieren kann. Nächtens, bei Barbetrieb, wirft derzeit ein einzelner Projektor Künstlervideos auf diesen Schirm; geplant ist eine Bespielung des gesamten Screens mit drei Projektoren.

Tische und Sessel sind, wie gesagt, locker gruppiert. Die Sessel stammen aus Italien, ein Serienprodukt, das einfach, aber bequem ist und das es derzeit praktisch noch nicht auf dem Markt gibt. Eichinger oder Knechtl haben die erste Serie dieses Produkts beauftragt, eine zweite ging nach Neuseeland; erst jetzt wird die Produktion wieder aufgenommen. Die Tische sind ein Entwurf von Eichinger oder Knechtl selbst. „Dabei“, sagt Gregor Eichinger, „sind wir kein Risiko eingegangen. Wir haben an die zehn Lokale in Wien exakt vermessen und gescannt, einschließlich traditioneller Vorstadtlokale, und dann erst – selbstverständlich unter Berücksichtigung der Tellergrößen – die exakte Dimensionierung der Tische festgelegt.“

Jetzt sitzt man jedenfalls sehr angenehm dort, man ist nicht zu weit voneinander entfernt, um auch intime Gespräche zu führen, man hat aber auch nicht zu wenig Platz. Solche Dinge tragen wesentlich zur funktionellen Qualität eines Lokals bei. Ebenso wie die Belichtung: Besonders in einem eher anspruchsvollen Restaurant will man sehen, was man auf dem Teller hat. Andererseits will man aber nicht in einem gleichmäßig ausgeleuchteten Raum sitzen, denn das widerspricht der Individualität des jeweiligen Tisches.

Mit dem Licht hat Gregor Eichinger so seine Erfahrungen: Er kenne ein Lokal, in dem in zwei Räumen unterschiedliche Belichtungssysteme eingesetzt wurden. In bei den Räumen wurde das gleiche Essen serviert. Dort, wo die Raumbeleuchtung gleichmäßig diffus gewesen sei, sei es immer wieder zu Reklamationen gekommen; dort, wo der einzelne Tisch ausgeleuchtet worden sei, habe alles bestens funktioniert.

Eine Lektion, der man im Palmenhaus nur unter extrem erschwerten Bedingungen Folge leisten kann. Denn der Raum mißt in der Höhe immerhin 15 Meter, und das bedeutet, daß für eine intime, aber effiziente Tischbeleuchtung sehr viel Licht benötigt wird. Gregor Eichinger meint, daß dieses Problem noch nicht optimal gelöst sei. Tatsächlich fühlt man sich aber ausgesprochen wohl. Und die Tatsache, daß auf Tage hinaus im Palmenhaus kein Tisch zu bekommen ist, dürfte das wohl bestätigen.

Räume, wie sie der Ohmann-Bau bietet, haben internationales Format. In Wien tendiert man dazu, dieses auch anderweitig reichlich vorhandene Potential zu vernachlässigen. Dem Burggarten-Lokal kommt bei der Behebung dieses Mankos möglicherweise Schrittmacherfunktion zu. Das gilt besonders im Hinblick auf den Terrassenbetrieb: Denn da braucht nicht um 22 Uhr Ruhe zu sein, er liegt schließlich in einem Park und weitab von jedem Wohnviertel, und da ist dann auch genügend Platz, um sich an einem spektakulären Ort zu verabreden, wo man aber nicht notwendigerweise zuvor einen Tisch reservieren muß, weil einfach so viele Sitzplätze da sind. Einer Großstadt steht das wohl an.

Eichinger oder Knechtl sind mit dem Palmenhaus souverän umgegangen. Tatsächlich gibt es hier ja nur sieben Palmen. Und die wachsen aus recht unschönen Töpfen. Aber natürlich mußten sie einbezogen werden. Das ist in der Hülle eines„technischen“ Möbels geschehen, das die Töpfe verbirgt, das gleichzeitig elektrische Installationen sowie die sogenannten Kellnerstationen beinhaltet und das obendrein eine starke Lichtquelle enthält, das die jeweilige Palme ausleuchtet.

Offen bleibt die Frage, wie sich das Palmenhaus im Sommer bewähren wird. Die Glashaut ist beschattbar, die Laternen und die Glasfront kann man öffnen, es wird – möglicherweise – ein Sog entstehen, der die heiße Luft nach oben abtransportiert. Ganz abgesehen davon, daß man in der wärmeren Jahreszeit natürlich draußen sitzen wird. Trotzdem: Erprobt ist das alles nicht. Denn als Eichinger oder Knechtl mit ihrer Planung begonnen haben, war das Glashaus vollständig eingerüstet. Und bis sie den Auftrag in der Tasche hatten, war räumlich und von den Installationen her das meiste vorgegeben.

Wie auch immer. Der Raum ist 15 Meter hoch und kann viel verkraften. Und was die rigorosen Ansprüche und Vorgaben betrifft, muß man einfach konstatieren: Eichinger oder Knechtl wissen Bescheid. Selbst wenn es um ein sehr spezifisches Programm geht: Auch sie können viel verkraften.

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