Pläne

Details

Adresse
Goethestrasse, 1010 Wien, Österreich
Bauherrschaft
Art for Art
Tragwerksplanung
Helmuth Locher
Weitere Konsulent:innen
Haustechnik: allplan, Wien
Bauphysik, Fassadentechnik: Pfeiler ZT GmbH
Bau KG: Vasko + Partner, Wien
Maßnahme
Aufstockung
Wettbewerb
2001
Planung
2001 - 2003
Ausführung
2003 - 2004
Nutzfläche
2.617 m²
Baukosten
9,2 Mio EUR

Publikationen

Presseschau

09. Juni 2008Evelyn C. Frisch
Steeldoc

Luxus-Mansarden für die Grossstadt

Aus dem Mansard-Geschoss eines historischen Wiener Stadtblocks sind exklusive Appartements entstanden. An der äusseren Form der alten Mansard-Dächer wurde kaum etwas geändert – die Konstruktion ist allerdings ein leichtes, lichtdurchflutetes Stahlgehäuse, ausgestattet mit edelsten Materialien und Klimatechnik.

Aus dem Mansard-Geschoss eines historischen Wiener Stadtblocks sind exklusive Appartements entstanden. An der äusseren Form der alten Mansard-Dächer wurde kaum etwas geändert – die Konstruktion ist allerdings ein leichtes, lichtdurchflutetes Stahlgehäuse, ausgestattet mit edelsten Materialien und Klimatechnik.

Es ist eine der besten Adressen für gehobene Wohnansprüche im historischen Zentrum von Wien. Kein Wunder, hat die Bauherrschaft das Projekt durch einen europäisch ausgeschriebenen Projektwettbewerb ausgelobt. Der 5-geschossige Gebäudeblock von 1860 wird durch vorspringende Mittel- und Eckrisalite gegliedert. Da einige der ursprünglichen Dachaufbauten im 2. Weltkrieg zerstört und nach dem Krieg durch unsensible Ergänzungen mehr schlecht als recht «repariert» worden waren, wurde eine Komplettsanierung des Dachgeschosses mit einer Nutzungsänderung zu Wohnzwecken ins Auge gefasst. Im Sinne des Denkmalschutzes sollte der historische Umriss des Gebäudes als Gestaltungsmaxime dienen.

In Anlehnung an die ursprüngliche Form des Gebäudes projektierten die Architekten insgesamt 12 exklusive Wohnungen, die man für sich genommen als Stadt-Villen bezeichnen könnte. Die neuen Wohnungen werden über drei neue, vor den Altbau positionierte Lifttürme erschlossen. Die bestehenden Treppenhäuser dienen lediglich als Fluchtwege im Brandfall. Von den Aufzügen aus erreicht man die Wohnungen durch fingerartig ausgebuchtete Erschliessungsflure. Die organischen Gehwege sollen die Flexibilität für zukünftige Entwicklungen garantieren und gleichzeitig Identifikation und Nachbarschaft fördern.

Die bis zu 420 m² grossen Maisonetten mit Terrasse, Einliegerwohnung, zwei Bade- wie Schlafzimmer bieten einen atemberaubenden Ausblick auf den Wiener Ring. Der Benutzer navigiert in einem Raumkonstrukt, dessen enorme Technikausstattung in den Innenräumen nicht wahrzunehmen ist. Jede Wohnung verfügt über einen eigenen 6 m² grossen Haustechnikraum. Alle Leitungen sind in 50 bis 100 cm hohen Doppelböden untergebracht. Die räumliche Exklusivität bezieht sich auch auf die Materialwahl im Innenausbau, welche gemäss den Vorstellungen der jeweiligen Eigentümer offen stand. Auch die Transparenz der Fassade und der Zwischenwände wurde durch die Wahl von geschlossenen, transparenten oder offenen Elementen den individuellen Vorlieben der Hausherrschaften angepasst.

Leichte Tragstruktur auf alten Mauern Um Fundamentverstärkungen in den Untergeschossen zu vermeiden, sollte eine gleichmässige Lastabtragung entsprechend den darunter liegenden Geschossen erreicht und das Gewicht der Konstruktion optimal an die entsprechenden Bestandsverhältnisse angepasst werden. Die gesamte Dachform verläuft auf die Gebäudetiefe als durchgehende Kurve mit unterschiedlichen Radien. Die Primärstruktur wurde dabei durch Stahlträger mit einem Achsabstand von 4-6 Metern gelegt. Die Lastabtragung erfolgt über die Aussen- und Mittelmauer, wodurch die Lastzunahme auf das bestehende Objekt gleichmässig verteilt werden konnte.Die Zugkräfte in den Hauptrahmen werden durch Zugbänder in der Fussbodenkonstruktion aufgefangen. Die Längsaussteifung erfolgt über die Flächenwirkung der Galerieebenen und der nordseitigen Dachebene. Die Primärkonstruktion besteht demnach aus geschweissten, paraboloid gekrümmten Stahlbögen in einem Abstand von etwa 15 Metern. In jedem vierten Feld wird die Konstruktion durch Diagonalstäbe zur Aufnahme von Längs- und Querkräften ausgesteift.

Die Sekundärkonstruktion besteht aus Elementdecken aus Stahlbeton und aus hochgedämmten Holzleichtbauelementen im Dachbereich. Die Betondecken wurden aus bauphysikalischen Erwägungen eingebaut. Durch die Wahl einer Stahlkonstruktion war die Flexibilität während der gesamten Planungs- und Bauphase gewährleistet, so dass auch kurzfristige Umplanungen möglich waren. Diese Flexibilität zahlt sich auch bei zukünftigen Umnutzungen oder Anpassungen aus.

Zur Strasse hin wurde die bauchige Dachhaut mit grau vorbewitterten Zinkblechen eingedeckt. Die flächenbündigen Verglasungen sind mittels darüber liegenden Aluminiumlamellen beschattet. Zur Hofseite öffnen sich Terrasseneinschnitte, die ebenfalls durch Sonnenschutzlamellen in Form gehalten sind. Im Scheitelpunkt der Bögen und im Bereich der Galeriedecken wurde die Lamellenverteilung dichter gewählt, während die Abstände auf Augenhöhe grösser sind. Da der Verglasungsanteil von 70 Prozent eine hohe Erwärmung im Sommer erwarten lässt, wurde eine stille Kühlung mittels Klimaplatten an den Decken und im Schrägdachbereich installiert. Man kann nachvollziehen, dass das Berühren gekühlter Wandflächen im heissen Wiener Sommer ein durchaus angenehmes Gefühl sein muss. Ziel der Planer war es, bei einer Aussentemperatur von 34 Grad im Innenbereich maximal 26 Grad spürbar zu machen, deswegen gibt es zusätzlich noch Heiz-Kühl-Estriche, kontrollierte Wohnraumlüftung und klassische Umluft-Quellluft-Fancoils.



verknüpfte Zeitschriften
steeldoc 2008/01 Urbane Verdichtung

21. Mai 2005Oliver Elser
Der Standard

Über der guten Stube

Weltkultur, du liegst mir zu Füßen: Die Bundestheater-Holding in der Wiener Goethestraße hat sich einen Dachausbau de luxe von den Silberpfeil-Architekten realisieren lassen.

Weltkultur, du liegst mir zu Füßen: Die Bundestheater-Holding in der Wiener Goethestraße hat sich einen Dachausbau de luxe von den Silberpfeil-Architekten realisieren lassen.

Als Otto Wagner ab 1910 seine Pläne für den XXII. Wiener Gemeindebezirk zu Papier brachte, entwickelte er zugleich ein neues Gesellschaftsmodell: Der moderne Mensch lebt in selbst gewählter Anonymität hinter uniformen Fassaden. Die Häuser verraten nichts über ihre Bewohner. Wer in diesem nie verwirklichten Stadtteil eingezogen wäre, der hätte in erster Linie als Bürger gegolten, egal, ob aus der Wohnung zwei, drei oder fünfzehn Fenster nach draußen zeigen. Die Zeit der Stadtpalais, deren Namen für Dynastien bürgen, schien für den damals bereits 69-jährigen Wagner endgültig vorbei zu sein.

Doch als hätte ihm sein Unterbewusstsein geflüstert, was die wahren Träume des Großstadtmenschen sind, zeichnete er eine verführerische Perspektive von seinem Stadtteil, die die Häuser so zeigt, wie nur ein Ballonfahrer sie hätte sehen können. Dieser Blick von oben aber, über die Masse hinweg, brannte sich viel stärker in die Köpfe als das Ideal der Gleichförmigkeit. Wenn schon der Architekt sich gestattet, auf die anderen hinabzublicken, dann kann doch über die modernen Wohnbedürfnisse noch nicht das letzte Wort gefallen sein.

Nur geht, zumindest in Wien, wo hohe Häuser so selten sind, mit der freien Aussicht auf das Treiben der ameisengroßen Mitmenschen eine Exponiertheit einher, die zu gewissen Verrenkungen zwingt. Denn jeder will wissen, wer dort oben wohnt. Doch die armen Reichen wollen zwar die Aussicht genießen, zugleich aber so anonym sein wie die Bewohner von Otto Wagners XXII Bezirk. „Nein, wer hier wohnt, das dürfen wir nicht sagen“, heißt es deswegen bei einem Ortstermin in einem der fünf stählernen Türme, die sich am Rande des Wiener Burggartens vom Gebäude der Theaterservicegesellschaft erheben, als hätte das benachbarte Schmetterlingshaus dort oben eine Reihe von Zweigstellen eröffnet. Das ist schade und auch ein bisschen schizophren, denn die Kollegen von einem österreichischen Wohnmagazin haben sich nicht nur umsehen, sondern auch exklusiv darüber berichten und mit Fotos belegen dürfen, wie jene geheimnisvollen Menschen hausen, die es sich leisten können, die 450 Quadratmeter für circa neun Monate des Jahres leer stehen zu lassen. Es ist ja nicht das einzige Anwesen. Bevor die Gerüchte ins Kraut schießen: Der heimliche Blick auf den Adressaufkleber eines herumliegenden Porsche-Kundenmagazins hat die Identität gelüftet, aber da sie gänzlich außerhalb der Sphäre öffentlichen Interesses liegt (keine Ölscheichs, keine „Seitenblicke“-Präsenz), soll nur so viel verraten werden: Die Leute haben Geschmack. Und sie waren so mutig, sich Architekten anzuvertrauen, die bis dahin über keinerlei Erfahrungen im Luxus-Bereich verfügten. Diesen Mut bewies allerdings schon der Bauherr des Gesamtprojekts, das zwölf Wohnungen mit durchschnittlich 250 Quadratmetern umfasst. Die Bundestheater-Holding, zu der auch die Theaterservicegesellschaft gehört, betrat seinerzeit Neuland in der Verwertung der eigenen Immobilie und riskierte einen europaweit offenen Wettbewerb, aus dem das Architekturbüro Silberpfeil als Sieger hervorging. Die Newcomer erhielten wider die eigenen Prognosen den Auftrag, als Architekten und Generalplaner tätig zu werden.

Zum überzeugenden Verfahren kam ein schlüssiges Konzept hinzu, das die Beißreflexe der Bewahrer des Weltkulturerbes Wiener Innenstadt schon im Ansatz aushebelte: Denn bevor der Nachkriegs-Klassizismus dem Gebäude ein langweiliges, fast flaches Dach verpasst hatte, saßen auf jedem der vorspringenden Gebäudeteile putzige Häubchen, deren Volumen für den Neubau übernommen und in die Sprache von Stahl und Glas übersetzt wurden. Auch die flachen Bauteile zwischen den Türmen erhielten ein Stahlskelett. Hier ist der Bau zweigeschoßig, und nur das obere Stockwerk ragt über die immens hohe Attika des Altbaus heraus. Wer eine der Wohnungen betritt, sieht sich deswegen zunächst um die erhoffte Aussicht betrogen. Erst die obere Ebene gibt den Blick frei, der aber nur aus den Türmen mit ihren zusätzlichen zwei Ebenen wirklich umherschweifen kann.

Dort zeigt sich, warum frühere Generationen nicht auf die Idee gekommen wären, direkt unter dem Dach zu wohnen, es sei denn, man war Künstler, ein armer Schlucker oder beides. Die Sonne schlägt hier so heftig zu, dass nur mit einem aufwändigen Kühlsystem die erwünschte Behaglichkeit hergestellt werden kann. Die filigrane Stahlkonstruktion verschwindet in Teilen unter einer massiven Verkleidung, die Kühlschläuche und sehr viel Dämmung enthält. An den Türmen übernehmen Sonnenschutzlamellen einen Teil dieser Aufgabe, die Restwärme wird von gekühlten Betonböden und einem ausgeklügelten Umluftsystem erledigt.

Der technische Aufwand ist gewaltig, der Kaufpreis von etwa 10.000 Euro pro Quadratmeter ebenfalls, und trotzdem haben die Wohnungen bereits vor der Fertigstellung alle ihre Liebhaber gefunden. Ist ja auch beeindruckend, wie man sich in den Türmen von Plattform zu Plattform allmählich auf Augenhöhe zu den Monumenten der Nachbarschaft emporschraubt. Räumlich sind selbst die kleineren Wohnungen raffiniert, doch wer sich dort oben eine Klippe über Wien erwartet hat, der dürfte enttäuscht sein. Aber man wohnt ja auch nicht am Abgrund zum Moloch von Downtown Manhattan, sondern herausgehoben und dennoch distanziert im Herzen Wiens.

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