Pläne

Details

Adresse
Krankenhausgasse 16, 6330 Kufstein, Österreich
Tragwerksplanung
Alfred Brunnsteiner
Fotografie
Martin Tusch
Weitere Konsulent:innen
Akustik: Bernd Quiring, Innsbruck
Kunst am Bau: Fatih Aydogdu, Riccarda Denzer
Maßnahme
Neubau
Funktion
Bildung
Wettbewerb
2003
Planung
2003 - 2004
Ausführung
2003 - 2004
Grundstücksfläche
841 m²
Nutzfläche
3.020 m²
Bebaute Fläche
721 m²
Umbauter Raum
13.335 m³

Preise und Auszeichnungen

Archtour

Genereller introtext zu Archtour der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

14. Mai 2005Liesbeth Waechter-Böhm
Spectrum

Nichts im Lot, alles stimmt

Zum Wettbewerb nicht geladen _ und ihn gewonnen. Einen Saal um ein halbes Geschoß versenkt. Ganz zu schweigen von der Akustik. Das alles: rundum geglückt. Die Landesmusikschule in Kufstein.

Zum Wettbewerb nicht geladen _ und ihn gewonnen. Einen Saal um ein halbes Geschoß versenkt. Ganz zu schweigen von der Akustik. Das alles: rundum geglückt. Die Landesmusikschule in Kufstein.

Es zählt zu den ungewöhnlichen Vorkommnissen, wenn es von einem öffentlichen Bauauftrag heißt, er sei zügig und in durchwegs positiver Stimmung umgesetzt worden. Und alle Beteiligten - Bauherr, Nutzer, beteiligte Firmen und Fachleute, sogar die Architekten - seien mit dem Ergebnis zufrieden. Ein solches Resümee bekommt man so selten zu hören, dass man gleich einmal denkt: Stimmt da was nicht?

Bei der Landesmusikschule in Kufstein scheint aber alles zu stimmen. Riccione Architekten, das sind Mario Ramoni, Clemens Bortolotti und Tilwin Cede, eine Architektengruppe aus Innsbruck, die schon früher - vor allem durch einen Schulbau - aufgefallen ist, haben ihr Wettbewerbsprojekt praktisch 1 : 1 umsetzen können. Das Kuriose daran: Zum Wettbewerb (sechs Teilnehmer) waren sie gar nicht geladen. Sie haben sich nur beworben. Erst als eines der geladenen Büros - nämlich Henke/Schreieck, deren nahe gelegener Schulbau in Kufstein erweitert wird - von der Wettbewerbsteilnahme zurücktrat, rückten Riccione Architekten nach. Und sie legten ein Projekt vor, das in zweifacher Hinsicht alle anderen Vorschläge in den Schatten stellte.

Zunächst hinsichtlich der städtebaulichen Problematik. Denn einfach ist es nicht, im verbauten Stadtgebiet ein Eckhaus zu planen, das links und rechts an zwei Baulücken grenzt, die aber von der Widmung her geschlossen werden sollen. Das kann zwar noch zehn oder noch mehr Jahre dauern. Aber jetzt muss das Haus beides leisten: als Solitär Wirkung entfalten und langfristig Anbauten erlauben. Durch Auskragungen an den beiden Schmalseiten des Baukörpers - unter der einen liegt die Einfahrt in die Tiefgarage - ist das möglich. Diese Lösung macht den Baukörper auch noch in anderer Hinsicht interessant: Sie drückt die Binnenstruktur des Hauses aus - Schule im engen Sinn, mit Klassen und Verwaltung, findet in den drei Obergeschoßen statt, die als ganz schlichter Baukörper über Eck auf einer Art „Sockelgeschoß“ aufgesetzt sind.

Und darin liegt auch die zweite Qualität des Projektes: die Organisation des ziemlich komplexen Programms. Gefordert waren einerseits 27 Schulklassen und Räume für die Verwaltung, andererseits ein großer Saal, der zwar hauptsächlich schulischen Zwecken (Proben, Prüfungen) dient, aber auch für Konzerte und andere, externe Veranstaltungen mit Publikum geeignet sein sollte; gefordert waren andererseits Räume für zwei nicht schulische Institutionen - die öffentlich zugängliche Stadtbibliothek von Kufstein und das (nicht öffentliche, dafür einbruchsichere) Stadtarchiv.

Das Bestechende am räumlichen Konzept von Riccione Architekten liegt in der scheinbaren Einfachheit der Organisation des Erdgeschoßes. Dieses „räumliche Kontinuum“ hat die Jury schon im Wettbewerb hervorgehoben. Die Lösung ist wirklich komplex. Man kommt ins ebenerdige Foyer hinein, geht entweder in den halbgeschoßig in die Tiefe versetzten Saal hinunter oder in die halbgeschoßig nach oben versetzte Stadtbibliothek, das nicht öffentliche Archiv liegt darunter.

Die sensibelste Frage betraf die Absenkung des Saales um ein halbes Geschoß. Denn zur Straße hin ist er voll verglast, man sieht also hinunter. Und das muss man wollen. Die Nutzervertreter in der Jury wollten es, sie stehen noch heute dazu (was übrigens nicht selbstverständlich ist!). Die Offenheit, die Transparenz des Hauses macht überhaupt seine Besonderheit aus. Riccione Architekten haben einen formalen Ausdruck gewählt, der städtische Eleganz vermittelt. Und der demonstriert, dass es sich hier um ein besonderes, ein öffentliches Gebäude handelt, auf das die Stadt wohl auch stolz ist.

Das vermittelt der großzügige Umgang mit Glas. Aber auch die ziemlich edle, pulverbeschichtete Fassade aus Aluminiumpaneelen in einem sehr dunklen Braun, das in manchen Lichtsituationen fast schwarz wirkt. Alle Hauptfassaden Richtung Straße haben große vorspringende Rahmen, sind voll verglast und strukturiert durch die schmalen, hohen Lochbleche der „Ersatzbrüstungen“. Die „Feuermauern“ an den Schmalseiten, also dort, wo einmal angebaut werden könnte, sind schlicht und geschlossen, nur verkleidet mit Metallpaneelen. Die hofseitige Fassade, vor den Erschließungsgängen, ist ebenfalls verglast, mit einer Schicht Putzbalkonen davor und einer weiteren Schicht aus lotrechten Lamellen zur Beschattung. Daraus ergibt sich ebenfalls ein reizvoller Effekt: Wenn man weiter weg oder schräg vom Gebäude steht, wirkt es an dieser Seite sehr geschlossen. Steht man frontal davor, ergibt sich ein offenes Bild, die Lamellen scheinen fast zu verschwinden.

Ein besonderes Kapitel ist die Akustik. Denn Musikschulen sind üblicherweise in Altbauten untergebracht, also zwischen dicken Wänden. Riccione Architekten gingen kein Risiko ein, sie haben mit einem der besten Fachleute zusammengearbeitet, mit Karl-Bernd Quirin, der schon die vier neuen Säle im Wiener Musikverein (Wilhelm Holzbauer) akustisch zu verantworten hat.

Man muss zwischen Bau- und Raumakustik unterscheiden. Die Bauakustik wurde in Kufstein in einer Form umgesetzt, die nach außen ungemein freundlich in Erscheinung tritt. Das Haus hat an der Hauptfassade diese gewissen „Blumenfenster“, plastische Elemente, in großen, raumhohen Rahmen, die verglast und jeweils nur durch schmale Lochblech-Elemente strukturiert sind. In dieser Fassadenlösung wird sichtbar, dass die einzelnen Klasseneinheiten horizontal und vertikal getrennt sind. Sonst würde es Schallbrücken geben. Überhaupt wurden in Bezug auf die Schallproblematik weit reichende Maßnahmen gesetzt: keine planparallelen Flächen in den Innenräumen, kaum wahrnehmbar schräge Decken, in die Schallmatten einbetoniert sind, kein rechter Winkel.

Etwas Besonderes ist den Architekten im Erdgeschoss, an der Ecke des Saales gelungen. Sie haben sie gerundet entworfen, was bei der Materialisierung meistens zum wunden Punkt wird. Denn solche Gläser müssen maßgefertigt werden und sind, speziell wenn sie großformatig sein sollen, in der Regel unbezahlbar. In Kufstein hat man sich diesen Luxus glücklicherweise geleistet - und blieb trotzdem im Kostenrahmen.

Das hat wohl auch damit zu tun, dass Riccione Architekten einen Generalplaner-Auftrag bekamen, also selbst entscheiden konnten, an wen die verschiedenen Subaufträge gehen. Das Aufsplitten der Verantwortung für die Umsetzung eines Entwurfs bedeutet in der Regel nur seine Verwässerung und Schwächung.

15. März 2005Nora G. Vorderwinkler
20er

Gläserner Klangkörper

Der Neubau der Musikschule Kufstein lässt das Bild von Eierkarton-gedämmten Proberäumen in düsteren Kellern weit in die Vergangenheit rücken. Mit seinem...

Der Neubau der Musikschule Kufstein lässt das Bild von Eierkarton-gedämmten Proberäumen in düsteren Kellern weit in die Vergangenheit rücken. Mit seinem...

Der Neubau der Musikschule Kufstein lässt das Bild von Eierkarton-gedämmten Proberäumen in düsteren Kellern weit in die Vergangenheit rücken. Mit seinem Wettbewerbsbeitrag setzte sich das Innsbrucker Architektentrio riccione (Clemens Bortolotti, Tilwin Cede und Mario Ramoni) dem Image entgegen, dass Musikunterricht hinter schwerem Gemäuer stattzufinden hat. Mit gekonnten Planungsansätzen und durchdachtem Materialeinsatz gelang ein architektonischer Lichtblick im doppelten Wortsinn: der zeitgemäße Musikschultypus steht stellvertretend für die Tatsache, dass selbst die speziellen raumakustischen Anforderungen an eine Musikschule mit einer transparenten und offenen Bauweise bewältigbar sind. Funktionell vereint der riegelförmige Baukörper die Musikschule (im Obergeschoss), die Stadtbücherei und das Stadtarchiv (im Erdgeschoss) unter einem Dach. Die horizontale Gliederung der nord- und ostseitigen Glasfassade macht die unterschiedliche Nutzung der Geschosse ablesbar. In den Obergeschossen ist jedes der boxenartigen Fassadenmodule jeweils einem Unterrichtsraum zugeordnet. Die Strukturierung der hochwertigen Verglasung hat schalltechnische Gründe: die Schwingungen werden von den einzelnen „Rahmen“ aufgenommen, ohne dass sie auf benachbarte Klassenräume übertragen werden. Als zusätzliche Maßnahme wurden Raum trennenden Bauteile – Wände und Decken – leicht schräg konzipiert. Dadurch verringert sich die Nachhallzeit in den musikerfüllten Räumen, was wiederum das so genannte Flatterecho von Wand zu Wand vermiedet. Neben der üblichen schalldämmenden Wandverkleidung aus gelochten Holzpaneelen sorgen zweierlei textile Vorhänge in jedem Unterrichtsraum für einen individuell einsetzbaren Schall- und Sichtschutz. Je nach Bedarf kann wahlweise der transparente oder der blickdichte Stoff vor Fenster und Wände gezogen werden. Zur Lösung dieser sensiblen Bauaufgabe stand den Architekten der erfahrene Akustikberater Bernd Quiring zur Seite, der vor einigen Jahren beim Umbau des Musikvereinssaales der Wiener Philharmoniker sein Fachwissen eingebracht hatte.

„Wir wollten keinen spiegelnden Palast bauen, sondern eine Schule, die nicht möglichst wenig „akademisch“ wirkt. Die Transparenz soll die Scheu abbauen, das Haus zu besuchen und zu nutzen“, erklärt Clemens Bortolotti. Als Beweis für die geglückte Einhaltung dieser selbst auferlegten Vorgabe steht die großzügige Arena im Erdgeschoss des Gebäudes. Ursprünglich für Darbietungen der Musikschule konzipiert, wird dieser öffentliche Bereich heute von unterschiedlichsten Nutzern intensiv bespielt. Kinder-, Senioren- und Tanzgruppen erobern regelmäßig mit diversen Aktivitäten das Terrain.

Maßgeblich für das Gelingen der Bauaufgabe war nicht zuletzt die äußerst positive Zusammenarbeit der Planer mit den Gemeindevertretern der Stadt Kufstein. „Für uns ist es immer noch wie ein Wunder, dass die Stadt Kufstein den Mut aufgebracht hat, ihre Musikschule in der heute bestehenden Art darzustellen“ sind sich die Architekten einig.

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