Pläne

Details

Adresse
Am Hundsturm 5, 1050 Wien, Österreich
Mitarbeit Architektur
Julia Beer, Marie-Theres Holler, Maria Kirchweger, Helmut Lackner, Ronald Mikolics, Irene Prieler, Michael Werner, Anna Maria Wolf Ivan Zdenkovic (CAD-Visualisierung), Lotte Schreiber (CAD-Visualisierung), Andreas Baumgartner (CAD-Visualisierung)
Funktion
Wohnbauten
Planung
1999 - 2003
Ausführung
2003 - 2004
Grundstücksfläche
734 m²
Nutzfläche
3.024 m²
Bebaute Fläche
514 m²
Umbauter Raum
12.600 m³
Baukosten
2,9 Mio EUR

Ausführende Firmen

Baumeister: Mischek Systembau Vorfertigungs- und Logistik-GmbH, Gerasdorf (A)

Archfoto

Genereller introtext zu Archfoto der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

13. November 2004Isabella Marboe
Der Standard

Raffinesse im Plattenbau

Mit dem eleganten Wohnbau am Hundsturm setzten die ARTEC-Architekten neue Maßstäbe im Mischek-Plattenbau. Städtebaulich ein Blickfänger, gibt das hohe, schlanke Haus mit vor-und rückspringenden Loggien, transparentem Stiegenhaus, großzügigen Lofts, perspektivereichen Maisonetten und dem ARTEC-Büro dem Grätzel neue Impulse.

Mit dem eleganten Wohnbau am Hundsturm setzten die ARTEC-Architekten neue Maßstäbe im Mischek-Plattenbau. Städtebaulich ein Blickfänger, gibt das hohe, schlanke Haus mit vor-und rückspringenden Loggien, transparentem Stiegenhaus, großzügigen Lofts, perspektivereichen Maisonetten und dem ARTEC-Büro dem Grätzel neue Impulse.

Im Keil der urbanen Starkverkehrsschneisen Margaretengürtel und Rechte Wienzeile steht im Rücken eines gründerzeitlichen Schönbrunnerstraßenblocks der neue Mischek-Bau am Hundsturm fünf. Die bis ins Detail umsichtige Planung der ARTEC-Architekten trotzte der Plattenbauweise ein raffiniertes, urbanes Haus mit transparenter Stiege, plastischer Fassade, Freiräumen, hellen, offenen Lofts und Maisonetten mit Wienpanorama ab.

Am Hundsturm wird die dicht verbaute Stadt mit Spielplatz und Park zur versteckten Grünoase, die Hauslage ist exponiert. Vorm Eingang münden drei Straßen ein, die an der Post noch einen Platz bilden. Eingeklemmt zwischen dem niederen Barockbau im Osten, dessen Hinterhaus in den Hof ragt, und einem siebenstöckigen Mischek-Nachkriegs- Pionier läuft die den Bezirk querende Einsiedlerstraße aufs Wohnhaus zu und macht es so zur städtebaulichen Markante.

Ein Pendant zum Hundsturm bildet die hohe, gläserne, mittige Stiege, die das achtstöckige Haus in zwei schlanke Baukörper teilt. Die raffinierte vorgesetzte Fassade wirkt als Filter zur Straße. Bis zu 80 Zentimeter springen hier sonnenschützende, blick- und freiraumweitende Loggien über Bauflucht vor-und zurück. Raster der Plattenbauweise nimmt den Duktus des Westnachbarn auf, die Plastizität leitet elegant zum Barock über.

Flachstahlbrüstungen geben dem Filter Feinstruktur, den Terrassen bis zu 2,30 Meter Tiefe, seine Stahlbetonrahmen lassen ein Spalierobstgerüst assoziieren. An blickschützenden Trennwänden schafft ein verzinktes Blechpaneel bedarfsweise Stauraum. In Schrägstellung rahmt es den Freiraum wie eine Bühnenperspektive, die reflektierende Fläche lenkt mehr Südwestlicht hinein. Alle Regenrinnen sind unter Gittern außen geführt, was die Balkone noch vergrößert. Das verglaste Stiegenhaus wirkt nach außen als repräsentative Schnittstelle, innen ist es eine attraktive Kommunikationszone für alle.

Der frischgrüne Anstrich nimmt den Parkblick mit herein, grauer Terrazzo bildet einen ruhigen, erdnahen Boden. Von oben durchgehend belichtet, wird der Stiegenturm mit blickdurchlässigem Flachstahlgeländer zur Lichtsäule. Großzügig weitet er sich vorm Innenhof, vom Lift im Dachgeschoss genießt man einen Postkartenblick auf die Hundsturmspitze. Die 28 Wohnungen bestechen mit Typenvielfalt, Raumqualität und Außenbezug. Jede hat Direktzugang zu verschieden tiefen und hohen Loggien, unterschiedlichen Lichteinfall und Ausblick, die großen Fenster reizen das Maximum der Bauweise aus. Im Erdgeschoss sind Maisonetten mit zwei Zugängen und Eigengarten. Die ebenen Lofts bestehen prinzipiell aus einem mittigen, gegengleich versetzten Sanitärkern, vor dem sich lichtdurchfluteter Einraum mit Loggia über die ganze Längsseite weitet. Auf Wunsch lassen sich Zwischenwände einziehen oder Einheiten zusammenlegen. Exquisit lebt es sich in den Dachmaisonetten, wo einem von Nord- und Südterrassen auf zwei Ebenen ganz Wien zu Füßen liegt.

Im Sockel des Ost-Bauteils ist das neue ARTEC-Büro. Die edle Alu-Glasfassade mit Sichtbetontreppe verströmt zarte Noblesse, das transparente Schaufenster macht die Arbeit im offenen, reduziert gestalteten Fertigteileinraum spürbar und wertet das Quartier auf. Das alte Hinterhaus ist mitgenutzt, seine komplett mit walzblanken Aluminiumtafeln verkleidete Kubatur wirkt wie ein abstrakter Think Tank, ihre reflektierende Oberfläche mehrt das Licht im Nordhof. Von Mauern, Gärten, Kaminen und Dächern der Nachbarn umgeben, entwickelt er sein eigenes, exquisites Flair. Zierapfel-, Essig-und Maulbeerbaum, Bank und Ribisel am Spielplatz animieren zum Sitzen, Schauen und Plaudern.

16. Oktober 2004Wojciech Czaja
Spectrum

Nichts als städtische Poesie

Kreuz und quer durcheinander geschachtelt und ineinander verkeilt: vom riesigen Single- Loft bis zur kompakten Fünf-Zimmer-Wohnung. Zwei Wiener Wohnbauprojekte, die lieber polarisieren als Wohnmaschinen schaffen.

Kreuz und quer durcheinander geschachtelt und ineinander verkeilt: vom riesigen Single- Loft bis zur kompakten Fünf-Zimmer-Wohnung. Zwei Wiener Wohnbauprojekte, die lieber polarisieren als Wohnmaschinen schaffen.

Nach Biedermeier, Gründerzeit und Rotem Wien, nach dem offensiven Wiederaufbau in den Nachkriegsjahren und dem soziologischen Tatendrang der Achtzigerjahre befindet sich auch heute wieder der städtische Wohnbau auf einem neuerlichen Hoch. Wenngleich etwas pauschal durch die letzten 150 Jahre des Residierens durchgeschlüpft, so fällt am vorläufigen Ende dieser Entwicklung doch auf, dass der soziale Wohnbau für die breite Masse noch nie so unbeschwert und locker vom Hocker gegangen ist wie heute. Allem voran: ein gewisser Grad an Humor und an Individualisierung des Kollektivs.

Den Wunsch nach Individualität hat auch schon der Bauhaus-Architekt und „De Stijl“-Mitbegründer Jacobus Johannes Pieter Oud in seinem 1925 erschienenen Essay „Ja und Nein“ ausgesprochen. In diesen - wie er es nennt - „Bekenntnissen eines Architekten“ schreibt er: „Ich sehne mich nach einer Wohnung, welche alle Anforderungen meiner Bequemlichkeitsliebe befriedigt, doch ein Haus ist mir mehr als eine Wohnmaschine.“ Im Hinterkopf die Kritik am Maschinell-Seriellen, am permanent Gleichen, wird sich Ouds Kritik auch als Kritik an der Moskauer Narkomfin-Siedlung von Moses Ginsburg aus dem Jahre 1929 und den Unitées d'Habitation von Le Corbusier herausgestellt haben.

Auch heute noch lässt sich vielen heimischen Wohnbauten trotz 50 oder gar 80 dazwischenliegender Jahre eine Ähnlichkeit zu Ginsburgs oder Le Corbusiers Architektur nicht absprechen. Der State of the Art orientiert sich nach wie vor an den Errungenschaften der ewig gelobten und zitierten Moderne. Auch wenn sich das bisweilen allein auf die Ästhetisierung der eigentlich ja nie gestalteten, sondern immer nur „von innen nach außen“ entstandenen Fassade bezieht.

Zurück nach Wien, zurück ins Jetzt. Einmal Artec und einmal querkraft haben an unterschiedlichen Orten eben erst zwei völlig unterschiedliche Wohnbauten fertig gestellt, der eine steht in Margareten, der andere in Favoriten. Ihre Gemeinsamkeit jedoch liegt in einer gewiss hohen Übereinstimmung mit J. J. P. Ouds ehemals geäußerter Abneigung gegen eine Wohnmaschine. Schlagwort „flexible Grundrissgestaltung“: Vom riesigen Single-Loft bis zur kompakten Fünf-Zimmer-Wohnung reicht das genutzte Angebot beider Architekturbüros, kreuz und quer durcheinander geschachtelt und ineinander verkeilt. Dass das Durcheinander nicht nur den Grad des Innenausbaus, sondern letztlich auch das Bewohnerspektrum betrifft, ist in einer Umgebung gründerzeitlicher Monotonie eine wertvolle Nebenwirkung.

Die Artec-Architekten, weithin bekannt als Asketen des Materials und darum bemüht, dasselbe immer in seiner ursprünglichen Form zu verwenden, setzen auf Beton, Glas und Stahl. Die Mischek-Betonfertigteile sind mit zahllosen Tiefen und Vor- und Rücksprüngen vorgefertigt worden. Das Resultat erinnert an eines dieser 3D-Puzzles aus Karton, mit denen sich an mittelalterlich bedruckten Bergfrieden durch vorsichtiges Stecken eckige Erker andocken ließen. Diesmal jedoch in Artec-gerechtem Sichtbeton, versteht sich. „Der Eindruck des Skulpturalen stellt sich bei Bauwerken ein, die über eine sehr ausgeprägte strukturelle Komponente verfügen“, erklären die Artec-Architekten Bettina Götz und Richard Manahl und deuten dabei auf die Loggien und Balkone, die unterschiedlich weit die Straße überragen. Ein Spiel aus Vor und Zurück, als wäre jede Loggia eine Lade, die von innen heraus von unsichtbaren Hausgeistern gezogen und geschoben wird.

Und das fesselt. Denn das Haus hat eine große Fernwirkung. Nicht selten bleiben Passanten an dieser Kreuzung stehen, wo drei Straßen in einen Platz einmünden, und blicken etwas skeptisch acht Stockwerke hoch. Was man von da unten sieht, ist eine Collage aus Beton mit davor gesetzten Gitterrosten. Dass die kühle Strenge nicht allen gefällt, liegt auf der Hand. Doch selbst wenn spätestens im nächsten Sommer der Zufallsgenerator eingeklemmte Schilfrohr-Matten und darüber geworfene Perserteppiche hinzufügen wird, so animiert dieser Gedanke weniger zu einem Kopfschütteln als zu einem Lächeln. Selbst den beiden Architekten - auf der permanenten Suche nach der „komplexen Schönheit des Zufalls“ - kommt das durchaus gelegen.

Schließlich konnten es sich selbst diese beiden Asketen nicht verkneifen, ihrer Authentizitäts-These zum Trotz, im Spalt des optisch nach außen dringenden Stiegenhauses Farbe über acht Stockwerke zu gießen. Jedes Reglement lebt erst durch seine Ausnahmen - und das satte Grasgrün, das da aus der eigentlich recht unerotischen Zone der Vertikalerschließung in den Straßenraum dringt, ist sexy. Egal, ob Wand, Decke, Stiegengeländer, Liftschacht oder Türen - es grünt so grün, wenn Hundsturms Blüten blühen!

Grün ist auch die Leebgasse im ursprünglichen Arbeiterbezirk Favoriten. Wenngleich erst seit ein paar Wochen. Denn wenn schon von Erotik die Rede ist, so war diese Gasse ganz bestimmt meilenweit davon entfernt. An der querkräftigen Hausnummer 46 ragen nun Halme und Farne über die Straße. „Nur eine flexible Hülle zu bauen ist zu wenig“, erzählt querkraft, „ein Haus braucht ein Gesicht, vor allem im sozialen Wohnbau.“ Und in der Tat: Welch schönere Geste kann man sich in einer gänzlich zugebauten Gründerzeitgasse vorstellen, als etwas Grün eingestreut zu bekommen?

Konkret: Das Haus ist komplett verglast, als Gegenstück zu den hofseitigen Loggien ragen begehbare Gesimse (so die bauordnungsgemäße Definition der schmalen Stege) über die Straße. Glas auch hier. Um die Einblicke etwas zu filtern, hat Grafikerin Stephanie Lichtwitz, bekannt seit der grafischen Gestaltung für das Kunsthaus Graz, im Siebdruckverfahren ein unregelmäßiges Geflecht aus grasgrüner Flora auf die Glasscheiben drucken lassen.

Für innen also reine Funktion, für außen ist es nichts anderes als städtische Poesie. Genauso wie die dazwischengeworfenen Balkontüren, die diesmal - entgegen den Regeln der Baukunst - nicht transparent, sondern dicht sind. Nicht etwa weiß oder grau, sondern auch hier: tiefes, sattes Grün. Ein Alltagsbonus am Rande: Das bedeutet Geborgenheit im Winter, im heißen Sommer hingegen lassen sich die undurchdringlichen Elemente öffnen - eine Maßnahme, die die Fassaden in den Wohnräumen auf ein Minimum reduziert.

Ob es jedem gefällt? Und querkraft antwortet: „So ein Haus darf es geben, denn in einer Großstadt gibt es ja zum Glück ein breites Angebotsspektrum.“ Manchmal also ist es besser zu polarisieren. Denn Architektur ist und bleibt eine Frage des Geschmacks. So auch die Farbe. J. J. P. Oud im Jahre 1925: „Ich schwärme für die Wiederbelebung der Farbe in der Architektur.“

80 Jahre später geht sein Wunsch - zumindest auf lokaler Ebene - in Erfüllung: Wien blüht in Grün! Denn Humor darf sein. Und gleich daneben gesellt sich die chromatische Metapher, die vielleicht für einen neuerlichen Aufbruch im sozialen Wohnbau steht.



verknüpfte Bauwerke
LEE - Wohnhausanlage Baulücke

9 | 8 | 7 | 5 | 6 | 4 | 3 | 2 | 1