Details

Adresse
Avenida de la Zurriola, 20002 San Sebastián, Spanien
Architektur
Rafael Moneo
Mitarbeit Architektur
Luis Rojo (Projektarchitekt), Ignacio Quemeda, Eduardo Belzunce, Fernando Iznaola, Collette Creppell, Jan Kleihues, Luis Diaz Maurino, Adolfo Zanetti, Robert Robinowitz
Bauherrschaft
Centro Kursaal
Planung
1990
Ausführung
1995 - 1999

Presseschau

24. Januar 2002ORF.at

Klare Formensprache

Für die Jury verbindet der Palacio Kursaal von Rafael Moneo in hervorragender Weise formale Ideen mit städtebaulichen Anforderungen als auch der umgebenden Landschaft.

Für die Jury verbindet der Palacio Kursaal von Rafael Moneo in hervorragender Weise formale Ideen mit städtebaulichen Anforderungen als auch der umgebenden Landschaft.

Nacht in San Sebastian. Zwei leuchtende Quader schimmern wie aus einer anderen Welt. Zumthor zum Quadrat. Der transluzende Effekt, mit dem der Schweizer Architekt beim Kunsthaus Bregenz für internationale Beachtung sorgte, hat nun auch dem Spanier Rafael Moneo das Privileg eingetragen, Europas schönstes Gebäude entworfen zu haben - wenigsten im Biennium 1999-2001.

Alle zwei Jahre vergibt die Europäische Union gemeinsam mit der Mies-van-der-Rohe-Stiftung den Preis für „Europas beste Bauten“. Der innovative Geist von Ludwig Mies van der Rohe schwebt über dem Wettbewerb, und sein Deutschland-Pavillon für die EXPO 1929 gab die Vorlage für die Skulptur, die neben den 50.000 Euro Preisgeld verliehen wird. Der Pavillon am Fuß des Montjuic in Barcelona zählt zu den Architekturikonen der Moderne und inspirierte Architektengenerationen in der ganzen Welt.

Wanderausstellung

Unter dem Titel „Europas beste Bauten“ tourt derzeit eine Ausstellung durch die Lande. Aktuelle Station: der Ringturm in Wien.

Zu sehen sind neben dem Siegerprojekt in San Sebastian, das auf der Homepage der Wiener Städtischen gut dokumentiert wird, nicht nur die drei anderen Finalisten, sondern auch alle weiteren 35 Einreichungen, die in die Endauswahl gekommen sind.

Die Finalisten

Im vergangenen Jahr sorgte die Replik der weltberühmten prähistorischen Höhlenmalereien im nordspanischen Altamira für Aufsehen. Mittlerweile hat das Projekt alle Erwartungen übertroffen und ist mit mehr als 200.000 Besuchern eines der meistbesuchten Museen des Landes geworden.

Der Komplex neben der „geklonten“ Höhle, ein Forschungszentrum mit Bibliothek und einer Restauratoren-Werkstatt, hätte dem spanischen Architekten Juan Navarro Baldeweg beinahe den Preis des besten Gebäudes eingetragen.

Ebenso in die engste Auswahl kam Architekturstar Jean Nouvel, der in Wien zuletzt mit einem der vier Gasometerumbauten im öffentlichen Bewusstsein präsent war. Der Mies-van-der-Rohe-Stiftung ist er mit seinem Entwurf für den Justizpalast in Nantes positiv aufgefallen. Für das Gebäude spreche seine Erhabenheit und die Würde, die es seiner Funktion gemäß ausstrahle.

Vierter Finalist schließlich war der Däne Henning Larsen, der der Unibank in Kopenhagen einen repräsentativen Firmensitz aus Kupfer und Sandstein schneiderte. Die Wandelbarkeit der Materialien stehen für den langen Atem, den die darin befindliche Institution ausströmen soll.

Österreichische Beteiligung

Zwei österreichische Büros haben ebenfalls Aufnahme in den erlauchten Kreis der besten Bauten Europas gefunden. Zum einen der vielfach beachtete Berliner Botschaftskomplex der nordischen Länder von Berger + Parkkinen, zum anderen die um ökologische nachhaltigkeit bemühte Innsbrucker Wohnhausanlage „Am Lohbach“ von Baumschlager/Eberle.

25. April 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Zwei gläserne Monolithe

Europäischer Mies-van-der-Rohe-Preis an Moneos Kursaal in San Sebastián

Europäischer Mies-van-der-Rohe-Preis an Moneos Kursaal in San Sebastián

Am Montagabend wurde in Barcelona der 1988 initiierte und jetzt - mit einiger Verspätung - zum siebten Mal verliehene Mies-van-der-Rohe-Preis 2001 dem Kursaalgebäude im baskischen San Sebastián zugesprochen. Diese grossartige Kulturbastion von Rafael Moneo, die zwei Eisbergen gleich am Atlantikstrand liegt (NZZ 16. 10. 99), wurde anlässlich des Filmfestivals im Herbst vor einem Jahr eröffnet. Obwohl kaum ein Architekt auf Grund seines Könnens die neu zum EU-Preis für zeitgenössische Architektur avancierte und mit 50 000 Euro dotierte Ehrung mehr verdient als der heute 64 Jahre alte Spanier, räumte man dem Bau zunächst kaum Chancen ein. Denn der letzte «Premio Mies van der Rohe» ging 1998 ebenfalls an einen gläsernen Monolithen, genauer: an Zumthors Kunsthaus in Bregenz. Mit San Sebastián setzt die Jury unter dem Vorsitz von Vittorio Magnago Lampugnani nun nicht nur auf Qualität, sondern auch auf Innovation und erstickt mit der baskischen Karte zudem andernorts aufkommende nationale Animositäten im Keim.

Dennoch spielt bei der Preisvergabe das Ländergleichgewicht eine ähnlich wichtige Rolle wie die Architektur. So hatte etwa Jean Nouvels ebenso umstrittener wie einschüchternder Justizpalast in Nantes (NZZ 6. 3. 01) schon deshalb einen schweren Stand, weil Frankreich 1996 mit Perraults Bibliothèque nationale geehrt worden war. Und einer der urbanistisch, soziologisch und baukünstlerisch wichtigsten Beiträge der letzten Jahre, die New Art Gallery von Caruso St John in Walsall (NZZ 6. 11. 00), scheiterte nicht zuletzt daran, dass Grossbritannien 1990 und 1994 mit Foster und Grimshaw zum Zuge kam. Ein idealer Kandidat wäre der niederländische Expo-Pavillon von MVRDV in Hannover gewesen, da mit ihm zwei noch nie ausgezeichnete Länder zugleich hätten gekürt werden können. Vermutlich aber wollte man Rem Koolhaas, dessen bald vollendeter Konzertsaal in Porto gute Aussichten auf den Preis im Jahr 2003 haben dürfte, den Weg nicht verbauen. Ein valabler Kandidat war schliesslich das GSW-Hochhaus von Sauerbruch & Hutton in Berlin (NZZ 3. 9. 99). Doch kann sich Deutschland nun mit dem Nachwuchspreis trösten, der an einen Gewerbebau des jungen Münchners Florian Nagler in Bobingen geht.

16. Oktober 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wie zwei Eisberge am Golf von Biskaya

(SUBTITLE) Rafael Moneos Palacio Kursaal in San Sebastián

Vor zwei Jahren gönnte sich die baskische Metropole Bilbao mit dem Guggenheim-Museum ein neues Wahrzeichen. Nun besitzt seit einigen Wochen auch die Nachbarstadt San Sebastián einen Neubau von internationalem Rang: den Palacio Kursaal. Das gläserne Gebäude des spanischen Meisterarchitekten Rafael Moneo setzt einen mutigen Akzent ins gründerzeitliche Stadtgebilde.

Vor zwei Jahren gönnte sich die baskische Metropole Bilbao mit dem Guggenheim-Museum ein neues Wahrzeichen. Nun besitzt seit einigen Wochen auch die Nachbarstadt San Sebastián einen Neubau von internationalem Rang: den Palacio Kursaal. Das gläserne Gebäude des spanischen Meisterarchitekten Rafael Moneo setzt einen mutigen Akzent ins gründerzeitliche Stadtgebilde.

Vor zwei Jahren gönnte sich die baskische Metropole Bilbao mit dem Guggenheim-Museum ein neues Wahrzeichen. Nun besitzt seit einigen Wochen auch die Nachbarstadt San Sebastián einen Neubau von internationalem Rang: den Palacio Kursaal. Das gläserne Gebäude des spanischen Meisterarchitekten Rafael Moneo setzt einen mutigen Akzent ins gründerzeitliche Stadtgebilde.

Gibt es ein schöneres Seebad als San Sebastián? An der Küste des Golfs von Biskaya spielt zwar das Wetter nicht immer mit, dafür sorgt es für jenes üppige Grün, das man in Spanien sonst vermisst. Die einzigartige Landschaft wird noch überhöht durch das Weichbild der Stadt: Wähnt man sich an der weit geschwungenen, durch einen Inselberg vom offenen Ozean geschützten Bahía de la Concha mitunter an den Quais von Genf, so evozieren die an den Steilhängen klebenden Villen den Belle-Epoque-Charme des Vierwaldstättersees oder des Borromäischen Golfs; und das nach dem grossen Brand von 1813 weitgehend neuerbaute Zentrum atmet noch heute den Geist des 19. Jahrhunderts. Zu Recht geniessen denn auch die von Antonio de Cortázar in einem orthogonalen Raster angelegten, durch Parkanlagen aufgelockerten Quartiere rund um das 1887 als Kasino errichtete Rathaus und das Teatro Victoria Eugenia das Attribut einer «romantischen Stadt». Die 1915 an der Mündung des Urumea erstellte Zurriola-Brücke führt hinüber zum Stadtteil Gros, dessen kurz nach dem Brückenschlag entstandene Atlantikkulisse an Nizzas Promenade des Anglais erinnert. Hier, zwischen Fluss und Strand, findet sich seit kurzem eine höchst eigenwillige Architektur: der Palacio Kursaal des Spaniers Rafael Moneo.


Städtebauliche Identifikationsfigur

Das aus zwei leicht geneigten, eisblauen Glasblöcken bestehende Gebäude, das Ende September anlässlich des Filmfestivals erstmals im internationalen Rampenlicht stand, verkörpert gleichsam die Antithese zur Stadt der Gründerzeit und ist als Moneos neustes Meisterwerk das unterkühlte Gegenstück zu seinem grossartigen Antikenmuseum in Mérida. Trotz der abstrakten Form evoziert dieses doppelte Glashaus immer neue Bilder: Bei Tag glaubt man in ihm zwei gestrandete Eisberge, bei Nacht japanische Papierlampen zu erkennen. Moneo selbst betont, der Ort habe ihm die Form eingeflüstert, und verweist auf die ins Meer vorspringenden Berge. Interpretierte er vor dreissig Jahren noch mit dem am Fluss gelegenen Urumea-Wohnblock subtil den architektonischen Kontext, so suchte er nun beim Kursaal den Dialog mit dem Ort. Ähnlich wie dem als Felsenriff im Häusermeer von Barcelona schwimmenden Diagonal-Gebäude eignet den Glaskörpern daher etwas Geologisches. Indem Moneo sie «nicht zur Stadtstruktur, sondern zur Landschaft» in Bezug setzte, war es ihm möglich, die Uferlinie von Gros als Stadtkante zu bewahren.

Auf diese Weise kann sich der frei am Wasser stehende Kursaal wie eine autonome Skulptur in Szene setzen. Dem weithin sichtbaren Baukomplex kommt zudem - wie die Bezeichnung «Kursaal» antönt - die Aufgabe zu, an jene mondänen Zeiten des Ferienorts zu erinnern, als Königin María Cristina den Sommer über jeweils im Miramar-Palast residierte. Der dadurch ausgelöste Tourismusboom gipfelte 1921 im Bau eines neuen, «Kursaal» genannten Kasinos am Zurriola-Strand. Die glamourösen Tage des Glücksspiels fanden aber 1925 unter Primo de Rivera ein abruptes Ende. Aus dem Kasino wurde ein Theater und schliesslich ein Kino, das man 1972 zugunsten eines nie über die Fundamente hinausgediehenen Neubaus abriss. Der «Schandfleck» und die wehmütige Erinnerung veranlassten 1989 die Stadtregierung zur Ausschreibung eines Wettbewerbs für ein neues Kursaal-Gebäude, in dem das 1953 gegründete und bisher im Victoria- Eugenia-Theater untergebrachte Filmfestival und die seit 1966 durchgeführten Jazztage eine Bleibe finden sollten. Der Herausforderung des prominenten Bauplatzes stellten sich damals auch Grössen wie Botta oder Foster. Doch wusste Moneo, der sich bereits zuvor den Bau des neuen Auditoriums von Barcelona gesichert hatte, die Jury zu überzeugen. Nach einigen Verzögerungen konnte 1995 mit dem Bau begonnen und dieser im vergangenen August eingeweiht werden.


Gegenstück zum Opernhaus von Sydney

Die im Volksmund «los cubos» genannte Kulturbastion ist eine minimalistische Antwort auf das ebenfalls aus zwei Körpern über einem Sockelbau komponierte Opernhaus von Sydney. Auch wenn sich der Kursaal diskreter gibt als der Geniestreich von Moneos einstigem Lehrer Jørn Utzon, stellt er in seiner Klarheit und Konsequenz doch eine vergleichbare städtebauliche Identifikationsfigur oder eben ein «edificio-talismán» dar. Die gigantischen Stahlkonstruktionen lasen sich wie eine Antwort auf Eduardo Chillidas Windkämme an den sturmumtosten Küstenfelsen des Igeldo, bevor Hüllen aus gewellten Glasplatten wie eines jener quer plissierten Kleider von Issey Miyake darübergestülpt wurden. Wie gewagt das leicht dekonstruktivistisch angehauchte Projekt war, zeigte sich erst, als während des Baus die monumentale Freitreppe einstürzte. Dabei gilt Moneo, der 1937 in Tuleda in der Nachbarprovinz Navarra geboren wurde, als Meister seiner Zunft - auch wenn sein Schaffen vom Jahrhundertbau in Mérida über den neomaurischen Flughafen von Sevilla bis hin zur spröden Einfachheit des Auditoriums von Barcelona immer wieder starken Schwankungen unterlag. Gerade sie beweisen jedoch, dass ihm Architektur niemals nur intellektuelle Spielerei bedeutete, sondern ein stetes Ringen mit Bauprogramm und Ort.

Die aussen und innen verglasten Stahltragwerke bergen die holzverkleideten Betonkörper eines 1850 Personen fassenden Auditoriums und eines multifunktionalen Kongresssaals. Im Sockelgeschoss darunter, das sich mit einem Restaurant zum Urumea und mit einigen Geschäften zur Avenida hin öffnet, befinden sich zudem Ausstellungs- und Versammlungsräume, Cafeteria, Bankettsaal und Tiefgarage. Der mit seinen ornamentalen Natursteinmauern im Stil der fünfziger Jahre und den diskreten Wright-Zitaten wie die konkrete Basis eines abstrakten Überbaus erscheinende Sockel öffnet sich strassenseitig zwischen den Geschäften zu einem niedrigen Eingangsbereich. Er bietet zwar Schutz vor Sturm und Regen, würde aber eher zu einer Messe als zu einem Kulturpalast passen. Dennoch kommt dieser düsteren Zone eine architektonische Aufgabe zu, soll sie doch das erschlagende Raumerlebnis des 22 Meter hohen und 60 Meter tiefen Foyers dramatisch steigern. Diese vom hölzernen Klangkörper des Auditoriums und von japanisch inspirierten Glaswänden begrenzte, lichtdurchflutete Halle gewährt - ähnlich wie das Luzerner KKL - durch gezielt angebrachte Öffnungen Panoramablicke: bald auf das kantabrische Meer, dann wieder auf die Aussichtsplattform über dem Sandstrand. Freitreppen, Rampen und Passerellen führen in den wie ein Schiff in der Werft aufgestapelten Musiksaal, dessen schachtelartiger, ganz in Holz gehaltener Innenraum nach neusten akustischen Erkenntnissen ausgestattet wurde.


Neues Selbstverständnis

Die gegenwärtig von Pop und Modern Dance bis Kurt Weill reichende Programmierung des Kursaals lässt vermuten, dass hier - ähnlich wie bei Gehrys Guggenheim-Museum im benachbarten Bilbao - die Form wichtiger ist als der Inhalt. Schon jetzt sind die «Kuben» das neue Wahrzeichen der durch ein einzigartiges städtebauliches Ensemble, aber nur durch wenige prominente Einzelbauten geprägten Stadt. Ist der Kursaal von der Lage her mit dem 1893 im englischen Landhausstil errichteten Miramar-Palast vergleichbar, so übertrifft seine architektonische Bedeutung sogar den 1929 von José Manuel Aizpurúa vollendeten Segelklub, der als einziges Gebäude Spaniens in die legendäre New Yorker International- Style-Schau Einlass fand. Mit diesem architektonischen und urbanistischen Bekenntnis zur Zukunft der Stadt dürfte es San Sebastián - dem baskischen Donostia - gelingen, künftig eher mit Kultur als mit Terroranschlägen in Verbindung gebracht zu werden.

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