10. Mai 2009 - Architekturzentrum Wien
Das typologische Konzept folgt der topografischen Lage der langen, schmalen Streifenparzellen und fügt sich durch die niedrige Randbebauung mit Höfen (Arkadenwohnhöfe, Ahornhof, Ebereschenhof, Buchenhof, Pappelhof) und Plätzen (Vorplatz, Birkenplatz, Lindenplatz) maßstäblich in die Umgebung ein. Arkaden am Rand der Höfe, Dachterrassen, Loggien und Brückentorbauten als Hofabschlüsse bestimmen die leicht geschwungenen Zeilen. Ein vielfältiges Wohnungsangebot mit geschossebenen Raumfolgen, Maisonnette- und Split-Level-Wohnungen in zwei bzw. drei Ebenen kommen dem Wohnwunschbild „Einfamilienhaus“ überraschend nahe. Die Autoabstellplätze wurden an den Rändern der Siedlung in Erdmulden angeordnet. Die in Beton-Fertigbauweise realisierte Wohnhausanlage mit einem signifikanten Fugenbild weist als Charakteristikum grüne Schiebeläden auf, die den dörflichen Charakter der Bebauung ohne heimattümelnde Geste verstärken. Dieses Projekt, das im geförderten Wohnungsbau der 1980er Jahre neue Wege beschritt, wurde 1984 mit dem Bauherrenpreis der ZV ausgezeichnet und gilt noch heute als eines jener raren Wohnbau-Beispiele, die sich mit den Leistungen des Roten Wien messen können.
Die Eigentümerin der Siedlung, die Genossenschaft Volksbau, will nun – Stand Mai 2009 – in Kooperation mit der Sozialbau AG (an der sie mit 15% beteiligt ist) den gesamten Gebäudekomplex einer Generalssannierung inkl. thermischer Sanierung (THEWOSAN) unterziehen und hat bereits eine entsprechende Förderung eingereicht. Dass bei dieser energetisch argumentierten Maßnahme, die der Anlage einen Niedrigenergiehaus-Status bescheren würde, die Architektur in ihrer proportionalen Gesamtwirkung auf der Strecke bleiben kann, ist aus unrühmlichen Vergleichs-Beispielen der jüngeren Vergangenheit bekannt. Die thermische Verpackung wirft gerade im Fall der vielgliedrigen und erkerreichen Anlage Gerasdorferstraße eine Reihe von Problemen auf (siehe etwa deckenbündige Fenster und Türen in den dann zu schmalen und zu niedrigen Laubengängen), die in der Regel ästhetisch äußerst unbefriedigend gelöst werden. Geplant ist u.a. die Entfernung der vorhandenen Isolierschichten bei allen Flachdächern, Loggien und Dachterrassen, der Abbruch sämtlicher Betontröge sowie die Demontage und der Austausch sämtlicher Außentüren und Fenster. Anschließend soll eine „Neuherstellung“ im Sinne der Thewosan-Wärmedämmfassade erfolgen, wobei wertvolle Originalsubstabstanz (etwa rund 120 Holztüren und 60 Hofportale, Betontröge werden durch kleinere Kästen aus Compactplatten ersetzt) verloren gehen würde. Zahlreiche Bewohner der keineswegs baufälligen Anlage (202 von 380 möglichen Stimmen, das sind 53 %) haben sich inzwischen im Rahmen einer Unterschriftenaktion gegen diese fundamentale Maßnahme ausgesprochen. Hoffentlich finden sie an entscheidender Stelle Gehör. (Text: Gabriele Kaiser)